Eine Eigentümergemeinschaft stritt jahrelang, weil eine Wohnungstür im Dachgeschoss entgegen der Teilungserklärung ins gemeinschaftliche Treppenhaus ragte. Obwohl der Rückbau auf 100.000 Euro geschätzt wurde, sah das Gericht keinen Weg daran vorbei.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Weshalb stritten die Eigentümer über eine Wohnungstür im Dachgeschoss?
- Warum verlangten die neuen Eigentümer den Rückbau der Tür und einer Wand?
- Weshalb weigerten sich die Nachbarn und die Eigentümergemeinschaft, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen?
- Wie klärte das Landgericht Köln den Streit um die tatsächlichen Rückbaukosten?
- Warum entschied das Gericht, dass der Rückbau trotz der Kosten zumutbar ist?
- Aus welchen Gründen verwarf das Gericht die weiteren Einwände der Beklagten?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Warum ist die Teilungserklärung für meine Wohnung so wichtig?
- Kann ich den Rückbau bei unrechtmäßig umgebautem Gemeinschaftseigentum fordern?
- Muss ein Rückbau trotz hoher Kosten durchgeführt werden?
- Wann kann ich eine Beschlussersetzungsklage bei meiner WEG einreichen?
- Was tun, wenn meine Eigentümergemeinschaft den Rückbau ablehnt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 29 S 121/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Neue Eigentümer bemerkten, dass die Wohnungstür der Nachbarn und eine Wand ins Treppenhaus ragten. Dies beanspruchte gemeinschaftliches Eigentum entgegen den Bauplänen.
- Die Rechtsfrage: Muss eine bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Treppenhaus rückgängig gemacht werden, wenn sie nicht den Plänen entspricht?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht entschied, dass die Veränderung zurückgebaut werden muss. Die Kosten für den Rückbau waren nicht zu hoch und die Änderung nicht erlaubt.
- Die Bedeutung: Gemeinschaftseigentum muss den ursprünglichen Plänen entsprechen. Eine unrechtmäßige Bebauung muss daher oft rückgängig gemacht werden, auch wenn dies Kosten verursacht.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Landgericht Köln
- Datum: 25.04.2024
- Aktenzeichen: 29 S 121/21
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eigentümer einer Wohnung in einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG). Sie forderten die Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Treppenhauses gemäß ursprünglichem Bauplan.
- Beklagte: Die Eigentümer der Dachgeschosswohnung in derselben WEG. Sie wehrten sich gegen den Rückbau und legten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Eine Wohnung im Dachgeschoss wurde baulich vom ursprünglichen Plan abweichend ausgeführt, indem Teile des Treppenhauses als Sondereigentum genutzt wurden. Die Kläger wollten, dass das Treppenhaus wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt wird.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Haben die Kläger einen Anspruch darauf, dass das gemeinschaftliche Treppenhaus wieder exakt nach dem ursprünglichen Plan hergestellt wird, oder wäre dies für die Beklagten unzumutbar?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.
- Zentrale Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die tatsächliche Bauausführung vom ursprünglichen Plan abwich und der notwendige Rückbau technisch machbar sowie finanziell zumutbar ist.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Beklagten müssen die Kosten des Berufungsverfahrens tragen und die ursprünglich vom Amtsgericht angeordnete Wiederherstellung des Treppenhauses muss umgesetzt werden.
Der Fall vor Gericht
Weshalb stritten die Eigentümer über eine Wohnungstür im Dachgeschoss?
In einem Mehrfamilienhaus entbrannte ein Streit, der seinen Ursprung in der baulichen Gestaltung des Dachgeschosses hatte. Neue Eigentümer, die im Februar 2016 die Wohnung Nr. 2 erworben hatten, stellten fest, dass die Realität von den offiziellen Plänen abwich.

Konkret ging es um die benachbarte Dachgeschosswohnung Nr. 3. Deren Eingangstür und eine angrenzende Wand waren weiter in das gemeinschaftliche Treppenhaus hineingebaut worden, als es die Teilungserklärung vorsah. Dieses Dokument ist rechtlich bindend und vergleichbar mit der Verfassung eines Hauses; es legt genau fest, welche Teile des Gebäudes zum Sondereigentum (einer einzelnen Wohnung) und welche zum Gemeinschaftseigentum (allen Eigentümern gemeinsam) gehören, wie etwa das Treppenhaus oder das Dach. Durch diese bauliche Veränderung war nicht nur das Treppenhaus kleiner, sondern auch der Spitzboden wurde praktisch in die Dachgeschosswohnung integriert und damit dem Gemeinschaftseigentum entzogen.
Warum verlangten die neuen Eigentümer den Rückbau der Tür und einer Wand?
Die neuen Eigentümer pochten auf ihr Recht, dass das Gemeinschaftseigentum so hergestellt wird, wie es im ursprünglichen Aufteilungsplan von 1999 dokumentiert ist. Jeder Miteigentümer hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass das Gebäude den Plänen entspricht, die im Grundbuch hinterlegt sind. Sie sahen in der vorgezogenen Wand und Tür eine unrechtmäßige Aneignung von Gemeinschaftsfläche. Auf einer Eigentümerversammlung am 7. November 2019 stellten sie daher den Antrag, die Gemeinschaft solle den Rückbau beschließen und so den plangerechten Zustand wiederherstellen. Die Mehrheit der Eigentümer lehnte diesen und weitere Anträge der neuen Eigentümer jedoch ab. Daraufhin zogen die unterlegenen Eigentümer vor Gericht. Sie klagten auf Beschlussersetzung. Das bedeutet, sie baten das Gericht, den abgelehnten Beschluss durch ein Urteil zu ersetzen und so den Rückbau anzuordnen, da die Ablehnung durch die Gemeinschaft einer ordnungsgemäßen Verwaltung widersprochen habe.
Weshalb weigerten sich die Nachbarn und die Eigentümergemeinschaft, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen?
Die Eigentümer der Dachgeschosswohnung und die Mehrheit der Gemeinschaft sahen die Sache anders. Ihr zentrales Argument war, dass der Rückbau gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde. Dieser im § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankerte Grundsatz soll verhindern, dass jemand sein Recht auf eine unfaire, schikanöse oder für die andere Seite unzumutbare Weise durchsetzt. Die Beklagten argumentierten, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sei genau ein solcher Fall. Sie behaupteten:
- Die Kosten seien unverhältnismäßig hoch: Sie rechneten mit Ausgaben zwischen 80.000 und 100.000 Euro.
- Der Eingriff sei tiefgreifend: Ein Rückbau würde ihre Wohnung erheblich beeinträchtigen, insbesondere den Zugang zum Spitzboden.
- Die Bauausführung sei so gewollt gewesen: Es gäbe geänderte Baupläne und eine Nachtragsbaugenehmigung, die die jetzige Position der Tür belegen würden.
Das Amtsgericht Bonn gab in erster Instanz den Klägern recht. Es entschied, dass die Bauausführung tatsächlich von den Plänen abweicht und ein Rückbau nicht treuwidrig sei. Die von den Beklagten genannten hohen Kosten seien nicht ausreichend nachgewiesen worden. Gegen dieses Urteil legten die Eigentümer der Dachgeschosswohnung Berufung beim Landgericht Köln ein.
Wie klärte das Landgericht Köln den Streit um die tatsächlichen Rückbaukosten?
Das Landgericht Köln als Berufungsinstanz ging der entscheidenden Frage nach den Kosten und der technischen Machbarkeit auf den Grund. Um eine objektive Grundlage für seine Entscheidung zu haben, beauftragte das Gericht einen unabhängigen Sachverständigen. Dieser sollte prüfen, ob der Rückbau technisch überhaupt möglich ist und was er wirklich kosten würde. Die Schätzungen der Parteien lagen mit unter 15.000 Euro (Kläger) und bis zu 100.000 Euro (Beklagte) extrem weit auseinander. Der Diplomingenieur legte am 17. November 2022 sein schriftliches Gutachten vor und erläuterte es zusätzlich in der mündlichen Verhandlung. Das Ergebnis war eindeutig: Die Maßnahme ist technisch ohne Weiteres durchführbar. Sie erfordert keine Eingriffe in die tragende Decken- oder Bodenkonstruktion. Im Wesentlichen müssten nur die Tür versetzt und neue, nicht tragende Wände errichtet werden. Die Bruttokosten für all diese Arbeiten inklusive Planung bezifferte der Experte auf exakt 35.992,03 Euro.
Warum entschied das Gericht, dass der Rückbau trotz der Kosten zumutbar ist?
Das Landgericht Köln wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Der Anspruch der Kläger auf Wiederherstellung des plangerechten Zustands ist nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar kann ein solcher Anspruch laut der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfallen, wenn die Erfüllung für die anderen Eigentümer unzumutbar wäre. Dies ist jedoch eine hohe Hürde. Das Gericht prüfte die Argumente der Beklagten im Licht des Sachverständigengutachtens und kam zu dem Schluss, dass hier keine Unzumutbarkeit vorliegt.
Die Kosten von knapp 36.000 Euro seien, verteilt auf die gesamte Eigentümergemeinschaft, nicht unverhältnismäßig hoch. Sie stehen in keinem groben Missverhältnis zum Interesse der Kläger an einem plan- und rechtmäßigen Zustand des Gemeinschaftseigentums. Auch wenn die zurückzugewinnende Fläche mit unter einem Quadratmeter gering erscheint, ist nicht die reine Quadratmeterzahl entscheidend. Vielmehr geht es um das Prinzip, dass Gemeinschaftseigentum nicht eigenmächtig in Sondereigentum umgewandelt werden darf. Die vom Sachverständigen festgestellte technische Machbarkeit ohne tiefgreifende Eingriffe untermauerte diese Einschätzung. Der Rückbau war also weder technisch extrem aufwendig noch finanziell ruinös. Damit fiel das Hauptargument der Beklagten in sich zusammen.
Aus welchen Gründen verwarf das Gericht die weiteren Einwände der Beklagten?
Das Landgericht setzte sich akribisch mit allen weiteren Argumenten der unterlegenen Partei auseinander und wies diese systematisch zurück:
- Angeblich geänderte Baupläne: Die Beklagten verwiesen auf spätere Pläne, die ihre Bauausführung rechtfertigen sollten. Das Gericht stellte klar: Rechtlich maßgeblich ist allein die Teilungserklärung samt Aufteilungsplan, die im Grundbuch eingetragen ist. Spätere Pläne, die nicht in dieses grundlegende Dokument der Gemeinschaft aufgenommen wurden, können die offizielle Rechtslage nicht ändern.
- Angeblich unbestimmter Antrag: Die Beklagten meinten, der Antrag der Kläger auf der Eigentümerversammlung sei zu ungenau formuliert gewesen. Das Gericht sah das anders. Der Antrag, den plangerechten Zustand wiederherzustellen, sei als Zielvorgabe ausreichend. Das „Wie“ der Umsetzung im Detail bleibt der Gemeinschaft überlassen, wodurch ihre Autonomie gewahrt wird.
- Angeblich unzumutbare Nutzungsbeeinträchtigung: Der Einwand, der Zugang zum Spitzboden werde beeinträchtigt, überzeugte das Gericht nicht. Die Beklagten haben nur einen Anspruch auf die Nutzung ihrer Wohnung, wie sie in der Teilungserklärung definiert ist. Ein Vorteil, der durch eine planwidrige Bauausführung entstanden ist, ist rechtlich nicht schutzwürdig.
Da die Ablehnung des Rückbaus durch die Eigentümerversammlung somit auf falschen Annahmen – insbesondere bezüglich der Kosten und der Rechtslage – beruhte, widersprach sie den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Das Gericht bestätigte daher die Entscheidung des Amtsgerichts, den ablehnenden Beschluss durch eine gerichtliche Anordnung zum Rückbau zu ersetzen. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden den unterlegenen Beklagten auferlegt. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf Basis etablierter Rechtsgrundsätze handelte.
Die Urteilslogik
Gerichte stellen klar, dass das Gemeinschaftseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft seinen rechtlich vorgesehenen Zustand behalten muss und eigenmächtige Veränderungen nicht dulden.
- Rechtliche Klarheit: Allein die im Grundbuch verankerte Teilungserklärung und der Aufteilungsplan legen fest, welche Gebäudeteile Sondereigentum und welche Gemeinschaftseigentum sind; spätere, nicht dort eingetragene Pläne beeinflussen diese Zuordnung nicht.
- Grenzen des Einwands „Treu und Glauben“: Eine Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands gilt als zumutbar, wenn die Kosten in keinem groben Missverhältnis zum Interesse des Klägers stehen und die Maßnahme technisch umsetzbar ist, ohne die Nutzung unzumutbar zu beeinträchtigen.
- Bestandsgarantie des Gemeinschaftseigentums: Jeder Miteigentümer fordert die Wiederherstellung von Gemeinschaftseigentum, das unrechtmäßig in Sondereigentum umgewandelt wurde, denn ein aus planwidriger Bauweise gewonnener Vorteil ist rechtlich nicht schutzwürdig.
Die Rechtsprechung unterstreicht damit die zentrale Bedeutung der rechtmäßigen Ordnung im Gemeinschaftseigentum für das Zusammenleben aller Eigentümer.
Benötigen Sie Hilfe?
Betrifft Ihre WEG ebenfalls unerlaubte Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum? Für eine erste Einschätzung Ihrer rechtlichen Situation können Sie uns kontaktieren.
Das Urteil in der Praxis
Dieser Fall um eine versetzte Wohnungstür mag unscheinbar wirken, doch er schärft eindrucksvoll die Krallen der Teilungserklärung. Das Urteil unterstreicht die unerschütterliche Bindungskraft dieses „Grundgesetzes“ einer Eigentümergemeinschaft und macht klar: Eigenmächtige Abweichungen vom Aufteilungsplan können nur unter extrem hohen Hürden nach Treu und Glauben verteidigt werden. Die Rolle des präzisen Sachverständigengutachtens ist hier entscheidend, denn es entlarvt überhöhte Kostenschätzungen und ebnet den Weg für die Durchsetzung des rechtmäßigen Zustands. Wer also Gemeinschaftseigentum eigenmächtig umgestaltet, riskiert nicht nur erhebliche Kosten, sondern muss auch damit rechnen, dass die Gerichte das Prinzip der Rechtsklarheit konsequent durchsetzen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Warum ist die Teilungserklärung für meine Wohnung so wichtig?
Ihre Wohnung im Mehrfamilienhaus ist mehr als nur vier Wände: Die Teilungserklärung ist das Fundament Ihrer Eigentumsrechte. Sie definiert klipp und klar, welche Bereiche Ihnen als Sondereigentum exklusiv gehören und was alle gemeinsam nutzen, wie Treppenhaus oder Dach. Dieses im Grundbuch hinterlegte Dokument ist die Verfassung Ihres Hauses.
Doch warum ist diese „Hausverfassung“ so entscheidend? Sie legt fest, wo genau die Grenzen verlaufen und verhindert damit endlose Streitereien unter Eigentümern. Juristen nennen das die Abgrenzung von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum. Geraten diese Vorgaben ins Wanken, wird es teuer.
Ein Fall vor dem Landgericht Köln zeigt, wie ernst Juristen das nehmen: Eine Dachgeschosswohnung hatte ihre Eingangstür samt Wand zu weit ins Treppenhaus gebaut – gegen den ursprünglichen Aufteilungsplan. Obwohl es nur um wenig Fläche ging, verklagten Miteigentümer den Rückbau. Die Kosten für diese Korrektur? Fast 36.000 Euro, weil die ursprüngliche Teilungserklärung ignoriert wurde. Spätere, nicht im Grundbuch eingetragene Pläne änderten nichts an der Rechtslage. Die klare Vorgabe des Gerichts: Es zählt, was im Grundbuch steht.
Ihre Wohnung, Ihr Recht: Prüfen Sie die Teilungserklärung genau, bevor Sie kaufen oder umbauen.
Kann ich den Rückbau bei unrechtmäßig umgebautem Gemeinschaftseigentum fordern?
Ja, als Miteigentümer haben Sie grundsätzlich das Recht, den Rückbau von unrechtmäßig verändertem Gemeinschaftseigentum zu verlangen. Ihre Ansprüche ergeben sich direkt aus der Teilungserklärung und dem im Grundbuch hinterlegten Aufteilungsplan. Diese Dokumente legen den verbindlichen Zustand der Immobilie fest. Weicht der Ist-Zustand ab, können Sie die Wiederherstellung fordern.
Gerichte bestätigen diesen Anspruch regelmäßig. In einem Fall pochten neue Eigentümer auf die Rückführung eines Treppenhausbereichs und eines Spitzbodens, die unrechtmäßig einer Dachgeschosswohnung zugeschlagen wurden. Die klagenden Parteien sahen darin eine klare Verletzung der Teilungserklärung. Obwohl die beklagte Partei hohe Rückbaukosten von bis zu 100.000 Euro ins Feld führte, widerlegte ein gerichtlich bestellter Gutachter diese Zahlen: Knapp 36.000 Euro würden die Arbeiten kosten, technisch machbar und zumutbar. Das Gericht entschied, dass selbst diese Summe, verteilt auf die Gemeinschaft, den Anspruch nicht ausschließt.
Das Prinzip ist klar: Ein Miteigentümer darf sich keine Gemeinschaftsflächen eigenmächtig aneignen. Dokumentieren Sie also sofort jede unzulässige Veränderung am Gemeinschaftseigentum, sprechen Sie die Eigentümergemeinschaft an und ziehen Sie bei Ablehnung den Gang zum Gericht in Betracht.
Muss ein Rückbau trotz hoher Kosten durchgeführt werden?
Ja, ein Rückbau muss in der Regel auch bei erheblichen Kosten erfolgen, um den plangerechten Zustand wiederherzustellen. Gerichte sehen selbst Summen im mittleren fünfstelligen Bereich oft als zumutbar an. Entscheidend ist dabei, ob die Wiederherstellung wirklich unzumutbar wäre – eine extrem hohe Hürde vor Gericht. Das Landgericht Köln hat dies jüngst bestätigt.
Der Grund: Gemeinschaftseigentum ist heilig. Niemand darf es eigenmächtig für sich beanspruchen. Juristen nennen das „unabdingbarer Kernbereich des Eigentums“. Der Einwand, ein Rückbau sei wegen hoher Kosten unzumutbar, greift deshalb selten. Das Gesetz schützt das Prinzip, dass die Teilungserklärung einzuhalten ist.
Stellen Sie sich vor, Nachbarn haben widerrechtlich einen Teil des Treppenhauses annektiert. Selbst 36.000 Euro, die ein Gutachter für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ermittelte, sah das Landgericht Köln nicht als unverhältnismäßig an. Der Richterspruch: Technische Machbarkeit ohne tiefe Eingriffe zählt. Die Fläche war zwar klein, das Prinzip jedoch groß.
Gerichte prüfen genau: Stehen die Kosten in einem groben Missverhältnis zum Interesse am rechtmäßigen Zustand? Und sind die Argumente juristisch haltbar? Nachträgliche, nicht im Grundbuch verankerte Baupläne oder der Hinweis auf entstandene Bequemlichkeit zählen hier nicht. Der Anspruch auf den ursprünglichen Zustand bleibt bestehen.
Wer gemeinschaftliches Eigentum eigenmächtig verändert, riskiert einen teuren Rückbau – die Gerichte setzen dem Prinzip klare Grenzen.
Wann kann ich eine Beschlussersetzungsklage bei meiner WEG einreichen?
Sie können eine Beschlussersetzungsklage bei Ihrer Wohnungseigentümergemeinschaft einreichen, sobald die Gemeinschaft einen Beschluss gefasst oder einen Antrag abgelehnt hat, der aus Ihrer Sicht nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht. Typischerweise geschieht dies unmittelbar nach einer Eigentümerversammlung, auf der über Ihren Antrag abgestimmt wurde. Juristen nennen das die gerichtliche „Berufung“ gegen eine Entscheidung der WEG, die Sie für falsch halten.
Der Grund? Ihre WEG hat möglicherweise einen rechtmäßigen Antrag auf Wiederherstellung eines Zustands abgelehnt, etwa weil sie von extrem hohen Kosten ausging. Ein solcher Fall zeigte sich jüngst, als Eigentümer den Rückbau einer unzulässig ins Gemeinschaftseigentum verlagerten Tür forderten. Die Ablehnung des Rückbauantrags durch die Mehrheit der Eigentümerversammlung stieß vor Gericht auf Widerstand, da sie nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach.
Gerichte sehen das oft anders als manch eine Eigentümergemeinschaft. Im besagten Fall hatte die Gemeinschaft den Rückbau einer Tür abgelehnt, die entgegen der im Grundbuch eingetragenen Teilungserklärung ins Treppenhaus ragte. Trotz Behauptungen über horrende Kosten von 80.000 bis 100.000 Euro, deckte ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die wahre Summe auf: knapp 36.000 Euro. Das Gericht befand diese Summe, verteilt auf alle Eigentümer, für absolut zumutbar. Die ursprüngliche Ablehnung basierte also auf falschen Annahmen und widersprach daher einer sachgerechten Entscheidung.
Dokumentieren Sie stets Ihre Anträge und Beschlüsse minutiös, um bei einer Beschlussersetzungsklage eine solide Basis zu haben.
Was tun, wenn meine Eigentümergemeinschaft den Rückbau ablehnt?
Wenn Ihre Eigentümergemeinschaft einen berechtigten Rückbau-Antrag abweist, führt Ihr Weg direkt vors Gericht. Eine Beschlussersetzungsklage zwingt die Richter, die Ablehnung zu prüfen. Widerspricht sie der ordnungsgemäßen Verwaltung, kann das Gericht den Rückbau anordnen – selbst gegen den Mehrheitswillen.
Die Teilungserklärung ist Ihr Hausgesetz, im Grundbuch verankert. Weichen Baumaßnahmen davon ab und eignen sich Miteigentümer widerrechtlich Gemeinschaftsfläche an, haben Sie einen klaren Anspruch auf Wiederherstellung. Die Weigerung der Gemeinschaft, diesen Zustand herzustellen, ist oft ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung – das ist der Ansatzpunkt Ihrer Klage.
Gerichte schauen genau hin. In einem Kölner Fall weigerte sich die Mehrheit, eine widerrechtlich ins Treppenhaus gebaute Wand und Tür zurückzubauen. Angeblich: 80.000 bis 100.000 Euro Kosten. Doch ein gerichtlich bestellter Sachverständiger bezifferte den Aufwand realistisch auf knapp 36.000 Euro. Damit kippte das Argument der Unverhältnismäßigkeit. Die Richter entschieden: Der Rückbau ist zumutbar, das Prinzip der rechtmäßigen Nutzung übertrumpft die behauptete Kostenexplosion.
Lassen Sie sich nicht entmutigen. Dokumentieren Sie jeden Verstoß präzise und setzen Sie Ihren Anspruch auf Rückbau konsequent gerichtlich durch.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Aufteilungsplan
Ein Aufteilungsplan ist die technische Zeichnung eines Gebäudes, die genau zeigt, welche Bereiche Sondereigentum und welche Gemeinschaftseigentum sind. Dieses Dokument existiert, damit jeder Eigentümer klar erkennt, welche Teile des Hauses ihm allein gehören und welche allen gemeinsam. Juristen wissen, dass er als fester Bestandteil der Teilungserklärung im Grundbuch eingetragen wird und damit rechtlich verbindlich ist.
Beispiel: Im vorliegenden Streitfall war der Aufteilungsplan aus dem Jahr 1999 entscheidend, da er die ursprünglich vorgesehene Position der Dachgeschoss-Wand und -Tür exakt dokumentierte.
Beschlussersetzungsklage
Eine Beschlussersetzungsklage ermöglicht es einem einzelnen Wohnungseigentümer, ein Gericht dazu zu bringen, einen von der Eigentümergemeinschaft abgelehnten oder unterlassenen Beschluss zu ersetzen. Durch diese Klage kann das Gericht eine Entscheidung der Gemeinschaft korrigieren oder erzwingen, wenn die Ablehnung nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach. Das Gesetz stellt so sicher, dass wichtige und notwendige Maßnahmen nicht durch die Blockade einer Mehrheit verhindert werden.
Beispiel: Die unterlegenen Eigentümer reichten eine Beschlussersetzungsklage ein, um den von der Gemeinschaft abgelehnten Rückbau der Dachgeschoss-Wand und -Tür doch noch gerichtlich durchzusetzen.
Ordnungsgemäße Verwaltung
Die ordnungsgemäße Verwaltung ist ein zentraler Rechtsgrundsatz im Wohnungseigentumsrecht, der vorgibt, wie eine Eigentümergemeinschaft ihre Angelegenheiten vernünftig und im besten Interesse aller regeln muss. Dieser Grundsatz soll verhindern, dass Beschlüsse gefasst oder notwendige Maßnahmen abgelehnt werden, die wirtschaftlich unsinnig, rechtlich fragwürdig oder schlicht unfair sind. Er sichert das Funktionieren der Gemeinschaft und den Wert des Gemeinschaftseigentums.
Beispiel: Das Landgericht Köln entschied, dass die Ablehnung des Rückbauantrags durch die Eigentümerversammlung nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach, da sie auf falschen Annahmen zu den Kosten beruhte.
Teilungserklärung
Die Teilungserklärung ist das grundlegende Dokument einer Wohnungseigentümergemeinschaft, vergleichbar mit der Verfassung eines Hauses, das im Grundbuch eingetragen wird und Sondereigentum von Gemeinschaftseigentum abgrenzt. Sie schafft die rechtliche Basis für das Entstehen von Wohnungseigentum und legt detailliert fest, welche Gebäudeteile einem einzelnen Eigentümer exklusiv gehören und welche der gesamten Gemeinschaft zur Verfügung stehen. Das Gesetz verlangt diese klare Abgrenzung, um spätere Streitigkeiten über Nutzungsrechte und Instandhaltungspflichten zu vermeiden.
Beispiel: Die neuen Eigentümer pochten auf die strikte Einhaltung der Teilungserklärung, da diese die unzulässige Verkleinerung des Treppenhauses durch die Nachbarn belegte.
Treu und Glauben
Der Grundsatz von Treu und Glauben, im § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verankert, ist eine zentrale Leitlinie im deutschen Recht, die besagt, dass jeder seine Rechte und Pflichten fair und anständig ausüben muss. Juristen nutzen diesen Grundsatz, um Extremfälle abzufangen, wo die bloße Anwendung starrer Gesetzesregeln zu einem offensichtlich ungerechten oder schikanösen Ergebnis führen würde. Er fungiert als eine Art Korrektiv für die strikte Rechtsanwendung.
Beispiel: Die Eigentümer der Dachgeschosswohnung argumentierten, der von den Klägern geforderte Rückbau würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, da er für sie unzumutbar hohe Kosten verursachen würde.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum (WEG, insb. §§ 3, 5, 10 WEG, § 5 WEG, § 10 WEG)
Die Teilungserklärung regelt verbindlich, welche Gebäudeteile einer einzelnen Wohnung (Sondereigentum) oder allen Eigentümern gemeinsam (Gemeinschaftseigentum) gehören.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die beklagten Eigentümer hatten durch den Vorbau von Tür und Wand Gemeinschaftseigentum, nämlich Teile des Treppenhauses und des Spitzbodens, unrechtmäßig ihrem Sondereigentum zugeschlagen, was einen Verstoß gegen die Teilungserklärung darstellte.
- Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG)
Jeder Wohnungseigentümer hat das Recht, dass das Gemeinschaftseigentum nach den Regeln einer vernünftigen und vorausschauenden Verwaltung behandelt wird.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die klagenden Eigentümer forderten, dass die Eigentümergemeinschaft den Rückbau der unzulässigen Baumaßnahme beschließt, da die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung ist.
- Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Dieser Grundsatz verlangt, dass man seine Rechte nicht auf eine Weise durchsetzen darf, die für andere unzumutbar, unfair oder schikanös ist.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die beklagten Eigentümer und die Gemeinschaft beriefen sich auf diesen Grundsatz, um den Rückbau abzuwehren, da sie die Kosten und den Eingriff für sie als unzumutbar hoch und tiefgreifend ansahen.
- Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG)
Wenn eine Eigentümergemeinschaft einen notwendigen Beschluss nicht fasst oder einen unzulässigen Beschluss fasst, kann das Gericht diesen durch ein eigenes Urteil ersetzen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Nachdem die Eigentümergemeinschaft den Rückbauantrag der Kläger abgelehnt hatte, nutzten die Kläger die Beschlussersetzungsklage, um das Gericht zu bitten, den ablehnenden Beschluss aufzuheben und den Rückbau anzuordnen.
Das vorliegende Urteil
LG Köln – Az.: 29 S 121/21 – Urteil vom 25.04.2024
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