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Sondereigentum – muss Eigentümer das Betreten gestatten?

AG Hamburg-St.Georg – Az.: 980b C 36/20 WEG – Beschluss vom 09.07.2021

1. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Der Streitwert wird festgesetzt auf 500,00 Euro.

Gründe:

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nach Maßgabe von § 91 a ZPO noch über die Kosten zu entscheiden. Im Streitfall entspricht es nach unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Sie wäre bei streitigem Fortgang des Rechtsstreits mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unterlegen gewesen. Die Klage vom 17.11.2020 – gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagtem, das Betreten ihrer (jeweils bewohnten) Wohnungen Nr. und Nr. ### im Hause ### durch einen Mitarbeiter der Verwaltung zusammen mit Mitarbeitern der Heizungsablesefirma zu dulden und diesen Personen den Zugang zu den Wohnungen zu verschaffen, damit dort festgestellt werden kann, ob die dort an den jeweiligen Heizkörpern montierten funkbasierten Heizkostenverteiler ordnungsgemäß montiert sind und korrekt die Heizleistung erfassen – war zulässig und begründet. Dem liegt folgendes zugrunde:

Sondereigentum - muss Eigentümer das Betreten gestatten?
Muss ein Eigentümer das Betreten des Sondereigentumsgestatten? (Symbolfoto: Von Production Perig/Shutterstock.com)

1. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Beheizung der beiden – von der Beklagten und ihrer Schwester genutzten – Wohnungen über Fernwärme erfolge und die Kosten in der Gemeinschaft zu 30 % nach Fläche (hier: jeweils 66 m², verteilt auf drei Zimmer) und zu 70 % nach Verbrauch erfolge. Im Jahr 2017 seien für die Ermittlung der Heizkosten funkbasierte Heizkostenverteiler installiert worden, im Jahr 2018 seien aber Fehler bei der Erfassung der Verbräuche festgestellt worden, weswegen eine Ablesung durch einen Mitarbeiter der Heizungsablesefirma notwendig geworden sei. Diese habe ergeben, dass in Wohnung Nr. ### bei drei und bei Wohnung Nr. ### bei vier von jeweils von fünf Heizkörpern der Wert „0“ abzulesen gewesen sei, im Übrigen nur auffällig niedriger bzw. so gut wie kein Verbrauch. Daraus hätten sich für das Jahr 2017 Verbrauchskosten von 0,35 Euro (Wohnung Nr. ###) – entsprechend einem Verbrauch von ca. 2 kWh pro Jahr – bzw. von 63,74 Euro (Wohnung Nr. ###) ergeben. Für die Folgejahre 2018 und 2019, in denen die Verbräuche funkbasiert abgelesen worden seien, hätten sich Werte von 0,33 Euro (2018) und 11,00 Euro (2019) für die Wohnung Nr. ### und 34,98 Euro (2018) und 48,00 Euro (2019) für die Wohnung Nr. ### ergeben. Vor der Installation der neuen Erfassungsgeräte hätten die Werte für Wohnung Nr. ### zwischen 225,75 Euro (2006) und 51,85 Euro (2011) bzw. für die Wohnung Nr. ### zwischen 1.055,02 (2005) und 105,08 (2007) gelegen. Aufgrund dieser erheblichen Abweichungen und der nicht nachvollziehbaren Werte sei die Beklagte von der Verwaltung gebeten worden, der Heizungsablesungsfirma Zutritt zu ihren Wohnungen zu gewähren, damit die ordnungsgemäße Montage und Funktion der Zähler überprüft werden könne. Sie, die Klägerin, habe ein erhebliches Interesse daran, dass sämtliche Erfassungsgeräte für den Heizverbrauch ordnungsgemäß arbeiten, damit die Verteilung der Heizkosten korrekt erfolgen könne. Aus § 14 Ziff. 4 WEG folge daher ein Anspruch auf Duldung des Betretens der Wohnungen der Beklagten, den diese aber bisher nicht erfüllt habe.

Auf der Eigentümerversammlung v. 27.10.2020 wurde zu TOP 10 beschlossen, die Verwaltung zu ermächtigen, den Anspruch auf Zutritt zu den Wohnungen der Beklagten zur Überprüfung der Heizkostenverteiler mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage der Beklagten ist Gegenstand des Verfahrens zum Az. 980b C 37/20 WEG.

Die Beklagte hat der Klage entgegen gehalten, dass der vorgenannte Beschluss keine Rechtsgrundlage für die begehrte Duldung schaffe. Der streitbehaftete Anspruch müsse sich an Art. 13 Abs. 1 GG messen lassen. Es müssten also überragend wichtige und im Übrigen konkret feststehende Gründe ersichtlich sein, die die Verurteilung zur Duldung eines Zutritts zur grundrechtlich geschützten Wohnung rechtfertigen könnten. Vermutungen reichten dafür nicht aus. Im Übrigen habe sie mehrfach deutlich gemacht, dass einzelne Heizkörper in einzelnen Räumen nicht betrieben werden, da dort auf andere – elektrische – Art und Weise geheizt werde. Die installierten Geräte würden einwandfrei arbeiten; es gebe keine Hinweise auf technische Mängel oder Defekte. Einziger Grund für die niedrigen Verbräuche sei die Sparsamkeit von ihr und ihrer Schwester.

Auf eine Strafanzeige eines Mitglieds der Klägerin vom 18.02.2020 hat die Staatsanwaltschaft Hamburg zum ### ein Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte und ihre Schwester wegen Computerbetruges (§ 263a StGB) eingeleitet. Mit Beschluss vom 16.02.2021 ### hat das Amtsgericht Hamburg die Durchsuchung der Wohnungen der Beklagten angeordnet. Dieser Beschluss wurde am 16.02.2021 durch die Strafverfolgungsbehörden in Anwesenheit von Mitarbeitern des Heizungsablesedienstes vollstreckt. Die Durchsuchung hat u.a. ergeben, dass in beiden Wohnungen jeweils zwei Heizkostenverteiler – im Wohn- und im Schlafzimmer – aktiv demontiert worden sind, wobei die Funkübertragung weiterhin gewährleistet ist.

Auf Hinweis des Gerichts, dass sich dadurch die Hauptsache erledigt haben dürfte, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenantrag gestellt, die Beklagte unter Verweis auf ihr tangiertes Grundrecht (Art. 13 GG).

2. Der Klägerin stand ein durchsetzbarer Anspruch auf Duldung des Zutritts zu den Wohnungen der Beklagten aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG n.F. zu. Danach ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst. Diese, vom Gesetzgeber mit dem zum 01.12.2020 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (BGBl. I 2020, 2187) neu geschaffene Anspruchsgrundlage (vgl. Agatsy, in: Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 4, Rn. 49) ermöglicht es in Anlehnung an § 14 Abs. 4 HS 1 WEG a.F. und unter Heranziehung der dazu entwickelten Grundsätze (so Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 14, Rn. 21), unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen (und Grundrechtspositionen) im Einzelfall ein anlassbezogenes, auf konkreten Tatsachen gestütztes Betretungsrecht zugunsten der Gemeinschaft anzunehmen. So liegt der Fall hier. In Rede standen kein allgemeines Betretungsrecht der Klägerin oder eine (nach Emmerich, in: Bärmann/Pick, WEG, 20. Aufl. 2020, § 14, Rn. 39 unzulässige) Routinekontrolle, sondern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die mangelnde Funktionsfähigkeit der im Jahr 2017 neu installierten (Funk-)Heizkostenverteiler, die die Klägerin auf die – im Lichte der Größe der streitbehafteten Wohnungen und den Verbräuchen in den Vorjahren – ersichtlich deutlich zu geringen Verbrauchswerte, die die Geräte erfasst haben, gestützt hat. Selbst wenn sich die Beklagte insoweit auf die grundrechtlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG, die mittelbar auch im einfachen Recht und im Rahmen des hiesigen Gemeinschaftsverhältnisses zu beachten ist (vgl. zur mittelbaren Drittwirkung grundsätzlich etwa Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL [10/2020], Art. 13, Rn. 8; zur Anwendung im Rahmen von § 14 WEG etwa LG Hamburg, ZMR 2014, 392), berufen kann, überwiegen im Streitfall die Interessen der Klägerin an dem Betreten derselben. Die von Heizkostenverteilern aufgezeichneten und im Rahmen einer (Funk-)Ablesung übermittelten Verbrauchswerte dienen ihrem Sinn, Zweck und Anwendungsbereich nach der Abrechnung der Heizkosten (nach Verbrauch), und zwar gegenüber allen Mitgliedern der Klägerin nach dem jeweilig geltenden Kostenverteilungsschlüssel. Ebenso wie der Einbau und die Ablesung von solchen Erfassungsgeräten – gestützt durch die §§ 3, 4 Abs. 2 S. 1 HS 2 HeizKVO – sachlicher Grund für eine Duldungspflicht des Sondereigentümers sein können (s. AG Sonthofen, ZWE 2019, 183, 184; Hügel/Elzer, a.a.O., § 14, Rn. 27 m.w.N.), gilt dies erst Recht für eine anlassbezogene Überprüfung von deren Funktionsfähigkeit. Der Verweis auf ein bloß „sparsames“ Heizungsverhalten, das die Beklagte für sich und ihre Schwester behauptet hat, wurde im Streitfall – ergänzt durch die wegen ihrer Kostenträchtigkeit nicht nachvollziehbare Behauptung, es werde „elektrisch“ geheizt – erschüttert durch die äußerst geringen bzw. gen Null tendierenden Verbräuche, die in beiden Wohnungen erfasst worden sind, und den Umstand, dass gerade bzw. erst nach der Installation der neuen Ablesegeräte im Jahr 2017 die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verringerten Ablesewerte ermittelt worden sind. Im Übrigen wurde anlässlich der Durchsuchung der Wohnungen der Beklagten durch die Strafverfolgungsbehörden in dem gegen sie geführten Ermittlungsverfahren zu Tage gebracht, dass mehrere Ablesegeräte in beiden Wohnungen (unter Aufrechterhaltung ihrer „Funkaktivität“) aktiv von den Heizkörpern demontiert worden sind, was einerseits die von der Klägerin schlüssig dargelegten Zweifel an deren fehlerfreier Funktion bestätigt hat und andererseits auch erklärt, weswegen die Geräte zwar ab- bzw. ausgelesen werden konnten, aber keine oder nur sehr geringe Verbräuche registriert haben. Die Beklagte konnte sich gegenüber der Klägerin angesichts dieser Umstände nicht auf einen unzumutbaren „Nachteil“, den die Ausübung des Betretungsrechts mit sich gebracht hätte, berufen.

3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO. Das vermögenswerte Interesse der Parteien an der Entscheidung schätzt das Gericht – entgegen der vorläufigen Angabe der Klägerin (5.000,00 Euro) – auf 500,00 Euro (so auch Agatsy, in: Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, 2021, § 10, Rn. 16 „Begehung der Wohnungseigentumsanlage/Besichtigungsrecht“).

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