Skip to content
Menü

Unberechtigte Mietvertragskündigung durch Vermieter – Ersatz Anwaltskosten

LG Berlin – Az.: 65 S 219/19 – Urteil vom 19.12.2019

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 21. August 2019 – … – teilweise abgeändert:

Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt, an den Beklagten weitere 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 17. April 2018 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

1. Der Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verletzt ein Vermieter, der schuldhaft eine materiell unbegründete Kündigung ausspricht und dem Mieter auf diese Weise sein Besitzrecht streitig macht, vertragliche Nebenpflichten aus dem Mietvertrag (vgl. BGH, Urt. v. 04.06.2014 – VIII ZR 289/13, ZMR 2014, 963, nach juris Rn. 24, mwN; Urt. v. 11.01.1984 – VIII ZR 255/82, NJW 1984, 1028, nach juris Rn. 21).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die der Gebührenrechnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes des Beklagten zugrunde liegende Kündigung der Klägerin vom 27. März 2018 hat das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt; das Urteil des Amtsgerichts ist, soweit es nicht vom Beklagten wegen der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten angefochten wurde, vielmehr rechtskräftig.

Die Klägerin hat die materiell unberechtigte Kündigung auch schuldhaft ausgesprochen, wobei Fahrlässigkeit ausreicht (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.1984 – VIII ZR 255/82, NJW 1984, 1028, nach juris Rn. 21). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB.

Ohne Erfolg beruft die Klägerin sich darauf, dass ein Gläubiger, der eine nicht berechtigte Forderung verfolgt, (anders als ein Schuldner, der sich verteidigt), nicht schon dann fahrlässig handelt, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist (BGH, Urt. v. 16.01.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, 1262, [1264], beck-online; differenzierend: BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, WuM 2015, 416, nach juris Rn. 17ff.).

Die Klägerin verkürzt den Sorgfaltsmaßstab auf den Begriff der Plausibilitätskontrolle, ohne die daran geknüpften Anforderungen zu berücksichtigen. Von der Plausibilität seines Rechtsstandpunktes kann der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH erst ausgehen, wenn er (auch) geprüft hat, ob die Vertragsstörung (nicht) auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist (BGH, Urt. v. 16.01.2009 – V ZR 133/08, NJW 2009, 1262, [1264], beck-online ).

Gerade dies ist hier aber der Fall. Nach den überzeugenden Feststellungen des Amtsgerichts zu den Mängeln der Mietsache wäre es der Klägerin bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt möglich gewesen zu erkennen, dass die dem Beklagten in der Kündigung vorgehaltenen Vertragsverletzungen zu ganz wesentlichen Teilen nicht in seinen Verantwortungsbereich, sondern den der Klägerin fielen.

Angesichts des Alters der Küchenmöbel (26 Jahre) hätte sich ihr geradezu aufdrängen müssen, dass die geltend gemachten Beschädigungen ihre Ursache im altersbedingten Verschleiß haben, nicht aber auf eine Überschreitung der Grenzen des § 538 BGB zurückzuführen sind. Sie hätte durch eine hinreichend sorgfältige Inaugenscheinnahme der Gummiabdichtungen der Fenster ohne Weiteres erkennen können, dass diese sich gerade nicht lösen, wobei der Sachverständige sogar ausgeführt hat, dass auch kein physikalischer oder chemischer Vorgang vorstellbar sei, der dies bewirken könnte. Soweit die Klägerin die Kündigung auf eine mangelnde Beheizung und Belüftung der Räumlichkeiten gestützt hat, hätte sie bei Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes des § 276 Abs. 2 BGB erkennen können, dass sie durch Verletzung der ihr aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB erwachsenden Vertragspflichten eben dies erschwert hat, weil Heizkörper nicht funktionierten und Fenster so stark klemmten, dass ihr Öffnen zu Beschädigungen führen konnte, Kippfunktionen nicht nutzbar waren.

Eine etwaige Fehleinschätzung durch die Mitarbeiter der von der Klägerin beauftragten Hausverwaltung, denen der Beklagte die Möglichkeit der Besichtigung der Mängel eingeräumt hat, muss die Klägerin sich zurechnen lassen, § 278 BGB.

b) Der Höhe nach ist die Klägerin dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegengetreten. Fehler der Berechnung sind auch nicht ersichtlich.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, wobei die Kammer berücksichtigt hat, dass die in erster Instanz als Nebenforderung (erfolglos) geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in die erstinstanzliche Kostenentscheidung nicht eingegangen sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!