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Unwirksame Eigenbedarfskündigung für Strohmann

LG München I – Az.: 14 S 11886/19 – Urteil vom 27.11.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 18.07.2019, Az. 463 C 1125/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.658,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen. Die Revision wird nicht zugelassen, die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht erreicht, die Nichtzulassungsbeschwerde damit nicht zulässig.

Ebenso liegt kein Fall des § 313a Abs. 4 ZPO vor. Zusammenfassend und ergänzend ist Folgendes auszuführen:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung nach einer vermieterseits ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung.

Mit schriftlichem Wohnraummietvertrag vom 10.03.2010 (Anlage K 2) mietete der Beklagte von der Rechtsvorgängerin des Klägers die verfahrensgegenständliche Wohnung im Erdgeschoss rechts des Hauses in der … , bestehend aus 3 Zimmern, 1 Küche, 1 Bad/WC und 1 Balkon nebst 1 Kellerabteil.

In der Folgezeit erwarb der Kläger das streitgegenständliche Anwesen und wurde am 21.06.2017 als dessen Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Bruttomiete beträgt seit Mitte 2018 471,50 €.

Mit Schreiben vom 30.12.2018 (Anlage K 1), persönlich übergeben am selben Tag, sprach der Kläger gegenüber dem Beklagten eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu Gunsten seines Neffen … zum 30.09.2019 aus.

Diese war im Wesentlichen darauf gestützt, dass der derzeit bei seinen Eltern in München, … lebende Neffe beabsichtige, in die verfahrensgegenständliche Wohnung umzuziehen. Die momentane „Pendler-Situation“ zu seinem Studien- und Arbeitsort an der LMU München sei recht zeitaufwendig; dies würde sich durch die Wohnung in der Nähe zum Stadtzentrum deutlich verbessern. Zudem stehe er kurz von seinem Staatsexamen und möchte mit 22 Jahren einen eigenen Hausstand gründen.

Zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage vom 16.01.2019 war die bis zum 30.09.2019 gesetzte Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen; eine Räumung und Herausgabe der Wohnung war nicht erfolgt. Der Beklagte trat vielmehr der Klage entgegen, wobei er die Zulässigkeit der – im ersten Rechtszug noch auf künftige Räumung und Herausgabe (§ 259 ZPO) gerichteten – Klage in Abrede stellte.

Das Amtsgericht München wies die Klage nach Beweisaufnahme als unzulässig ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es an der Besorgnis der nicht rechtzeitigen Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung fehle. Aufgrund der widersprechenden Angaben der erstinstanzlich vernommenen Zeugen … und … habe sich das Gericht keine ausreichende Überzeugung i. S. d. § 286 ZPO davon bilden können, dass der Beklagte bei Übergabe der Kündigung tatsächlich die behauptete Erklärung abgegeben habe, wonach er die Kündigung nicht anerkenne und er nicht ausziehen werde. Es sei daher nicht erwiesen, dass der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung nach § 259 ZPO gegeben habe.

Gegen dieses ihm am 24.07.2019 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 26.08.2019 eingelegten und am 18.09.2019 begründeten Berufung, welche das Endurteil des Amtsgerichts in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht stellt.

Die Berufung führt dabei im Wesentlichen aus, dass es nicht an der Besorgnis der nicht rechtzeitigen Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 259 ZPO gefehlt habe. Daher hätte die Klage als zulässig erachtet werden müssen. In diesem Zusammenhang habe das Amtsgericht eine fehlerhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Soweit der Beklagte nun erstmalig in der Berufungsinstanz den klägerseits behaupteten Eigenbedarf bestreitet, sei dieses Vorbringen berufungsrechtlich unbeachtlich. Es handele sich hierbei um ein unzulässiges neues Verteidigungsmittel. Denn ein Bestreiten des Eigenbedarfs hätte bereits im 1. Rechtszug erfolgen können; § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO sei mithin nicht einschlägig.

Der klägerseits geltend gemachte Eigenbedarf bestehe weiterhin und sei unter Beweis gestellt.

Der Kläger beantragt daher im Berufungsverfahren zuletzt zu erkennen:

Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts München vom 18. Juli 2019 (Az. 463 C 1125/19) wird der Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, die …, Erdgeschoss rechts, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Bad/WC und einem Kellerabteil zu räumen und an den Kläger und Berufungskläger herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Höchstvorsorglich beantragt der Beklagte ferner die Fortsetzung des Mietverhältnisses gem. § 574a BGB auf unbestimmte Zeit.

Ebenfalls nur höchstvorsorglich beantragt der Beklagte zudem die Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2019. Ferner sind der Kläger und der Beklagte jeweils formlos als Partei angehört worden.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2019.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.

Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 18.07.2019 begegnet aus Sicht der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Eine Rechtsverletzung ist im angefochtenen Urteil nicht erkennbar. Es kann daher zunächst auf die zutreffenden Gründe des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen werden.

Nach Ablauf der Kündigungsfrist in Bezug auf die klägerseits zum 30.09.2019 ausgesprochene Eigenbedarfskündigung bedarf es jedoch in der Berufungsinstanz einer Prüfung der Begründetheit der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage, zumal das nunmehrige Bestreiten des Eigenbedarfs als prozessual wirksam zu erachten ist (Ziffer II.1).

Nach Überzeugung der Kammer erweist sich die verfahrensgegenständliche Kündigung vom 30.12.2018 zwar als formell (Ziffer II.2), nicht jedoch als materiell wirksam (Ziffer II.3). Nach Durchführung der Beweisaufnahme sieht die Kammer zum einen aus Rechtsgründen keine Ernsthaftigkeit des vermieterseitigen Überlassungswillens hinsichtlich des streitgegenständlichen Mietobjekts (Ziffer II.3.b.(1)). Zum anderen ist die Kammer nach sorgfältiger Prüfung des klägerischen Sachvortrags und der Einwände des Beklagten, sowie nach ausführlicher Einvernahme der Zeugen … und … und der Anhörung des Klägers auch aus tatsächlichen Gründen nicht vom Bestehen eines Eigenbedarfs der Klagepartei überzeugt; der Kläger ist vielmehr hinsichtlich des behaupteten Nutzungswillens seitens des Zeugen … beweisfällig geblieben (Ziffer II.3.b.(2)).

Dazu im Einzelnen:

1. Das Bestreiten des Eigenbedarfs seitens der beklagten Partei ist nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZPO zulässig. Nach dieser Vorschrift sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren zuzulassen, wenn sie einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt betreffen, der von dem Gericht des ersten Rechtszugs für unerheblich gehalten worden ist.

So verhält es sich hier.

Das erst im Berufungsverfahren erfolgte Bestreiten eines Eigenbedarfs stellt vorliegend ein neues Verteidigungsmittel i. S. des § 531 Abs. 1 S. 1 ZPO dar. Ein in zweiter Instanz konkretisiertes Vorbringen ist neu, wenn es einen sehr allgemein gehaltenen erstinstanzlichen Vortrag konkretisiert oder erstmals substantiiert, nicht jedoch dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus erster Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGHZ 159, 245 [251] = NJW 2004, 2825; BGHZ 164, 330 [333] = NJW 2006, 152; BGH NJW 2007, 1531 [1532]; NZM 2009, 797 = NJW-RR 2009, 1236 [1236], jeweils m. w. Nachw.). Gemessen an diesen Maßstäben sind die Ausführungen des Beklagten zum fehlenden Eigenbedarf als neuer Vortrag zu werten (vgl. BGH NJW-RR 2012, 341 = NZM 2012, 231).

Eine Zulassung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn eine Partei unter Verstoß gegen ihre Prozessförderungspflicht (§§ 282, 277 Abs. 1 ZPO) Vorbringen aus prozesstaktischen Erwägungen zurückhält. Ein solches Verhalten mag zwar Nachlässigkeit i. S. v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO begründen und damit die Berücksichtigung neuen Vortrags nach dieser Fallgruppe ausschließen (BGH VersR 2009, 1683 = BeckRS 2009, 28213 Rdn. 3; NJW 2010, 376 Rdn. 9; NJW-RR 2011, 211 Rdn. 27 f.). Im Rahmen des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO kommt es jedoch nicht darauf an, ob ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel schon in erster Instanz hätte vorgebracht werden können (BGH, Beschl. v. 26. 6. 2008 – V ZR 225/07, BeckRS 2008, 15260 Rdn. 6; NJW-RR 2006, 1292 Rdn. 16). Denn diese Bestimmung soll verhindern, dass Prozessparteien gezwungen werden, in der ersten Instanz vorsorglich auch solche Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzutragen, die vom Standpunkt des erstinstanzlichen Gerichts unerheblich sind (vgl. BT-Dr 14/4722, S. 101; BGH NJW-RR 2004, 927 = WM 2004, 2213 [unter II 2 a]; NJW-RR 2006, 1292; BeckRS 2008, 15260; jeweils m. w. Nachw.; BGH NJW-RR 2012, 341 = NZM 2012, 231).

Der Zulassungsgrund des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO kommt zwar nur dann zum Tragen, wenn der von dem neuen Vorbringen betroffene Gesichtspunkt in erster Instanz entweder von allen Verfahrensbeteiligten übersehen worden ist oder wenn das erstinstanzliche Gericht ihn für unerheblich gehalten hat. Damit findet die genannte Vorschrift nur unter der ungeschriebenen Voraussetzung Anwendung, dass die Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst hat und daher, ohne dass deswegen ein Verfahrensfehler gegeben wäre, (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2005, 167 [unter III 2 b aa]; NJW-RR 2006, 1292 Rdn. 17 m. w. Nachw.; NJW-RR 2007, 774 Rdn. 7; NJW 2011, 3361 Rdn. 27).

Diese Voraussetzung ist jedoch (schon) dann erfüllt, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Partei durch seine Prozessleitung oder seine erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten hat, zu bestimmten Gesichtspunkten (weiter) vorzutragen (BGH NJW-RR 2004, 927 m. w. Nachw.; NJW-RR 2006, 1292 Rdn. 18). Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. So kann das Gericht eine Partei etwa durch die Erteilung von Hinweisen veranlassen, in erster Instanz von weiterem Vorbringen abzusehen (BGH NJW-RR 2005, 167). Das erstinstanzliche Gericht kann aber auch durch das Unterlassen von Hinweisen den Eindruck erwecken, der bisherige Parteivortrag sei ausreichend (BGH NJW-RR 2005, 213 [unter B II]; NJW-RR 2006, 1292 Rdn. 20 f.; NJW-RR 2007, 774 Rdn. 6 ff.; NJW-RR 2012, 341 = NZM 2012, 231).

Der vorliegende Verfahrensablauf fördert offen zu Tage, dass der Beklagte auf Ausführungen zur Begründetheit der Klage deswegen verzichtet hat, weil sich das erstinstanzliche Gericht seiner Rechtsansicht in Bezug auf die fehlende Besorgnis nach § 259 ZPO und die hierauf beruhende Unzulässigkeit der Klage angeschlossen hatte. Der Beklagte hatte in seiner Erwiderung ausdrücklich um die Erteilung eines gerichtlichen Hinweises gebeten, falls das Amtsgericht die Frage der Zulässigkeit der Klage abweichend beurteilen sollte (Bl. 12 f. sowie 18 d.A.). Ein solcher Hinweis ist jedoch unterblieben, weil das Gericht des ersten Rechtszugs offensichtlich die Rechtsmeinung des Beklagten geteilt und damit die Frage der Wirksamkeit der Kündigung für unerheblich erachtet hat. In Anbetracht dieser Verfahrensumstände musste der Beklagte seine Prozessführung nicht auf das (etwaige) Vorliegen eines Kündigungsgrundes ausrichten, sondern durfte darauf vertrauen, dass das Amtsgericht – bei entsprechendem Ausgang der diesbezüglichen Beweisaufnahme – die auf künftige Räumung und Herausgabe gerichtete Klage als unzulässig abweisen werde.

Der rechtliche Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Klage ist nunmehr jedoch anders zu beurteilen:

Die Zulässigkeit der – wegen des Ablaufs der Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB – zwischenzeitlich auf sofortige Räumung und Herausgabe gerichteten Klage ist seit 01.10.2019 zu bejahen, weil die Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 259 ZPO seit dem Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung (30.09.2019) keine Relevanz mehr hat. Die Frage des Vorliegens des klägerseits geltend gemachten Eigenbedarfs hat damit in der 2. Instanz erstmals entscheidungserhebliche Bedeutung erlangt.

Damit liegt eine Fallkonstellation vor, in der nach der gesetzgeberischen Zielsetzung den Parteien nicht die Möglichkeit abgeschnitten sein soll, auf eine abweichende rechtliche Beurteilung in der Berufungsinstanz mit nunmehr erforderlich gewordenen neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu reagieren (vgl. hierzu BT-Dr 14/4722, S. 101; BGH NJW-RR 2012, 341 = NZM 2012, 231).

Mithin ist das Bestreiten eines klägerischen Eigenbedarfs durch den Beklagten schon nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Es kann damit offen bleiben, ob sich der (erstinstanzlich) auf künftige Räumung und Herausgabe in Anspruch genommene Beklagte auf den Einwand der Unzulässigkeit dieses Begehrens beschränken durfte, ohne sich dem Vorwurf der Verletzung seiner Prozessförderungspflicht und damit der Nachlässigkeit i. S. v. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO auszusetzen.

Dem Berufungsgericht obliegt es nach alledem, auch die Begründetheit der auf (sofortige) Räumung und Herausgabe abzielenden Klage zu prüfen.

Im Rahmen dieser Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Klage ist die Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Eigenbedarfskündigung in formeller und materieller Hinsicht zu beurteilen.

2. Die Kündigung vom 30.12.2018, auf die der Anspruch auf Räumung und Herausgabe nach § 546 Abs. 1 BGB hier gestützt ist, wird von der Kammer als hinreichend begründet i. S. v. § 573 Abs. 3 S. 1 BGB und damit als formell wirksam erachtet.

Nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB muss der Vermieter die Gründe für sein berechtigtes Kündigungsinteresse i. S. v. § 573 Abs. 2, Abs. 1 BGB in dem Kündigungsschreiben angeben. Maßgeblich für den Umfang der Begründungspflicht ist der Zweck des Begründungserfordernisses:

Der Mieter soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erlangen und so in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (BT-Drs. VI 1549, S. 6 f.). Diesem Zweck wird nach der Rechtsprechung des BGH Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann.

Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 317/10 = NJW-RR 2012, 14).

Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen der Person(en), zu deren Gunsten Eigenbedarf geltend gemacht wird, sind grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 13.10.2010 – VIII ZR 78/10 = NJW 2010, 3775). Allerdings muss der Vermieter i. d. R. dann Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen der Eigenbedarfsperson machen, wenn er den Nutzungswillen darauf stützt, dass die jetzige Wohnung deren Bedürfnissen nicht (mehr) entspreche.

Das hier streitgegenständliche Kündigungsschreiben wird den vorgenannten Anforderungen gerecht. Die Kündigung ist hinreichend schlüssig und in einem Umfang begründet, der dem Beklagten bereits zu dem frühen Zeitpunkt ihres Zugangs eine sachgerechte Rechtsverteidigung ermöglichte. So ist im Kündigungsschreiben insbesondere angegeben, dass der Neffe des Klägers, der Zeuge … derzeit bei seinen Eltern in München, … wohnhaft sei. Des Weiteren ist angeführt, dass er an der LMU München studiere und dort als studentische Hilfskraft tätig sei, weshalb er momentan noch zu recht zeitaufwändigem Pendeln gezwungen sei. Diese „Pendler-Situation“ würde sich für … durch eine Wohnung in der Nähe des Stadtzentrums – was auf die verfahrensgegenständliche Wohnung zutrifft – deutlich verbessern. Außerdem stehe er kurz vor seinem Staatsexamen und wolle mit 22 Jahren einen eigenen Hausstand gründen.

Die Kündigungserklärung ist dem Beklagten auch gem. § 130 BGB analog am 30.12.2018 zugegangen. Verkörperte Willenserklärungen – namentlich in Form eines Briefs – gehen unter Anwesenden mit ihrer Aushändigung an den Empfänger zu.

Nach alledem ist von einer formellen Wirksamkeit der (zugegangenen) Eigenbedarfskündigung vom 30.12.2018 auszugehen.

3. Die materielle Wirksamkeit der Kündigung vom 30.12.2018 ist hier jedoch nach Durchführung der Beweisaufnahme zu verneinen.

Der behauptete Eigenbedarf, mithin das berechtigte Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, ist vorliegend aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht als gegeben zu erachten.

Nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis ordentlich nur kündigen, wenn er an dessen Beendigung ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Das Tatbestandsmerkmal „benötigt“ erfordert dabei nicht, dass der Vermieter oder eine der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Personen auf die Nutzung der Wohnung angewiesen ist, sondern ist bereits dann erfüllt, wenn der (ernsthaft verfolgte) Eigenbedarfswunsch des Vermieters auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützt wird (st. Rspr. des VIII. Senats des Bundesgerichtshofs, vgl. NZM 2019, 518 unter II 1 b aa; BGHZ 204, 216 = NJW 2015, 1590 = NZM 2015, 378 Rdn. 15; NJW 2015, 2727 = NZM 2015, 657 Rdn. 9; NJW-RR 2019, 130 = NZM 2018, 983 Rdn. 24; jew. mwN; NJW-RR 2019, 972 = NZM 2019, 527).

a) Vernünftige und nachvollziehbare Nutzungs- bzw. Überlassungsinteressen liegen grundsätzlich sowohl in einer günstigeren Verbindung zum Arbeitsplatz als auch darin, dass der Vermieter zugunsten eines Angehörigen kündigt, dem keine eigene Wohnung zur Verfügung steht, weil der Angehörige bspw. bislang noch im elterlichen Haushalt wohnt (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 573 Rdn. 105, 108).

Vorliegend hat der Zeuge … insbesondere ausgesagt, dass er … verlassen wolle, um Wege einzusparen. Sein Lebensmittelpunkt sei das „Univiertel“. Ein weiterer Punkt sei die „Bequemlichkeit“. Die Universität sei anstrengender. Daher wolle er auch seine Fahrzeiten reduzieren. Des Weiteren wäre es für ihn ein „Schritt in die Selbständigkeit“, das Elternhaus zu verlassen.

Die derzeitige Fahrzeit betrage eine dreiviertel Stunde zum Institut bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Auf die Frage des Gerichts bezüglich der Entfernung zwischen der klagegegenständlichen Wohnung und der Universität erklärte der Zeuge, dass er von der Wohnung aus nur wenige Meter zur U-Bahn habe. Dann sei man recht schnell am …, wo man umsteigen oder aber zu Fuß zur Universität laufen könne.

An sich kann bei Erwägungen dieser Art durchaus von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen in Bezug auf den Eigenbedarfswunsch ausgegangen werden.

b) Die Wohnung wird vorliegend aber nicht ernsthaft i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB „benötigt“.

Eine Wohnung wird nur dann „benötigt“ i. S. dieser Vorschrift, wenn der Vermieter die ernsthafte Absicht hat, die Räume selbst als Wohnung zu nutzen oder diese Hausstands- oder Familienangehörigen zu überlassen (BGH WuM 2010, 165 = NJW 2010, 1068 Rdn. 14). Fehlt in den Fällen der behaupteten Eigennutzungsabsicht ein ernsthafter Nutzungswille, so erweist sich die Kündigung schon aus diesem Grunde als unwirksam (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl., 2019, BGB § 573 Rdn. 60). Soll die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden, so ist zwar grundsätzlich ebenfalls der Überlassungswille des Vermieters maßgebend. Fehlt der Nutzungswille des Angehörigen aber, ist der Tatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB indes ebenfalls nicht einschlägig, weil der Vermieter die Räume auch in einer solchen Konstellation nicht „benötigt“ (BVerfG WuM 10993, 381; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl., 2019, BGB § 573 Rdn. 61).

Nach Überzeugung der Kammer ist hier bereits aus Rechtsgründen nicht von einem Überlassungswillen des Vermieters auszugehen (1). Hinzu kommt, dass der Nutzungswille des Angehörigen aus tatsächlichen Gründen nicht als erwiesen zu erachten ist. Der Kläger ist insoweit beweisfällig geblieben (2).

(1) Ein Überlassungswille des Klägers ist vorliegend schon aus rechtlichen Gründen nicht anzunehmen.

An einer Ernsthaftigkeit des Überlassungswillens mangelt es nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann, wenn der Vermieter lediglich behauptet, dass er die Wohnung selbst nutzen oder einem Angehörigen überlassen wolle, in Wirklichkeit aber andere Absichten verfolgt (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 573 Rdn. 62).

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann aber auch dann vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter seit Längerem Verkaufsabsichten hegt und der von ihm benannten Eigenbedarfsperson den Wohnraum in der – dieser möglicherweise nicht offenbarten – Erwartung zur Miete überlässt, diese im Falle eines doch noch gelingenden gewinnbringenden Verkaufs ohne Schwierigkeiten zum Auszug bewegen zu können (BGH NJW-RR 2016, 982 = NZM 2016, 718).

Dieser rechtliche Standpunkt ist auf die vorliegende Konstellation übertragbar. Nichts anderes kann nämlich für die anderweitige Verwertung in Form einer Sanierung des betreffenden Mietobjekts und einer sich hieran anschließenden Neuvermietung an Dritte (ggf. unter Vereinbarung erheblich höherer Mieten) gelten.

Seitens des Klägers werden hier – jedenfalls derzeit – augenscheinlich keine Verkaufsabsichten gehegt. Der Kläger hat jedoch – wie von ihm selbst in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2019 bestätigt – die Absicht, das verfahrensgegenständliche Mietobjekt sowie einen erheblichen Teil des gesamten Anwesens zu sanieren.

Die Kammer ist in diesem Zusammenhang davon überzeugt, dass der Sanierungsabsichten hegende Kläger seinem Neffen … die Wohnung (lediglich) in der Erwartung zur Miete überlassen will, diesen zur Ermöglichung der geplanten Sanierungsarbeiten zu einem alsbaldigen Auszug bewegen zu können. Alternativ wäre die Eigenbedarfsperson nach Überzeugung des Berufungsgerichts auch dazu bereit, nach Abschluss der klägerseits beabsichtigten Sanierungmaßnahmen ohne Schwierigkeiten wieder auszuziehen, um dem Kläger eine Neuvermietung an Dritte (bei ggf. erheblich gesteigerter Miete) zu ermöglichen. In einer solchen Konstellation – wie hier – ist jedoch nicht von einer Ernsthaftigkeit des Überlassungswillens auszugehen und damit letztlich lediglich ein vorgeschobener Eigenbedarf anzunehmen.

Zu dieser Überzeugung gelangte die Kammer zum einen in Ansehung der eigenen Einlassungen des Klägers in Bezug auf seine Sanierungsabsichten, zum anderen aber auch unter maßgeblicher Berücksichtigung der Aussage des einvernommenen Zeugen … .

So gab der Zeuge auf Frage des Gerichts nach den Plänen des Klägers in Bezug auf das gesamte streitgegenständliche Anwesen insbesondere an, dass sein Onkel „im Fernsehbeitrag“ u.a. gesagt habe, er plane längerfristig, das Haus zu sanieren. Ob seine eigene Wohnung auch saniert werden solle, sei ihm nicht bekannt. Er gehe aber hiervon aus; er habe nur grobe diesbezügliche Informationen und gehe davon aus, dass diese irgendwann auch saniert werden müsse. Den Zustand der Wohnung kenne er nicht.

Auf Nachfrage des Gerichts, was er, der Zeuge, tun würde, wenn der Kläger sagen würde, dass die streitgegenständliche Wohnung auch saniert werden müsse, erklärte der Zeuge, es komme auf die Situation an, aber er würde sagen, dass es „in Ordnung ist“. Dann würde er versuche, etwas anderes zu suchen oder wieder nach Hause ziehen.

Schon unter Berücksichtigung dieser Aussage liegt auf der Hand, dass der hier als Eigenbedarfsperson benannte Zeuge … die Wohnung ohne jeglichen, jedenfalls aber ohne nennenswerten Widerstand – zumal zeitnah – wieder verlassen würde, sobald sein Onkel, der Kläger, ihn hierzu – mit dem Ziel der Verwirklichung von Sanierungs- und/oder Neuvermietungsplänen – auffordern würde.

Dies jedoch lässt sich schon mit dem gesetzlichen Erfordernis eines ernsthaften Überlassungswillens nicht in Einklang bringen. In einer derartigen Konstellation muss letztlich davon ausgegangen werden, dass die angebliche Eigenbedarfsperson lediglich als eine Art „Strohmann“ eingesetzt wird, um den behaupteten Eigenbedarf durchzusetzen zu können.

Von einem Eigenbedarf und damit einem berechtigten Interesse i. S. d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann hier vor diesem Hintergrund also nicht ausgegangen werden.

Die Klage war daher bereits aus rechtlichen Gründen in Ermangelung einer materiell wirksamen Eigenbedarfskündigung als unbegründet abzuweisen.

(2) Die Kammer vermochte sich aber nach sorgfältiger Prüfung des klägerischen Sachvortrags, der Einwände des Beklagten, der ausführlichen Einvernahme der Zeugen …und … sowie der Anhörung des Klägers auch im Übrigen nicht vom Bestehen eines Eigenbedarfs der Klagepartei zu überzeugen; der Kläger ist insoweit beweisfällig geblieben. Das Gericht zweifelt nach der durchgeführten Beweisaufnahme in erheblichem Maße daran, dass der von der Klagepartei in der Kündigung vom 30.12.2018 dargestellte Eigenbedarf tatsächlich besteht. Der hierfür (ebenfalls) erforderliche ernsthafte Nutzungswille des Zeugen … ist nicht bewiesen worden.

Für die Beweiswürdigung gelten gemäß § 286 ZPO die folgenden Grundsätze:

Eine Tatsache ist erst dann zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, wenn das Gericht von der Wahrheit der jeweiligen bestrittenen Tatsache(n) überzeugt ist. Ein bloßes Glauben, Wähnen oder Fürwahrscheinlichhalten berechtigen das Gericht hingegen nicht zur Bejahung eines streitigen Tatsachenvortrags, wobei objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen allenfalls Grundlage und Hilfsmittel für die richterliche Überzeugungsbildung sein können. Zwingend hinzukommen muss die subjektive persönliche Entscheidung des Gerichts, ob es die streitige Tatsachenbehauptung als wahr erachtet (BGH NJW 2014, 71; Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 286 Rdn. 18). Andererseits ist mehr als eine subjektive Überzeugung des Gerichts zum Beweis einer streitigen Tatsachenbehauptung auch nicht erforderlich. Absolute Gewissheit zu verlangen, hieße, die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren. Dass die Sachverhaltsfeststellung durch das Abstellen auf ein persönliches Überzeugtsein mit subjektiven Einflüssen belastet wird, ist im Bereich menschlichen Richtens zwangsläufig und unvermeidbar. Das Gericht muss sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen. Hierbei handelt es sich um eine Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 256 = NJW 1970, 946; BGH NJW 2014, 71; Zöller/Greger, a.a.O. Rdn. 19).

Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen – hier durchgeführten – Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten ist. Unter Beachtung der Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze und der gesetzlichen Beweisregeln hat das Gericht im Verlauf des Rechtsstreits gewonnene Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Dabei darf es zum Beispiel einer Partei mehr Glauben schenken als einem beeideten Zeugen und trotz mehrerer bestätigenden Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als bewiesen ansehen. Das Gericht muss nach der Wahrheit streben, darf sie aber nicht zu der Voraussetzung seiner Entscheidung machen. Deshalb muss es sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

Zu einer solchen persönlichen Gewissheit vermochte die Kammer unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorliegend nicht zu gelangen.

Sie ergibt sich insbesondere nicht aus den Angaben des Zeugen … und des persönlich angehörten Klägers. Sie findet auch im übrigen Prozessstoff keine hinreichend tragfähige Grundlage.

Da es sich bei dem Zeugen … nicht um eine neutrale Person handelt, sondern um einen – mit dem Kläger in persönlicher Hinsicht eng verbundenen – Angehörigen des Klägers und um die Eigenbedarfsperson selbst, muss von einem auf der Hand liegenden großen Eigeninteresse des Zeugen am Erfolg des gerichtlichen Verfahrens ausgegangen werden. Bereits dies zieht das Erfordernis einer kritischen Prüfung und Würdigung der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nach sich. Auch die Anhörung des Klägers ist in diesem Lichte sorgfältig auf den Prüfstand zu stellen.

Hinzu kommt vorliegend, dass bei der Prüfung einer Kündigung, in deren Vorfeld es zu Konflikten in dem betreffenden Mietverhältnis gekommen ist, eine Verpflichtung der Instanzgerichte besteht, die Beweise – also insbesondere die Angaben von Zeugen, welche den Eigenbedarf bestätigen sollen – besonders kritisch zu hinterfragen.

Die hier vorausgegangene mietrechtliche Auseinandersetzung bestand u.a. darin, dass der Kläger an den Beklagten am 30.07.2017 mit einem Mieterhöhungsverlangen von 410,00 € auf 471,50 € herangetreten war (Anlage B 2).

Im Juli 2017 legte der Kläger dem Beklagten ferner einen Entwurf zur Abänderung des bisher bestehenden Mietvertrages vor (Anlage B 3), der eine Miete von insgesamt monatlich 630,00 € – bei 550,00 € Nettokaltmiete – vorsah.

Der zweite (klägerseits beabsichtigte) neue Mietvertrag wurde dem Beklagten vom Sohn des Klägers im Juli 2018 in einem Café übergeben, damit er diesen unterzeichne.

Nachdem der Beklagte die Änderungsvereinbarungen zum Mietvertrag nicht unterschrieben hatte, kam der Kläger schließlich persönlich in die Wohnung des Beklagten und bot im Beisein der Zeugin … an, eine Umzugskostenbeihilfe von 5.000,00 € zu bezahlen, wenn der Beklagte ausziehe.

Auf die diesbezügliche Ablehnung des Beklagten reagierte der Kläger überdies sogleich mit der Ankündigung einer Eigenbedarfskündigung. Dies steht zum einen fest aufgrund der Angaben der Zeugin … .Diese gab insoweit im Wesentlichen an, ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten mitbekommen zu haben. Dabei habe der Kläger gesagt „ganz ehrlich, ich will ihre Wohnung“. Diese Äußerung sei gleich nach der Begrüßung erfolgt. Dann habe er, der Kläger, einen Geldbetrag angeboten. Der Beklagte habe diesen abgelehnt, wobei sich die Zeugin an die diesbezügliche Wortwahl des Beklagten nicht mehr erinnern konnte. Dann habe der Kläger gesagt, dass er das auch mit einer Eigenbedarfskündigung „machen“ könne.

Das Gericht hält diese Äußerung für glaubhaft, wobei nicht verkannt wird, dass es sich bei der Zeugin … um die ehemalige Lebensgefährtin des Beklagten handelt. Ihre Aussage stimmt jedoch einerseits mit den diesbezüglichen Angaben des Beklagten überein. Ferner ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger weder das vorgenannte Gespräch an sich, noch dessen wesentlichen Inhalt bestritten hat.

Damit ist auch die vorstehend beschriebene Konfliktsituation zwischen der Klagepartei und dem Beklagten als bewiesen zu erachten. Sie hat daher bei der Beweiswürdigung ebenfalls Berücksichtigung zu finden.

Mietrechtliche Spannungen zwischen den Parteien sind vorliegend auch darin zu sehen, dass der Kläger bereits mit Schreiben vom 02.08.2018 eine Eigenbedarfskündigung für seine Mutter zum 30.04.2019 (Anlage B 5) ausgesprochen hatte. Insoweit teilte der Kläger am 24.09.2018 dem Beklagten letztlich mit, dass dieser Eigenbedarf entfallen sei, nachdem die Mutter des Klägers am 19.09.2018 verstorben war (siehe Anlage B 6 sowie Bl. 52 d.A.). In demselben Schreiben erinnerte der Kläger überdies daran, dass die Zustimmung zur Mieterhöhung noch schriftlich gebraucht werde; mündlich habe der Beklagte bereits seine Zustimmung gegenüber (dem erstinstanzlich vernommenen Zeugen) … erteilt. Diesem Mieterhöhungsverlangen stimmte der Beklagte am 25.09.2018 zu.

Im Lichte dieser Ereignisse musste das Gericht durchaus von einer gravierenden Belastung des Verhältnisses zwischen der Vermieter- und der Mieterseite ausgehen.

Die Aussage des Zeugen … sowie die Angaben des Klägers werden – gerade auch in der Zusammenschau – dem hier im Rahmen der Beweiswürdigung anzulegenden Maßstab nicht gerecht.

So kann das Gericht insbesondere nicht über durchaus beachtliche Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten zwischen dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klagepartei einerseits und den Angaben des Zeugen … im Rahmen seiner Vernehmung andererseits hinwegsehen.

Während es im Schriftsatz der Klagepartei vom 16.01.2019 heißt, dass der Zeuge „eigene Räume (benötigt), um ungestört lernen zu können“, räumt der Kläger ein, dass er umfangreiche Sanierungen im verfahrensgegenständlichen Anwesen plane.

In Bezug auf die Situation im Anwesen … gab der Kläger, als Partei angehört, im Wesentlichen an, dass sich im Erdgeschoss links ein Laden befinde. Dieser sei momentan leer und das letzte halbe Jahr bis Jahr renoviert worden. Zuvor sei mit der Vormieterin, einer Friseurin, der Mietvertrag aufgehoben worden. Diese habe unerlaubt untervermietet gehabt an „bulgarische Menschen“; des Weiteren sei es zu Zahlungsrückständen gekommen.

Im ersten Obergeschoss rechts wohne sein Sohn … .

In Bezug auf das erste Obergeschoss links sei zugunsten seiner Tochter eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen worden gegenüber der Mieterin …; diesbezüglich laufe ein Berufungsverfahren. Im zweiten Obergeschoss seien beide Wohnungen vermietet und ungekündigt. Im dritten Obergeschoss sei gegenüber den Mietern beider Wohnungen (links Oettle, rechts König) eine Verwertungskündigung ausgesprochen worden. Das Haus werde aufgestockt; hierfür müsse das obere Stockwerk abgerissen und neu errichtet werden. Dann wolle er, der Kläger, selbst einziehen. Das diesbezügliche Verfahren habe er in der ersten Instanz verloren. Die Baugenehmigung solle diese Woche kommen. Er habe nochmal gekündigt, weil die vorherige Kündigung zu früh erfolgt sei. Eine Verwertungskündigung könne laut Amtsgericht nicht gleichzeitig mit einer Eigenbedarfskündigung ausgesprochen werden. Deshalb „mache er nur die Verwertungskündigung“ und dann plane er schon, einzuziehen. Im Erdgeschoss rechts solle dann der Neffe, der Zeuge …, einziehen. Diese Wohnung sei unrenoviert und es solle an sich nichts renoviert werden. Der Zustand der Wohnung sei wie der in der Wohnung seines Sohnes, d.h. eine alte Elektroheizung sei dort vorhanden, die wohl durch eine neue Heizung ersetzt werde; vielleicht würden auch die Fenster „ein bisschen saniert werden“.

Es ist für die Kammer offenkundig, dass die mit den beabsichtigten baulichen Maßnahmen einhergehenden Beeinträchtigungen – insbesondere in Form von Lärmimmissionen – durchaus gravierende Störungen zum Nachteil der Hausbewohner mit sich bringen können.

Demgegenüber gab der Zeuge … auf Frage des Gerichts nach seinem derzeitigen Lernort an, dass er sich bald in der Examensvorbereitung befinden werde und durchaus beabsichtige, daheim – mithin in der verfahrensgegenständlichen Wohnung – zu lernen. In diesem Zusammenhang sagte er im Wesentlichen aus, dass er sich zwar noch nicht in der Examensvorbereitung befinde. Die Examensvorbereitung werde wohl in Lerngruppen im neuen Philologicum sein. Er werde sowohl in Lerngruppen lernen sowie, wenn es um persönliche Sachen gehe, auch zu Hause. Auf Nachfrage des Gerichts bezüglich einer etwaigen Beeinträchtigung der Examensvorbereitung durch den Baulärm, erklärte der Zeuge … er würde währenddessen „auf die Uni ausweichen“.

Auf Frage des Gerichts bezüglich seiner Aussage, dass er zu Hause (also in der verfahrensgegenständlichen Wohnung) lernen wolle, erklärte der Zeuge … er würde insoweit ein „Maß an Flexibilität walten lassen“, wenn dies durch äußere Umstände gefordert wäre.

Den diesbezüglichen Zweifeln der Kammer an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen … und an seiner Bereitschaft, überhaupt in die Wohnung einziehen zu wollen, ist Schweigen nicht in hinreichendem Maße geboten.

Dabei wird nicht verkannt, dass Umfang und Intensität einer Examensvorbereitung zum einen sicherlich vom Studiengang abhängen und zum anderen eine Frage des individuellen Lerneifers sowie der Lerndisziplin des jeweiligen Studenten darstellen. Es ist auch nicht per se unglaubhaft, dass ein Student in engerem zeitlichem Zusammenhang mit seinem bevorstehenden Staatsexamen willens und in der Lage sein soll, einen Umzug durchzuführen. Auch schließen Bauarbeiten in einem Anwesen ein dortiges Lernen nicht von vorneherein aus, da diese Aktivitäten bzw. Tätigkeiten nicht zwingend zur selben Tageszeit stattfinden müssen. Fraglich ist zudem, wann der Kläger die baulichen Maßnahmen wird verwirklichen können.

Gleichwohl bestehen – gerade im Lichte dieser besonderen Umstände des Einzelfalls – Zweifel daran, dass der Zeuge … bei seiner Aussage in vollem Umfang zur Wahrheit gefunden hat. So ist zum einen zu berücksichtigen, dass ein Umzug durchaus mit nicht unerheblichen Belastungen einhergeht, insbesondere in zeitlicher Hinsicht. Zum anderen muss Berücksichtigung finden, dass eine Examensvorbereitung ein hohes Maß an geistiger Konzentration und Konzentrationsfähigkeit verlangt, aber auch beachtliche nervliche Belastungen mit sich bringen kann. Die angeblichen Umzugspläne des Zeugen … sind daher nur in eingeschränktem Maße mit seiner bevorstehenden Examensvorbereitung in Einklang zu bringen. Diesbezügliche Zweifel werden dadurch verstärkt, dass in dem verfahrensgegenständlichen Anwesen, in das der Zeuge angeblich einziehen möchte, nach den Plänen des Klägers durchaus umfangreiche – und gerade auch mit Lärmemissionen einhergehende – bauliche Maßnahmen (u.a. in Form des Abrisses und der anschließenden Neuerrichtung eines Stockwerks) stattfinden sollen.

Den Erfordernissen einer besonders kritischen Würdigung der Angaben des Zeugen hält die vorliegende Aussage des Zeugen … bereits vor diesem Hintergrund nicht in hinreichendem Maße stand.

Weitere Indizien für einen vorgetäuschten Eigenbedarf werden von der Rechtsprechung insbesondere dann gesehen, wenn eine angebliche Eigenbedarfsperson die kündigungsgegenständliche Wohnung nicht kennt (LG Mosbach WuM 1992, 18; AG Rheinberg WuM 1990, 434; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 573 Rdn. 62). Dies ist hier ebenfalls anzunehmen.

Dabei wird vorliegend nicht verkannt, dass der Zeuge immerhin Angaben zur Wohnungsgröße und zur Anzahl der Zimmer machen konnte. Gleichwohl musste er einräumen, noch nie in der Wohnung gewesen zu sein, diese also bislang nicht besichtigt zu haben. Er sei nur bei der Übergabe des Kündigungsschreibens an der Tür der Wohnung gewesen.

Als weiteres Indiz für einen vorgetäuschten Eigenbedarf wurde in Rechtsprechung und Literatur gewertet, dass der Erwerber einer Wohnung zunächst versucht hatte, den Mieter zum Abschluss eines neuen Mietvertrags zu bewegen und nach dem Scheitern dieses Versuchs eine Eigenbedarfskündigung aussprach (AG Wiesbaden WuM 1991, 490; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. Rn. 62.). Auch dieser Gesichtspunkt ist hier – wie ausgeführt – einschlägig.

Ferner findet in Urteilen Berücksichtigung, wenn nach einem Eigentümerwechsel über die Mieter des Hauses „eine Flut von Mieterhöhungs- und/oder Räumungsklagen hereinbricht“ (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. Rn. 62; LG Hannover WuM 1989, 418). Selbst dieses Indiz ist vorliegend verwirklicht und kann von der Kammer freilich nicht unberücksichtigt bleiben.

Ein weiteres Indiz gegen die Annahme eines berechtigten Eigenbedarfs wird dann anerkannt, wenn der Vermieter in kürzerer Zeit mehrere Kündigungen ausspricht und diese mit unterschiedlichen Verwendungsabsichten begründet (AG Bonn WuM 1992, 613; Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O. Rn. 62). Dieser Aspekt ist hier – mit Blick auf die Kündigungshistorie des streitgegenständlichen Mietverhältnisses – ebenfalls einschlägig.

In allen Fällen dieser Art ist zwar keineswegs ausgeschlossen, dass ein ernsthafter Nutzungs-/Überlassungswille vorliegt. Allerdings sind dann – wie von der Kammer bereits mehrfach betont – besonders strenge Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu stellen (LG Osnabrück WuM 1990, 21; ähnlich LG Lübeck WuM 1989, 516; AG Stuttgart WuM 1989, 248; LG Hannover WuM 1989, 418; LG Karlsruhe ZMR 1989, 427). Diesen besonders strengen Anforderungen ist hier nicht Genüge getan.

Nach alledem ist die Klagepartei – auch unabhängig von dem hier einschlägigen rechtlichen Aspekt, der der Annahme einer Ernsthaftigkeit des Überlassungswillens entgegensteht (siehe unter II.3.b.(2)) – hinsichtlich des behaupteten Eigenbedarfs beweisfällig geblieben.

Die hier klagegegenständliche Kündigung kann daher nicht als wirksam erachtet werden.

4. In Anbetracht der Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung kann offen bleiben, ob ein wirksamer Härtewiderspruch gem. § 574 Abs. 1 S. 1 BGB erhoben worden ist und ob eine Kündigung auf Grund des Umstands, dass die streitgegenständliche Wohnung im Erhaltungssatzungsgebiet liegt und der Kläger eine Abwendungserklärung unterzeichnet hat, ausgeschlossen ist.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Der Streitwert wurde gem. §§ 47, 41 Abs. 2, Abs. 1 GKG festgesetzt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

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