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Unwirksamkeit einer Mietvertragskündigung bei fehlender Grundbucheintragung des Vermieters

AG Lüdinghausen – Az.: 12 C 86/11 – Urteil vom 23.09.2011

Die Klage wird mit dem Hauptantrag als unbegründet und mit dem Hilfsantrag als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung, welche der Kläger gegenüber dem Beklagten ausgesprochen hat.

Die Beklagten mieteten mit Vertrag vom 28.05.2010 beim damaligen Eigentümer, Herrn L, die Wohnung im Erdgeschoß der Immobilie mit der postalischen Anschrift B in K.

Der Kläger kaufte die Immobilie vom Voreigentümer L und wurde am 29.07.2011 ins Grundbuch eingetragen.

Mit schriftlicher Kündigung vom 28.02.2011 (Anlage K 2, Bl. 15 d.A.) kündigte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers das Mietverhältnis, welches die Beklagten mit dem Voreigentümer eingegangen waren, unter Frist zum 31.05.2011. Dies begründete er damit, der Bruder des Klägers, der derzeit in O lebt, wolle nach E übersiedeln, um im Palettenhandel des Klägers zu arbeiten und die betreffende Wohnung mit seiner Familie zu beziehen. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die Anlage K 2 (Bl. 15 – 17 d. A.) verwiesen. Mit Schreiben unter dem 31.03.2011 stellte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers klar, dass nicht sein Bruder, sondern sein Schwager, d.h. der Bruder der Ehefrau des Klägers, mit seiner Familie in die Wohnung einziehen wolle. Mit Schreiben unter dem 25.08.2011 (Anlage K 5, Bl. 59 d.A.) kündigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Mietverhältnis erneut unter Frist zum 30.11.2011 und berief sich wiederum darauf, dass der Schwager des Klägers aus O übersiedeln und in die betreffende Wohnung mit seiner Familie einziehen wolle.

Der Kläger behauptet: Sein Schwager wolle in E bei ihm in seinem Palettenhandel eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen und aus diesem Grunde nach E übersiedeln. Er habe ein besonders enges nahezu geschwisterliches Verhältnis zu diesem Schwager. Auch solle seine Schwägerin die Betreuung des Kindes des Klägers übernehmen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses B in K, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, Diele, Terrasse und einem Kellerraum mit einer Wohnfläche von ca. 69 m² zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.

Hilfsweise beantragt er festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses B in K, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, Diele, Terrasse und einem Kellerraum mit einer Wohnfläche von ca. 69 m² zum 30.11.2011 endet.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet den vom Kläger zur Begründung des Eigenbedarfs vorgetragenen Tatsachen und das enge, geschwisterliche Verhältnis zwischen Kläger und Schwager und meint, es bestehe keine sittliche Verpflichtung des Klägers, seinen Schwager mit seiner Familie in der streitgegenständlichen Wohnung wohnen zu lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Der zulässige Hauptantrag des Klägers auf Räumung ist nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Räumung des Mietobjekts gegen den Beklagten aus § 546 I BGB, denn die Kündigung des Klägers vom 28.02.2011 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Der Kläger konnte schon deshalb am 28.02.2011 keine wirksame Kündigung aussprechen, weil er nicht Partei des Mietvertrages war. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht gemäß § 566 I BGB als Erwerber der Immobilie kraft Gesetzes in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenen Rechte und Pflichten eingetreten. Nach § 566 I BGB tritt der Erwerber einer Immobilie nur in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte ein. Mithin ist erforderlich, dass der Erwerber auch Eigentümer der Immobilie geworden ist. Der Kläger war zum Zeitpunkt der ersten Kündigung jedoch nicht Eigentümer, da er noch nicht im Grundbuch eingetragen war (§§ 873 I, 925 BGB). Das (Gestaltungs-)Recht der Kündigung stand ihm noch nicht zu. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der vom Kläger behauptete Eigenbedarf tatsächlich besteht.

2. Die Kündigung des Klägers ist zudem unwirksam, da sie nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 573 III BGB begründet wurde. Der Kläger hat das genaue Verwandtschaftsverhältnis des Verwandten, der nach Angaben der Kläger einziehen will, nicht korrekt angegeben (nämlich Bruder statt Schwager). Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses nach § 573 III BGB ist, dass der Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erlangen und so in die Lage versetzt werden soll, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Hierfür ist die genaue Angabe des Verwandtschaftsgrades unerlässlich, da hiervon maßgeblich die Verteidigungsaussichten gegen die Klage abhängen.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass ein Eigenbedarf i.S.d. § 573 II Nr. 2 BGB bei Einzug des Schwagers des Vermieters mit der neueren Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 27.01.2010 – VIII ZR 159/09 – NZM 2010 271) nicht nur bei einem besonderem Näheverhältnis zwischen Vermieter und Schwager anzunehmen ist. Mit dieser Rechtsprechung ist der Schwager wegen seines ihm kraft Gesetzes zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts (§§ 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) als sog. „naher Verwandter“ zu begreifen, bei dem ein Näheverhältnis in Anlehnung an die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht zu vermuten ist. Auch diese Rechtsprechung entbindet jedoch nicht von einer individualisierten Betrachtung im Einzelfall. Eine Widerlegung des Anscheins enger persönlicher Verbundenheit durch den Mieter ist auch bei sog. „nahen Verwandten“ nicht grundsätzlich ausgeschlossen (jurisPK-BGB – Mössner, 5. Aufl., § 573 BGB Rn. 87 m.w.N.), weshalb die korrekte Bezeichnung der Verwandtschaftsgrades unerlässlich ist. Dem steht nicht entgegen, dass die ursprüngliche Falschangabe später berichtigt wurde. Ein „Nachschieben“ der korrekten Begründung der Kündigung ist mit dem Schutzzweck des § 573 III BGB nicht vereinbar.

II.

Die Klage erweist sich mit dem als Feststellungsantrag formulierten Hilfsantrag bereits als unzulässig.

Der Kläger hat kein rechtliches Interesse auf alsbaldige Feststellung der Beendigung des Mietverhältnis zum 30.11.2011 (§ 256 I BGB).

Ein solches Feststellungsinteresse fehlt dann, wenn dem Kläger ein einfacherer oder effektiverer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel, nämlich die Räumung, zu erreichen. Ist eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, ist daher im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffes in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse zu verneinen und die Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen. Trotz der Möglichkeit zur Erhebung einer Leistungsklage ist die Feststellungsklage allenfalls dann zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der strittigen Punkte führt (MüKo – Becker-Eberhard § 256 ZPO Rn. 50 m.w.N.).

Eine Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses ist daher unzulässig, wenn eine Klage auf künftige Räumung nach § 257 ZPO statthaft ist (KG, Beschluss vom 13.07.2005 – 8 W 45/05 – BeckRS 2005, 10793; MüKo – Becker-Eberhard § 256 ZPO Rn. 26; beckokZPO – Bacher § 256 ZPO Rn. 26; Prütting/Gehrlein – Geisler § 256 ZPO Rn. 13; Zimmermann § 256 ZPO Rn. 7; vgl. Musielak – Foerste § 256 ZPO Rn. 15).

Der Kläger hätte hier Klage auf künftige Räumung gemäß § 257 ZPO und damit eine rechtschutzintensivere und somit effektivere Leistungsklage erheben können. Die Voraussetzungen des § 257 ZPO liegen vor. Der Kläger verfolgt einen an einen Kalendertag, nämlich das Ende des Mietverhältnisses am 30.11.2011, geknüpften Anspruch auf Räumung von Wohnraum. Weitere Voraussetzungen stellt § 257 ZPO – anders als § 259 ZPO – an die Klage auf künftige Leistung nicht. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Besorgnis künftiger Nichterfüllung besteht (Zöller – Greger § 257 ZPO Rn. 6). Der Mieter ist durch § 93 ZPO hinreichend geschützt.

Eine Feststellungsklage würde auch nicht in gleicher Weise prozesswirtschaftlich die strittige Frage der Räumung klären, da aus einem Feststellungsurteil eine Räumung nicht vollstreckt werden könnte.

 

Soweit für den Fall der Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO in der Rechtsprechung eine Feststellungsklage dennoch als zulässig erachtet worden ist (RGZ 113, 410; anschließend BGH NJW 1986, 2507) kann dem für den hier einschlägigen Fall des § 257 ZPO nicht gefolgt werden. Die genannte Rechtsprechung fußt darauf, dass die Klage auf künftige Leistung gem. § 256 ZPO von weiteren Voraussetzungen – insbesondere dem unbestimmten Rechtsbegriff der Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung – abhängig ist (RGZ 113, 410, 412). Der Kläger sei in nicht zumutbarer Weise von der Beurteilung dieser zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen durch die Gerichte abhängig (RGZ a.a.O.). Ihm müsse ein Wahlrecht zustehen, weil er die Beurteilung dieser Voraussetzungen durch die Gerichte nur schwer abschätzen könne und immer Gefahr laufe, dass seine Klage als unzulässig abgewiesen würde – sei es weil das Feststellungsinteresse vom Gericht wider Erwarten verneint oder weil im umgekehrten Fall die Besorgnis künftiger Leistung vom Gericht abgelehnt werde. Diese Problematik stellt sich bei § 257 ZPO jedoch nicht, da dieser nur klar definierte Tatbestandsvoraussetzungen hat (dahingehend auch MüKo – Becker-Eberhard § 256 ZPO Rn. 52). Es kann ohne unzumutbare Unsicherheit die rechtsschutzintensivere Leistungsklage erhoben werden.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird gem. § 45 I 3 GKG für den Hauptantrag auf 4.752,00 € und für den Hilfsantrag auf ebenfalls 4.752,00 €, mithin auf insgesamt 9.504,00 € festgesetzt.

 

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