AG Gießen – Az.: 48 C 295/17 – Urteil vom 02.07.2018
Es wird festgestellt, dass die jeweiligen Mieter im ersten Obergeschoss des Hauses „…“, bestehend derzeit aus den Klägerinnen 1. bis 4. berechtigt sind, ohne besondere Genehmigung der Beklagten Mitmieter auszutauschen mit der Maßgabe, dass jeder Mieterwechsel der Beklagten von den bisherigen und den neuen Mietern angezeigt wird und in der Person des neuen Bewohners kein Ablehnungsgrund vorliegt.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen 1.626,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz 464,65 Euro seit dem 9.1.2018 und aus 1.161,45 € seit dem 16.3.2018 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Der Streitwert wird für die Zeit bis zur Klageänderung auf 4.366,97 € festgesetzt (12 x 232,29 € + 464,50 € + 80 % von 6 x 232,29 €).
Der Streitwert für die Zeit nach der Klageänderung wird auf 4.413,51 € festgesetzt (12 x 232,29 € + 1.626,03 €).
Tatbestand
Die Beklagte ist Eigentümerin des Anwesens „…“. Die Wohnung im ersten Obergeschoss dieses Hauses wird seit 2000 von einer Wohngemeinschaft bewohnt. Mittlerweile sind die ursprünglichen Mieter aus dem Mietverhältnis ausgeschieden, für sie sind andere Personen in das Mietverhältnis eingetreten.
Der letzte schriftliche Mietvertrag wurde am 1.9.2013 abgeschlossen. Wegen dessen Inhalt wird auf Blatt 5-13 der Akte verwiesen. An die Stelle der in diesem Mietvertrag aufgeführten Mieter sind die Klägerinnen in das Mietverhältnis eingetreten.
Mitte 2017 forderte die Beklagte die Klägerinnen auf, ab August einer Mieterhöhung um 131,93 € zuzustimmen.
Im August 2017 teilten die Klägerinnen der Beklagten mit, anstelle der Klägerin zu 4) wolle „…“ als Mieterin in die Wohnung einziehen möchte.
Mit Schreiben vom 1.9.2017 (Blatt 14 der Akte) teilte die Beklagte mit, bis zur Klärung der bestehenden Mieterhöhung und Zahlung der restlichen Miete werde keinem Mieterwechsel zugestimmt.
Die Klägerinnen zahlten in der Folgezeit die volle Miete nur noch unter Vorbehalt.
Mit der vorliegenden Klage verlangen die Klägerinnen die Feststellung, dass sie ohne besondere Genehmigungen einzelne Mieter auswechseln dürfen.
Außerdem verlangten sie mit dem Antrag 2 Schadensersatz wegen eines entgangenen Mietanteils ab September 2017 in Höhe von 464,50 €. Der Antrag 3 lautete auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, den durch die Verweigerung des Mieterwechsels ab Dezember 2017 entstehenden Schaden zu tragen.
Die Kläger haben die Anträge 2 und 3 dahingehend geändert, dass sie jetzt die Zahlung des entgangenen Mietanteils für die Monate September 2017 bis März 2018 in Höhe von je 232,29 € pro Monat verlangen.
Die Klägerinnen behaupten, „…“ sei nicht eingezogen. Die Klägerin zu 3) habe das Zimmer der Klägerin zu 4) übernommen. Das bisherige Zimmer der Klägerin zu 3) stehe leer. Auf dieses Zimmer entfalle ein Mietanteil von 232,29 €.
Die Klägerinnen beantragen,
1. festzustellen, dass die jeweiligen Mieter im ersten Obergeschoss des Hauses „…“, bestehend derzeit aus den Klägerinnen 1) bis 4) berechtigt sind, ohne besondere Genehmigung der Beklagten Mitmieter auszutauschen mit der Maßgabe, dass jeder Mieterwechsel der Beklagten von den bisherigen und den neuen Mietern angezeigt wird und in der Person des neuen Bewohners kein Ablehnungsgrund vorliegt.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen 1.626,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz 464,65 Euro seit dem 9.1.2018 und aus 1.161,45 € seit dem 16.3.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, in der streitgegenständlichen Wohnung stehe kein Zimmer leer. Sie ist zudem der Rechtsansicht, sie sei nicht verpflichtet, einem Mieterwechsel zuzustimmen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 27.3.2018 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Klägerinnen zu 1), 3) und 4) als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.6.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerinnen haben gegenüber der Beklagten sowohl einen Anspruch auf die begehrte Feststellung als auch auf Schadensersatz. Die Beklagte hat ihre Vertragspflicht auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel verletzt.
Es ist unstreitig, dass die Wohnung der Klägerinnen seit vielen Jahren von jeweils mehreren Personen gemietet wurde und dass in der Vergangenheit problemlos Mieter ausgetauscht wurden. Der geltend gemachte Anspruch auf Auswechslung der Mieter ergibt sich daraus, dass bei dem Abschluss des letzten schriftlichen Mietvertrages wieder ein Mieterwechsel gestattet wurde, so dass die Klägerinnen davon ausgehen konnten, dass auch künftig Mieter ausgewechselt werden können. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte wusste, dass die Bewohner zumindest teilweise Studenten waren, die dort unterschiedlich lange wohnen wollten. Weil die Beklagte in der Vergangenheit dem Wechsel von Mietern zugestimmt hat konnten die neuen Mieter davon ausgehen, dass dies auch in Zukunft so gehandhabt werden sollte, auch wenn die neuen Mieter immer der Klägerin persönlich vorgestellt wurden und die Zustimmung erst danach erteilt wurde. Der Anspruch auf einem Mieterwechsel ist daher Vertragsinhalt geworden. In entsprechender Anwendung von § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt eine Anzeige an den Vermieter, um diesem Gelegenheit zu geben, dem Mieterwechsel zu entsprechen, wenn ein wichtiger Grund in der Person des neuen Mieters vorliegt (vgl. LG Berlin, WuM 16, 553).
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie wisse nicht, was „…“ mache und wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite. Zum einen hat sie die Klägerinnen insoweit nie um Auskunft gebeten und die Ablehnung nur wegen der fehlenden Zustimmung zur Mieterhöhung erklärt. Zum anderen haften die übrigen Mieterinnen für etwaige Ansprüche als Gesamtschuldner.
Die Beklagte ist auch verpflichtet, den Klägerinnen den entgangenen Mietanteil als Schadensersatz zu zahlen. Die Verweigerung jeglichen Mieterwechsels im Schreiben vom 1.9.2017 ist eine Vertragsverletzung, die zum Schadensersatz verpflichtet. Die Beklagte bestreitet zwar, dass die Klägerinnen die Wohnung nur zu dritt bewohnen, es ist aber unstreitig, dass die Klägerin zu 4) ausgezogen ist. Im Übrigen ist die Beklagte dafür beweispflichtig, dass eine andere Person in die Wohnung eingezogen ist. Dieser Beweis ist ihr nicht gelungen. Die Klägerinnen zu 1), 3) und 4) haben in ihren Parteivernehmungen jeweils glaubhaft ausgesagt, dass das zuvor von der Klägerin zu 4) bewohnte Zimmer seit deren Auszug bis auf wenige, zu vernachlässigende Gegenstände leer steht. Da das Gericht von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugt ist, wurde von einer Parteivernehmung der Klägerin zu 2) abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.