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Über Putz verlaufende Elektroleitungen für Klingel und Gegensprechanlage – Mietmangel

AG Schöneberg – Az.: 7 C 168/11 – Urteil vom 07.03.2012

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, folgende Maßnahmen in der im Vorderhaus M.straße in B., 2. OG links gelegenen Wohnung der Kläger fachgerecht auszuführen bzw. ausführen zu lassen:

a) Im Wohnungsflur ist das um die Wohnungseingangstür und zur Gegensprech- und Klingelanlage führende Elektrokabel unter Putz zu verlegen; anschließend sind die durch die unter Putzverlegung des Kabels entstehenden Renovierungsschäden im Wohnungsflur fachgerecht zu beseitigen.

b) Die Fußbodenaufkantung an den Innenwänden der Balkonwände des hinteren zum Hof gelegenen Balkons fachgerecht in den hellen Farbton des Fassadenanstrichs zu streichen bzw. streichen zu lassen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 20 % und die Beklagten 80 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Über Putz verlaufende Elektroleitungen für Klingel und Gegensprechanlage – Mietmangel
Symbolfoto: Von John-Fs-Pic/Shutterstock.com

Auf die Darstellung des Tatbestands wird verzichtet, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist betreffend die Hauptforderung vollumfänglich begründet, jedoch betreffend die Nebenforderung abzuweisen.

Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagten auf die aus dem Tenor zu 1) a) ersichtlichen Arbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die über Putz führenden Elektroleitungen für die Klingel- und Gegensprechanlage sind ein Mangel an der Mietsache.

Mangel ist jede für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vereinbarten (BGH NJW 2006, 899, m.w.N.). Auf eine tatsächliche Gebrauchsbeeinträchtigung kommt es nicht an, sondern auf den Zustand der Mietsache zum Vertragsschluss (vgl. BGH NJW 2005, 2152).

Bei Vertragsschluss befanden sich diese Leitungen unter Putz. Die insoweit beweisbelasteten Kläger konnten den Beweis erfolgreich führen. Die Zeuginnen Z. und S. haben übereinstimmend glaubhaft ausgesagt, dass sich zu Mietvertragsbeginn keine Leitungen über Putz befunden hätten. Dies wurde bestätigt durch den Zeugen M.. Dieser hat bekundet, dass sich alle Klingelleitungen vor den vom ihm vorgenommenen Elektroinstallationsarbeiten 1993/94 unter Putz befunden hätten.

Eine konkludente Vertragsänderung ist durch die Modernisierung der Klingelanlage mit einer Gegensprechanlage 1993/94 nicht erfolgt. Hierfür sind die Beklagten nach den allgemeinen Regeln beweispflichtig. Die Beklagten vermochten diesen Beweis nicht zu führen. Das Gericht ist nicht im erforderlichen Grad überzeugt, dass anlässlich dieser Arbeiten die entsprechenden Leitungen über Putz verlegt wurden, was Voraussetzung für eine konkludente Einigung ist.

Bei dem Einbau neuer Klingelleitungen und der Installation einer Gegensprechanlage handelt es sich um eine Modernisierung (Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, Mietrecht, 10. Auflage 2011, § 554 Rn. 108 f.). Ist der Mieter mit dieser einverstanden, gilt der neue Zustand der Mietsache als vertraglich vereinbart, auch wenn im Verhältnis zum Zustand bei Vertragsabschluss teilweise aus seiner Sicht negative Abweichungen mit der Modernisierung einhergehen.

Die Zeuginnen Z. und S. haben jedoch übereinstimmend bekundet, dass die Klingelleitung immer unter Putz verlegt war. Der Zeugin S. ist die Veränderung erst „in letzter Zeit aufgefallen, da dies sehr hässlich aussieht“. Es besteht kein Grund an der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu zweifeln, auch wenn diese als Mütter der Kläger zweifellos „im Lager“ von diesen stehen. Beide Zeuginnen haben ihre Unsicherheit aufgrund des Zeitablaufs ausreichend deutlich gemacht. Die Zeugin S. vermochte prägnant darzustellen, in welcher Weise ihr die Abweichung zum früheren Zustand aufgefallen ist.

Der Zeuge M. hat hingegen zwar glaubhaft ausgesagt, die Leitungen seien im streitgegenständlichen Haus anlässlich der Modernisierungsarbeiten über Putz verlegt worden. Jedoch konnte er sich naturgemäß nach fast 20 Jahren nicht mehr an die konkrete Wohnung erinnern.

Die Kläger haben auch einen Anspruch gegen die Beklagten auf die aus dem Tenor zu 1) b) ersichtlichen Arbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Hierbei handelt es sich um einen Mangel an der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB. Es ist unerheblich, ob sich ein Mangel innerhalb eines Hauses oder an der Fassade zeigt. Ob die Beklagten den Anstrich des Balkons vorgerichtlich angeboten und somit keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben haben, ist für den Anspruch selbst unerheblich.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die ihnen vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten für die Einholung der Deckungszusage ihrer Rechtsschutzversicherung aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Beauftragung des Rechtsanwalts hinsichtlich der Einholung der Deckungszusage ist vorliegend keine besondere Angelegenheit , sondern lediglich „dieselbe“ Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG.

Erschöpft sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Anforderung der Deckungszusage bei dem Rechtsschutzversicherer unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift und wird der Deckungsschutz umstandslos bewilligt wird, so liegt ein Fall des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG vor (BGH, Urteil vom 13.12.2011, VI ZR 274/10, Rn. 9, zitiert nach Juris). Die Einholung der Deckungszugsage ist in diesem Fall lediglich ein Annex zur Hauptsache. Es wurde von den Klägern nichts vorgetragen, dass zusätzlich zu diesen Tätigkeiten ihr Prozessbevollmächtigter zu Vertretung gegenüber der Rechtsschutzversicherung beauftragt war. Die Prüfung des Anspruchs reicht hierfür nicht aus (vgl. BGH, a.a.O.). Die Erstellung des Klageentwurfs ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw. der Verfahrensgebühr abgegolten (BGH, a.a.O., Rn. 21).

Im Übrigen waren die Kosten zur Rechtsverfolgung jedenfalls nicht erforderlich.

Rechtsanwaltskosten, die im Zusammenhang mit der Einholung einer Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers entstehen,  sind nur zu erstatten, soweit sie aus der Sicht des Gläubigers zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, a.a.O., Leitsatz). Der BGH hat mit der zitierten Entscheidung klargestellt, dass es auf die rechtliche Komplexität der Angelegenheit nicht ankommt, sondern dem Geschädigten zunächst zugemutet werden kann, die Deckungsanfrage selbst beim Rechtsschutzversicherer – ggf. unter Beifügung des anwaltlichen Klagentwurfs – zu stellen (BGH, a.a.O., Rn. 21).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Es war ein fiktiver Streitwert unter Berücksichtigung der abgewiesenen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung zu bilden. Da der abgewiesene Teil mehr als 10 % beträgt, ist er nicht mehr verhältnismäßig geringfügig im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dies gilt auch bei Nebenforderungen (Zöller/Herget, ZPO, 29. Auflage 2012, § 92, Rn. 11).

Hinsichtlich der Hauptforderung obsiegen die Kläger vollständig. Dies gilt auch für den Tenor zu 1) b), da die Beklagten den Anspruch nicht sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkannt haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11,  713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach §  511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert wird auf 319,52 € festgesetzt, § 3 ZPO.

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