AG Hanau – Az.: 37 C 127/16 (17) – Urteil vom 05.10.2016
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.402,68 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2015 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als Vermieterin von der beklagten Mieterin Miete, die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch wegen vermeintlich überzahlter Nachforderungen bzw. einem selbst errechneten Guthaben aus einer Betriebskostenabrechnung.
Zwischen den Parteien wurde im Jahr 2003 ein Geschäftsraummietvertrag geschlossen. Die Miete beträgt monatlich 16.150,00 EUR. Die Beklagte hat die Miete für November 2015 (nunmehr noch) in Höhe der Klageforderung gekürzt. Dieses begründet sie mit Rückforderungen bzw. einem Guthaben aus den Betriebskostenabrechnungen 2013 und 2014. Diese Abrechnungen enthalten die Positionen „BSC Instandhaltung Feuer /Rauchschutztüren“ (637,63 EUR), „BSC Instandhaltung Rauch-/Wärmeabzugsanl.“ (306,85 EUR und 1.068,71 EUR) sowie „Instandhaltung Feuerlöscher“ (389,49) EUR, welche in dem Mietvertrag nicht als umlagefähige Betriebskosten aufgeführt sind. Dort wird auf die Umlagefähigkeit von Betriebskosten gem. der II. Berechnungsverordnung verwiesen (Bl. 10 d.A.).
Die Beklagte hat die Nachforderung aus 2013 beglichen und ein Guthaben für 2014 entgegen genommen. Beide Abrechnungen enthielten die vorstehenden Positionen, was nicht beanstandet wurde.
Die genannten Positionen wurden gegenüber der Beklagten zumindest seit 2010 umgelegt. Im Zuge früherer Kommunikationen zwischen den Parteien über die Betriebskostenabrechnungen hat die Beklagte mit Email vom 25.04.2013 durch die Klägerin aufgeführte Ergebnisse der Abrechnungen 2010 bis 2012 – welche die hier relevanten Kostenpositionen bereits enthielten – bestätigt und erklärt, dass die Parteien die Nebenkostenabrechnungen damit „abschließend klären konnten“ (Bl. 33/34 d.A.).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte durch die Zahlung der Nachforderung 2013 und die Entgegennahme des Guthabens aus der Abrechnung 2014 die Richtigkeit der Kostenpositionen anerkannt habe. Jedenfalls ergebe sich das aber aus dem Email-Verkehr bzgl. der Abrechnungen 2010 bis 2012. Daher sei eine Aufrechnung gegen die Miete November 2015 nicht möglich.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.402,68 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.11.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, eine Zustimmung zu einer Vertragsänderung nicht erteilt zu haben. Dieses ergebe sich nicht aus der Zahlung der Nachforderung bzw. der Entgegennahme des Guthabens. Daher stünde auch die Regelung des § 814 BGB einer Rückforderung nicht entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der verbliebenen Miete für November 2015 gem. § 535 Abs. 2 BGB. Die Beklagte kann dem keinen Rückforderungs- bzw. Guthabensauszahlungsanspruch aus den Abrechnungen 2013 und 2014 entgegen halten.
Die Betriebskostenabrechnungen 2013 und 2014 sind zunächst selbst bei Einstellung nicht umlagefähiger Positionen formal ordnungsgemäß und daher Grundlage eines Nachforderungsanspruchs bzw. Anspruchs auf Einbehaltung von Vorauszahlungen (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – VIII ZR 83/13 –, juris; Schmid/Zehelein in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 556 Rn. 96).
Die streitgegenständlichen Positionen sind zwischen den Parteien auch jedenfalls hinsichtlich der Betriebskostenabrechnungen 2013 und 2014 vereinbart.
Der Mietvertrag selbst enthält zunächst keine konkrete Betriebskostenumlagevereinbarung. Die bloße Verweisung auf die II. Berechnungsverordnung ist dafür nicht ausreichend, denn diese enthält selbst keine eindeutigen Aussagen hierzu. Denkbar wäre allenfalls eine Konkretisierung über § 24 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 27 Abs. 2 Satz 2 II. BV iVm. der BetrkV. Allerdings lässt die Rechtsprechung allenfalls einen Bezug auf den Betriebskostenkatalog zu (BetrkV oder vormals Anlage 3 zu § 27 II. BV), der hier nicht vorliegt. Auch die neuere Rechtsprechung, dass es ausreicht, wenn der Mieter „die Betriebskosten“ trägt (für die Wohnraummiete), vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2016 – VIII ZR 137/15 BeckOnline, greift hier nicht, weil der Begriff gerade nicht für sich steht, sondern im Weiterein unter allgemeine Bezugnahme auf die II. BV verwendet wird.
Die Parteien haben daher eine zunächst unklare Vereinbarung getroffen, die im Nachfolgenden durch praktische Handhabung konkretisiert werden kann (BGH, Urt. v. 2. 5. 2012 − XII ZR 88/10 BeckOnline). Das ist spätestens durch die übereinstimmende Erklärung beider Parteien in dem Email-Verkehr geschehen. Dieser bezieht sich auf die Betriebskostenabrechnungen 2010 bis 2012, in welchen die hier relevanten Kosten enthalten sind. Durch die Nennung der entsprechenden Ergebnisbeträge unter Berücksichtigung dieser und die Anerkennung der Beklagten, dass damit eine abschließende Klärung der Abrechnungen erfolgt sei, gelten die dort enthaltenen Positionen als vereinbart und sind daher auch den Abrechnungen 2013 und 2014 zugrunde zu legen.
Das wäre auch dann der Fall, wenn der Mietvertrag über den Verweis auf die II. BV eine klare und insoweit abschließende Vereinbarung über die umgelegten Betriebskosten enthalten hätte. Dann wären diese zunächst über §§ 24 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 27 Abs. 2 Satz 2 II. BV auf den Katalog des § 2 BetrkV beschränkt, welcher die hiesigen Kosten nicht beinhaltet. Allerdings wäre dann diese Vereinbarung wirksam geändert worden. Richtig ist dabei zunächst noch die Auffassung der Beklagten, dass durch die Entgegennahme des Guthabens bzw. die Leistung der Nachforderungen alleine noch keine Vertragsänderung herbeigeführt wird (BGH, Urt. v. 9.7.2014 – VIII ZR 36/14 BeckOnline). Nach laufender Rechtsprechung beider Mietsenate ist das jedoch dann der Fall, wenn sich bei Vorliegen besonderer Umstände ergibt, dass dieses dennoch der Fall sein soll (BGH, Urteil vom 10. 10. 2007 – VIII ZR 279/06 BeckOnline unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 29. 5. 2000 – XII ZR 35/00 BeckOnline). Letztere Entscheidung des Gewerbemietsenates bezieht sich auf den Fall, dass die Kosten später eingeführt und dann anstandslos bezahlt wurden. Ob der insoweit gegen die neue Rechtsprechung des VIII. Senats ausgerichteten Entscheidung in der Gewerberaummiete nach wie vor der Vorzug zu geben ist, kann dahinstehen. Jedenfalls hat die Beklagte dadurch, dass sie in der Email vom 25.04.2013 geäußert hat, dass die Nebenkosten bzgl. der Abrechnungen 2010 bis 2012 einschließlich der hier relevanten Positionen abschließend geklärt sind, und zudem die Nachforderung aus der Abrechnung 2013 einschließlich dieser Positionen beglichen hat, ersichtlich einer Vertragsänderung dahingehend, dass die Klägerin die entsprechenden Positionen umlegen kann, konkludent wenn nicht gar ausdrücklich zugestimmt. Damit kann sie insoweit aus den Abrechnungen 2013 und 2014 keine gegenteiligen Rechte mehr geltend machen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.