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Unerlaubte Untervermietung – fristlose Mietvertragskündigung

AG Frankfurt/Main – Az.: 33 C 1631/20 – Urteil vom 05.11.2020

Die Beklagten zu 1) und 4) werden verurteilt, die innegehaltene Wohnung in der …, 1. OG rechts, 6… F. am Main, bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Bodenraum, Keller und Bad mit WC zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu 1) und 4) als Gesamtschuldner sowie die Klägerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3), welche die Klägerin zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, und zwar

  • hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 1500 Euro
  • hinsichtlich der Kosten i.H.v. 115% des zu vollstreckenden Betrages wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Dem Beklagten zu 1) wird eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2020 bewilligt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte zu 1) Mieter einer Zweizimmerwohnung in der Liegenschaft … in Frankfurt am Main. Der monatliche Nettomietzins beträgt 434,60 Euro. Hinsichtlich des Rechtsverhältnisses der Parteien wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Mietvertrags vom 7.4.2014 (Bl. 7-27 der Akte) verwiesen. Unstreitig hat der Beklagte zu 4) die Wohnung noch Anfang September 2020 bewohnt, zwischen den Parteien steht im Streit, ob ursprünglich auch die Beklagten zu 2) und 3) (die Eltern des Beklagten zu 1) die Wohnung bewohnt haben. Die Klägerin begehrt (nach teilweise Klagerücknahme) Räumung und Herausgabe der Mietsache von den Beklagten zu 1) und 4) nach fristloser Kündigung.

Der Beklagte zu 1) hatte mit Antrag vom 10.12.2019 (Bl. 28 der Akte) die Erlaubnis zur Untervermietung (Mitbenutzung) an den Beklagten zu 4) vom 10.12.2019 bis 31.3.2020 begehrt. Diese Untervermietung hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2019 (Bl. 30 d.A.) unter Einschränkung auf den Beklagten zu 4) sowie den vorgenannten Zeitraum genehmigt. Der Beklagte zu 4) ist nach Ablauf des 31.3.2020 – wenn überhaupt – nur vorübergehend ausgezogen. Kurz darauf ist der Beklagte zu 4) unstreitig wieder in der streitgegenständlichen Wohnung eingezogen und hat dort jedenfalls bis Anfang September 2020 gewohnt. In der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2020 hat der Beklagte zu 4) bekundet, nach wie vor in der Wohnung zu wohnen, aber zum 1.10.2020 die Wohnung verlassen zu wollen. In der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2020 hat der Beklagte zu 4) die Klageforderung anerkannt. Der Beklagte zu 1) hingegen bewohnt diese Wohnung zurzeit nicht, sondern verbüßt seit dem 26.5.2020 in der JVA Darmstadt eine Haftstrafe. Ausweislich der mit Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 18.9.2020 zur Akte gereichten Haftbescheinigung der JVA Darmstadt ist der voraussichtliche Haftaustritt am 25.8.2021. Mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt vom 18.2.2020 (Bl. 31 der Akte) wies diese darauf hin, dass der Beklagte zu 2) in der streitgegenständlichen Wohnung wohnhaft sei und fragte an, ob der Beklagte zu 1) untervermietungsberechtigt und eine Untervermietung an den Beklagten zu 4) gestattet worden sei. Mit Schreiben der Klägerin vom 4.5.2020 (Bl. 35 der Akte) forderte diese den Beklagten zu 1) zu einer Erklärung darüber auf, durch wen die streitgegenständliche Wohnung genutzt wird. Der Beklagte antwortete mit E-Mail vom 4.5.2020, dass er selbst die Wohnung bewohnen und vorübergehend dem Beklagten zu 4) gestattet habe, die Wohnung zu nutzen. Mit Schreiben der Klägerin vom 15.5.2020 (Bl. 37 der Akte) hat diese den Beklagten zu 1) wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache (Verlegung des eigenen Lebensmittelpunkts und Überlassung der Wohnung an hausfremde Personen zum selbständigen Gebrauch) abgemahnt. Mit Schreiben der Klägerin vom 8.6.2020 (Bl. 38-39 der Akte) kündigte diese schließlich das Mietverhältnis wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung sowie Störung des Hausfriedens durch diese Personen fristlos, hilfsweise ordentlich. Dieses Schreiben ist dem Beklagten sowohl unter der streitgegenständlichen Anschrift, als auch in der JVA Darmstadt zugegangen. Weitere Kündigungen erfolgten mit der Klageschrift vom 30.6.2020 sowie mit Schriftsatz vom 6.8.2020. In den Monaten Mai bis August 2020 hat der Beklagte zu 1) jeweils 12,99 Euro, mithin insgesamt 51,96 Euro zu wenig Mietzins gezahlt. Diesen Rückstand hat der Beklagte durch Überweisung am 2.9.2020 gezahlt. Die Ladung zum Termin vom 23.9.2020 ist den Beklagten zu 1), 2) und 4) durch Postzustellungsurkunden vom 18.7.2020 (Bl. 47-49 der Akte) ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Wohnung nicht nur nach Ablauf des 31.3.2020 an den Beklagten zu 4) überlassen, sondern auch an seine Eltern (die Beklagten zu 2) und 3). Es sei zu Beschwerden wegen Ruhestörungen durch die Beklagten zu 2) bis 4) mittels lauter Musik, Türenschlagen und lautstarker Unterhaltung gekommen. Hinsichtlich dieser Ruhestörungen im Einzelnen verweist die Klägerin auf das vom Nachbarn A geführte Lärmprotokoll vom 9.6.2020 (Bl. 42 d.A.) sowie vom 30.7.2020 (Bl. 64-65 der Akte). Die Beklagten zu 2) bis 4) hielten sich nicht an die Ruhezeiten und machten in der streitbefangenen Wohnung die Nacht zum Tag, was den Nachbarn A vom Schlafen abhalte. Der Sohn des Beklagten zu 1) wohne hingegen nicht dauerhaft in der streitgegenständlichen Wohnung, vielmehr befinde sich der Lebensmittelpunkt des Sohns bei dessen Mutter. Bei Abfassung des Schriftsatzes vom 15.9.2020 habe sich der Beklagte mit der Zahlung des Mietzinses für den Monat September 2020 i.H.v. 619,60 Euro in Verzug befunden. Vorsorglich hat die Klägerin das Mietverhältnis aufgrund dieses Rückstands ordentlich gekündigt. Im Laufe des Monats September sei es ruhigerer geworden in der Wohnung und einige Personen seien ausgezogen. Der Beklagte zu 1) habe sich zum Zeitpunkt des Schriftsatzes vom 13.10.2020 zusätzlich mit der Zahlung des Mietzinses für Oktober 2020 in Verzug befunden. Aus diesem Grund hat die Klägerin das Mietverhältnis im vorgenannten Schriftsatz ein weiteres Mal fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2020 hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu 1) und 4) als Gesamtschuldner in vollstreckbarer Ausfertigung zu verurteilen, die innegehaltene Wohnung in der …, 1. OG rechts, 6… F. am Main, bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Bodenraum, Keller und Bad mit WC zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 4) hat die Klageforderung anerkannt.

Der Beklagte zu 1) behauptet, der Kündigung am 18.6.2020 widersprochen zu haben. Die Kündigung stelle eine Härte für den Beklagten zu 1) nach § 574 BGB dar, da der Beklagte zu 1) seinen bisherigen Lebensmittelpunkt verlöre. Die Räumungsklage belastet den Beklagten zu 1) psychisch, er leide an Depressionen. Die Beklagten zu 2) und 3) wohnten nicht in der Wohnung. Sie lebten in England und kämen 3 bis viermal im Jahr, um den Beklagten zu 1) und dessen Sohn zu besuchen. Den Beklagten zu 4) habe der Beklagte zu 1) aufgrund einer aktuellen Notlage nur vom 10.12.2019 bis zum 31.3.2020 vorübergehend in der Wohnung aufgenommen. Ab dem 1.4.2020 sei der Beklagte zu 4) zunächst ausgezogen, aber nach 14 Tagen wiedererschienen. Da der Beklagte zu 4) immer noch keine Wohnung gehabt habe, habe der Beklagte zu 1) ihm erlaubt, nachts in der Wohnung zu schlafen, sich aber tagsüber dort nicht aufzuhalten. Zum selbstständigen Gebrauch habe der Beklagte zu 1) dem Beklagten zu 4) die Wohnung nicht überlassen. Es habe sich hierbei auch nicht um eine Untervermietung gehandelt, sondern lediglich um einen erlaubnisfreien Besuch. Der Beklagte zu 1) sei keineswegs seit Monaten ortsabwesend, vielmehr habe er sich vor seiner Inhaftierung aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung zurückgezogen und die Tür nicht mehr geöffnet. Für Ruhestörungen, die der Beklagte zu 4) verursacht habe, bitte der Beklagte zu 1) um Entschuldigung. Er sei davon ausgegangen, dass sich der Beklagte zu 4) in seiner Wohnung ordentlich und anständig verhalte. Allerdings sei das Verhalten des Beklagten zu 4) auch nicht so laut gewesen, wie es vom Nachbarn A dargestellt worden sei. Bei der Wohnung handle es sich um eine extrem hellhörige Altbauwohnung. Der Vortrag der Klägerseite sei insoweit auch unsubstantiiert, da er keine Ausführungen enthalte zu Art, Umfang, Lästigkeit und Lautstärke der angeblichen Lärmstörungen. Normale Wohngeräusche seien in einem hellhörigen Haus wie der streitgegenständlichen Liegenschaft auch bei normalem Wohnverhalten von den Bewohnern nicht zu vermeiden. Der Beklagte zu 4) sei nunmehr vom Beklagten zu 1) schriftlich – letztmalig mit Schreiben vom 19.8.2020 (Anl. B2) – angewiesen worden, nicht mehr in der Wohnung zu übernachten. Der Beklagte zu 4) habe sich mittlerweile gegen den Willen des Beklagten zu 1) in der streitgegenständlichen Wohnung aufgehalten. Persönlich habe der Beklagte zu 1) den Beklagten zu 4) hieran aufgrund seiner Inhaftierung nicht mehr hindern können. Der Beklagte zu 1) habe alle Anstrengungen unternommen, um Ruhestörungen abzustellen. Ein eigenes Verschulden sei ihm nicht vorzuwerfen. Mittlerweile sei der Beklagte zu 4) aber ausgezogen und habe die Wohnung am 8.9.2020 geräumt. Die Wohnungsschlüssel habe er einem Freund des Beklagten zu 1), Herrn B, ausgehändigt. Soweit der Beklagte zu 4) in der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2020 bekundet habe, er wolle erst zum 1.10.2020 auszuziehen, entspreche dies nicht der Wahrheit. Diese Angaben seien ausschließlich zum Selbstschutz des Beklagten zu 4) erfolgt, um seiner eigenen Inhaftierung zu entgehen. Dass der Beklagte zu 4) spätestens am 20.9.2020 aus der Wohnung des Beklagten zu 1) ausgezogen sein müsse, folge aus der Wohnungsgeber Bestätigung vom 20.9.2020 sowie der amtlichen Meldebestätigung vom 25.9.2020 (Bl. 97-98 d.A.). Der Beklagte zu 1) sei dringend auf die Wohnung angewiesen, da diese alle 2 Wochen am Wochenende und in der Hälfte der hessischen Schulferien auch dazu diene, dass der Beklagte zu 1) Zeit mit seinem 10-jährigen Sohn verbringen könne. Dieser habe dort nach wie vor sein Kinderzimmer. Bei Räumung der Wohnung könne der Beklagte zu 1) seinen elterlichen Pflichten nicht mehr nachkommen. Eine Entlassung des Beklagten zu 1) aus der JVA Darmstadt sei für Dezember 2020 zu erwarten.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.9.2020 (Bl. 84-85 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietwohnung gegen den Beklagten zu 1) gemäß § 546 Abs. 1 BGB, da sie das Mietverhältnis wirksam mit Schreiben vom 8.6.2020 gekündigt hat.

Die Klägerin war gemäß §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 569 Abs. 2 BGB zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt, da der Beklagte zu 1) dem Beklagten zu 4) unstreitig über den 31.3.2020 hinaus die Mietsache zum Gebrauch belassen hat.

Zwar war dem Beklagten zu 1) die Gebrauchsüberlassung an den Beklagten zu 4) bis zum 31.3.2020 gestattet worden. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass der Beklagte zu 1) spätestens 2 Wochen nach diesem Zeitpunkt dem Beklagten zu 4) jedenfalls die Übernachtung in der Wohnung gestattet hat und der Beklagte zu 4) jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung immer noch (mittlerweile gegen den Willen des Beklagten zu 1) die Wohnung bewohnt. Unerheblich ist hierbei die Behauptung des Beklagten zu 1), er habe zunächst dem Beklagten zu 4) lediglich die Übernachtung erlaubt. Auch hierin ist eine Gebrauchsüberlassung zu sehen. Die unbefugte Gebrauchsbelassung ist als Unterfall der Gebrauchsüberlassung anzusehen. Sie liegt vor, wenn der Mieter die Mietsache weiterhin dem Untermieter belässt, obwohl der Vermieter die Untermieterlaubnis wirksam widerrufen hat bzw. diese zeitlich begrenzt war. Zwar hat der Beklagte zu 1) mittlerweile den Beklagten zu 4) nach eigenem Vortrag aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Es fehlt jedoch lediglich dann an einer Pflichtverletzung des Hauptmieters, wenn dieser die ihm gegebenen legalen Möglichkeiten zur Beendigung der Untervermietung ausgeschöpft hat, diesen beispielsweise auf Räumung in Anspruch genommen oder sonst wie durch zumutbare finanzielle Anreize zum Auszug versucht hat zu bewegen. Diesbezüglicher Vortrag des Beklagten zu 1) ist nicht erfolgt; entsprechende Anstrengungen wären auch aus der Haftanstalt möglich gewesen (beispielsweise durch Beauftragung eines Rechtsanwalts). Nichts Anderes folgt aus der Entscheidung des BGH vom 4.12.2013 (BGH WuM 2014, 27). In dem vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Mieter den Untermieter auf Räumung gerichtlich in Anspruch genommen und sodann im Laufe dieses Gerichtsverfahrens einen Räumungsvergleich mit dem Untermieter geschlossen. Diese Anstrengungen hat der Beklagte zu 1) unstreitig nicht unternommen, obwohl ihm dies durchaus möglich gewesen wäre. Insbesondere ist kein Vortrag des Beklagten zu 1) dazu erfolgt, welche Anstrengungen er im Laufe der Monate April und Mai (bis zu seiner Verhaftung am 26.5.2020) unternommen haben will, um das Untermietverhältnis zu beenden. Dies muss umso mehr gelten, als dass die Klägerin den Beklagten unstreitig mit Schreiben vom 15.5.2020 abgemahnt hat und dem Beklagten zu 1) jedenfalls zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein muss, dass er das Untermietverhältnis unverzüglich beenden muss. Der Beklagte zu 1) hat nicht vorgetragen, welche rechtlich erheblichen oder auch tatsächlichen Schritte er bis zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung gegen den Beklagten zu 4) unternommen haben will. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der Beklagte zu 1) den Beklagten zu 4) die gesamte Wohnung zur Nutzung überlassen hat oder aber dieser lediglich auf dem Schlafsofa im Wohnzimmer übernachtet hat. Der Beklagte zu 4) hatte jedenfalls die Möglichkeit der gesamten Nutzung der Wohnung, auch wenn er das Schlafzimmer des Beklagten zu 1) nie betreten hat.

Durch diese unerlaubte Gebrauchsüberlassung an den Beklagten zu 4) hat der Beklagte zu 1) die Rechte der Klägerin in erheblichem Maße verletzt.

Die Kündigung der Klägerin ist auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Erteilung einer fortlaufenden Untermieterlaubnis an den Beklagten zu 4) hat. Zwischen den Parteien ist zum einen unstreitig, dass der Beklagte zu 4) – in welchem Umfang auch immer – Nachbarn durch Ruhestörungen belästigt hat. Darüber hinaus entspricht die Nutzung der Wohnung durch den Beklagten zu 4) überhaupt nicht mehr dem Willen des Beklagten zu 1), so dass ein Anspruch auf Erteilung einer Untermieterlaubnis an diesen schon aus diesem Grund ausscheidet. Auf die Frage einer Interessenabwägung zwischen dem Anspruch des Mieters auf Erteilung der Untermieterlaubnis und dem Anspruch der Vermieterin auf Nutzung der Wohnräume nur durch die ursprüngliche Vertragspartei kommt es somit nicht an. Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1) folgt dieser Anspruch auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 1) aufgrund seiner Inhaftierung einen Anspruch auf Untervermietung eines Teils seiner Wohnung hat. Ein Mieter hat nicht per se einen Anspruch auf Untervermietung, auch wenn er selbst durch eine Inhaftierung an der Nutzung der Wohnung verhindert ist. Der Anspruch auf Untervermietung kann sich stets nur auf einen konkreten Untermieter beziehen, hinsichtlich dessen Person der Vermieter keine vernünftigen Einwände erheben kann.

Die gemäß § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich erforderliche Abmahnung hat die Klägerin mit Schreiben vom 15.5.2020 ausgesprochen. Auch nach diesem Zeitpunkt hat der Beklagte zu 4) die streitgegenständliche Wohnung bewohnt – aus welchen Gründen der Beklagte zu 1) davon ausgegangen ist, den Beklagten zu 4) als erlaubnisfreien Besuch aufnehmen zu dürfen, erschließt sich nicht. Dahingestellt bleiben kann, ob der Beklagte zu 4) die Wohnung wie ursprünglich vom Beklagten zu 1) vorgetragen am 8.9.2020, wie mit Schriftsatz vom 15.10.2020 vorgetragen am 20.9.2020 oder aber (wie vom Beklagten zu 4) in der mündlichen Verhandlung vorgetragen) erst zum 1.10.2020 verlassen hat. Jedenfalls hat die Gebrauchsüberlassung noch nach dem Zeitpunkt der Abmahnung stattgefunden. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die klägerische Behauptung, der Beklagte zu 4) habe zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in der streitgegenständlichen Wohnung gewohnt, gemäß § 288 Abs. 1 ZPO aufgrund des Zugeständnisses des Beklagten zu 4) keines weiteren Beweises bedürfen.

Der Widerspruch des Beklagten gemäß § 574 BGB war vorliegend gemäß § 574 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu berücksichtigen, da die Klägerin das Mietverhältnis zu Recht außerordentlich und fristlos gekündigt hat.

Auf die Frage der Wirksamkeit der Kündigung der Klägerin vom 13.10.2020 wegen des Zahlungsverzugs des Beklagten zu 1) mit den Mieten für September 2020 und Oktober 2020 kommt es somit nicht an; eine Wiedereröffnung des Verfahrens gemäß § 156 ZPO war nicht angezeigt.

Der Beklagte zu 4) war aufgrund seines Anerkenntnisses antragsgemäß zu verurteilen.

Der Klage war von daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien; zulasten der Klägerin war die Klagerücknahme hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) gemäß § 269 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu berücksichtigen. Substantiierter Vortrag der Klägerin, woraus ein dauerhaftes Bewohnen der Beklagten zu 2) und 3) in der streitgegenständlichen Wohnung folgt, liegt nicht vor. Die Beklagtenseite hat hingegen substantiiert vorgetragen, unter welcher Anschrift in England die Beklagten wohnen und dass sie letztmalig im Januar 2019 den Beklagten zu 1) besucht haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 7, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5215,20 Euro festgesetzt.

Dem Beklagten zu 1) war eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2020 zu bewilligen.

Die Bewilligung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO und die Bestimmung ihrer Dauer stehen im Ermessen des Gerichts; es hat dabei die Interessen der beiden Parteien gegeneinander abzuwägen. Gläubigerinteressen werden vielfach bei Zahlungsverzug überwiegen. Zu Gunsten des Beklagten zu 1) ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich dieser aus der Haft heraus nur unter erschwerten Bedingungen um Ersatzwohnraum kümmern kann. Zu seinen Lasten ist zu bewerten, dass unstreitig jedenfalls der Mietzins für September 2020 bis zum Schriftsatzende vom 15.10.2020 nicht gezahlt worden ist und aufgrund des Vortrags des Beklagtenvertreters dieser auch erst im September 2020 einen Antrag auf Übernahme der Mietkosten während seiner Inhaftierung bei dem Sozialrathaus Nord gestellt hat. Nachdem der Beklagte zu 1) bereits Ende Mai 2020 inhaftiert worden ist, wäre eine frühere Antragstellung möglich und erforderlich gewesen. Auch hat der Beklagte nicht vorgetragen, ob und welche Anstrengungen er bislang unternommen haben will, um Ersatzwohnraum zu finden. Nachdem der Beklagte zu 1) selbst vorgetragen hat, voraussichtlich ab Dezember 2020 eine Therapie in einer Suchthilfeeinrichtung in Frankfurt am Main antreten zu können, erscheint die Einräumung einer Räumungsfrist über den 31.12.2020 hinaus unangemessen.

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