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Unberechtigte Mietminderung kann zur fristgerechten Mietvertragskündigung führen

LG Berlin – Az.: 67 S 212/19 – Urteil vom 03.03.2020

1. Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte unter Abänderung des am 1. August 2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Mitte – … verurteilt, die von ihm innegehaltene Wohnung im Hinterhaus, 2. OG links, des Hauses … 11, … Berlin, bestehend aus 2 Zimmern, einer Küche mit Küchenzeile, einem Korridor/Diele, einem Bad mit Toilette, Dusche und Badewanne und einer Abstellkammer nebst zugehörigen Kellerraum zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2020 bewilligt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Räumung der ihm mit Mietvertrag vom 19. Januar 2015 vermieteten Wohnung in Anspruch.

Gemäß §§ 540 Abs. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Ergänzendes ist folgendes auszuführen:

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es aus, das Mietverhältnis sei durch die streitgegenständlichen Kündigungen vom 24. Januar 2019,14. Februar 2019 und 11. März 2019 nicht beendet worden. Bei einer Gesamtschau des den Kündigungen zugrunde liegenden Sachverhalts sei der Zahlungsverzug des Beklagten als nicht verschuldet anzusehen. Vielmehr seien die nachträglichen Zahlungen der Rückstände zugunsten des Mieters zu berücksichtigen, weil sie sein Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen. Darüber hinaus bestehe auch kein berechtigtes Interesse des Klägers gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB. Jedenfalls stelle sich das Berufen auf den Räumungsanspruch als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB dar.

Das Urteil ist dem Kläger am 6. August 2019 zugestellt worden. Er hat mit am 14. August 2019 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, welche er mit am 3. Oktober 2019 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, das Mietverhältnis ordentlich gekündigt zu haben.

Nach der mündlichen Verhandlung beim Amtsgericht hat der Kläger Ende Juli 2019 davon erfahren, dass der Beklagte bei der Vermietungsplattform … eine Übernachtungsmöglichkeit in der Wohnung angeboten hat. Zumindest im Februar und März 2019 haben Kunden dieser Plattform bei ihm übernachtet. Mit Schreiben vom 16. August 2019 ist der Beklagte deswegen vom Kläger abgemahnt worden.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts vom 1. August 2019 – … – den Beklagten zu verurteilen, die von ihm inne gehaltene Wohnung im Hinterhaus, 2. OG links, des Hauses … 11, … Berlin, bestehend aus 2 Zimmern, einer Küche mit Küchenzeile, einem Korridor/Diele, einem Bad mit Toilette, Dusche und Badewanne und einer Abstellkammer nebst zugehörigem Kellerraum zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere nach § 511 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.

2. Die Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht der aus dem Tenor ersichtliche Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu, da das Mietverhältnis spätestens durch die ordentliche Kündigung vom 14. Februar 2019 mit Wirkung zum 31. Mai 2019 gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 573c Abs. 1 S. 1 BGB beendet wurde.

a) Die Kündigung ist formell wirksam, insbesondere wahrt sie die Schriftform des § 568 BGB und ist hinreichend begründet gemäß § 573 Abs. 3 BGB.

Die Zurückweisung der Kündigung vom 14. Februar 2019 durch den Beklagten war – unabhängig davon, dass sie – wie vom Amtsgericht zutreffend festgestellt – nicht unverzüglich erfolgte, nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen, nachdem der Kläger dem Beklagten bereits mit der Kündigung vom 24. Januar 2019 eine Originalvollmacht übersandt hatte, welche sich auf das gesamte Mietverhältnis mit dem Beklagten bezog. Darin lag bereits eine Kundgabe der Bevollmächtigung auch für künftige Kündigungen im Sinne von § 174 S. 2 BGB (MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 174 Rn. 31).

b) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist die Kündigung auch materiell wirksam, da die Voraussetzungen des §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt sind. Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches ist nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere zu bejahen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Eine solche Pflichtverletzung ist im vorliegenden Fall gegeben.

Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung zu klären, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. (vgl. Kammer, Urt. v. 16.06.2016 – 67 S 125/16 -, juris Rn. 15 f. m. w. N. = ZMR 2016, 695). Dazu zählen vor allem die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Mietverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens (vgl. Kammer, a.a.O., Rn. 18 m. w. N.; Beschluss vom 14. März 2017 – 67 S 14/17 –, Rn. 5 – 6, juris).

Gemessen daran war dem Zahlungsverzug des Beklagten in der Gesamtschau ein derartiges Gewicht beizumessen, das die Annahme einer erheblichen Pflichtverletzung rechtfertigt. Bereits ein Jahr nach Beginn des Mietverhältnisses begann der Beklagte, die Miete unberechtigterweise zu mindern, wodurch sich bis August 2018 ein Zahlungsrückstand von 2.444,50 EUR nebst Zinsen aufbaute. Bis zur Kündigung vom 14. Februar 2019 wuchs dieser Zahlungsrückstand weiter auf 3.333,17 EUR an, weil der Beklagte es versäumte, die gesamte am 3. Werktag des Februars fällig gewordene Miete zu bezahlen.

Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt, da ihm auch hinsichtlich der geminderten Beträge zumindest Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte sich insoweit nicht erfolgreich darauf berufen kann, einem unverschuldeten Rechtsirrtum erlegen zu sein.

Soweit sich der Schuldner bei zweifelhafter Rechtslage dafür entscheidet, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er – von besonderen Sachlagen abgesehen – das Risiko ein, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er – wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird – zur Leistung verpflichtet war (BGH, Versäumnisurteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 281/13 –, Rn. 27, juris). Vorliegend hat der Beklagte sich – wegen von ihm behaupteter erheblicher Belästigungen durch eine Baustelle – dazu entschieden, die Miete zu mindern. Im sich anschließenden Rechtsstreit vermochte er eine Berechtigung dieser Minderung nicht hinreichend substantiiert darzulegen, weswegen er zur Zahlung der zurückbehaltenen Beträge verurteilt wurde. Dieser Gefahr hätte er – ohne sich seiner Rechte aus § 536 BGB zu begeben – begegnen können, indem er den Minderungsbetrag, den er für angemessen hielt, unter dem einfachen, lediglich die Wirkungen des § 814 BGB ausschließenden Vorbehalt der Rückforderung an den Vermieter gezahlt hätte. Damit wäre ihm die Möglichkeit geblieben, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein (BGH, Urt. v. 11. 7. 2012 − VIII ZR 138/11, NJW 2012, 2882, beck-online, Rn. 20). Diesen Weg hat er jedoch fahrlässigerweise nicht gewählt und damit den Zahlungsverzug auch hinsichtlich der geminderten Beträge in Höhe von 2.444,50 EUR, der bis einschließlich August 2018 aufgelaufen ist, verschuldet. Hinsichtlich der nicht gezahlten Februarmiete hat der Beklagte sich nicht einmal auf fehlendes Verschulden berufen.

Ein für den Beklagten günstigeres Ergebnis ergibt sich – anders als vom Amtsgericht angenommen – auch nicht deswegen, weil der Beklagte am 19. Februar 2019 die Miete für den Monat Februar und zwischen dem 12. und 28. März 2019 die übrigen Rückstände beglichen hat.

Die Kündigung ist zum einen nicht durch die nachträgliche Begleichung der ausstehenden Beträge innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden, weil eine analoge Anwendung dieser Vorschrift für den Fall, dass die Kündigung bei Zahlungsverzug auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützt wird, nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der auch die Kammer folgt, ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 -, BGHZ 195, 64 Tz. 27 = NJW 2013, 159).

Zum anderen ist das Festhalten an der ordentlichen Kündigung trotz des erfolgten Ausgleichs der Mietrückstände zumindest im vorliegenden Fall nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar ist nach Ansicht der Kammer ein solches Verhalten schon generell nicht geeignet, den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu begründen (vgl. Kammer, Urteil vom 16. Juni 2016 – 67 S 125/16 –, Rn. 4, juris). Doch selbst wenn man in einem derartigen Kontext unter Umständen dem Vermieter die Durchsetzung eines Räumungsanspruches unter Heranziehung der Grundsätze von Treu und Glauben verwehren würde, vermochte diese Sichtweise im streitgegenständlichen Fall ein solches Ergebnis nicht zu begründen. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der nachträgliche Ausgleich bestehender Mietrückstände nur ganz ausnahmsweise und im Einzelfall als zureichender Gesichtspunkt angesehen werden, um ein Berufen auf die wirksame ordentliche Kündigung als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 -, BGHZ 195, 64 Tz. 31 = NJW 2013, 159); in diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof bekräftigt, dass sich die Beantwortung dieser Frage einer allgemeingültigen Betrachtung entzieht und stets vom Tatrichter aufgrund der im obliegenden Würdigung aller konkreten Einzelfallumstände vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 06.10.2015 – VIII ZR 321/14 -, juris Tz. 6 f. = WuM 2016, 225).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist jedoch kein derartiger Ausnahmefall gegeben, der ein Berufen auf die ordentliche Kündigung treuwidrig erscheinen ließe. Denn der erhebliche Rückstand hat sich über Jahre aufgebaut, der Beklagte hat trotz der auf die erstinstanzliche Verurteilung folgenden Kündigung vom 24. Januar 2019 den Rückstand nicht beglichen und auch die Kündigung vom 14. Februar 2019 nicht zum Anlass genommen, vor der Klageerhebung vom 11. März 2019 den bis August 2018 aufgelaufenen Rückstand nebst Zinsen zu begleichen, obwohl das Urteil im Vorprozess seit dem 19. Februar 2019 rechtskräftig war.

Auf den Umstand, dass der Beklagte darüber hinaus ohne Genehmigung des Klägers seine Wohnung auf der Vermietungsplattform … angeboten hat, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO.

4. Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht, da die Entscheidung die Beurteilung einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs in einem Einzelfall betrifft, die eine höchstrichterliche Klärung nicht erfordert.

5. Die Gewährung der tenorierten Räumungsfrist ist gemäß § 721 Abs. 1 ZPO zur Beschaffung von Ersatzwohnraum erforderlich, aber auch ausreichend. Auch wenn der Wohnungsmarkt angespannt ist, erscheint es für einen allein wohnenden erwerbstätigen Mann möglich, innerhalb dieser Zeit eine neue Wohnung zu finden.

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