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Silberfischbefall in einer Wohnung – Sachmangel?

LG Münster, Urteil vom 29.04.2016, Az.: 010 O 214/15

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Mit notariellem Vertrag des Notars B in S vom 04.12.2013 zur dortigen UR-Nr. …/… erwarb die Klägerin von dem Beklagten die im Klageantrag bezeichnete Eigentumswohnung. § 4 des notariellen Kaufvertrages lautet wie folgt:

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Silberfischbefall in einer Wohnung – Sachmangel?
Symbolfoto: Leonid Eremeychuk/Bigstock

Die Käuferin hat den Vertragsgegenstand genau besichtigt und kauft ihn im gegenwärtigen ihr bekannten Zustand. Der Käuferin ist bekannt, dass das Wohnungseigentum ca. im Jahr 1994 errichtet wurde und seitdem nicht mehr in der grundlegenden Bausubstanz erneuert wurde. Ansprüche und Rechte der Käuferin wegen eines Sachmangels des Grundstückes sowie der im Sondereigentum und im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Räume und Gebäudeteile sind ausgeschlossen, es sei denn, der Verkäufer handelt vorsätzlich. Von der vorstehenden Rechtsbeschränkung ausgenommen ist eine Haftung bei Arglist oder Täuschung. Garantien werden keine abgegeben.

(…)

Der Verkäufer versichert, dass ihm versteckte Sachmängel nicht bekannt sind, auch Mängel bisher nicht aufgetreten sind.“

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe verschwiegen, dass das Objekt komplett mit Silberfischen verseucht sei. Wie sich später herausgestellt habe, seien Ursache des Silberfischbefalls undichte Fugen im Bereich der Dusche gewesen. Mittlerweile befänden sich die Silberfische in der gesamten Wohnung. Tote und lebende Silberfische in allen Entwicklungsstadien könnten in allen Teilen der Wohnung vorgefunden werden, z. B. auch in Schubladen und Schränken der Küche, im Obergeschoss und im Teppich des Dachgeschosses. Trotz des intensiven Einsatzes verschiedener Kammerjäger und verschiedener Fraßköder, Klebefallen und Kontaktgiften sei bis heute nach einjähriger Bekämpfungsdauer Silberfischbefall aufgetreten. Aufgrund des Umfangs der zwischenzeitlich erfolgten Kontaminierung mit Gift sei mit einer Beseitigung des Silberfischbefalls nicht mehr zu rechnen. Der Kammerjäger habe vielmehr von einem weiteren Gifteinsatz abgeraten.

Unter dem 07.04.2015 hat die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, nachdem sie den Beklagten zuvor erfolglos zur Nachbesserung aufgefordert hat. Sie behauptet, der massive Silberfischbefall habe bereits im Zeitpunkt des Verkaufs und der Übergabe vorgelegen. Hilfsweise macht sie sich das Vorbringen des Beklagten zu eigen, wonach im Zeitpunkt des Verkaufs die Wohnung nicht mit Silberfischen verseucht gewesen sei. Sie ist der Ansicht, in diesem Fall würde der vereinbarte Gewährleistungsausschluss nicht greifen, vielmehr hafte der Verkäufer in diesem Fall sogar für eine zufällig eintretende Verschlechterung der Kaufsache.

Die Klägerin beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 157.574,15 Euro zuzüglich Zinsen aus 117.000,- Euro ab dem 08.04.2015, aus weiteren 29.566,11 Euro ab dem 18.08.2014 sowie aus weiteren 11.008,04 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung von Eigentum und Besitz an dem im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts S von Rheine Stadt Blatt … verzeichneten 626.66/10.000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück

………………

verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Obergeschoss und Dachgeschoss des Hauses 1 Nummer 3 des Aufteilungsplanes mit Kellerraum, Terrasse und der Garage Nummer 3 des Aufteilungsplanes.

Der Miteigentumsanteil ist durch die Einräumung der zu den anderen Miteigentumsanteilen (eingetragen in den Blättern …, …, … – …) gehörenden Sondereigentumsrechte und Sondernutzungsrechte beschränkt.

2. festzustellen, dass sich der Beklagte in Annahmeverzug befindet,

3. festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin sämtliche zukünftigen Schäden aus dem rückabzuwickelnden notariellen Kaufvertrag wie vor zu ersetzen hat,

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 3.313,56 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.04.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, die Wohnung sei weder im Zeitpunkt des Verkaufs noch im Zeitpunkt der Übergabe mit Silberfischen „verseucht“ gewesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G10, U1, L und U2. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.03.2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 157.574,15 EUR Zug um Zug gegen Rückübertragung von Eigentum und Besitz an dem an der in dem Antrag bezeichneten Wohnung. Dieser Anspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 434, 437, 440, 323 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die von der Klägerin erworbene Wohnung im Zeitpunkt des Kaufs am 04.12.2013 oder der Übergabe am 11.03.2014 einen Silberfischbefall aufgewiesen hat, der so erheblich war, dass die von der Klägerin erworbene Wohnung sich nicht für das Bewohnen geeignet hat oder keine Beschaffenheit aufgewiesen hat, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten konnte (§ 434 BGB). Zu berücksichtigen ist dabei auch die Wertung des § 323 Abs, 5 S. 2 BGB, wonach bei nicht vertragsgemäßer Bewirkung der Leistung ein Rücktritt nicht in Betracht kommt, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Dabei kann die Frage dahinstehen, ab welchem Zeitpunkt Silberfische in der zu beurteilenden Eigentumswohnung erstmals aufgetreten sind. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Silberfischbefall in einer Wohnung auftreten kann. Dabei handelt es sich nicht um einen erheblichen Mangel i.s.d. § 326 Abs. 5 S. 2 BGB. Ein Sachmangel im Sinne des § 434 BGB liegt nur dann vor, wenn der Silberfischbefall so erheblich ist, dass sich die von der Klägerin erworbene Eigentumswohnung für die gewöhnliche Verwendung, nämlich dass Wohnen, nicht mehr eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die nicht mehr üblich ist. Dies kann in dem hier vorliegenden Fall nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Übergabe am 11.03.2014 ein derartiger Silberfischbefall vorgelegen hat. So ist selbst der Klägerin nach ihrem eigenen Bekunden am 29.04.2014 und damit ca. drei Wochen nach der Übergabe erstmals aufgefallen, dass im Flur etwas gehuscht sei. Die Klägerin hat dann angegeben, dass sie vor den Flursockeln fünf, sechs oder sieben tote Silberfische nach dem Einsatz von Fressködern gefunden habe sowie fünf bis sechs tote Silberfische auf der Arbeitsplatte in der Küche. Dies bezeichnet die Klägerin zwar als ganz massiven Befall. Allerdings kann bei dieser Anzahl an Silberfischen noch nicht festgestellt werden, dass es sich um eine Anzahl handelt, die bei Eigentumswohnungen unüblich wäre oder die dazu führt, dass diese Wohnung sich nicht mehr für die Verwendung zum Wohnen eignen würde. Zwar hat der Zeuge U2, der zur Schädlingsbekämpfung hinzugezogen wurde, bekundet, er habe reichlich Silberfische gesehen und zwar in sämtlichen Größen, so große habe er vorher noch nie gesehen, und zwar überall in der Wohnung. Auf Nachfragen musste er jedoch einräumen, dass er nur in einer Etage der Wohnung gewesen sei. Er hat auch bekundet, dass er noch nie einen Fall gehabt habe, wo er so viele Silberfische habe bekämpfen müssen. Allerdings musste er insoweit auch einräumen, dass er zuvor vielleicht zweimal eine Silberfischbekämpfung in einer Wohnung vorgenommen habe. Hinsichtlich des zeitlichen Einsatzes des Herrn U2 konnte lediglich festgestellt werden, dass das in dem Zeitpunkt gewesen sein muss, wo die Klägerin ihm erklärt habe, sie sei ausgezogen zu ihrer Mutter. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, sie sei am 30.06.2014 wieder ausgezogen, also ca. 3,5 Monate nach Übergabe. Die Zeugen L, G10 und U1 hingegen waren im September und Oktober 2014 in der Wohnung der Klägerin, also mehr als sechs Monate nach Übergabe. Der Zeuge L hat bekundet, ihm sei von einem massiven Silberfischbefall berichtet worden, er habe jedoch nur vereinzelt Tiere festgestellt. Nach der Anzahl der auf den Klebeflächen festgestellten Tiere würde er das eher als kleinen Befall bezeichnen. Der Zeuge G10 hingegen konnte sich nicht daran erinnern, ob ein starker Befall oder ein weniger starker Befall von Silberfischen vorgelegen habe. Auch der Zeuge U1, der die Duschecke der Klägerin neu verfliesen sollte, konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie viele Silberfische er vorgefunden habe.

Nach alledem lässt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen, dass der Silberfischbefall im Zeitpunkt der Übergabe so stark war, dass hierbei von einem „Mangel“ im Sinne des § 434 BGB auszugehen ist. Da die Klage mit dem Hauptantrag abzuweisen war, waren auch die Feststellungsanträge zurückzuweisen. Die Klägerin hatte auch keinen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlicher Rechtsanwaltsvergütung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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