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Trittschallschutz bei Wechsel des Bodenbelags – Parkettboden statt Teppichboden?

LG Itzehoe – Az.: 11 S 101/12 – Urteil vom 18.03.2014

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 20.08.2012 (Aktenzeichen 35 C 58/11) abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 30.000,00 € festgesetzt.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Trittschallschutz bei Wechsel des Bodenbelags - Parkettboden statt Teppichboden?
Symbolfoto: Von DenisProduction.com /Shutterstock.com

Die Kläger sowie die Beklagten sind Wohnungserbbauberechtigte in der Wohnungseigentumsanlage des … Hierbei handelt es sich um ein 1971/1972 errichtetes Gebäude, das aus einem großen Hotelbetrieb nebst 320 Appartements, für die jeweils ein Wohnungserbbaurecht bestellt wurde, besteht. Die Kläger leben bereits seit längerem in dem Appartement Nr. … im 20. Stock, wobei bis zum Oktober 2006 die Klägerin zu 1) zusammen mit einer … zu ½ als Wohnungserbbauberechtigte eingetragen war und seit dem Oktober 2006 nunmehr die Klägerin zu 1) zusammen mit dem Kläger zu 2) als Wohnungserbbauberechtigte eingetragen sind.

Die Beklagten erwarben Anfang des Jahres 2006 das Wohnungserbbaurecht für die im 21. Stock direkt über der Wohnung der Kläger gelegene Wohnung Nr. …. Im März 2006 ließen die Beklagten den bei Erwerb des Wohnungserbbaurechts in ihrer Wohnung vorhandenen Teppichboden entfernen und stattdessen Parkettboden einbauen. Im Verlauf des Jahres 2008 beanstandeten die Kläger den in ihrem Appartement aus der darüber liegenden Wohnung der Beklagten stammenden Trittschall.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Nachdem im Rahmen eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens (Amtsgericht Lübeck, Aktenzeichen 35 C 72/10) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben wurde zur Frage des Trittschalls, der in der Wohnung der Kläger entsteht, nachdem die Beklagten in ihrer Wohnung Parkettboden einbauen lassen hatten, erhoben die Kläger vor dem Amtsgericht Lübeck Klage mit dem Ziel, die Beklagten zu verurteilen, in ihrer Wohnung (wieder) Teppichboden zu verlegen.

Nachdem die Kläger auf Hinweis des Amtsgerichts den ursprünglichen Klagantrag teilweise abgeändert hatten, hat das Amtsgericht die Beklagten auf die mündliche Verhandlung vom 01.08.2012 verurteilt, in der Wohnung … im 21. Stock des … – mit Ausnahme des Badezimmers – Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag zu verlegen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht angeführt, der von den Beklagten in der Wohnung verlegte Parkettboden entspreche zwar dem Trittschallniveau, das durch die z. Zt. der Errichtung des Gebäudes maßgebliche DIN-Norm 4109 in der Ausgabe aus dem Jahr 1962 vorgegeben werde, das Trittschallniveau in der Wohnungseigentumsanlage sei aber dadurch geprägt, dass bei der Erstausstattung in den Appartements Teppichboden verlegt wurde. Demgemäß sei der hierdurch entstehende höhere Trittschallschutz für das in der Wohnungseigentumsanlage geltende Trittschallniveau maßgebend. Die Beklagten seien deshalb verpflichtet, das in der betreffenden Wohnungseigentumsanlage prägende Trittschallniveau durch Verlegung von Teppichboden oder einen der Trittschalldämmung nach gleichwertigen Bodenbelag wieder herzustellen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie machen geltend, die für das Trittschallniveau maßgebende DIN 4109 der Ausgabe des Jahres 1962 werde eingehalten und ein höheres Trittschallniveau wegen vormals in den Appartements der Wohnungseigentumsanlage verlegten Teppichbodens könne nicht angenommen werden, da es an hinreichend eindeutigen Feststellungen für eine Prägung der Wohnungseigentumsanlage fehle.

Die Beklagten beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 01.08.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Ergänzend und in teilweiser Abänderung des zuletzt erstinstanzlich gestellten Antrags beantragen die Kläger, die Beklagten zu verurteilen, in der Wohnung … im 21. Stock des … – mit Ausnahme des Badezimmers – Teppichboden mit dem Trittschallschutz von Hochflor Feinvelour Teppichboden 27 dBA oder ein in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag zu verlegen.

Hilfsweise beantragen die Kläger,

die Beklagten zu verurteilen, in der Wohnung … im 21. Stock des … – mit Ausnahme des Badezimmers – Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallschutz unter 51 dBA gemäß DIN 4109 ( 1989 ) zu verlegen.

Hierzu behaupten die Kläger, bei dem in der Ersteinrichtung des Gebäudes vorhandenen Teppichboden habe es sich um Hochflor Feinvelour gehandelt. Eine von ihnen in einem Fachgeschäft durchgeführte Trittschallmessung habe einen Trittschallpegel von 27 dB ergeben.

II.

Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung durch die Kammer zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG, dass die Beklagten den in ihrer Wohnung verlegten Parkettboden entfernen und einen anderen Bodenbelag mit besserer Trittschalldämmung verlegen. Denn der von den Beklagten im Jahr 2006 verlegte Parkettboden erfüllt die Anforderungen der für das Trittschallniveau maßgeblichen DIN 4109 der Ausgabe des Jahres 1962 (hierzu unter 2.) und ein höheres Trittschallniveau aufgrund einer besonderen Prägung der Wohnungseigentumsanlage ist vorliegend nicht anzunehmen (dazu unter 3.)

1.

Allgemein beurteilen sich die Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander auch im Hinblick auf den Schallschutz nach § 14 Nr. 1 WEG. Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst. Wann im Hinblick auf den Trittschall in einer Wohnung einer WEG-Anlage ein solcher über das unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG anzunehmen ist, bestimmt sich vorrangig nach den Regelungen in der Teilungserklärung bzw. später getroffenen Vereinbarungen der Wohnungseigentümer. Unstreitig ergeben sich aber aus der Teilungserklärung für das … keine näheren Regelungen zum maßgeblichen Trittschallniveau bzw. zum Bodenbelag in den Appartements, in denen ein Wohnungserbbaurecht besteht. Dass die Wohnungserbbauberechtigten später eine Vereinbarung im Hinblick auf den Trittschallschutz bzw. den für den Trittschall maßgeblichen Bodenbelag in den Appartements getroffen haben, ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht.

2.

Sofern sich – wie hier – der Teilungserklärung einer Gemeinschaft keine Regelungen zum maßgeblichen Trittschallniveau entnehmen lassen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblichen Trittschallwert grundsätzlich auf die Ausgabe der DIN 4109 abzustellen, die z. Zt. der Errichtung des betreffenden Gebäudes galt (vgl. BGH Urteil vom 1.6.2012, Aktenzeichen V ZR 195/11, NJW 2012, 27 bei Rn. 25). Bei der Errichtung des … in … im Jahr 1971/1972 galt die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962, die eine Trittschallgrenze von 63 dB vorsah. Dieser Wert wird durch den im Jahr 2006 in der Wohnung der Beklagten verlegten Parkettboden eingehalten. Denn nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen … in dem selbständigen Beweisverfahren hat eine Trittschallmessung auf dem in der Wohnung der Beklagten verlegten Parkettboden in der darunterliegenden Wohnung der Kläger einen Trittschallpegel von 59 dB ergeben.

Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, es sei auf die Trittschallgrenze der DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1989 abzustellen, weil die Beklagten den Parkettboden erst im Jahr 2006 und damit zu einer Zeit, als bereits die spätere Ausgabe der DIN 4109 aus dem Jahr 1989 galt, eingebaut haben, ist dies nicht zutreffend. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO. bei Rdnr. 11) führt der nachträgliche Austausch eines Bodenbelags nicht dazu, dass sich die Anforderungen an den Schallschutz verändern, sondern diese bleiben vielmehr unverändert. Demgemäß galt trotz des im Jahr 2006 durchgeführten Einbaus des Parkettbodens grundsätzlich weiterhin die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962.

3.

Ein höheres Trittschallniveau als das durch die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962 vorgegebene ergibt sich vorliegend auch nicht aus anderen Umständen. Nach der Rechtsprechung des BGH (aaO.) kann zwar im Einzelfall ein höheres Trittschallniveau maßgebend sein, sofern sich aus der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz ergeben oder die Wohnungseigentumsanlage aufgrund tatsächlicher Umstände wie beispielsweise der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung oder aber des Wohnumfelds ein besonderes Gepräge erhalten hat. Das ist vorliegend aber nicht anzunehmen.

Dass die Gemeinschaftsordnung für das … Regelungen in Bezug auf den Schallschutz enthält, haben die Kläger nicht vorgetragen. Ein höheres Trittschallniveau als dass der DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962 lässt sich im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auch nicht aus einer besonderen Prägung der Wohnungseigentumsanlage durch die bei ihrer Errichtung vorhandene Ausstattung begründen.

a) Mit dem Amtsgericht ist die Kammer allerdings der Auffassung, dass die streitgegenständliche Wohnungseigentumsanlage durch ein höheres Trittschallniveau als den durch die DIN 4109 vorgegebenen Mindeststandard geprägt war. Denn die Kläger haben zur Überzeugung der Kammer den Nachweis erbringen können, dass bei Errichtung des … die an die Wohnerbbauberechtigten überlassenen Wohnungen durchgängig mit Teppichboden ausgelegt waren und damit in der Wohnungseigentumsanlage jedenfalls in Bezug auf die dort befindlichen Appartements allgemein ein geringerer Trittschall herrschte als der durch die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962 vorgegebene Wert von 63 dB.

aa) Die Überzeugung der Kammer, dass die Appartements in dem …-Hochhaus bei dessen Errichtung mit Teppichboden ausgelegt waren, stützt sich auf die Baubeschreibung für das Gebäude und den von der …-Gesellschaft herausgegebenen Verkaufsprospekt.

So heißt es in der Baubeschreibung (vgl. Blatt 107 d.A.) unter Punkt 2.02: „Zimmer, Gäste, Flure und Restaurationsräume sowie Konferenz- und Büroräume erhalten einen Verbundestrich mit Teppichboden.“ Die Formulierung dieses Satzes in der Baubeschreibung ist zwar sprachlich insofern missglückt, als dass danach „Gäste“ einen Verbundestrich und Teppichboden erhalten sollen, ersichtlich waren hiermit aber „Gästezimmer“ gemeint. Der Baubeschreibung lässt sich danach entnehmen, dass neben den Gästezimmern, mit denen die Zimmer des Hotelbetriebs gemeint sein dürften, den Fluren und den einem größeren Personenkreis zugänglichen Räumen auch die sonstigen Zimmer des …-Hochhauses einen Verbundestrich und Teppichboden erhalten. Insofern lässt sich aus der Baubeschreibung ableiten, dass (auch) in den Appartementzimmern Teppichboden verlegt werden sollte. Soweit die Beklagten mit der Berufung geltend machen, dass diesbezüglich eine eindeutigere Formulierung in der Baubeschreibung möglich, wenn nicht sogar naheliegend gewesen wäre, ist dies zwar zutreffend. Die Kammer geht aber dennoch aufgrund der zuvor genannten Formulierung in der Baubeschreibung davon aus, dass mit den zuerst genannten „Zimmern“ die Zimmer in den Appartements, die für Wohnerbbauberechtigte vorgesehen waren, gemeint sind. Etwas anderes ergäbe aus Sicht der Kammer keinen Sinn. Hierfür spricht auch die handschriftliche Anmerkung eines offenbar für die Genehmigung damals zuständigen Mitarbeiters des Stadtbauamtes, der neben den betreffenden Punkt 2.02 notiert hat, „im Appartementbereich Schallschutz beachten“ (vgl. Bl. 107 d.A.).

Auch der Verkaufsprospekt für das … Hochhaus (vgl. die Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 20.02.2012, Blatt 117-142 d.A.) spricht für eine Erstausstattung der Appartementzimmer mit Teppichboden. Denn auf Seite 24 des Verkaufsprospekts heißt es unter der Überschrift „Ausstattung der …-Residenzen“ wie folgt:

„… Die Exklusivität der äußeren Umgebung setzt sich fort in der vollendeten Harmonie des Interieurs jeder Residenz. Dem hohen Niveau unserer Häuser entsprechend wurden zur Innenausstattung nur erlesene Materialien verwendet. Dass sämtliche Räume mit Teppichboden ausgelegt sind, ist selbstverständlich, die Bäder mit hochwertigen Fliesen. …“

Diese Formulierung in Bezug auf den Bodenbelag in Zusammenschau mit der Baubeschreibung, in der ebenfalls auf Teppichboden abgestellt wird, genügt zum Nachweis, dass die Erstausstattung in den Zimmern der Appartements einheitlich mit Teppichboden erfolgte.

Die Beklagten haben dies zwar mit Nichtwissen bestritten, angesichts der übereinstimmenden Formulierung in der Baubeschreibung und in dem Verkaufsprospekt hat die Kammer aber keinen Zweifel, an einer Erstausstattung der Appartementzimmer mit Teppichboden. Allein das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen genügt in Anbetracht des durch die Baubeschreibung und den Verkaufsprospekt näher untermauerten Vortrags der Kläger nicht. Die Beklagten hätten vielmehr substantiiert vortragen müssen, in welchen Appartementzimmern abweichend von den Angaben in der Baubeschreibung und dem Verkaufsprospekt kein Teppichboden bei der Errichtung des Gebäudes verlegt gewesen sein sollte.

bb) Durch den danach zur Überzeugung der Kammer bei der Errichtung des … Hochhauses in allen Appartementzimmern vorhandenen Teppichboden war der Schallschutz auch durch ein höheres Niveau geprägt als es durch den Mindeststandard der DIN 4109 in der Ausgabe aus dem Jahr 1962 vorgegeben wurde. Sachverständige Feststellungen zum Trittschallniveau bei einer mit Teppichboden ausgelegten Wohnung in dem Hochhaus fehlen zwar. Denn der Sachverständige … hat im Rahmen des diesem Rechtsstreit vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahrens keine Feststellungen zum Trittschallpegel bei einem mit Teppichboden ausgestatteten Appartement getroffen. Er hat aber im Rahmen seines Gutachtens ausgeführt, dass ein weicher Bodenbelag wie Teppichboden insofern zu einem geringeren Trittschall führe, als dass er in der Lage ist, Schallenergie aufzunehmen. Durch die schalldämmende Eigenschaft werde die Schallanregung des Bodenbelags verringert und damit auch die Schallübertragung vermindert. Weiter hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Austausch eines weichen Bodenbelags durch einen harten Belag regelmäßig zu einer Verschlechterung des Trittschallschutzes führt. Diese Ausführungen sind aus Sicht der Kammer nachvollziehbar und überzeugend. Sie entsprechen auch den Erfahrungen der Kammer, die diese im Zusammenhang mit anderen Verfahren, in denen es ebenfalls um die Problematik des Trittschalls bei Wohnungseigentum ging, gesammelt hat. Die Kammer hat insofern keinen Zweifel, dass sich durch die Verlegung von Parkettboden in der Wohnung der Beklagten der Trittschall in der darunter liegenden Wohnung der Kläger maßgeblich erhöht und damit das ursprünglich durch die Erstausstattung geprägte höhere Schallschutzniveau nicht mehr eingehalten wurde.

b) Näherer sachverständiger Feststellungen zum Trittschallniveau bei dem in der Erstausstattung in den Appartementzimmern verlegten Teppichboden bedurfte es dennoch nicht. Denn nach Auffassung der Kammer entfaltet das Gepräge der Wohnungseigentumsanlage durch den bei der Erstausstattung verlegten Teppichboden mittlerweile keine Wirkung mehr. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu den Beklagten, die erst 35 Jahre nach Errichtung des …-Hochhauses das Wohnungserbbaurecht für ein dort gelegenes Appartement erworben haben.

aa) Aus Sicht der Kammer ist schon fraglich, ob eine ursprünglich bei der Errichtung eines Gebäudes vorhandene Prägung durch eine bestimmte Form der Ausstattung auch über einen langen Zeitraum von mehr als 30 Jahren hinweg noch als fortbestehend angesehen werden kann. Dies gilt im besonderen Maße im vorliegenden Fall. Denn aufgrund des erheblichen Zeitablaufs seit der Errichtung des Hochhauses haben sich inzwischen die dortigen Verhältnisse derart verändert, dass die vormals vorhandene Prägung des Schallschutzniveaus durch den ursprünglich in allen Appartementzimmern verlegten Teppichboden nicht mehr in der gleichen Weise wie bei der Errichtung des Gebäudes Geltung hat. So haben die Beklagten bereits mit der Klageerwiderung substantiiert vorgetragen, dass sich mittlerweile in jedenfalls 53 Appartements der Wohnungseigentumsanlage kein Teppichboden, sondern vielmehr harter Bodenbelag wie Fliesen, Parkett oder Laminat befindet. Die Kläger haben dies zwar pauschal mit Nichtwissen bestritten. Dies genügt aber angesichts des substantiierten Vortrags der Beklagten, die unter Angabe der Nummer der jeweiligen Appartements, in denen sich ihrem Vortrag nach nicht (mehr) Teppichbodenbelag, sondern harter Bodenbelag befindet, nicht. Denn die Kläger als Wohnungserbbauberechtigte und auch Bewohner des … Hochhauses hätten die Möglichkeit gehabt, sich nähere Erkenntnisse zu den Bodenbelägen in den betreffenden Appartements zu verschaffen und damit ihrerseits substantiiert den konkreten Vortrag der Beklagten zu dem Bodenbelag in dem betreffenden Appartements zu bestreiten. Dass die ursprünglich noch anzunehmende Prägung des Hochhauses durch den in allen Appartementzimmern verlegten Teppichboden nicht mehr in dem gleichen Maße nach einem langen Zeitraum von mehr als 30 Jahren fortbesteht, zeigt sich auch daran, dass selbst die Kläger einen Teil des ursprünglich in ihrem Appartement vorhandenen Teppichbodenbelags durch einen harten Bodenbelag ersetzt haben, da sich unstreitig im Flur ihres Appartements inzwischen statt Teppichboden Fliesen befinden.

bb) Neben dem Wandel, dem eine ursprünglich prägende Erstausstattung einer Wohnungseigentumsanlage während eines längeren Zeitraums unterliegt, ist aus Sicht der Kammer ein weiterer Aspekt entscheidend: Für die Frage, welches Schallschutzniveau im Verhältnis der Wohnungseigentümer (bzw. hier: Wohnungserbbauberechtigten) untereinander maßgeblich ist, darf im Hinblick auf die Rechtsposition späterer Erwerber nur auf auch für diese erkennbare Umstände abgestellt werden. Denn nur dann haben spätere Erwerber die Möglichkeit, von dem maßgeblichen Schallschutzniveau Kenntnis zu erlangen, was für ihre Kaufentscheidung ein maßgebliches Kriterium sein wird. Insoweit gelten vergleichbare Erwägungen wie bei der Auslegung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer. Diese sind allein anhand ihres Wortlauts objektiv-normativ auszulegen, ohne dass es auf die Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten ankommt, sofern sich dies nicht aus der Beschlussfassung selbst oder zumindest den Protokollen zu der Eigentümerversammlung ergibt (BGH NJW 1998, 3713; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 23 Rn. 59). Denn nur dann haben spätere Erwerber über eine Einsicht in die nach § 24 Abs. 7 WEG zu führende Beschlusssammlung die Möglichkeit, die Reichweite von Beschlüssen, die für das Verhältnis der Eigentümer untereinander von maßgebender Bedeutung sind, zu erkennen. Insofern lässt sich aus § 24 Abs. 7 WEG und der Rechtsprechung zur Auslegung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer ableiten, dass das Informationsinteresse potentieller Erwerber von Wohnungseigentum gewahrt sein muss, damit diese nicht im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft an Regelungen gebunden sind, von denen sie vor einem Erwerb nicht in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen konnten. Dies muss nach Auffassung der Kammer in entsprechender Weise auch für die Frage, welches Trittschallniveau in einer Wohnungseigentumsanlage maßgeblich ist, gelten: Ein potentieller Erwerber von Wohnungseigentum bzw. – wie im vorliegenden Fall – Wohnungserbbaurecht muss die Möglichkeit haben, von den für das Trittschallniveau maßgeblichen Regelungen bzw. Umständen Kenntnis zu erlangen, da er dies sonst nicht in seine Entscheidung über einen Erwerb einbeziehen kann.

Diese Anforderungen werden eingehalten, wenn es im Hinblick auf das Schallschutzniveau eine ausdrückliche Regelung in der Teilungserklärung gibt oder wenn subsidiär auf die jeweils zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltende DIN-Norm 4109 als maßgebliche Regelung abgestellt wird, da es sich bei DIN-Normen um allgemein zugängliche Quellen handelt. Sofern sich das Trittschallschutzniveau in einer Wohnungseigentumsanlage demgegenüber aufgrund einer Prägung durch besondere tatsächliche Umstände ergibt, können spätere Erwerber von Wohnungseigentum in einer solchen Anlage dagegen an das höhere Schallschutzniveau, das sich aus den betreffenden Umständen ergibt, nur Auffassung der Kammer nur dann gebunden sein, wenn die für die Prägung maßgeblichen tatsächlichen Umstände auch noch zum Zeitpunkt des Erwerbs erkennbar sind. Denn nur dann kann ein Erwerber sich hinreichend darauf einstellen, woran er mit dem Erwerb von Wohnungseigentum gebunden ist. In einem solchen Fall kann der Erwerb von Wohnungseigentum in einer derart geprägten Wohnungseigentumsanlage gewissermaßen als konkludentes Einverständnis mit dem durch die Prägung verbundenen höheren Schallschutzniveau angesehen werden.

Die tatsächlichen Umstände, aufgrund derer sich nach dem Vortrag der Kläger im vorliegenden Fall die besondere Prägung des … Hochhauses für ein höheres Schallschutzniveau ergab, waren für die Beklagten bei Erwerb des Wohnungserbbaurechts an dem Appartement aber nicht in zumutbarer Weise erkennbar. Denn die Baubeschreibung, aus der sich die ehemals einheitliche Ausstattung der Appartements mit Teppichboden hätte ersehen können, war für die Beklagten bei dem Erwerb des Wohnungserbbaurechts an dem Appartement nicht von Bedeutung. Eine Baubeschreibung richtet sich ihrem Sinn und Zweck nach an Erwerber, die sich vor Errichtung einen Eindruck von dem noch nicht fertiggestellten Gebäude verschaffen wollen. Ist ein Gebäude fertiggestellt, so bedarf es zur Erlangung näherer Erkenntnisse über das Gebäude nicht der Baubeschreibung, sondern die Interessenten können das Gebäude selbst in Augenschein nehmen. Entsprechendes gilt für den Verkaufsprospekt, aus dem sich ebenfalls ergab, dass die Appartements bei der Errichtung des Gebäudes mit Teppichboden ausgestattet waren. Auch der 35 Jahre alte Verkaufsprospekt war für die Beklagten bei Erwerb des Wohnungserbbaurechts nicht von Belang, da sie sich anstelle der dortigen Angaben wesentlich besser durch direkte Inaugenscheinnahme des Appartements und der gesamten Wohnungseigentumsanlage ein Bild verschaffen konnten.

Dass es für die Beklagten außer der Baubeschreibung und dem Verkaufsprospekt weitere Möglichkeiten gab, in zumutbarer Weise Kenntnis von der das Schallschutzniveau ursprünglich prägenden Erstausstattung durch Teppichboden Kenntnis zu erlangen, ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger nicht. Allein der Umstand, dass es sich bei dem …-Hochhaus zum Zeitpunkt seiner Errichtung um eine große Wohnungseigentumsanlage mit hochwertig ausgestatteten Appartements handelte, konnte nicht dazu führen, dass die Beklagten 35 Jahre später davon ausgehen mussten, in der Wohnungseigentumsanlage gelte ein über den Mindeststandard der DIN 4109 hinausgehendes Schallschutzniveau aufgrund einer besonderen Prägung des Gebäudes bei seiner Errichtung. In diesem Zusammenhang ist auch der bereits erwähnte Umstand zu berücksichtigen, dass sich nach dem substantiierten Vortrag der Beklagten seit der Errichtung des Gebäudes die Ausstattung jedenfalls in weiten Teilen der Appartements im Hinblick auf den Bodenbelag verändert habe. Selbst für den Fall einer – praktische kaum möglichen – Besichtigung einer Vielzahl von Appartements vor einer Kaufentscheidung hätten die Beklagten deshalb keine nähere Kenntnis davon erlangen können, dass eine einheitliche Ausstattung mit Teppichboden in den Appartements besteht und deshalb von einem höheren Schallschutzniveau als dem durch die DIN 4109 vorgegebenen Mindeststandard auszugehen ist.

4.

Danach verbleibt es trotz des Umstands, dass das …-Hochhaus aufgrund der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung der Appartements mit Teppichboden vormals durch ein entsprechend höheres Schallschutzniveau geprägt war, bei dem durch die DIN 4109 in der Ausgabe des Jahres 1962 vorgegebenen Schallschutzniveau von 63 dB. Dieses Niveau wird aber – wie ausgeführt – durch den von den Beklagten im Jahre 2006 verlegten Parkettboden nach den Feststellungen des Sachverständigen eingehalten, so dass es sich bei dem Trittschall, der von dem Bodenbelag in der Wohnung der Beklagten ausgeht, um kein über das unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG handelt und demgemäß die Klage abzuweisen war.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6.

Die Kläger machen vorliegend die Abwehr einer Störung ihres Wohnungserbbaurechts geltend, so dass es nicht auf die Kosten ankommt, die die Beklagten für die begehrte Beseitigung aufwenden müssten, sondern das zu schätzende Unterlassungsinteresse der Kläger maßgeblich ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 „Eigentumsstörung“). Das Unterlassungsinteresse ist nach dem Wertverlust, den eine Wohnung durch die Störung erleidet, zu bemessen (vgl. BGH Grundeigentum 2012, 683 f; Schneider/Onderka Streitwertkommentar, 13. Auflage, Rn. 1904, 1906 m.w.N.). Dieser Wertverlust ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Die Kläger machen vorliegend eine erhebliche Belastung durch Trittschall geltend, so dass der Wertverlust in einer Größenordnung von 15 % aus Sicht der Kammer angemessen bewertet erscheint. Bei einem geschätzten Wert der klägerischen Wohnung von 200.000,00 € ergibt sich damit der festgesetzte Streitwert von 30.000,00 €.

7.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Denn die Frage, ob eine grundsätzlich zu bejahende Prägung einer Wohnungseigentumsanlage für eine höheres Schallschutzniveau aufgrund besonderer Umstände auch nach einem längerem Zeitablauf insbesondere auch gegenüber späteren Erwerbern von Wohnungseigentum Geltung hat, ist bislang durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht geklärt. Der Bundesgerichtshof hat zwar in der Entscheidung vom 01.06.2012 (aaO.) ausgeführt, dass sich in besonderen Fällen ein höheres Trittschallniveau auch aus einer Prägung durch tatsächliche Umstände ergeben könne, dabei aber nicht näher thematisiert, in welchem Umfang dies zeitlich und im Verhältnis zu späteren Erwerbern gilt. Auch insoweit bedarf es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.

 

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