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Übergabeprotokoll ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis?

AG Eilenburg – Az.: 14 C 468/20 – Urteil vom 23.02.2021

1. Die Beklagten werden verurteilt als Gesamtschuldner an den Kläger 314,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt als Gesamtschuldner an den Kläger 20,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2020 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 334,50 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 314,50 Euro aus §§ 535, 280 Abs. 1, 3, 281, 249 ff. BGB.

Dies setzt voraus, dass der Schuldner eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis gegenüber dem Gläubiger verletzt hat und diese Pflichtverletzung zu vertreten hat. Weiterhin muss dem Gläubiger ein ersatzfähiger Schaden entstanden sein.

Zwischen den Parteien lag ein Schuldverhältnis vor.

Die Parteien haben einen Mietvertrag über die Wohnung … abgeschlossen.

Es lag auch eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten vor.

Aus dem Mietvertrag ergab sich eine Pflicht der Beklagten zur Rückgabe der Wohnung in gereinigtem Zustand und ohne Schäden. Die Verletzung dieser Pflicht durch die Beklagten ergibt sich aus dem Übergabeprotokoll vom 31.07.2019.

Das Übergabeprotokoll stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB dar.

Ein Schuldanerkenntnis ist ein Vertrag, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird. Es kann als konstitutives Schuldanerkenntnis, bei dem eine neue unabhängige Verbindlichkeit begründet wird, ausgestaltet sein. Es kann aber auch als deklaratorisches Schuldanerkenntnis eine bestehende Verbindlichkeit feststellen und alle Einwendungen des Schuldners bezüglich dieser Verbindlichkeit, die er beim Abschluss des Anerkenntnisses kannte oder kennen musste, für die Zukunft ausschließen. Die Einordnung erfolgt anhand der Auslegung. Ein Übergabeprotokoll beim Auszug eines Mieters kann ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellen, jedenfalls soweit er sich darin zusätzlich zur Mängelbeseitigung auf seine Kosten verpflichtet (Übergabe- und Rückgabeprotokolle NZM 2014, 743). Die Beklagten haben sich durch Unterschrift der bevollmächtigten … auf dem Übergabeprotokoll dazu verpflichtet die Kosten der Beseitigung der aufgeführten Schäden zu tragen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Eigentümer die Beseitigung in Auftrag geben sollte. Nach Auslegung aus Sicht des Empfängers sollte damit aber keine eigene unabhängige Verbindlichkeit begründet, sondern die bestehenden Schäden und die Kostentragungspflicht für diese aus dem Mietvertrag bestätigt werden. Aus dieser Bestätigung ergibt sich, dass die Rückgabe nicht ohne Schäden erfolgt ist.

Die bevollmächtigte … konnte das deklaratorische Schuldanerkenntnis auch wirksam abgeben.

Der Inhalt und Umfang einer Vollmacht ist vor allem anhand der Sicht des Dritten, dem die Vollmacht vorgelegt wird und der Umstände des Einzelfalles auszulegen. Bevollmächtigt der Mieter einer Wohnung eine Person zur Begleitung und Durchführung der Wohnungsübergabe sowie zur Unterzeichnung des Übergabeprotokolls, umfasst dies denklogisch auch die Bestätigung der Mängel und die Verpflichtung zur Beseitigung dieser. Die Wohnungsübergabe umfasst den gesamten Prozess von der Feststellung der Mängel bis hin zur Absprache über die eventuelle Beseitigung. Eine etwaige Einschränkung der Vollmacht bezüglich der Mängelbeseitigung bzw. einer Kostentragungspflicht muss daher klar aus dieser hervorgehen. Die Vollmacht, die die Beklagten der … ausgestellt und dem Kläger vorgelegt haben, umfasst nach ihrem Wortlaut die Wohnungsübergabe als solche. Dies bestätigt gerade auch der Absatz „Diese Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden und ist nur für die Wohnungsübergabe gültig. Sie umfasst keine weiteren Berechtigungen.“, weil er Bezug auf die vorherigen Abschnitte nimmt, in denen gerade auch von der Unterzeichnung des Übergabeprotokolls gesprochen wird.

Eine Fristsetzung war gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich.

Danach ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen. Die bevollmächtigte … hat für die Beklagten am Tag der Wohnungsübergabe wirksam die Beseitigung der Mängel durch den Eigentümer und die Kostentragung durch die Mieter vereinbart, sodass eine Fristsetzung zur Beseitigung der Schäden seitens der Beklagten gerade nicht mehr sinnvoll und notwendig war.

Die Beklagten hatten die Pflichtverletzung auch zu vertreten.

Gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Das Vertretenmüssen wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Beklagten haben keine Umstände vorgetragen, die sie vom Vertretenmüssen der Rückgabe der Mietwohnung im beschädigten Zustand entlasten.

Dem Kläger ist auch ein ersatzfähiger Schaden entstanden.

Die Beklagten können sich nicht auf die fehlende Fälligkeit der Schönheitsreparaturen in anderen Räumen als Bad und Küche, insbesondere des rechten Kinderzimmers, sowie darauf berufen, dass Dübellöcher schon bei Einzug vorhanden gewesen seien und der Riss in der Decke im Bad nicht beseitigt werden müsse, weil die Beklagten die Schäden an der Mietwohnung und ihre Kostentragungspflicht dem Grunde nach wirksam anerkannt und entsprechende Einwendungen für die Zukunft ausgeschlossen haben.

Eine Anerkennung auch der Schadenshöhe ergibt sich durch das deklaratorische Schuldanerkenntnis vom 31.07.2019 jedoch nicht.

Ein solches schließt gerade nur Einwendungen des Schuldners aus, die ihm zum Zeitpunkt der Abgabe des Schuldanerkenntnisses bekannt waren oder die er kennen musste. Weder die Beklagten noch die Bevollmächtigte konnten bei Abgabe des Anerkenntnisses wissen, welchen Weg der Beseitigung der Kläger wählen und welche Kosten dies verursachen würde. Die Reparatur- und Austauscharbeiten waren zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses am 31.07.2019 noch nicht in Auftrag gegeben.

Die Beklagten können sich nicht auf die fehlende Notwendigkeit des Austausches der Wohnungseingangstür berufen.

Ausweislich der Rechnung des … wurde die Wohnungseingangstür lediglich mit einem neuen Anstrich versehen und ein Austausch ist gerade nicht erfolgt.

Die Höhe der Kosten für den Austausch der Badezimmertür, der Gurtwickler sowie den Einbau der Ersatzschließung haben die Beklagte nicht wirksam bestritten.

Im Rahmen des Schadensersatzes nach § 249 BGB werden nur die Kosten ersetzt, die für die Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, tatsächlich erforderlich sind. Diese Erforderlichkeit ist vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Dieser Darlegungs- und Beweislast genügt der Geschädigte aber regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung, des mit der Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger reicht dann nicht aus, um die Schadenshöhe wirksam zu bestreiten (BGH, Urt. v. 15.9.2015 – VI ZR 475/14). Der Kläger hat die, durch Einzelpositionen aufgeschlüsselten, Rechnungen des beauftragen Malerbetriebs, des Montageservices und des Großhandels vorgelegt. Diese hat er auch beglichen. Die Beklagten haben lediglich pauschal die Notwendigkeit des Austausches der Badezimmertür und der Gurtwickler sowie des Einbaus der Ersatzschließung bestritten und keine substantiierte Begründung oder Beweis angeboten.

Es muss auch keine Anrechnung „Neu für Alt“ erfolgen.

Eine Anrechnung „Neu für Alt“ stellt einen Unterfall der Vorteilsausgleichung dar, nach der der Geschädigte im Rahmen des Schadensersatzes nach §§ 249 ff. BGB nicht bessergestellt werden darf als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Wird eine gebrauchte Sache durch eine neue ersetzt, kann dies zu einer Wertsteigerung führen, die die Schadensersatzpflicht mindert. Voraussetzung für die Vorteilsausgleichung ist, dass beim Geschädigten eine messbare Vermögensmehrung eingetreten ist, sich die Werterhöhung für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirkt und die Vorteilsausgleichung für den Geschädigten zumutbar ist. Für die Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung beim Geschädigten ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet (BGH NJW 1985, 1539; NJW-RR 1992, 1397). Dieser Darlegungs- und Beweislast sind die Beklagten nicht nachgekommen. Sie haben sich lediglich pauschal auf das Alter des Bauwerkes bzw. der Wohnung berufen und dieses zunächst mit ca. 30 Jahren und dann mit 23 Jahren (Baujahr 1996) beziffert. Ein entsprechendes Beweisangebot lag nicht vor. Soweit sich die Beklagten auf das Urteil des OLG Dresden vom 20.08.2019 (Az. 4 U 665/19) berufen, welches bei einer Ersatzschließung einen Abzug „Neu für Alt“ von 4% pro Nutzungsjahr vornimmt, fehlt es am Vortrag zu vergleichbaren Voraussetzungen. Das OLG Dresden hält diesen Abzug jedenfalls für größere Mietwohnungsanlagen mit höherer Mieterzahl und häufigerem Mieterwechsel für angemessen. Ob die in Rede stehende Mietwohnung diese oder ähnliche Kriterien erfüllt, ist durch die Beklagten nicht vorgetragen.

Der Anspruch des Klägers besteht in Höhe von 314,50 Euro.

Der ursprüngliche Anspruch in Höhe von 2.123,61 Euro ist durch Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von 1782,11 Euro erloschen.

Die Zinsen sind gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab dem 16.10.2019 zu erstatten.

Ein Anspruch des Klägers auf die Mahnkosten in Höhe von 20,00 Euro ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Die Zinsen sind gemäß §§ 286 ab. 1, 291 BGB iVm §§ 700, 696 III ZPO ab dem 16.02.2020 zu erstatten.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Durch die Zuvielforderung des Klägers wurden keine höheren Kosten veranlasst, weil sie sich lediglich auf die Zinsen bezieht.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

4. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil die Beschwer gemäß § 511 Abs. 4 ZPO unter 600 Euro liegt und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.

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