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Unwirksamkeit einer fristlosen Mietvertragskündigung bei Schonfristzahlung

LG Berlin, Az.: 63 S 216/12, Urteil vom 15.10.2013

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 11. Januar 2013 – 63 S 216/12 – wird aufrechterhalten.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Juli 2012 verkündete Schlussurteil des Amtsgerichts Schöneberg – 19 C 126/11 – abgeändert und neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Januar 2014 bewilligt.

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Auf den zulässigen Einspruch des Klägers war gemäß § 343 Satz 1 ZPO das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Kläger ist gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe der von ihm innegehaltenen Wohnung verpflichtet. Das Mietverhältnis der Parteien ist beendet. Die Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2011 ist gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet. Der Kläger hatte bei Ausspruch der Kündigung die Mieten für Januar 2011 und Februar 2011 jeweils in voller Höhe von 353,33 EUR nicht gezahlt.

Unwirksamkeit einer fristlosen Mietvertragskündigung bei Schonfristzahlung
Foto: Mazirama/Bigstock

Der Ausgleich der Rückstände durch das JobCenter Ende Februar 2011 innerhalb der Schonfrist führte gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nur zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, lässt jedoch die Wirksamkeit der ebenfalls erklärten ordentlichen Kündigung unberührt. Für die ordentliche Kündigung kommt eine Heilung durch Zahlung in der Schonfrist nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04, WuM 2005, 250).

Der oben genannte Rückstand überschreitet für zwei aufeinander folgende Zahlungstermine den Betrag einer Monatsmiete auch dann, wenn man zugunsten des Klägers das ihm aus der Nebenkostenabrechnung für 2009 zustehende Guthaben von 131,– EUR verrechnet. Dieser Rückstand begründet gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB eine fristlose Kündigung, so dass er erst recht im Rahmen einer ordentlichen Kündigung als nicht unerhebliche Vertragsverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzusehen ist.

Die ordentliche Kündigung ist nicht gemäß § 4 des Mietvertrags ausgeschlossen. Zwar hat die Beklagte danach zugesagt, das Mietverhältnis während der Dauer der Mitgliedschaft des Mieters grundsätzlich nicht aufzulösen. Die Beklagte hat sich aber neben der fristlosen Kündigung auch eine ordentliche Kündigung „in besonderen Ausnahmefällen“ vorbehalten, „wenn wichtige berechtigte Interessen … eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen“. Die dadurch eingeschränkte Möglichkeit des Vermieters zur Beendigung des Mietverhältnisses, wonach die Unauflöslichkeit des Mietverhältnisses die Regel ist, setzt deshalb nicht nur ein „einfaches“ berechtigtes Interesse gemäß § 573 Abs. 2 BGB aufgrund jeder vernünftiger und nachvollziehbarer Erwägungen voraus. Vielmehr ist erforderlich, dass in Abweichung vom Regelfall ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die ein „wichtiges“ berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses begründen (OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 21. Januar 1985 – 3 RE-Miet 8/84, ZMR 1985, 123; LG Frankenthal, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 S 119/05; LG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2011 – 63 S 3/11, GE 2012, 65).

Ein solcher Ausnahmefall ist jedoch jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Vertragsverstoß sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte. Diese war ausdrücklich nicht ausgeschlossen. In Bezug auf einen Zahlungsverzug sind in § 8 Buchst. c) und d) AVB die gesetzlichen Regelungen in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB übernommen. Danach war aufgrund des Rückstands mit mehr als einer Monatsmiete für zwei aufeinander folgende Zahlungstermine auch eine fristlose Kündigung begründet (§ 8 Buchst. c) AVB). Eine Vertragsverletzung, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt, indiziert eine erhebliche Schwere des Verstoßes, denn ihr liegt die Annahme zugrunde, dass es dem Vertragspartner unter diesen Umständen nicht zugemutet werden kann, das Mietverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Eine weiter einschränkende Auslegung der Vereinbarungen über die Kündigungsmöglichkeit ist nach dem zugrunde liegenden Schutzgedanken der Regelungen nicht veranlasst. Für den Fall, dass ein Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, die eine sofortige Beendigung des Mietverhältnisses zur Folge hat, werden die grundsätzlich zu schützenden Belange des Mieters durch eine daneben oder statt dessen erklärte ordentliche Kündigung nicht darüber hinaus beeinträchtigt. Es ist nach Sinn und Zweck der Regelungen auch unter Berücksichtigung des zugrunde liegenden Schutzgedankens deshalb nicht nachzuvollziehen, dass der Vermieter zwar wirksam eine fristlose Kündigung erklären kann, aber nicht auch oder – als geringeres Mittel – nur eine ordentliche Kündigung.

Soweit die Kammer in einem anders gelagerten Fall nicht ein solches „wichtiges“ berechtigtes Interesse angenommen hat (LG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2011 – 63 S 3/11, GE 2012, 65), ist dies auf die hier zugrunde liegenden Umstände nicht zu übertragen. Im dortigen Fall lag das Versäumnis des Mieters allein in der nicht rechtzeitigen Anpassung des Dauerauftrags nach einer Mieterhöhung, so dass die Mieten zwar in Bezug auf die Erhöhungsbeträge nicht vollständig, im Übrigen aber jeweils pünktlich gezahlt worden sind. Das Entstehen eines Zahlungsrückstands, der nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB ein gesetzliches Regelbeispiel einer erheblichen Vertragsverletzung erfüllt, ist damit nicht vergleichbar und wiegt deutlich schwerer.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bleibt der Einwand des Klägers, dass ihn am Rückstand kein Verschulden treffe, ohne Erfolg. Zwar hat er ein etwaiges Fehlverhalten des JobCenters als öffentliche Einrichtung bei der Zahlung der Miete direkt an den Vermieter nicht zu vertreten (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09, GE 2009, 1613). Das gilt aber nur, soweit dies allein für die eingetretenen Rückstände verantwortlich war. Das ist hier nicht ersichtlich. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang nicht dargetan, dass er seinerseits alles für die Zahlungen Erforderliche veranlasst hat und mit dem Ausbleiben der Zahlungen deshalb nicht rechnen musste. Ausweislich des vom ihm mit der Einspruchsbegründung eingereichten Schreibens des JobCenters vom 28. Januar 2013 kann dies nicht angenommen werden. In dem Schreiben wird auf ein vorangegangenes Schreiben des JobCenters vom 30. November 2012 Bezug genommen, in dem im Rahmen der Mitwirkung vom Kläger die Vorlage diverser Unterlagen betreffend das Mietverhältnis gefordert worden ist, die jedenfalls bis zur Vorsprache nach Erhalt der Kündigung am 23. Februar 2013 nicht beim JobCenter eingereicht worden sind. Erst nach einer weiteren telefonischer Klärung des Sachverhalts zwischen dem JobCenter und der Hausverwaltung konnte die Auszahlung der rückständigen Mieten erfolgen. Angesichts des vorstehenden Sachverhalts ist die Annahme, dass dem Kläger in Bezug auf den eingetretenen Zahlungsrückstände kein Verschulden zur Last fällt nicht begründet. Er konnte nicht damit rechnen, dass die weiteren Zahlungen erfolgen, ohne dass er der vom JobCenter geforderten Mitwirkung nachkommt.

Hinsichtlich der Widerklage auf Mängelbeseitigung ist die Berufung der Beklagten ebenfalls begründet.

Dem Kläger steht aus § 535 Abs. 1 BGB kein Anspruch auf Instandsetzung der Wohnung zu. Denn ausweislich der obigen Ausführungen ist das Mietverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2011 beendet und damit die vertragliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch entfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gemäß § 721 ZPO war dem Kläger eine Räumungsfrist zu gewähren, damit er sich eine Ersatzwohnung anmieten und sich auf den bevorstehenden Umzug einrichten kann. Eine Dauer von etwa drei Monaten erschien dem Gericht dabei angemessen.

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