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Streitigkeit in Bruchteilseigentümer – Gemeinschaft eine WEG-Sache?

OLG Brandenburg – Az.: 1 AR 2/22 – Beschluss vom 21.02.2022

Zuständig ist das Amtsgericht Potsdam.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat mit der beim Landgericht Potsdam erhobenen Klage den Beklagten – zunächst – auf einen Ausgleich von Kosten des im hälftigen Miteigentum der Parteien stehenden Hausgrundstücks / in Höhe von 5.864,46 Euro nebst Zinsen und weiteren Nebenforderungen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und eine Widerklage erhoben, durch die er die Verurteilung der Klägerin zur Abgabe von Erklärungen zur Aufteilung des Hausgrundstücks in Wohnungseigentum verfolgt. Die Klägerin hat daraufhin die Klage erweitert auf die Verurteilung des Beklagten zur Herbeiführung der Rückauflassung seines hälftigen Miteigentumsanteils und der Löschung einer auf dem Hausgrundstück lastenden Grundschuld sowie die Herausgabe des vom Beklagten genutzten Grundstücksteils.

Das Landgericht Potsdam hat unter dem 24.4.2019 auf Bedenken gegen seine Zuständigkeit für die Widerklage unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer WEG-Sache hingewiesen. Durch Beschluss vom 26.11.2021 hat es den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.12.2021 zu einer beabsichtigten Abtrennung der Widerklage und Verweisung des abgetrennten Rechtsstreits gemäß §§ 23 Nr. 2c GVG, 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG an das Amtsgericht Potsdam gegeben.

Darauf hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.12.2021 am Bestehen der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts festgehalten und hilfsweise die Verweisung an das vermeintlich zuständige Gericht beantragt.

Durch Beschluss vom 7.1.2022 hat das Landgericht Potsdam die Widerklage abgetrennt und an das Amtsgericht Potsdam verwiesen.

Das Amtsgericht Potsdam hat sich durch Beschluss vom 20.1.2022 ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

II.

Auf die Vorlage durch das Amtsgericht Potsdam ist dessen Zuständigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.

1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, da die am Gerichtsstandsbestimmungsverfahren beteiligten Gerichte sich in seinem Bezirk befinden.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der auch für die sachliche Zuständigkeit gilt (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 36, Rn. 4), liegen vor. Sowohl das Landgericht Potsdam als auch das Amtsgericht Potsdam haben sich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar Ersteres durch den Verweisungsbeschluss vom 7.1.2022 und Letzteres durch den Vorlagebeschluss vom 20.1.2022. Beide Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat, NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 36, Rn. 34 f.).

3. Zuständig ist das Amtsgericht Potsdam.

Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Potsdam nach § 281 Abs. 2 ZPO. Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Regelung kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung und Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.5.2011, X ARZ 109/11; Senat, JMBI. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink, NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).

Denn derart zu konkretisierenden Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam – noch – stand.

Der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör ist beachtet worden. Das Landgericht Potsdam hat durch Beschluss vom 26.11.2021 die Absicht der Abtrennung und Verweisung der Widerklage an das Amtsgericht Potsdam bekannt gegeben und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wovon der Beklagte mit Schriftsatz vom 13.12.2021 Gebrauch gemacht und hilfsweise einen Antrag auf Verweisung der Widerklage an das nach Ansicht des Landgerichts Potsdam zuständige Gericht gestellt hat. Dass die Klägerin zu diesem Antrag nicht – nochmals – angehört worden ist, ist unschädlich, da sich, nachdem die Klägerin dem Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 26.11.2021 nicht entgegengetreten war, ihre erneute Anhörung zum Verweisungsantrag vom 13.12.2021 in einer bloßen Förmelei erschöpft hätte, die dem Landgericht Potsdam nicht abzuverlangen gewesen ist.

Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Potsdam entbehrt auch nicht jeder gesetzlichen Grundlage. Er steht im Einklang mit §§ 23 Nr. 2c GVG, 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wonach für Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Wohnungseigentümern untereinander die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben ist.

Bei der Prüfung dieser Vorschriften ist das Landgericht Potsdam im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG weit auszulegen und ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts nicht die jeweilige Rechtsgrundlage ist, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (BGH, Beschluss vom 24.9.2020, V ZB 90/19; Beschluss vom 20.2.2014, V ZB 116/13; Jennißen/Suilmann, WEG, 7. Aufl., § 43, Rn. 30 f.; je m. w. N.). Der daran anschließenden rechtlichen Würdigung des Landgerichts Potsdam, dass nach Maßgabe dieser Grundsätze auch die im vorliegenden Fall gegebene Streitigkeit zwischen Mitgliedern einer Bruchteilseigentümergemeinschaft nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG zu behandeln sei, vermag der Senat zwar nicht beizutreten, da die Bruchteilseigentümer nicht eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden und ihre Binnenbeziehungen nicht Gegenstand des Gemeinschaftsverhältnisses der Wohnungseigentümer, sondern des allgemeinen Zivilrechts sind (BGH, Beschluss vom 20.2.2014, V ZB 116/13). Die gegenteilige Sichtweise des Landgerichts Potsdam ist auf der Grundlage des dargestellten rechtlichen Ausgangspunkts jedoch nicht gänzlich unvertretbar und in der Beschlussfassung vom 26.11.2021, auf dessen Gründe der Verweisungsbeschluss vom 7.1.2022 ausdrücklich Bezug nimmt, eingehend und in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht Sicht nachvollziehbar, wenn auch nicht dem Rechtsverständnis des Amtsgerichts Potsdam und des Senats entsprechend, begründet worden. Damit kann entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Potsdam nicht eine willkürliche Verweisung durch das Landgericht Potsdam angenommen werden mit der Folge, dass der Rechtsstreit beim Amtsgericht Potsdam zu verbleiben hat.

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