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Verbot von Kinderwagen im Hauseingangsbereich – Ansprüche des Mieters

AG Schöneberg, Az.: 109 C 161/11

Urteil vom 01.12.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren mit ihrer Klage von dem Beklagten, dass dieser dafür Sorge trägt, dass andere Mieter und Besucher der Wohnanlage die im Hauseingangsbereich des Mietshauses abgestellten Kinderwagen entfernen und zukünftig ein Abstellen unterlassen.

Die Kläger sind Mieter einer im 4. Obergeschoss gelegenen Wohnung im Vorderhaus der N.straße in B.. Der Beklagte ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des H. S.. In den Nachlass des Vorgenannten fällt das Mietshaus in der N.straße.

Verbot von Kinderwagen im Hauseingangsbereich – Ansprüche des Mieters
Foto: nicknick/Bigstock

Im Treppenhaus des Mietshauses wird mit Gestattung des Beklagten durch die Mieter im Hochparterre ein Kinderwagen abgestellt. Zeitweilig befindet sich ein zweiter Buggy im Hauseingangsbereich, der von Besuchern eines Mieters dort ein bis zweimal im Monat geparkt wird. Das Hochparterre ist vom Hauseingangsbereich aus über 6 bis 8 Stufen zu erreichen, nicht jedoch über den Aufzug, der im Hochparterre nicht hält. Zur Veranschaulichung des Hauseingangsbereiches und der abgestellten Wagen wird auf das zur Akte gereichte Lichtbild Blatt 11 der Akte Bezug genommen. Die Kinderwagen sind teilweise aus brennbaren Materialien hergestellt.

Die Kläger haben den Beklagten erfolglos über die beauftragte Hausverwaltung aufgefordert, das Abstellen der Kinderwagen zu untersagen.

Die Kläger vertreten die Auffassung, der Beklagte habe den Mietern das Abstellen der Kinderwagen auf Grund der in der jüngeren Vergangenheit vermehrt erfolgten Brandanschläge durch Anzünden von Kinderwagen in einigen Hauseingangsbereichen der Stadt zu untersagen. Denn beim Anstecken eines Kinderwagens entstehe eine erhöhte Brandgefahr und eine giftige Rauchentwicklung, die zu einer (Lebens-) Gefährdung des Hauses und seiner Bewohner führe. Es liege auf Grund der Vielzahl der Brandstiftungen in Berlin auch eine konkrete Gefährdung der Kläger vor.

Die Kläger behaupten, im Falle eines in Brand gesetzten Kinderwagens würde die Entwicklung von giftigem Rauch die Kläger daran hindern, die Wohnung ordnungsgemäß zu verlassen. Des Weiteren würden die Kinderwagen die Hausbewohner am Verlassen und die Rettungskräfte am Betreten des Wohnhauses hindern. Darüber hinaus seien die Mieter im Hochparterre nicht auf das Abstellen des Kinderwagens im Hauseingangsbereich angewiesen, da sie diesen leicht in die Wohnung transportieren und dort auch lagern könnten.

Die Kläger beantragen, 1. den Beklagten zu verurteilen, dafür zu sorgen, dass die im Hauszugang (Erdgeschoss) des Hauses N.straße in B. abgestellten Kinderwagen entfernt werden,

2. den Beklagten zu verurteilen, dafür zu sorgen, dass künftig keinerlei Kinderwagen dort abgestellt werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass es den Mietern, die zwei Kinder im Alter von zwei und drei Jahren haben, nicht zumutbar sei, den Kinderwagen in die Wohnung zu schaffen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Den Klägern steht gegen den Beklagten, der als Partei kraft Amtes die Erben als Vermieter und Eigentümer vertritt, kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch zu, dass dieser das Entfernen der im Hauseingangsbereich abgestellten Kinderwagen veranlasst und das erneute Abstellen zukünftig untersagt.

Ein Anspruch der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus vertraglichen Schutz- und Nebenpflichten des Vermieters, die auf Grund des Mietverhältnisses bestehen, §§ 535, 241 Abs. 1 BGB.

Der Vermieter und Eigentümer kann grundsätzlich bestimmen, wie sonstige Gebäudeteile außerhalb der vermieteten Wohnräume genutzt werden dürfen, § 903 BGB. Im Hinblick auf das Treppenhaus und den Eingangsbereich steht den Mietern, um den Gebrauch der Mieträume zu gewährleisten, ein Durchgangsrecht zu. Der Eigentümer hat jedoch das Recht, Mietern auch eine weitergehende Nutzungsmöglichkeit an diesen Flächen, zum Beispiel durch das Abstellen eines Kinderwagens im Hauseingangsbereich, zu gewähren. In Bezug auf Art und Umfang der den Mietern eingeräumten weitergehenden Nutzungsmöglichkeit besteht auf Seiten des Eigentümers ein Ermessen. Dieses Ermessen hat der Beklagte vorliegend in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Denn die Kläger werden, wie das Lichtbild des Hausflures belegt, auf Grund des Zuschnitts und der Größe des Hausflurs durch die abgestellten Kinderwagen nicht am Durchgang behindert, was sie auch nicht behaupten.

Zum anderen können die Kläger auch nicht für sich geltend machen, dass auf Grund der in der jüngeren Vergangenheit verübten Brandanschläge in Hauseingangsbereichen der Stadt eine mietvertragliche Nebenpflicht des Vermieters bestünde, das Abstellen von Kinderwagen zu untersagen. Denn eine solche mietvertragliche Verpflichtung bestünde allenfalls, wenn, unter Umständen auch veranlasst durch die in Berlin verübten Brandanschläge, das Abstellen von Kinderwagen im Hauseingangsbereich eine konkrete Verletzung von Brandschutzbestimmungen darstellte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15.09.2009, Az. 63 S 487/08). Läge eine solche Verletzung von Brandschutzvorschriften vor, würde das Interesse der Kläger an der Entfernung der Kinderwagen überwiegen und der Beklagte wäre zum Schutz der Kläger verpflichtet, die Einhaltung der Brandschutzvorschriften sicherzustellen. Eine Vorschrift, nach welcher das Abstellen von Kinderwagen in Hauseingangsbereichen grundsätzlich verboten ist, gibt es indes nicht. Insbesondere liegt auch keine an den Beklagten gerichtete Verbotsverfügung einer Ordnungsbehörde vor, die dem Beklagten als Zustandsverantwortlichen untersagt hätte, Kinderwagen im Hausflur abzustellen bzw. abstellen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist auch die Befürchtung der Kläger, die Kinderwagen könnten den Rettungsweg versperren, vor dem Hintergrund, dass die Kinderwagen unstreitig nicht angekettet sind und verschoben werden können und der Durchgangsbereich geräumig ist, unbegründet. Es besteht seitens des Beklagten jedoch auch unabhängig vom Vorliegen ordnungsbehördlicher Verbote keine Schutzpflicht zugunsten der Kläger, die eine Entfernung der Kinderwagen mit sich führen würde. Denn die in der jüngeren Vergangenheit verübten Anschläge rechtfertigen die Annahme, die Kläger seien einer konkreten Gefahr ausgesetzt, nicht. Denn es handelt sich bei den Brandanschlägen um vereinzelte Straftaten Dritter, die auf die Gesamtbevölkerung Berlins gesehen vernachlässigbar sind. Im Übrigen bestehen in einem von Menschen bewohnten Haus vielfältige Gefahren, die nicht um den Preis fehlender praktischer Nutzbarkeit des Gebäudes ausgeschlossen werden können. So können auch Fußmatten, gefüllte Briefkästen oder Holztäfelungen o.ä. in kürzester Zeit in Brand gesetzt werden und zu einer erheblichen Rauchentwicklung führen, ohne dass man auf die Idee käme die Nutzung einzustellen.

Es kann für den vorliegenden Rechtsstreit ferner dahin stehen, ob die Mieter des Erdgeschosses einen Anspruch gegen den Vermieter auf Duldung des Abstellens des Kinderwagens hätten. Denn der Vermieter hat das ihm aus seinem Eigentum gemäß § 903 BGB zustehende Recht über die Nutzung des Hausflurs zu bestimmen, dahingehend ausgeübt, das Abstellen der Kinderwagen zu erlauben. Ob die weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Duldung des Abstellens eines Kinderwagens vorliegen, wie das Fehlen einer alternativen Abstellmöglichkeit und die Unzumutbarkeit des Transportes des Kinderwagens in die Wohnung, kann daher vorliegend dahin stehen. Das Interesse der Kläger an der Entfernung des Kinderwagens überwiegt im Ergebnis jedenfalls nicht.

Ein Anspruch der Kläger ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz. Denn für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB fehlt es insoweit bereits an einer rechtswidrigen Verletzungshandlung des Beklagten in Bezug auf den berechtigten Besitz der Kläger an ihrer Wohnung. Denn ein pflichtwidriges Unterlassen des Beklagten in Bezug auf die abgestellten Kinderwagen liegt aus den oben dargelegten Gründen nicht vor. Ferner fehlt es an einem Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Es wird auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Kläger mit nicht mehr als 600,00 Euro in der Hauptsache beschwert sind.

Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO auf bis zu 600,00 Euro festgesetzt.

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