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Unberechtigte Eigenbedarfskündigung – Vermieter muss Mietdifferenzschaden

Ein Paar aus Berlin kündigt seiner langjährigen Mieterin wegen Eigenbedarfs für den Sohn – doch der zieht nie ein. Jetzt muss das Paar nicht nur die Umzugskosten, sondern auch langfristig die Mietdifferenz zur teureren Neuanmietung bezahlen. Das Amtsgericht Kreuzberg verurteilte die Vermieter zu Schadensersatz, weil sie die Ernsthaftigkeit des geltend gemachten Eigenbedarfs fahrlässig verkannt hatten.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 13 C 104/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Das Urteil bezieht sich auf eine Eigenbedarfskündigung, die sich als unberechtigt erwies.
  • Der Fall behandelt eine Kündigung eines Mietvertrags aus dem Jahr 1993, in dem die Mietfläche mehrfach erweitert wurde.
  • Hauptschwierigkeit bestand in der unrechtmäßigen Begründung des Eigenbedarfs durch den Vermieter.
  • Das Gericht entschied, dass die Beklagten als Vermieter der Klägerin Schadensersatz für die entstandenen Mietdifferenzen zahlen müssen.
  • Der Vermieter muss zusätzlich die vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen an die Klägerin zahlen.
  • Das Gericht rechtfertigte die Entscheidung damit, dass der angeblich erforderliche Eigenbedarf nur vorgeschoben war.
  • Die Entscheidung hat zur Folge, dass Vermieter bei unberechtigter Eigenbedarfskündigung für sämtliche finanzielle Nachteile des Mieters haften.
  • Das Urteil betont die strengen Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Eigenbedarfs bei einer Kündigung.
  • Mieter können bei unberechtigter Kündigung umfassenden Schadensersatz verlangen.
  • Eine Klage auf Schadensersatz kann sowohl die Differenz in der Miete als auch zusätzliche Kosten wie Anwaltsgebühren umfassen.

Vermieter zu Schadensersatz bei unberechtigter Eigenbedarfskündigung verurteilt

Eine Eigenbedarfskündigung ist eine besondere Form der Kündigung des Mietvertrags, bei der der Vermieter geltend macht, dass er die Mietsache selbst dringend für sich oder Angehörige benötigt. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch streng, und nicht jede Eigenbedarfskündigung ist berechtigt.

Wenn ein Vermieter eine Eigenbedarfskündigung ausspricht, die sich später als unberechtigt erweist, so hat der Mieter Anspruch auf Entschädigung. Dieser sogenannte Mietdifferenzschaden kann erheblich sein und den Vermieter unter Umständen in finanzielle Schwierigkeiten bringen. In einem aktuellen Gerichtsurteil wurde diese Thematik näher beleuchtet, worauf im Folgenden eingegangen wird.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Kreuzberg


Unberechtigte Eigenbedarfskündigung führt zu Schadensersatz

In dem vom Amtsgericht Kreuzberg entschiedenen Fall ging es um eine von den beklagten Vermietern ausgesprochene Eigenbedarfskündigung gegenüber der klagenden Mieterin. Die Beklagten begründeten den Eigenbedarf damit, dass der Sohn des Beklagten zu 1) zusammen mit seiner Freundin die Wohnung beziehen solle.

Die Klägerin hatte die etwa 138 qm große Fünf-Zimmer-Wohnung seit 1993 gemietet. Die Bruttokaltmiete betrug zuletzt 703,89 Euro zzgl. 130 Euro Heizkostenvorauszahlung. Nach Erhalt der Eigenbedarfskündigung schloss die Klägerin einen neuen Mietvertrag über eine etwa 97 qm große Wohnung zu einer Bruttokaltmiete von 1.549 Euro ab Juni 2021. Die Parteien trafen dann zum 31.07.2021 eine Aufhebungsvereinbarung für den alten Mietvertrag.

Gericht sieht unberechtigten Eigenbedarf

Der Sohn des Beklagten zu 1) bezog die Wohnung jedoch nie. Stattdessen zogen zwei andere Personen ein. Das Gericht sah darin einen unberechtigten Eigenbedarf. Es stellte fest, dass die Beklagten bereits vor Ausspruch der Kündigung fahrlässig verkannt haben, dass der Nutzungswille des Sohnes nicht ernsthaft und die Nutzungsabsicht somit nicht realisierbar war.

Angesichts der komplexen Persönlichkeit des Sohnes, der lange in einer Pflegefamilie aufwuchs und unter Betreuung stand, wäre es geboten gewesen, seine Entscheidung für den Bezug der großen Wohnung kritischer zu hinterfragen. Der Beklagte hätte mit dem langjährigen Betreuer Rücksprache halten und seinem Sohn die Tragweite verdeutlichen müssen, z.B. durch eine gemeinsame Besichtigung der Wohnung. Dies unterblieb jedoch.

Mieterin hat Anspruch auf Schadensersatz

Die Klägerin macht nun Schadensersatz geltend für die durch den Umzug entstandenen Kosten sowie die Mietdifferenz zwischen alter und neuer Wohnung. Das Gericht sprach ihr Schadensersatz in Höhe von 7.528,97 Euro zu, bestehend aus:

  • 1.808,09 Euro Umzugskosten
  • 5.720,88 Euro Mietdifferenz für August 2021 bis März 2022 (8 x 715,11 Euro)

Zudem stellte es fest, dass die Beklagten auch künftig verpflichtet sind, die monatliche Mietdifferenz zwischen alter und neuer Wohnung als Schaden zu ersetzen. Eine zeitliche Begrenzung lehnte das Gericht ab. Der Vermieter sei ausreichend geschützt, da er ggf. eine Abänderungsklage erheben könne, sollte der Mieter künftig eine günstigere Wohnung finden können.

Das Urteil macht deutlich: Vermieter müssen vor Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung sorgfältig prüfen, ob der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich zu realisieren ist. Andernfalls drohen Schadensersatzansprüche des Mieters, die schnell eine beträchtliche Höhe erreichen können.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht die Sorgfaltspflicht des Vermieters bei Eigenbedarfskündigungen. Entscheidend ist die Ernsthaftigkeit und Realisierbarkeit des Eigenbedarfs, nicht nur die formale Berechtigung. Verkennt der Vermieter dies fahrlässig, drohen weitreichende Schadensersatzansprüche des Mieters, die neben Umzugskosten auch die dauerhafte Mietdifferenz umfassen können. Eine gründliche Prüfung und Absicherung des Eigenbedarfs ist daher unerlässlich, um kostspielige Konsequenzen zu vermeiden.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Unberechtigte Eigenbedarfskündigung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Was ist eine Eigenbedarfskündigung und wann ist sie rechtlich zulässig?

Eine Eigenbedarfskündigung liegt vor, wenn der Vermieter die Mietwohnung für sich selbst, Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Zu den Familienangehörigen zählen dabei Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Eltern, Geschwister, Enkel und Großeltern des Vermieters. Auch für Nichten und Neffen sowie Stiefkinder kann ein Eigenbedarf geltend gemacht werden. Haushaltsmitglieder wie Pflegepersonal oder Hausangestellte fallen ebenfalls unter den Kreis der privilegierten Personen.

Damit eine Eigenbedarfskündigung rechtlich zulässig ist, muss der Vermieter ein ernsthaftes Nutzungsinteresse an der Wohnung haben. Das bedeutet, er muss die Wohnung tatsächlich für den angegebenen Zweck benötigen und dies auch plausibel begründen können. Beispielsweise kann ein Eigenbedarf gerechtfertigt sein, wenn die Tochter des Vermieters nach einem Studium in die Heimatstadt zurückkehrt und eine Wohnung benötigt. Oder wenn die pflegebedürftigen Eltern in die Nähe der Familie ziehen sollen, um besser betreut werden zu können.

Nicht ausreichend für einen Eigenbedarf wäre es dagegen, wenn der Vermieter die Wohnung nur gelegentlich als Ferienwohnung oder Zweitwohnsitz nutzen möchte. Auch ein pauschaler Verweis auf einen möglichen zukünftigen Bedarf der Kinder reicht nicht aus. Der Nutzungswunsch muss sich vielmehr auf eine konkrete Person und einen absehbaren Zeitraum beziehen.

Zudem muss der Vermieter den Eigenbedarf dem Mieter in Textform mitteilen und dabei die Gründe angeben. Aus der Begründung muss klar hervorgehen, für wen die Wohnung benötigt wird und warum die bisherige Wohnung dieser Person nicht mehr ausreicht. Fehlt eine nachvollziehbare Begründung, ist die Kündigung formell unwirksam.

Selbst wenn der Eigenbedarf gerechtfertigt ist, kann der Mieter der Kündigung widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte für ihn bedeuten würde. Eine solche Härte kann sich aus dem hohen Alter, einer schweren Krankheit oder der drohenden Obdachlosigkeit des Mieters ergeben. Über die Berechtigung des Widerspruchs muss dann im Einzelfall entschieden werden.


Was sind typische Anzeichen dafür, dass eine Eigenbedarfskündigung unberechtigt sein könnte?

Es gibt einige typische Anzeichen, die darauf hindeuten können, dass eine Eigenbedarfskündigung möglicherweise unberechtigt ist:

Der angegebene Eigenbedarf wirkt vorgeschoben oder wenig glaubwürdig. Wenn die vom Vermieter genannten Gründe für den Eigenbedarf nicht plausibel erscheinen oder sich widersprechen, kann dies ein Hinweis auf eine unrechtmäßige Kündigung sein. Ein Beispiel wäre, wenn der Vermieter angibt, die Wohnung für seine Tochter zu benötigen, obwohl bekannt ist, dass diese bereits anderweitig versorgt ist.

Dem Eigenbedarf ging ein Streit zwischen Mieter und Vermieter voraus. Kommt es im Vorfeld der Kündigung zu Meinungsverschiedenheiten, beispielsweise wegen Mietminderungen aufgrund von Mängeln, und folgt kurz darauf die Eigenbedarfskündigung, kann dies ein Indiz dafür sein, dass der Vermieter eigentlich andere Motive hat.

Der Vermieter macht widersprüchliche oder falsche Angaben. Finden sich in der Begründung des Eigenbedarfs Ungereimtheiten oder sogar nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen, spricht dies gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Stellt sich etwa heraus, dass die Person, für die angeblich Eigenbedarf angemeldet wurde, gar nicht existiert, liegt der Verdacht nahe, dass die wahren Gründe andere sind.

Kurz nach Auszug des Mieters wird die Wohnung anderweitig vermietet oder zum Verkauf angeboten. Wenn der Vermieter die Wohnung entgegen seiner Behauptungen gar nicht selbst nutzt, sondern unmittelbar nach der Räumung durch den Mieter neu vermietet oder verkauft, ist von einem vorgetäuschten Eigenbedarf auszugehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Wohnung öffentlich inseriert wird.

Der Vermieter verweigert Angaben zu den Umständen des Eigenbedarfs. Bleibt der Vermieter im Unklaren darüber, wer genau einziehen soll und aus welchen Gründen, oder verweigert er nähere Erläuterungen, kann auch dies auf eine vorgeschobene Begründung hindeuten. Der Mieter hat Anspruch auf eine substantiierte Darlegung der Eigenbedarfssituation.

Es steht eine andere geeignete Wohnung im selben Haus oder in der Nähe zur Verfügung. Besitzt der Vermieter mehrere Wohnungen, die dem geltend gemachten Eigenbedarf genauso gut entsprechen würden, muss er dies dem Mieter mitteilen. Geschieht das nicht, und wird dem Mieter die Kündigung ausgesprochen, obwohl im selben Haus eine andere Wohnung frei wird, ist dies ein starkes Indiz für eine Kündigung aus anderen Motiven.


Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, gegen eine unberechtigte Eigenbedarfskündigung vorzugehen?

Bei einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung stehen Mietern verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um sich zu verteidigen und Schadensersatz zu fordern. Zunächst sollte der Mieter Widerspruch gegen die Kündigung einlegen, um seine Rechte zu wahren. Dabei ist es ratsam, die Kündigung von einem spezialisierten Anwalt oder einer Mieterschutzvereinigung überprüfen zu lassen. Stellt sich heraus, dass die Kündigung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht oder der Eigenbedarf nur vorgetäuscht wurde, ist sie unwirksam. Der Mieter kann in diesem Fall in der Wohnung bleiben.

Ist der Mieter jedoch bereits im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung ausgezogen, hat er das Recht, vom Vermieter die Wiedereinräumung des Besitzes zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter die Wohnung wieder zu überlassen, da der Mietvertrag aufgrund der unwirksamen Kündigung weiterhin besteht. Der Mieter kann diesen Anspruch auch gerichtlich durchsetzen. Selbst wenn die Wohnung zwischenzeitlich anderweitig vermietet oder verkauft wurde, muss der Vermieter bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit alles tun, um dem Mieter die Wohnung wieder zur Verfügung zu stellen, beispielsweise durch Kündigung des neuen Mietverhältnisses oder Rückerwerb der Immobilie.

Darüber hinaus hat der Mieter bei einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung Anspruch auf Schadensersatz. Der Vermieter ist verpflichtet, alle Schäden zu ersetzen, die dem Mieter durch die unberechtigte Kündigung entstanden sind. Dazu gehören insbesondere Umzugskosten, Maklergebühren, Kosten für die Ummeldung von Telefon und Nachsendeauftrag sowie möglicherweise höhere Mietkosten für eine Ersatzwohnung. Auch Kosten für einen Rechtsanwalt, der die Kündigung überprüft hat, sowie Aufwendungen für Wohnungsbesichtigungen können ersatzfähig sein. Der Mieter muss die entstandenen Schäden konkret darlegen und nachweisen.

Ein anschauliches Beispiel verdeutlicht die Situation: Familie Müller erhält von ihrem Vermieter eine Eigenbedarfskündigung, da dessen Tochter angeblich die Wohnung benötigt. Im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Kündigung zieht die Familie aus und mietet eine teurere Ersatzwohnung an. Einige Monate später stellt sich heraus, dass die Tochter nie eingezogen ist und die Wohnung stattdessen anderweitig vermietet wurde. In diesem Fall kann Familie Müller die Wiedereinräumung des Besitzes verlangen und Schadensersatz für alle entstandenen Kosten fordern, wie etwa die Umzugskosten, die Maklergebühren für die neue Wohnung und die Mietdifferenz zur vorherigen Wohnung.

Wichtig ist, dass Mieter ihre Rechte kennen und sich frühzeitig rechtlichen Beistand suchen, um gegen eine unberechtigte Eigenbedarfskündigung vorzugehen. Nur so können sie sich effektiv verteidigen, Schadensersatzansprüche geltend machen und im besten Fall in ihrer Wohnung bleiben.


Was für Schadensersatzansprüche habe ich bei einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung?

Bei einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung hat der Mieter Anspruch auf Schadensersatz vom Vermieter. Dieser Schadensersatzanspruch umfasst alle Kosten und finanziellen Nachteile, die dem Mieter durch die unrechtmäßige Kündigung entstanden sind. Dazu gehören insbesondere die Umzugskosten, wie beispielsweise Transportkosten, Kosten für die Ummeldung von Telefon und Internet sowie Aufwendungen für Renovierungsarbeiten in der neuen Wohnung.

Darüber hinaus kann der Mieter auch die Differenz zwischen der bisherigen und der neuen, höheren Miete für einen bestimmten Zeitraum als Schadensersatz geltend machen. Dieser sogenannte Mietdifferenzschaden wird üblicherweise für die Dauer von bis zu fünf Jahren erstattet. Musste der Mieter aufgrund der Kündigung beispielsweise eine teurere Ersatzwohnung anmieten, kann er die Mehrkosten vom Vermieter zurückfordern.

Weitere ersatzfähige Positionen sind unter anderem Maklerkosten für die Suche nach einer neuen Wohnung, Kosten für doppelte Mietzahlungen während der Überschneidung von Kündigungsfrist und Einzug in die neue Wohnung sowie Aufwendungen für nicht mehr nutzbare Einrichtungsgegenstände. Musste der Mieter aufgrund der Wohnungsgröße oder des Grundrisses der Ersatzwohnung bestimmte Möbel oder Elektrogeräte neu anschaffen, kann er auch hierfür Ersatz verlangen.

Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist stets, dass die Eigenbedarfskündigung rechtlich nicht haltbar war. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hat oder die Begründung im Kündigungsschreiben nicht ausreichend war. Auch wenn der Vermieter nach dem Auszug des Mieters die Wohnung nicht wie angekündigt selbst nutzt, sondern anderweitig vermietet, liegt eine unberechtigte Kündigung vor.

Um seine Ansprüche durchzusetzen, muss der Mieter den entstandenen Schaden im Einzelnen darlegen und beziffern. Hilfreich sind dabei Belege wie Rechnungen, Verträge und Kontoauszüge. Außergerichtlich kann der Mieter den Vermieter zunächst zur Zahlung auffordern. Weigert sich dieser, bleibt oftmals nur der Weg einer Schadensersatzklage vor Gericht. Hierbei sollten sich Mieter anwaltlich beraten und vertreten lassen, um ihre Erfolgsaussichten zu verbessern.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Kündigung wegen Eigenbedarfs. Hier wird geregelt, dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wenn er die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Die Voraussetzung für eine rechtmäßige Eigenbedarfskündigung ist damit im Gesetz klar definiert.
  • § 242 BGB: Grundsatz von Treu und Glauben. Diese Vorschrift kann herangezogen werden, um die Rechtmäßigkeit der Eigenbedarfskündigung zu beurteilen. Eine vorgeschobene oder missbräuchliche Eigenbedarfskündigung wäre als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen und daher unwirksam.
  • § 280 Abs. 1 BGB: Schadensersatz wegen Pflichtverletzung. Falls die Eigenbedarfskündigung unberechtigt erfolgte, liegt eine Pflichtverletzung des Vermieters vor. Der Mieter hat dann Anspruch auf Schadensersatz aufgrund der unrechtmäßigen Vertragsverletzung.
  • § 536a Abs. 1 BGB: Mietminderung und Schadensersatz bei Mängeln. Dieser Paragraph beschreibt, dass der Mieter Schadensersatz verlangen kann, wenn der Vermieter vertragswidrig handelt. Auf eine unrechtmäßige Eigenbedarfskündigung angewendet, kann der Mieter Schadensersatz für die Mietdifferenz und Umzugskosten fordern.
  • § 286 BGB: Verzug des Schuldners. Wenn der Vermieter nachweislich vertragswidrig handelt und dadurch der Mieter in Verzug gerät (z.B. durch notwendige Neuvermietung zu höheren Kosten), kann der Mieter Verzugszinsen geltend machen.
  • § 257 ZPO: Sicherheitsleistung bei vorläufiger Vollstreckbarkeit. Hier wird festgelegt, dass eine Partei eine Sicherheitsleistung erbringen muss, wenn sie ein Urteil vorläufig vollstrecken will. Diese Bestimmung ist relevant, wenn das Gericht einen Schadensersatzanspruch feststellt und die Zahlung vorläufig vollstreckbar ist.
  • § 91 ZPO: Kosten des Rechtsstreits. In diesem Paragraphen wird geregelt, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten die Mehrheit der Kosten zu tragen, weil sie aufgrund der unberechtigten Eigenbedarfskündigung schuldig gesprochen wurden.
  • § 699 ZPO: Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Diese Regelung betrifft die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die die Klägerin aufgrund der unberechtigten Eigenbedarfskündigung verlangen kann. Die Beklagten wurden verpflichtet, diese Kosten zu zahlen.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Kreuzberg

AG Kreuzberg – Az.: 13 C 104/22 – Urteil vom 17.01.2023

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 7.528,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.668,53 Euro seit dem 27. November 2021 und aus 2.860,44 Euro ab dem 17. Mai 2022 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Mai 2022 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung der Wohnung im (…) Berlin, mit einer Fläche von ca. 138,60 m², gem. Schreiben vom 26. Februar 2021 entstanden ist, insbesondere die höhere Miete für die Wohnung in der (…) Berlin, mit einer Wohnfläche von 96,95 m² ab April 2022.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 15% und die Beklagten 85% zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz nach einer Eigenbedarfskündigung.

Die Klägerin schloss im Jahr 1993 einen Mietvertrag über die Wohnung im Haus (…) Berlin mit einer Wohnfläche von ursprünglich 95,38 m². Der weitere Mitmieter wurde zwischenzeitlich aus dem Mietverhältnis entlassen. Mit zwei Nachträgen aus den Jahren 2013 und 2017 zum ursprünglichen Mietvertrag wurde die Mietfläche auf 138 m² erhöht, die Wohnung bestand seitdem aus fünf Zimmern sowie den Nebenräumen. Wegen des genauen Inhalts des Mietvertrags sowie der Nachträge wird auf die Anlage K1 (Blatt 6 ff. der Akte) Bezug genommen.

Die Beklagten haben das Grundstück in der Folgezeit erworben und ist auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eingetreten.

Die Bruttokaltmiete betrug zuletzt 703,89 Euro, die Abschlagszahlungen für die Gasheizung beliefen sich auf 130,00 Euro.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis mit der Klägerin zum 31. März 2022 wegen Eigenbedarfs. Dieser wurde damit begründet, dass der Sohn des Beklagten zu 1) zusammen mit seiner Freundin die Wohnung beziehen solle. Wegen des genauen Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf die Anlage K2 (Blatt 12 ff. der Akte) Bezug genommen.

Der Vorschlag zum Bezug der Wohnung erfolgte durch den Beklagten zu 1), der seinem Sohn das Objekt anhand von Fotos zeigte, eine Besichtigung durch den Sohn erfolgte bis zum Auszug der Klägerin nicht. Die Auswahl der konkreten Wohnung wurde unter anderem damit begründet, dass sie sehr hell sei und eine Terrasse habe.

Der Sohn des Beklagten zu 1) wuchs 16 Jahre in einer Pflegefamilie auf, die er anschließend verließ und kurzzeitig bei dem Beklagten zu 1) lebte, was allerdings aufgrund eines schwierigen persönlichen Verhältnisses zunächst nicht funktionierte. Seitdem verfolgen der Beklagte zu 1) und sein Sohn eine vom Jugendamt vorgeschlagene „Annäherung durch Distanz“. Der Sohn des Beklagten zu 1) stand mehrere Jahre unter einer Jugendbetreuung, wobei er den vom Jugendamt zugewiesenen Jugendbetreuer anfangs fünf Mal die Woche, später zwei bis drei Mal die Woche aufsuchte. Zum Zeitpunkt der Kündigung bestand die Beziehung besonders mit seiner Freundin ungefähr zwei Jahre.

Ab Mai 2021 korrespondierten die Prozessbevollmächtigten wegen einer möglichen Einigung und einvernehmlichen Aufhebung des Mietverhältnisses vor Ablauf der Kündigungsfrist. Zum 1. Juni 2021 schlossen die Klägerin und ihr Lebensgefährte dann einen Mietvertrag über eine im Jahr 2014 erstmalig genutzt und vermietete Wohnung im Haus (…) Berlin, mit einer Wohnfläche von 96,95 m² zu einer monatlichen Brutto-Kaltmiete von 1.549,00 Euro. Wegen des genauen Inhalts des Mietvertrags wird auf die Anlage K5 (Blatt 18 ff. der Akte) Bezug genommen. Am 1. Juli 2021 schlossen die Parteien schließlich eine Mietaufhebungsvereinbarung (Anlage K4, Blatt 17 der Akte) zum 31. Juli 2021, wobei Beklagten auf die Ausführung von Schönheitsreparaturen verzichteten und der Klägerin gestattet wurde, die Einbauküche mit Ausnahme der Elektrogeräte vor Ort zu belassen.

Der Klägerin wurden für den Umzug 1.808,09 Euro in Rechnung gestellt (Anlage K7, Blatt 28 der Akte).

Der Sohn des Beklagten zu 1) bezog die Wohnung nie, stattdessen zogen zwei andere Personen ein.

Mit Schreiben vom 11. November 2021 (Anlage K6, Blatt 26 ff. der Akte) forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagten auf, der Klägerin aufgrund des vorgetäuschten Eigenbedarfs die Umzugskosten in Höhe von 1.808,09 Euro sowie die Mietdifferenz von 845,11 Euro für den Zeitraum von Juni 2021 bis November 2021 (5.070,66 Euro), insgesamt 6.879,75 Euro sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro zu erstatten.

Die Klägerin behauptet, der Eigenbedarf der Beklagten sei lediglich vorgeschoben gewesen sei. Es habe kein tatsächlicher Nutzungswille des Sohnes des Beklagten zu 1) an der streitgegenständlichen Wohnung bestanden.

Mit der Klage begehrt die Klägerin neben der Erstattung der Umzugskosten von 1.808,09 Euro die Mietdifferenz für den Zeitraum von August 2021 bis März 2022 in Höhe von 6.760,88 Euro sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro.

Die Klägerin beantragt mit der am 16. Mai 2022 zugestellten Klage,

1.die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 8.568,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.188,53 seit dem 27. November 2021 sowie aus 3.380.44 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

2.festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung der Wohnung im Haus (…) Berlin, mit einer Fläche von ca. 138,60 m², gem. Schreiben vom 26. Februar 2021 entstanden ist, insbesondere die höhere Miete für die Wohnung (…) Berlin, mit einer Wohnfläche von 96,95 m² für den Zeitraum ab April 2022,

3.die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 713,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. November 2021 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) behauptet, ein Nutzungswille seines Sohnes habe anfänglich fest bestanden, dann hätten sich allerdings die Lebensumstände geändert. Bei seinem Sohn sei „von einer komplexen Persönlichkeit auszugehen, die einer gewissen Betreuung bedarf“. Anfangs habe sich sein Sohn sicher gefühlt, die Herausforderungen, die mit einer eigenständigen Lebensführung in einer Vierzimmerwohnung einhergingen, zu meistern. Als sich die Pläne indes konkretisierten und klar wurde, dass er die Wohnung tatsächlichen beziehen könne, habe seine Zuversicht angefangen zu bröckeln. Aus Sorge darüber, dass er nicht in der Lage sei, gemeinsam mit seiner Freundin in dieser Wohnung eine Lebensgemeinschaft zu führen, habe er den Beklagten darum gebeten, Abstand von dem Bezug der Wohnung nehmen zu dürfen.

Seitdem „trainiere“ sein Sohn ein selbstständiges Wohnen in einer Einzimmerwohnung, um sich die notwendige Selbstständigkeit anzueignen. Da das Mietverhältnis mit der Klägerin zwischenzeitlich aufgehoben worden sei und sie eine neue Wohnung bezogen habe, sei davon abgesehen worden, die Klägerin über den weggefallenen Eigenbedarf zu informieren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das AG Kreuzberg sachlich gemäß §§ 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 2 a), 71 Abs. 1 GVG, sowie örtlich gemäß § 29a ZPO zuständig.

Das notwendige Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO am Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ist ebenfalls gegeben, da die Klägerin die Feststellung eines dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzanspruchs begehrt. Unschädlich ist dabei, dass sie keine Klage auf künftige Leistung gem. § 257 ZPO erhebt, da eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO gegenüber einer Klage nach § 257 ZPO nicht subsidiär ist und die Klägerin die Höhe ihres Schadensersatzanspruchs für die Zukunft jetzt noch nicht sicher beziffern kann.

II.

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch wegen der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung in Höhe von 7.528,97 Euro gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB. Die Beklagten haben durch die erklärte Eigenbedarfskündigung eine Pflicht aus dem Mietvertrag mit der Klägerin verletzt.

a) Es ist in der Rechtsprechung zum Wohnungsmietrecht anerkannt, dass bei schuldhaftem Ausspruch einer Kündigung, die mangels tatsächlich vorliegender Kündigungsgründe unwirksam ist, ein Schadensersatzanspruch des Mieters gegenüber seinem Vermieter besteht. Dabei ist unerheblich, ob der Vermieter vorsätzlich oder möglicherweise aufgrund eines vermeidbaren Rechtsirrtums lediglich fahrlässig handelt oder die Tatsachen, aufgrund derer er meint, zur Kündigung berechtigt zu sein, zutreffend angibt.

Entscheidend ist deshalb nicht, ob tatsächlich ein „vorgeschobener Eigenbedarf“ vorliegt, um eine aus anderen Gründen angestrebte Beendigung des Vertrages zu erreichen, oder ob die Erwägungen des Vermieters die Kündigung wegen Eigenbedarfs lediglich nicht tragen und er dies zu vertreten hat.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagten haben gegenüber der Klägerin eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, ohne dass die Voraussetzungen hierzu vorlagen.

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Zwar handelt es sich bei dem Sohn des Beklagten zu 1) um eine berechtigte Person i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Es bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt ein Eigenbedarf, da der Beklagte zu 1) die Wohnung nicht i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB benötigte. Ein „Benötigen“ in diesem Sinne setzt die ernsthafte Überlassungsabsicht des Vermieters sowie die ernsthafte Nutzungsabsicht des Familienangehörigen voraus. An der ernsthaften Nutzungs-/Überlassungsabsicht des Vermieters fehlt es, wenn sich der Vermieter nicht sicher sein kann, ob er die Nutzungs-/Überlassungsabsicht verwirklichen kann (vgl. Blank/Börstinghaus, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, Rn. 82; BGH a.a.O.; AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg Urt. v. 7. Juli 2016 – 23 C 196/15). Das ist bereits dann anzunehmen, wenn diese Unsicherheit auf leichter Fahrlässigkeit beruht (vgl. Blank/Börstinghaus a.a.O.)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt der Verdacht nahe, dass eine Eigenbedarfskündigung nur vorgeschoben ist, wenn der behauptete Nutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat umgesetzt wird. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel („stimmig“) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Hierbei sind strenge Anforderungen zu stellen. Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesen Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass der Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016, Az. VIII ZR 300/15). Vorliegend fehlt es bereits an einem solchen substantiierten und plausiblen Vorbringen der Beklagten.

Die Beklagten haben es vor Ausspruch der Kündigung versäumt, die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillen des Sohnes des Beklagten zu 1) zu ermitteln, womit sie fahrlässig die Realisierbarkeit der Nutzungsabsicht verkannten. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Sohn nach den eigenen Angaben der Beklagten um eine komplexe Persönlichkeit handelt, die einer gewissen Betreuung bedarf, hätte es die Anwendung der ordnungsgemäßen Sorgfalt erfordert, dass der Beklagte zu 1) weitere Anstrengungen unternimmt, um die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillen seines Sohnes zu prüfen. Dieser wuchs die ersten 16 Jahre seines Lebens in einer Pflegefamilie auf und stand anschließend mehrere Jahre unter einer Jugendbetreuung, in deren Rahmen er bis zu fünf Mal die Woche einen Jugendbetreuer aufsuchte, um in ein geregeltes und selbstständiges Leben zu finden. Die vom Beklagten zu 1) beschriebene komplexe Vergangenheit seines Sohnes und auch die Tatsache, dass er relativ wenig Kontakt zu ihm hatte, hätte Anlass geben müssen, den eindeutigen Nutzungswillen des Sohnes weitergehend zu prüfen. Hierzu wäre etwa die Konsultierung des Jugendbetreuers angebracht gewesen, die indes unterblieb. Vielmehr sprach der Beklagte zu 1) über die Wohnung und die Kündigung nach seinen eigenen Angaben ausschließlich mit seinem Sohn, wobei er über den Inhalt und Zeitpunkt der Gespräche kaum etwas vortrug. Eine Konsultierung Dritter hätte insbesondere vor dem Hintergrund erfolgen müssen, dass zwischen dem Beklagten und seinem Sohn lange Zeit keine Nähebeziehung bestand, die es ihm hätte ermöglichen können, die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens seines Sohnes unter Berücksichtigung seiner Disposition und aller Umstände realistisch einzuschätzen. Auch vor diesem Hintergrund bot sich eine Rücksprache mit dem Jugendbetreuer an, der den Sohn über Jahre hinweg mehrfach die Woche begleitete und möglicherweise eine realistische Einschätzung bezüglich der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung hätte abgeben können. Der Entscheidungsprozess hätte insoweit um eine mit den Umständen des Sohnes betraute Perspektive ergänzt werden können, der es vor dem beschriebenen Hintergrund bedurft hätte. Unter Berücksichtigung der familiären Situation und der persönlichen Umstände des Sohnes des Beklagten zu 1) hätte eine ordnungsgemäße Sorgfalt überdies erfordert, dass der Beklagte zu 1) seinem Sohn die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung, insbesondere das Ausmaß einer etwa 138 m² großen Fünfzimmer-Wohnung, eingänglicher verdeutlicht. Die anfängliche Zustimmung zum Vorhaben äußerte der Sohn lediglich anhand einiger Bilder, die ihm der Beklagte zu 1) zeigte. Eine konkrete Vorstellung über die Größe und Beschaffenheit der Wohnung und der damit einhergehenden Verantwortung war so kaum möglich.

Nach dem Vortrag des Beklagten zu 1) erfasste sein Sohn das eigentliche Ausmaß der Entscheidung erst, als er die Wohnung tatsächlich betreten hat, wodurch er sich überfordert fühlte und um Abstand vom Plan, die Wohnung zu beziehen, bat. Angesichts der gesamten Vorgeschichte wäre es zwingend notwendig gewesen, vor Ausspruch der Kündigung zusammen mit dem Sohn eine Besichtigung der Wohnung durchzuführen, was durch eine einfache Bitte gegenüber der Klägerin oder im Rahmen seines ihm ohnehin zustehenden Besichtigungsrechts leicht möglich gewesen wäre. Möglicherweise wäre es auch ausreichend gewesen, dass der Beklagte zu 1), der selbst in der Immobilienbranche tätig ist, dem Sohn eine vergleichbare Wohnung aus einem Bestand gezeigt hätte, was die Beklagten jedoch ebenfalls unterlassen haben. Die Gefahr, dass der Sohn des Beklagten zu 1) noch eines „Trainings“ bedarf, um sich die notwendige Selbstständigkeit für ein eigenverantwortliches Leben in einer eigenen Wohnung anzueignen – wie der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 13. Juni 2022 mitteilt – war bereits vor der Kündigung gegenwärtig. Diese Gefahr haben die Beklagten indes fahrlässig versäumt auszuräumen. Auch wenn sich Lebenspläne im Allgemeinen auch kurzfristig ändern können und dies gerade bei jüngeren Menschen möglicherweise häufiger der Fall sein kann, ist die Situation bezüglich des Sohnes des Beklagten zu 1) aus den oben genannten Gründen eine andere.

b) Die Beklagten haben alle kausal durch die unberechtigte Kündigung entstandenen Schäden gemäß §§ 249 ff. zu ersetzen. Dazu gehören alle durch den Umzug verursachten Kosten. Richtet sich der Schadensersatzanspruch auf Geldersatz, gilt für die Schadensberechnung die Beweisreduktion des § 287 ZPO.

Erstattungsfähig sind zunächst die Umzugskosten in Höhe von 1.808,09 Euro.

Erstattungsfähig ist auch die monatliche Mietmehrbelastung von 715,11 Euro im Zeitraum von August 2021 bis einschließlich März 2022 in Höhe von 5.720,88 Euro.

Erstattungsfähig ist grundsätzlich die Differenz zwischen den Wohnkosten für die gekündigte Wohnung und der neuen Miete für eine vergleichbare Wohnung, wobei in der Regel eine Umrechnung stattfinden muss, da keine Wohnung mit der anderen völlig vergleichbar ist. Bei der neuen Wohnung der Klägerin handelt es sich zwar um eine im Jahr 2014 erstmals bezugsfertigen Wohnung, bei der alten um eine Altbauwohnung. Die neue Wohnung ist jedoch mit ca. 96 m² wesentlich kleiner, als die ehemalige Wohnung der Klägerin, die eine Größe von ca. 138 m² aufwies. Die möglicherweise etwas modernere Ausstattung der jetzigen Wohnung wird jedoch durch die kleinere Fläche und die dezentrale Lage ausgeglichen, da ein höherer Wohnwert der jetzigen Wohnung nicht erkennbar ist, zumal die alte Wohnung auch nach den Angaben der Beklagten über eine Terrasse verfügte. Hinzu kommt, dass aufgrund der derzeitig angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt eine vergleichbar große Altbauwohnung in Berlin auch nur zu einem erheblich höheren Preis zu finden ist.

Bei der Berechnung der Mietdifferenz ist allerdings zu berücksichtigen, dass zur Bruttokaltmiete für die alte Wohnung in Höhe von 703,89 Euro die Vorschüsse für die Wärmeversorgung mit Gas in Höhe von 130,00 Euro hinzuzurechnen sind, da die Miete für die neue Wohnung in Höhe von 1.549,00 Euro neben der Nettokaltmiete ebenfalls die Vorschüsse für kalte Betriebskosten sowie die Heizkosten beinhaltet.

Der Anspruch entfällt nur ausnahmsweise dann, wenn feststeht, dass der Mieter im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung oder später entschlossen war, die Wohnung in jedem Fall, unabhängig von dem geltend gemachten Eigenbedarf zu räumen (OLG Karlsruhe a.a.O.). Das ist der Fall, wenn der Mieter das Mietverhältnis seinerseits gekündigt hat. Dies hat die Klägerin jedoch nicht getan. Hierzu reichte die Anfrage, ob ein vorzeitiges Entlassen aus dem Mietvertrag möglich sei, weil man Ersatzwohnraum gefunden habe, und die nachfolgende Mietaufhebungsvereinbarung nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass auch ein Mietaufhebungsvertrag die Kausalität zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden grundsätzlich noch nicht unterbricht (BGH WuM 2009, 359).

Dass es der Klägerin möglich gewesen sein soll, eine preiswertere Wohnung zu finden, haben die Beklagten nicht behauptet.

2. Es war ferner festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin auch den weiteren Schaden aufgrund der vorgeschobenen Eigenbedarfskündigung zu ersetzen. Der kausale Schaden der Klägerin besteht jedenfalls in der monatlichen Mehrbelastung, die sich aus der Differenz des jeweiligen Mietzinses aus der Wohnung im Haus (…) Berlin (ca. 138,60 m²) und der Wohnung (…) Berlin (Wohnfläche 96,95 m²) ergibt.

Eine zeitliche Begrenzung des Feststellungsbegehrens zwar nicht vorzunehmen. Es ist in Rechtsprechung und Literatur zwar umstritten, ob ein derartiger Feststellungsanspruch zeitlich begrenzt werden muss und falls ja, für welchen Zeitraum. Den Begründungen für eine zeitliche Einschränkung lagen die Erwägungen zugrunde, dass ein Mieter nach einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren ausreichend Zeit hatte, eine möglicherweise preiswertere Wohnung zu finden und so seine Mehrkosten zu reduzieren. Eine derartige zeitliche Beschränkung ist jedoch nicht angezeigt. Weder eine fixe Obergrenze als solche noch die in der Praxis tatsächlich gewählten Anknüpfungspunkte für den Zeitraum, für den die Differenzmiete verlangt werden kann, sind in den Vorschriften des Schadensrechts angelegt (vergleiche dazu ausführlich Brand, WuM 2022, S. 121 ff.).

Der Vermieter ist ausreichend dadurch geschützt, dass er die getroffene Feststellung im Wege der Abänderungsklage anfechten kann, sollte sich die Mietentwicklung derart verändern, dass ohne weiteres auch preiswertere als Wohnraum zur Verfügung steht. Durch diese Obliegenheit wird der Vermieter nicht über Gebühr belastet, da seit Langem geklärt ist, dass er – zumindest im Fall einer vorgeschobenen Kündigung – keinen Schutz verdient.

3. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 713,76 Euro folgt ebenfalls aus §§ 280 Abs. 1, 535 BGB. Gebührenrechtlich hat die geringe Abweichung der Mietdifferenz keine Auswirkungen, da sich auch bei Berücksichtigung des geringeren Betrages von 715,11 Euro zuzüglich der Umzugskosten ein Gegenstandswert von bis zu 7.000,00 Euro ergibt, wie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in seinem Schreiben vom 11. November 2021 angegeben.

4. Der Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288, 291 BGB begründet

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 709 S. 1 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 44.063,59 Euro festgesetzt (Zahlungsanspruch 8.568,97 Euro, Feststellungsanspruch 42 × 845,11 Euro = 35.494,62 Euro).

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