Skip to content
Menü

Sittenwidrigkeit eines Mietvertragsnachtrags zu Lasten zukünftiger Wohnungserwerber

LG Hamburg –  Az.: 316 S 7/14 –  Urteil vom 07.10.2014

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 05.12.2013, Az. 40a C 248/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Beklagten und dem früheren Eigentümer und Vermieter, Herrn Dr. O.. C. H.., geschlossene Nachtrag zum Mietvertrag vom 25.01./11.04.1994 über die Wohnung S…weg XX, (PLZ) H.., 4. OG rechts, vom 23.12.2005 keine Rechtswirkung entfaltet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger zu 2/3, die Beklagten zu 1/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.982,52 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger als Vermieter begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit einer zwischen den Beklagten und dem Voreigentümer der Mietwohnung geschlossenen Vereinbarung sowie die Räumung der Wohnung.

Die Beklagten mieteten 1994 mit dem aus der Anlage K7 ersichtlichen Mietvertrag eine 4 Zimmer Wohnung im S…weg … in H.. von dem damaligem Eigentümer, dem Zeugen Dr. H.., zu einer monatlichen Nettokaltmiete in Höhe von 1.890 DM an. Mit notariellem Kaufvertrag vom 7.12.2005 verkaufte der Zeuge Dr. H.. die Wohnung an den Kläger. Für die weiteren Einzelheiten des Kaufvertrages wird auf die Anlage B4 verwiesen. Unter dem 23.12.2005 schlossen der Zeuge Dr. H.. sowie die Beklagten eine als „Nachtrag zum Mietvertrag vom 25.01./11.04.1994 über die Wohnung S…weg …, (PLZ)H.., IV. OG rechts“ bezeichnete Vereinbarung. Diese lautete u.a.:

„Präambel

Mit Datum des Kaufvertrages vom 8. Dezember 2005 hat Herr G.. F.. (…) die Wohnung (…) käuflich erworben. Aufgrund des anstehenden Eigentümerwechsels bestätigen sich der Vermieter O..H.. und die Eheleute R.. heute schriftlich die in der Vergangenheit mündlich getroffene Vereinbarung…Der Vermieter hat das Objekt in Augenschein genommen und musste erhebliche Mängel eingestehen….

I.

…Für den Fall, dass die Mängel nicht sämtlich, wie vom Vermieter zugesichert, bis zum 31. Dezember 2005 abgestellt sein sollten, setzten die Parteien Absprache gemäß wegen der bisherigen Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung die monatliche Netto-Kaltmiete beginnend ab dem 1.1.2006 auf 580 € fest. Nach Ablauf von drei Jahren wird die Miete zum 1. Januar 2009 auf 95 Prozent des Mittelwertes der dann gemäß Mietspiegel ortsüblichen Netto-Kaltmiete angehoben, ohne dass es weiterer vertraglicher Änderung bedarf.

II.

Die Vertragsparteien einigten sich, dass die Aufwendungen der Mieter für die Behebung von bisherigen Dekorationsschäden, die durch Mängel an der Bausubstanz entstanden sind, mit der dem Vermieter geleisteten Mietsicherheit verrechnet werden. Es besteht kein Anspruch des Vermieters auf Wiederauffüllung der Sicherheitsleistung. Im Rahmen etwaiger Renovierungsarbeiten darf der altersbedingt schadhafte Herd in der Wohnküche vom Mieter entfernt und entsorgt werden.

III.

Bei Rückgabe der Wohnung im Falle eines Auszugs schulden die Mieter keine Renovierung, sondern lediglich eine besenreine Wohnung.

IV.

Der Vermieter hat auf das Recht einer ordentlichen Kündigung, insbesondere auf das Recht einer Eigenbedarfskündigung, bis zum 31.12.2026 verzichtet.“

Der Kläger wurde am 1.1.2006 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Im Rahmen eines in den Jahren 2009 bis 2011 laufenden Rechtsstreits zwischen den Parteien vor dem Amtsgericht Hamburg (Az.: 48 C 488/09) sandten die Beklagten dem Kläger mit Schriftsatz vom 7.7.2010 die oben genannte Vereinbarung zu. Dieser Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem sich die Parteien auf eine monatliche Nettokaltmiete von 915,21 € einigten.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05.04.2013 erklärte der Kläger den Beklagten die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung mit der Begründung, dass die Vereinbarung vom 23.12.2005 nur abgeschlossen worden sei, um dem Kläger erhebliche Nachteile zuzufügen. Gleichzeitig wurden die Beklagten zu einer Erklärung aufgefordert, dass die Vereinbarung vom 23.12.2005 unwirksam sei.

Der Kläger hat behauptet, die Vereinbarung vom 23.12.2005 sei vorsätzlich und absichtlich getroffen worden, um dem Kläger erhebliche wirtschaftliche und persönliche Nachteile zuzufügen.

Mit Klagschrift vom 17.05.2013 hat der Kläger Räumung der Wohnung, Feststellung, dass der Nachtrag vom 23.12.2005 keine Rechtswirkung entfalte, sowie Zahlung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und behauptet, die Vereinbarung gehe auf frühere Abreden der Beklagten mit dem Zeugen H.. zurück.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigungserklärung vom 5.4.2013 sei unwirksam, da sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 314 Abs. 3 BGB ausgesprochen worden sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass der Nachtrag vom 23.12.2005 keine Rechtswirkung entfalte. Der Kläger sei auf die Miethöhe sowie auf den Anspruch, dass den Mietern kein Anspruch auf Rückzahlung einer Kaution zustehe, bereits bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages am 7.12.2005 hingewiesen worden. Im Übrigen fehle es am Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz sowie wegen des Inhalts und der Begründung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 05.12.2013 einschließlich der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 19.12.2013 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 17.01.2014 eingelegten Berufung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Mit Schriftsatz vom 19.03.2014 hat er die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigungserklärung des Mietverhältnisses erklärt und zur Begründung ausgeführt, durch falsche Angaben der Beklagten zur Miethöhe in dem im Zeitraum 2009 bis 2011 vor dem Amtsgericht Hamburg geführten Verfahren sei von einem Täuschungs- und Betrugsversuch zu Lasten des Klägers auszugehen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 05.12.2013, Az. 40a C 248/13 aufzuheben und

1. die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Haus S…weg …, (PLZ)H.., 4. OG rechts, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, Abstellraum, Bad und WC sowie Keller zu räumen und an den Kläger herauszugeben,

2. festzustellen, dass der zwischen den Beklagten und dem früheren Eigentümer und Vermieter, Herrn Dr. O.. C. H.., geschlossener Nachtrag zum Mietvertrag vom 25.01./11.04.1994 über die Wohnung S…weg …, (PLZ)H.., 4. OG rechts, vom 23.12.2005 keine Rechtswirkung entfaltet.

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit als Nebenforderung für die außergerichtlichen Kosten der Geschäftsgebühr nach § 13 RVG Nr. 2300 VV zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. H…

II.

Die gemäß §§ 517, 520 Abs. 2, 511 Abs.2 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Dem Antrag auf Feststellung, dass der zwischen den Beklagten und dem früheren Eigentümer und Vermieter, dem Zeugen Dr. H.., geschlossene Nachtrag zum Mietvertrag vom 25.01./11.04.1994 über die Wohnung S…weg …, (PLZ)H.., 4. OG rechts, vom 23.12.2005 keine Rechtswirkung entfaltet, war stattzugeben. Denn dieser Nachtrag ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB unwirksam. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. Ellenberger in: Palandt, BGB 71. Auflage 2012, § 138 Rz 2). Dabei kann sich ein Sittenverstoß auch daraus ergeben, dass erworbene Rechte Dritter durch ein Rechtsgeschäft gefährdet werden oder ein Rechtsgeschäft auf die Beeinträchtigung künftiger Rechtspositionen von Dritten abzielt (vgl. Armbrüster in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 138 Rz 96 mwN). So verstößt ein Vertrag, durch welchen die Vertragsparteien einen Dritten durch bewusstes Zusammenwirken schädigen, gegen § 138 BGB (BGH, Urteil vom 18. März 1996, Az.: II ZR 10/95, Rz 9, zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Denn die Beklagten haben mit dem Zeugen H.. den Nachtrag vom 23.12.2005 zu einem Zeitpunkt geschlossen, in dem feststand, dass die dort getroffenen Regelungen auf Vermieterseite allein den Kläger, dessen Eigentumsübergang unmittelbar bevorstand, treffen würden, nicht aber den Zeugen Dr. H… Der Kläger hat insoweit durch Vernehmung des Zeugen beweisen können, dass der Zeuge und die Beklagten vor der schriftlichen Abfassung des Nachtrags vom 23.12.2005 die dort enthaltenen Vereinbarungen nicht getroffen hatten. Der Zeuge hat bekundet, dass es immer wieder Gespräche gegeben habe, wie mit den Mängeln der Mietwohnung und den daraus folgenden Rechten der Beklagten umzugehen sei, ohne dass eine konkrete Vereinbarung getroffen worden sei. So hat er ausgesagt, er und der Beklagte hätten im ganzen Jahr 2004 immer wieder über eine Minderung und darüber, was der Zeuge den Beklagten wegen der Mängel schulde, verhandelt. Der Beklagte habe dabei zu dem Zeugen gesagt, er, der Zeuge, habe dem Beklagten immer zugesagt, der Beklagte könne die Miete mindern oder die Wohnung kaufen. Der Zeuge habe deshalb „eine offene Rechnung“ gegenüber den Beklagten gehabt. Dies sei „faktisch ein schwebendes Schuldverhältnis“ zu seinen Mietern gewesen. Der Zeuge „habe es für billig gehalten“, den Beklagten einen Minderungsanspruch zu gewähren. Er habe sich dazu verpflichtet gefühlt. Die Vereinbarung im Nachtrag vom 23.12.2005 sei dann von dem Zeugen aufgesetzt worden. Daraus ergibt sich, dass der Zeuge und die Beklagten die konkreten Vereinbarungen, wie sie im Nachtrag vom 23.12.2005 geregelt sind, erst durch Unterzeichnung dieses Nachtrags getroffen haben. Dies gilt auch für den Ausschluss der Eigenbedarfskündigung. Zwar hat der Zeuge bekundet, er habe den Beklagten bei einem Treffen in deren Wohnung im Jahre 1995 gegenüber mitgeteilt „von mir aus bleibst Du da drin, bist Du schwarz wirst“. Eine Erklärung, dass der Vermieter bis zum 31.12.2026 auf eine Eigenbedarfskündigung verzichtet, ist darin aber nicht enthalten. Der Zeuge ist auch insoweit glaubwürdig, seine Aussage glaubhaft. Er konnte den Geschehensablauf im Wesentlichen anhand persönlicher wichtiger Daten einordnen. Dies ist nachvollziehbar. Dass er nicht genauere Einzelheiten nennen konnte, ist dem Zeitablauf geschuldet und lässt für sich keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage aufkommen. Die Kammer ist auch deshalb vom Wahrheitsgehalt der Aussage überzeugt, weil der Zeuge für ihn im Verhältnis zum Kläger ungünstige Angaben getätigt hat, indem er im Ergebnis bestätigte, dass eine konkrete Vereinbarung mit den Beklagten erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages mit dem Kläger getroffen wurde. Dies steht auch im Einklang mit dem als Anlage B2 (Bl. 104f. d.A.) eingereichten Schreiben der Beklagten an den Zeugen vom 21.10.2004, in dem sie eine Mietminderung in Höhe von 83 % sowie ein Zurückbehaltungsrecht gelten machen. Dieses Schreiben lässt erkennen, dass konkrete Vereinbarungen darüber, welche Rechte die Beklagten aufgrund der Mängel haben sollten, zum Zeitpunkt des Schreibens nicht getroffen worden waren.

Die Beklagten konnten den Gegenbeweis nicht erbringen. Der Beklagte hat, in der Berufungsverhandlung vom 17.06.2014 persönlich angehört, erklärt, nach einer unwirksamen Eigenbedarfskündigung im Jahre 1995 habe der Zeuge sie besucht und ihnen gegenüber erklärt „von mir aus können Sie da ewig drin bleiben, viele Jahrzehnte“. Da hätten die Abmachungen begonnen, die immer mündlich gewesen seien. Eine Vereinbarung, dass die Eigenbedarfskündigung bis zum 31.12.2026 ausgeschlossen sein sollte, ist dem nicht zu entnehmen. Konkrete Angaben, wann welche der in dem Nachtrag aufgenommenen Regelungen vor dem 23.12.2005 vereinbart worden seien, konnte der Beklagte nicht machen.

Auch die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit sind gegeben. § 138 BGB setzt hier voraus, dass alle Beteiligten sittenwidrig handeln, d.h. die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit begründen, kennen oder sich ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen (vgl. Wendtland in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Stand 1.8.2014, § 138 Rz 25 mwN¸ BGH, Versäumnisurteil vom 10. Januar 2007, Az.: XII ZR 72/04, Rz 13, zitiert nach juris). Sowohl die Beklagten als auch der Zeuge wussten, dass die in dem Nachtrag genannten zugunsten der Beklagten getroffenen Regelungen auf Vermieterseite allein den Kläger, nicht aber den Zeugen treffen würden, denn der Nachtrag wurde laut der Präambel „aufgrund des anstehenden Eigentümerwechsels“ formuliert. Die Kammer geht zwar aufgrund der Aussage des Zeugen davon aus, dass den Beklagten nach ihrer Auffassung und der Ansicht des Zeugen das zukam, was ihnen aufgrund der lang anhaltenden und auch vom Zeugen bestätigten Mängel zustand. Die Sittenwidrigkeit erfordert jedoch nicht, dass beide Parteien gezielt zu dem Zwecke handeln, die Rechtsposition des Dritten zu beeinträchtigen. Es reicht insoweit die bloße Kenntnis der die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts begründenden Umstände aus. Diese liegen hier aufgrund der Tatsache vor, dass der Zeuge H.. die ihm nach eigener Ansicht treffende Schuld gegenüber den Beklagten dadurch begleichen wollte, dass er nicht sich selber sondern den Kläger verpflichtete. Dies war für die Beklagten auch ohne weiteres erkennbar.

2.

Der Räumungsantrag war abzuweisen. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Herausgabe der Mieträumlichkeiten aus §§ 546, 985 BGB, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet ist.

a. Die Kündigungserklärung vom 05.04.2013 ist unwirksam.

aa. Der Kläger war nicht berechtigt, mit Schreiben vom 05.04.2013 unter Berufung auf den Nachtrag vom 23.12.2005 die außerordentliche Kündigung zu erklären, da die Kündigungserklärung nicht innerhalb einer angemessenen Frist i.S.d. § 314 Abs. 3 BGB erfolgte. Nach Auffassung der Kammer ist § 314 Abs. 3 BGB auch auf Kündigungen eines Wohnraummietverhältnisses anwendbar.

Zwar wird zum Teil vertreten, dass § 314 BGB im Mietrecht keine Anwendung fände, weil §§ 543, 569 BGB speziellere Regelungen und damit abschließend seien. Die Frage, ob § 314 Abs. 3 BGB auch im Wohnraummietrecht anwendbar ist, hat der BGH bislang offen gelassen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.04.2010, Az.: VIII ZR 206/09). Allerdings hat der BGH selbst bei Überprüfung einer Kündigung eines Gewerberaummietverhältnisses § 314 Abs. 3 BGB herangezogen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2007, Az.: XII ZR 36/05). Da auch im Gewerberaumietverhältnis § 543 BGB gilt, könnte eine Anwendbarkeit von § 314 Abs. 3 BGB für Wohnraummietverhältnisse nur unter Rückgriff auf § 569 BGB abgelehnt werden. § 569 BGB enthält indes nur Ergänzungen zu § 543 BGB. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Gewerberaummieter durch § 314 Abs. 3 BGB geschützt werden soll, der insoweit aber schutzbedürftigere Wohnraummieter nicht. Der BGH hat nun auch in einer neueren Entscheidung für entscheidungserheblich gehalten, welcher Zeitraum zwischen der Kenntnis des Wohnraumvermieters von der Vertragsverletzung durch den Wohnraummieter und der Kündigungserklärung durch den Vermieter vergangen ist, und hält dies entweder unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB oder aufgrund von § 314 Abs. 3 BGB für relevant (vgl. BGH, Urteil vom 09. April 2014, Az.: VIII ZR 107/13, Rz 20).

Die Kündigung des Klägers vom 05.04.2013 erfolgte nicht innerhalb einer angemessenen Frist, da der Kläger jedenfalls seit dem Schriftsatz vom 7.7.2010 im Vorprozess Kenntnis von der Vereinbarung zwischen dem Zeugen Dr. H.. und den Beklagten hatte, aber erst 2 Jahre und 9 Monate später die Kündigung aussprach. Hier ist auch die Tatsachenkenntnis entscheidend, so dass der Kläger sich nicht darauf berufen kann, erst durch Rechtsberatung durch den Klägervertreter Kenntnis von der Unwirksamkeit der Vereinbarung erhalten zu haben.

bb. Die Kündigungserklärung vom 05.04.2013 ist auch nicht als ordentliche Kündigung wirksam. Dem Kläger steht trotz Sittenwidrigkeit des Nachtrags vom 23.12.2005 kein ordentliches Kündigungsrecht zu, da er kein berechtigtes Interesse an einer Kündigung hat. Eine allgemein gültige Definition des berechtigten Interesse i.S.d. § 573 BGB fehlt. Vielmehr kann das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses je nach Kündigungssachverhalt unterschiedlich bewertet werden (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 573 Rz 188). Der Abschluss einer sittenwidrigen Vereinbarung zum Nachteil des Klägers ist als Verstoß gegen das gegenseitige mietvertragliche Rücksichtnahmegebot zu werten, auch wenn der Kläger zum Abschluss des Nachtrags vom 23.12.2005 selber noch nicht Vertragspartner der Beklagten war. Denn dass der Eintritt in die Vermieterstellung durch Eigentumsübergang auf den Kläger unmittelbar bevorstand, war auch den Beklagten bekannt. Dennoch hat der Kläger nach Auffassung der Kammer kein berechtigtes Interesse an der Vertragsbeendigung. Denn hier ist zu bedenken, dass die Beklagten nach überzeugenden Ausführungen des Zeugen in einer Mietwohnung wohnten, die mängelbehaftet war, und sie durch den Nachtrag eine Rechtsposition erlangten, die ihnen nach Ansicht der damaligen Vertragsparteien, nämlich des Zeugen Dr. H.. und der Beklagten, auch zustand. Zugleich sind die Rechte des Klägers dadurch gewahrt, dass das Gericht den Nachtrag vom 23.12.2005 für unwirksam erklärt hat. Nach alldem erscheint die Pflichtverletzung der Beklagten nicht so erheblich, dass sich daraus ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigungserklärung vom 05.04.2013 ergibt.

b. Dem Räumungsantrag war auch nicht aufgrund der Kündigungserklärung in der Berufungsbegründung vom 19.03.2014 stattzugeben. Diese Kündigungserklärung war nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO als neues Angriffsmittel zuzulassen, da sie schon in der ersten Instanz hätte geltend gemacht werden können. Der Kläger stützt seine Kündigung darauf, dass die Beklagten durch den ursprünglichen Mietvertrag mit dem Zeugen Dr. H.. zur Zahlung eines monatlichen Nettokaltmiete in Höhe von 966,34 € verpflichtet gewesen seien, in dem Verfahren vor dem Amtsgericht zum Az. 48 C 488/09 aber angegeben hätten, eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 915,21 € zu schulden. Diese Umstände waren dem Kläger indes spätestens seit Juni 2013 bekannt, da ihm zu diesem Zeitpunkt nach seinen eigenen Ausführungen der Mietvertrag zwischen den Beklagten und dem Zeugen Dr. H.. zur Verfügung gestellt worden sei. Der Kläger hätte damit ohne weiteres vor der mündlichen Verhandlung am 19.09.2013, auf die das erstinstanzliche Urteil erging, eine entsprechende Kündigungserklärung abgeben können. Selbst wenn man die Kündigungserklärung vom 19.03.2014 als neues Angriffsmittel in der Berufungsinstanz zuließe, wäre sie nicht innerhalb angemessener Frist i.S.d. § 314 Abs. 3 BGB erklärt worden.

3.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten. Die Kündigungserklärung vom 05.04.2013 ist unwirksam. Die Anwaltskosten für die allgemeine Prüfung der Rechtslage durch einen Rechtsanwalt des Vermieters schuldet der Mieter nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.04.2013 wurde den Beklagten eine Frist gesetzt, um die Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 23.12.2005 zu erklären. Ein späteres vorgerichtliches Tätigwerden des Klägervertreters, welches einen Schadensersatzanspruch aus Verzug begründen könnte, ist nicht ersichtlich.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Urteil beruht auf einer Einzelfallentscheidung.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!