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Übersendung Betriebskostenabrechnung – deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Vermieters

LG Hamburg – Az.: 316 S 155/11 – Urteil vom 24.04.2012

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 02.11.2011, Az. 44 C 177/11, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Zunächst wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die in dem erstinstanzlichen Urteil vertretene Auffassung, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12.1.2011 VIII ZR 296/09) gelte nur für Wohnraummietverhältnisse und sei auf gewerbliche Mietverhältnisse nicht anzuwenden. Er meint, auch der Gewerbemieter sei ausreichend geschützt, da er das Recht habe, nach Ablauf eines Jahres nach Abrechnungsreife auf Abrechnung zu klagen. Hinzu käme, dass der Beklagte sich zumindest im vorliegenden Fall nicht auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis berufen könne, da er der Betriebskostenabrechnung ausdrücklich widersprochen habe.

Er beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 429,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.12.2010 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 83,54 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 27.3.2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Amtsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen, da sich sein Widerspruch nur gegen einzelne Bestandteile der Abrechnung gerichtet habe.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffenden Gründen, auf die vollen Umfangs Bezug genommen wird, hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung des Klägers sind nicht in der Lage, eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu bewirken.

Vor der Mietrechtsreform entsprach es ganz herrschender Ansicht, dass in der Übersendung der Betriebskostenabrechnung und der darauf folgenden Gutschrift des Guthabens ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Vermieters zu sehen ist, welches spätere Korrekturen zu Lasten des Mieters nicht mehr zuließ (Langenberg Betriebskosten 5. Aufl. G Rz. 198 mit zahlreichen Nachweisen). Dieser Auffassung ist ein Teil der Literatur (MüKo/Schmid 5. Aufl. § 556 Rz. 1029) und der Rechtsprechung (LG Berlin GE 206, 125) nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes mit der Begründung entgegengetreten, die nunmehr normierte Einwendungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB und die in § 556 Abs. 4 BGB enthaltene Bestimmung, dass abweichende Regelungen zu Lasten des Mieters unwirksam seien, ließen für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses keinen Raum mehr. Dem ist der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 12.1.2011 gefolgt und hat klar gestellt, dass mit der Einführung der ausschlussbewehrten Abrechnungs- und Einwendungsfristen gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 und 3 sowie Satz 5 und 6 BGB kein Raum für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses mehr sei, da eine ausreichende Rechtssicherheit gewährleistet und innerhalb zumutbarer Zeit Klarheit über die Höhe der Betriebskosten erzielt werde.

Nach Auffassung der Kammer lässt sich diese Rechtsprechung aber nicht auf gewerbliche Mietverhältnisse übertragen, da die Ausschlussfristen des § 556 Abs. 3 BGB nur für Wohnraummietverhältnisse gelten, so dass die von dem Bundesgerichtshof angeführte Begründung unabhängig von der Frage, inwieweit die Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses überhaupt durch die Normierung von Ausschlussfristen beeinflusst werden kann, auf gewerbliche Mietverhältnisse nicht angewandt werden kann. Die in dem Urteil vom 12.1.2011 enthaltene Begründung entbehrt bei einem gewerblichen Mietverhältnis der Grundlage, da es im Rahmen eines derartigen Mietverhältnisses keine Ausschlussfristen gibt. Die Parteien eines Mietverhältnisses haben, wie der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung darlegt, ein offensichtliches Bedürfnis, innerhalb eines überschaubaren Zeitraums Klarheit über den Stand des Betriebskostenkontos zu haben und zu erfahren, ob die jeweils andere Vertragspartei den errechneten Saldo akzeptiert oder aber Nachforderungen erhebt bzw. Einwendungen geltend macht. Diesem Bedürfnis wird durch die Regelung des § 556 Abs. 3 Rechnung getragen, allerdings nur für Wohnraum. Soweit der Beklagte meint, diesem Bedürfnis sei auch bei Gewerberaum Genüge getan, da der Mieter nach Ablauf eines Jahres nach Abrechnungsreife auf Abrechnung drängen und gegebenenfalls seine Vorauszahlungen zurückverlangen könne, verkennt er, dass ein deklaratorisches Anerkenntnis nur dann angenommen werden kann, wenn bereits abgerechnet und der Saldo ausgeglichen wurde. Sofern man auch in diesen Fällen von der bisher herrschenden Auffassung abweichen würde, müsste sowohl der Vermieter als auch der Mieter damit rechnen, Ansprüche der jeweils anderen Partei ausgesetzt zu sein, obwohl der Mieter den Saldo erhalten oder aber ausgeglichen hat. Eine zeitliche Grenze wäre allein durch die Verjährung gesetzt. Bis zu deren Eintreten wären beide Parteien berechtigt, Ansprüche aus einem Jahre zurückliegenden Abrechnungszeitraum geltend zu machen, so dass sich die Parteien des gewerblichen Mietvertrages somit mit einer jahrelangen Ungewissheit abfinden müssten.

Der Umstand, dass der Beklagte nach Erhalt der Abrechnung andere Positionen als die in der Abrechnung vergessene Grundsteuer gerügt hat, ändert an der Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses nichts, da der Vermieter, der ein Guthaben des Mieters und damit einen Betrag zu seinen Lasten errechnet, damit ausdrücklich anerkennt, diesen Saldo zu schulden. Sein entsprechender Verpflichtungswille ergibt sich ohne weiteres aus dem Zweck der Erklärung (Langenberg aaO Rz. 197). Der Mieter wiederum akzeptiert durch die Annahme des Guthabens, dass es ihm jedenfalls in der vom Vermieter berechneten Höhe zusteht. Hierzu bedarf es keiner weiteren Erklärungen von seiner Seite (Langenberg aaO RZ. 197), so dass er durchaus berechtigt ist, Einwendungen geltend zu machen und weitergehende Zahlungen zu verlangen.

Nach all dem ist der Kläger nicht berechtigt, nachträglich die Zahlung der Grundsteuer zu verlangen, so dass das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Auf Antrag des Klägers hat die Kammer die Revision zur Rechtsfortbildung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Frage, ob die vorbehaltlose Erstattung eines Betriebskostenguthabens in einem gewerblichen Mietverhältnis weiterhin die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses erlaubt, vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden, sondern ausdrücklich offen gelassen wurde.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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