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Streitwert einer Mieterklage auf einen Mangelbeseitigungskostenvorschuss

OLG Rostock – Az.: 3 W 44/19 – Beschluss vom 20.11.2019

In der Beschwerdesache hat das Oberlandesgericht Rostock – 3. Zivilsenat – am 20.11.2019 beschlossen:

1. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Rostock im Urteil vom 08.03.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus einem Mietvertrag einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die Beseitigung von Mängeln geltend. Weiterhin begehrt sie die Erstattung von Gutachterkosten im Wege des Schadensersatzes.

Mit ihrem Klagantrag zu 1. hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 697.147,00 Euro nebst Zinsen zu verurteilen. Mit dem Klagantrag zu 2. hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin einen den Betrag von 696.000,00 Euro übersteigenden Vorschuss zu zahlen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit Urteil vom 08.03.2019 hat das Landgericht Rostock den Gegenstandswert auf 766.747,00 Euro festgesetzt. Dabei hat es den Klagantrag zu 2. mit 69.600,00 Euro bewertet.

Mit Beschwerde vom 19.03.2019 begehrt die Klägerin den Streitwert abzuändern und auf 29.626,39 Euro festzusetzen. Auf die Streitwertberechnung finde § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG Anwendung. Hiernach sei bei Ansprüchen des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung maßgebend. Zwar erfasse der Wortlaut der Norm nicht Ansprüche auf Zahlung eines Vorschusses zur Finanzierung von Instandsetzungsmaßnahmen. Doch lägen die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 41 Abs. 5 GKG vor.

Aus den Erwägungen des Gesetzgebers gehe hervor, dass mit § 41 Abs. 5 GKG der besonderen Situation der Instandsetzung und Modernisierung Rechnung getragen werden solle. Der Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses zur Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen sei eine besondere Ausprägung des Anspruchs auf die Beseitigung des Mangels und damit auf Instandsetzung. Wie die Mangelbeseitigungsklage lege in gleichem Maße auch die zum Zwecke der Mangelbeseitigung erhobene Vorschussklage das Interesse an der Beseitigung der vorhandenen Mängel offen.

§ 41 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GKG solle in erster Linie vermeiden, dass eine Festsetzung des Streitwertes nach den Kosten einer Instandsetzungsmaßnahme erfolge. Deshalb sei eine analoge Anwendung des § 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG für die Bemessung des Gebührenstreitwertes aufgrund der vergleichbaren Interessenlage geboten.

Die Streithelferin ist dem entgegen getreten. Gegenstand der Klage sei nicht die Beseitigung der Mängel, so dass eine Bestimmung des Gebührenstreitwertes nach § 41 Abs. 5 GKG nicht in Betracht komme. Vielmehr bemesse sich der Streitwert einer Vorschussklage an den voraussichtlichen Kosten der Mangelbeseitigung.

Das Ziel der Begrenzung des Streitwertes nach § 41 Abs. 5 GKG bestehe darin, Mietern die Möglichkeit zu geben, eine gerichtliche Prüfung durchführen zu lassen und nicht durch zu hohe Gerichtsgebühren von einer solchen Prüfung abgehalten zu werden. Dieser sozialpolitische Punkt greife hier jedoch nicht. Bei der Klägerin handele es sich nicht um ein kleines oder mittelständisches Unternehmen oder einen Wohnraummieter, sondern um ein Großunternehmen. Sie könne eine solche gerichtliche Prüfung jederzeit durchführen lassen. Die Klägerin habe sogar die Gerichtskosten nach einem Streitwert aus dem Wert des Vorschusses gezahlt.

Folgte man im Übrigen der Ansicht der Klägerin, müsste auch dann, wenn der Mieter einen Mangel bereits beseitigt hat und nur noch die Kostenerstattung mit der Klage verfolgt, ebenfalls die Gebühren nach § 41 Abs. 5 GKG berechnet werden. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Mieter die Mängelbeseitigung bereits durchgeführt hat oder zunächst die Kosten im Wege eines Vorschusses geltend macht.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.04.2019 nicht abgeholfen. Wegen der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf den Nichtabhilfebeschluss Bezug.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien nimmt der Senat auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Macht der Mieter einen Kostenvorschuss zur Ausübung seines Selbsthilferechtes aus § 536a Abs. 2 BGB geltend, richtet sich der Gebührenstreitwert einer hierauf gerichteten Klage nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO und damit nach der begehrten Höhe des Vorschusses, welche sich an den voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten orientiert (LG Berlin, Urt. v. 14.08.2012, 63 T 121/12, GE 2012, 1381; Münch in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BG, 8. Aufl., § 536a BGB Rn. 52; Spielbauer/Schneider, Mietrecht, § 536a Rn. 38; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort Mietstreitigkeiten; Herrlein/Kandelhard-Schneider, Mietrecht, 4. Aufl., § 536a Rn. 34; a.A. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 13. Aufl., § 536 Rn. 524; LG Berlin, Beschluss vom 18.11.2011, 63 T 157/11, NJW 2012, 693 = GE 2012, 407). Der Senat schließt sich der Ansicht an, dass § 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG auf einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung keine Anwendung findet.

§ 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG, welcher auch auf Gewerberaummietverhältnisse Anwendung findet (BGH, Beschluss vom 02.11.2005, XII ZR 137/05, NJW-RR 2006, 378; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.03.2007, I -24 W 9/07, OLGR Düsseldorf 2007, 535; KG, Beschl v. 26.08.2010, 8 W 38/10, NZM 2011, 92 = MDR 2010, 1493; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 3805), erfasst Ansprüche des Mieters auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen. Der Anspruch des Mieters vom Vermieter einen in Geld zu leistenden Vorschuss für die Durchführung der Selbsthilfemaßnahme fordern zu können, der gesetzlich zwar nicht geregelt aber in der Rechtsprechung seit langem Anerkannt ist (vgl. hierzu auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536a Rn. 146 m.w.N.), wird vom Wortlaut der Norm nicht erfasst. Der Mieter fordert vom Vermieter gerade nicht mehr die Durchführung der Instandsetzung, sondern eine Geldleistung, die der Instandsetzung durch den Mieter selbst vorbereitend dient.

Auch eine analoge Anwendung des § 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG auf den Kostenvorschussanspruch des Mieters scheidet aus.

Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urt. v. 16.07.2003, VIII ZR 274/02, BGHZ 155, 380; BGH, Urt. v. 17.11.2009, XI ZR 36/09, BGHZ 183, 169; BGH, Urt. v. 21.01.2010, IX ZR 65/09, BGHZ 184, 101; BGH, Urt. v. 01.07.2014, VI ZR 345/13, BGHZ 201, 380). Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem – dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden – Regelungsplan ergeben, wie er sich aus dem Gesetz selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung ergibt (BGH, Urt. v. 14.12.2006, IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187) und aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann (BGH, Urt. v. 13.04.2006, IX ZR 22/05, BGHZ 167, 178; BGH, Beschluss vom 14.06.2016, VIII ZR 43/15, NZM 2016, 890 = WuM 2016, 514 = GE 2016, 1025).

Betreffend den aus § 536a Abs. 2 BGB abgeleiteten Kostenvorschussanspruch besteht eine solche planwidrige Regelungslücke jedoch nicht. Mit § 41 Abs. 5 GKG wollte der Gesetzgeber der besonderen Situation der Instandsetzung und Modernisierung Rechnung tragen (BT-Drucks. 15/1971, S. 155). Dem entspricht, dass der Gesetzgeber keine allgemeine – insbesondere keine Zahlungsklagen betreffende – Begrenzung des Gebührenstreitwerts im Mietrecht geschaffen hat, um sozialpolitischen Belangen Rechnung zu tragen. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, die Regelungen zum Mietrecht im Gerichtskostengesetz jeweils nur punktuell und vor dem Hintergrund einer Kontroverse in der Rechtsprechung zu erweitern (BGH, Beschluss vom 14.06.2016, VIII ZR 43/15, NZM 2016, 890 = WuM 2016, 514 = GE 2016, 1025). Aus sozialpolitischen Gründen sollte dem Mieter die Möglichkeit eröffnet werden, durch ein Gericht feststellen zu lassen, ob er gegenüber dem Vermieter einen Anspruch auf Instandsetzung der Mietsache hat, ohne dass er vor der Durchsetzung der Hauptpflicht des Vermieters, ihm den vertragsgemäßen Gebrauch zu gewähren und die Sache im vertragsgemäßen Zustand zu erhalten, aufgrund ihn erwartender hoher Gerichtskosten zurückschreckt, wenn sich der Gegenstandswert eines solchen Verfahrens etwa nach den zu erwartenden Kosten der Mangelbeseitigung richtet. Um diesen Zweck zu erreichen, braucht der Mieter keinen Kostenvorschuss. Er kann sich darauf beschränken, die Erfüllung des Mietvertrages gerichtlich geltend zu machen. Schon deshalb ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Gebührendeckelung auch auf einen Zahlungsanspruch erstrecken wollte, der weder im Gesetz geregelt ist, noch sicherstellt, dass der Mieter nach erfolgter Vorschusszahlung auch die festgestellten Mängel mit diesen Mitteln beseitigt.

Darüber hinaus scheitert eine analoge Anwendung auch an der fehlender Vergleichbarkeit des Instandsetzungsanspruches und des Kostenvorschussanspruches. Zum einen beseitigt die Geldzahlung den Mangel nicht. Zum anderen haben beide Ansprüche im Ergebnis eine unterschiedliche Zielrichtung. Der Instandsetzungsanspruch im Sinne des § 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG ist auf die Wiederherstellung des uneingeschränkten Nutzungswertes der gemieteten Räume gerichtet (Schneider/Herget/Kurpat, a.a.O., Rn. 3803). Der Kostenvorschussanspruch hingegen soll lediglich, wie der Aufwendungsersatzanspruch selbst, die mit der Selbsthilfe verbundene Vermögenseinbuße ausgleichen (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536a Rn. 150). Schon deshalb gibt es keine Rechtfertigung dafür, den Kostenvorschuss anders als den Aufwendungsersatzanspruch zu behandeln. Es ist nicht ersichtlich, warum der Mieter, der erst einen Kostenvorschuss einklagt und die Selbsthilfe später vornimmt, kostenmäßig besser gestellt werden sollte, als der Mieter, der zunächst in Vorkasse mit der Mängelbeseitigung geht und die so angefallenen Kosten dann gegen den Vermieter gerichtlich durchzusetzen versucht (so auch LG Berlin, Urt. v. 14.08.2012, 63 T 121/12, GE 2012, 1381). Dies gilt umso mehr, als mit der Gewährung eines Kostenvorschusses das Insolvenzrisiko bereits vom Mieter auf den Vermieter verlagert wird. Während beim Aufwendungsersatz der Mieter das Risiko der Kostenerstattung trägt, liegt das Risiko bei einen Kostenvorschuss auf Seiten des Vermieters.

Schließlich fehlt es dem Kostenvorschussanspruch gegenüber dem Instandsetzungsanspruch auch schon deshalb an einer Vergleichbarkeit, weil dieser – ebenso wie der Anspruch auf Feststellung einer Minderung – schlussendlich auf eine Geldleistung und nicht auf die Vornahme einer Handlung gerichtet ist. Daher lassen sich die Erwägungen zu einer fehlenden Analogiefähigkeit bei einer auf die Feststellung der Minderung gerichteten Klage, mit welcher der BGH die Anwendung des § 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG auf eine solche Klage verneint hat, auf den Kostenvorschussanspruch ohne weiteres übertragen (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 14.06.2016, VIII ZR 43/15, NZM 2016, 890 = WuM 2016, 514 = GE 2016, 1025; LG Berlin, Beschluss vom 23.09.2016, 65 S 54/16, WuM 2016, 693 = GE 2016, 1445).

Das gesetzgeberische Ziel des § 41 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 GKG, dem Mieter die gerichtliche Überprüfung der Mangelhaftigkeit der Mietsache zu ermöglichen, wird durch die Bestimmung des Gegenstandswertes einer auf Kostenvorschuss gerichteten Klage nach den zu erwartenden Beseitigungskosten auch nicht beschränkt. Der Mieter selbst hat es in der Hand, ob er eine Klage auf Vorschusszahlung oder eine Klage auf Mängelbeseitigung erhebt. Entscheidet sich der Mieter für einen Kostenvorschuss, macht er eine Zahlung zum Gegenstand seiner Klage (ebenso LG Berlin, Urt. v. 14.08.2012, 63 T 121/12, GE 2012, 1381).

Nach alledem gebührt der hier vertretenen Ansicht der Vorrang.

 

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