LG Hamburg, Az.: 321 S 65/16, Urteil vom 13.12.2017
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 30.11.2016, Az. 531 C 161/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien sind Nachbarn. Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft J…-Straße 3, 5 wehrt sich gegen Ruhestörungen, die aus der Vermietung des Vereinshauses der Beklagten zur Durchführung von Feierlichkeiten resultieren.
Die Klägerin behauptet regelmäßig wiederkehrende Lärmbeeinträchtigen seit Februar 2015, jeweils in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag, durch Feierlichkeiten im Vereinshaus des Beklagten und den resultierenden An- und Abreiseverkehr. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Auf den erstinstanzlich zuletzt formulierten Antrag der Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zum 250,000,00 Euro, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
1. es zu unterlassen, das alleine gemeinnützigen Zwecken dienende Vereinsgebäude ohne schriftliche Verbotsvereinbarung zu vermieten, wonach nach 23.00 Uhr gem. § 1004 i.V.m. § 906 BGB Geräusche im Vereinshaus und außerhalb des Vereinshauses in einem Umfang erlaubt sind, die auch bei privater Nutzung von Feierlichkeiten oder lautstarken Streitereien unter privaten Nachbarn untersagt sind,
2. dafür zu sorgen, dass aus dem Vereinshaus kein Lärm dringt, der die Bewohner in Hausnr. 3 und 5 der J…-Str. in ihrer Ruhe stört,
hat das Amtsgericht nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 30.11.2016 den Beklagten verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten es zu unterlassen, dass verursacht durch Handlungen der Vereinsmitglieder oder Dritter (z.B. Mieter oder sonstiger Nutzer) Geräusche/Lärm aus dessen Kleingarten- und Vereinshaus in der H…-Straße 2, … Hamburg zwischen Freitags 22.00 Uhr und Montags 7.00 Uhr früh, sowie an Feiertagen von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr früh dringen/dringt, der die Bewohner des anliegenden Wohngebäudes in der J…-Straße 3, … Hamburg in ihrer Ruhe/Nachtruhe stört; insbesondere ist Lärm > 35 db(A) – gemessen an der Hausfassade J…-Str. 3, … Hamburg – zu unterlassen, und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Mit dem Antrag zu 1) (Vermietungsverbot) sei die Klage unbegründet. Es sei Sache des Beklagten, wie er rechtswidrige Störungen seiner Nachbarn verhindere, für ein Verbot der Vermietung oder eine Einflussnahme auf die Vertragsgestaltung gebe es keine Rechtsgrundlage.
Der Klagantrag zu 2) könne im Sinne des Urteilsspruchs ausgelegt werden. Dieser Unterlassungsanspruch, ergänzt um Werte aus der TA-Lärm, stehe der Klägerin gem. §§ 903,1004 BGB zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es – allerdings nur bezogen auf Haus-Nr. 3 – wiederholt auch nach 22 Uhr zu erheblichen Lärmbeeinträchtigungen gekommen sei. Insoweit sei auch eine Wiederholungsgefahr anzunehmen. Für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung i.S.d. § 906 BGB könne auf den Richtwert der TA-Lärm von 35 db(A) zurückgegriffen werden.
Gegen dieses ihr am 07.12.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 13.12.2016 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 07.03.2017 mit am 03.02.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 02.02.2017 begründet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Die Klägerin beantragt nunmehr, das mit der Berufung angefochtene Urteil des Amtsgerichts Hamburg Blankenese zum Az 531 C 161/16, zugestellt am 07.12.2016, abzuändern und den Beklagten gemäß den Sachanträgen gem. S. 5 des Urteils des AG Hamburg Blankenese i.V.m. dem Protokoll des AG Hamburg Blankenese vom 05.12.2016, S. 7, zu verurteilen, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen,
1. es zu unterlassen, das allein gem. § 21 BGB zu gemeinnützigen Zwecken dienende steuergünstigste Vereinshaus gem. Beschreibung Blatt 93 ff der Prozessakte und nicht als wirtschaftlicher Verein gem. § 22 BGB zu nutzen gern, Beschluss des KG vom 12.02.2016 zum Az. 22 W 71/15 unstreitig zweckwidrig genutzte Vereinshaus ohne schriftliche Verbotsvereinbarung nach 22.00 Uhr sowohl an Wochentagen als insbesondere auch an Wochenenden gemäß dem Hamburgischen Gesetz zum Schutz gegen Lärm (Hamburgisches Lärmschutzgesetz – HmbLärmSchG vom 28.11.2010 mit Änderung vom 08.07.2015) i.V.m. dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Verwaltungsbehörden und anderer Gesetze vom 01.06.2015 (HmbGVBI Nr. 22 vom 09.06.2015) unter Ausschluss des 8. Teils des BImSchG i.d.F. 30.11.2016 gemäß dem Schreiben des Bezirksamt Altona vom 08.05.2016 die Polizei vor Ort auch in Bezug auf die Vollstreckung aus dem Urteil gemäß § 890 ZPO hinsichtlich der Wesentlichkeit des Lärms entschieden wird gemäß Anlage BF 3 zur Berufung; i.V.m. mit dem Merkblatt der Stadt Hamburg Anlage BF 4 zur Berufung;
2. dass der jeweilige Vereinsvorsitzender/in gem. § 31 BGB verpflichtet wird, bei Vermietungs- und Verpachtungsverträgen an Dritte auch die Dritten zur verpflichten wie auch selbst, diese bei jeder Vermietung und Verpachtung zu überwachen, dass die Verpflichtung zu 1) eingehalten wird.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung nebst Anlagen sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich aus den gestellten Anträgen jedenfalls in Verbindung mit dem weiteren Sachvortrag. Die Anforderungen gem. § 520 Abs. 3 ZPO sind damit gewahrt. Auch im Übrigen begegnet die Zulässigkeit der Berufung keinen Bedenken.
In der Sache hat die Klägerin mit ihren Angriffen gegen das erstinstanzliche Urteil jedoch keinen Erfolg.
Die vom Amtsgericht vorgenommene Beschränkung auf den Zeitraum zwischen Freitag 22.00 Uhr und Montag 07.00 Uhr sowie an Feiertagen von 22.00 Uhr bis 07.00 Uhr ist bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil Lärmbeeinträchtigungen außerhalb dieses Zeitraums von der Klägerin schon nicht behauptet werden. Dafür, dass der Beklagte mit der Vermietung künftig auf andere Zeiten ausweichen könnte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Dies gilt um so mehr, als auch für den Zeitraum nach der erstinstanzlichen Verurteilung Beeinträchtigungen von der Klägerin unverändert ausschließlich innerhalb der vorgenannten Zeitfenster behauptet werden.
Auch der vom Amtsgericht zugrunde gelegte Dezibelwert ist nicht zu beanstanden. Der Abwehranspruch der Klägerin folgt aus § 906 BGB. Für die Beurteilung der Frage, ob danach eine unzumutbare Lärmbelästigung vorliegt, können öffentlich-rechtliche Grenzwerte Entscheidungshilfe sein und Indizwirkung haben (Staudinger-Roth, BGB (2016) § 906 Rn. 190). Der vom Amtsgericht herangezogene Grenzwert von 35 db(A) für nächtlichen Lärm im reinen Wohngebiet aus der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) ist danach geeignet, Lärmbeeinträchtigungen zu beschreiben, die die Zumutbarkeitsschwelle gem. § 906 BGB überschreiten. Ein weitergehender Unterlassungsanspruch besteht auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens nicht.
Das Vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Verwaltungsbehörden und andere Gesetze betrifft einen Neuzuschnitt der Hamburger Behörden, in deren Folge die Zuständigkeit für Beschwerden des Bürgers über akute Lärmbeeinträchtigungen auf die Polizei überging. Nichts anderes besagt auch das von der Klägerin in Bezug genommene Anschreiben mit Merkblatt. Die Frage, ob eine Lärmbeeinträchtigung i.S.d. § 906 BGB abgewehrt werden kann, bleibt in der Prüfungskompetenz der Gerichte.
Auch das HmbLärmSchG führt dabei zu keiner anderen Beurteilung. Der von der Klägerin in Bezug genommene § 7 HmbLärmSchG regelt lediglich einen besonderen Prüfungsmaßstab für die Beurteilung von Belästigungen und Nachteilen durch sog. Kinderlärm, Ein Umkehrschluss in Bezug auf Nachbarlärm im Allgemeinen kann hieraus nicht gezogen werden. Auch die übrigen Vorschriften des HmbLärmSchG begründen jedenfalls keinen über die vom Amtsgericht tenorierte Verpflichtung hinausgehenden Unterlassungsanspruch der Klägerin.
Gleiches gilt für den von der Klägerin in Bezug genommenen Beschluss des KG vom 12.12.2016. Dieser bezieht sich auf eine Entscheidung des Registergerichts zur Gemeinnützigkeit eines Vereins, der über ca. 45 Jahre mit dem Betrieb mehrerer Kitas zu einem Wirtschaftsunternehmen mit ca. 2800 Betreuungsplätzen geworden ist. Der vorliegende Fall einer gelegentlichen Vermietung des Vereinshauses an Wochenenden mit Einnahmen im untersten dreistelligen Bereich pro Abend (Anlage K 3) ist damit bereits im Ausgangspunkt nicht vergleichbar. Selbst wenn man aber für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Lärmemissionen i.S.d. § 906 BGB – abweichend von der klägerseits vertretenen Auffassung, das BImSchG sei vorliegend nicht anwendbar – §§ 22 ff BImSchG i.V.m. § 4 ff GaststättenG in die Beurteilung einbeziehen würde, würde dies jedenfalls keinen über das amtsgerichtliche Urteil hinausgehenden Unterlassungsanspruch begründen, da auch in diesem Rahmen wiederum die Grenzwerte der TA-Lärm heranzuziehen sind, die das Amtsgericht bei seiner Entscheidung bereits berücksichtigt hat. Eine geplante Neufassung des Vereinsrechts hat jedenfalls keine Auswirkung auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits.
Auf eine generelle Untersagung der Vermietung des Vereinshauses hat die Klägerin keinen Anspruch, insoweit kann auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Soweit die Klägerin mit dem Berufungsantrag eine Verpflichtung des Vereinsvorsitzenden gem. § 31 BGB begehrt, fehlt es auch hierfür an einer Anspruchsgrundlage. § 31 BGB regelt die Haftung des Vereins für seine Organe. Die zitierten Fundstellen betreffen Sonderfälle einer gesamtschuldnerischen Haftung von Verein und Organ, die vorliegend jedoch nicht einschlägig sind. Vermieter und damit Störer i.S.d. §§ 906,1004 BGB ist allein der Beklagte, nur dieser kann damit auch Adressat eines Verbots sein. Auch insoweit ist das amtsgerichtliche Urteil nicht zu beanstanden.