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Vergraulen von Mietinteressenten – Kündigung Mietvertrag

LG Wuppertal – Az.: 9 S 208/19 – Urteil vom 30.04.2020

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mettmann, 25 C 61/19, vom 14.11.2019 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.07.2020 eingeräumt.

Gründe

I.

Zum 01.11.1985 mietete die aktuell 74 Jahre alte Beklagte die streitgegenständliche 3-Zimmer-Wohnung von der Klägerin an (Mietvertrag, Bl. 20 ff. GA). Nach Anfang November 2018 erklärte die Klägerin der Beklagten gegenüber mehrere Abmahnungen insbesondere wegen des – im Einzelnen streitigen – Verhaltens der Beklagten gegenüber Mietinteressenten für eine andere Wohnung in dem von ihr bewohnten Zweifamilienhaus. Mit Schreiben vom 27.02.2019 erklärte die Klägerin die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung (Bl. 28 GA). Antragsgemäß hat das Amtsgericht die Beklagte zum einen zur Räumung und Herausgabe der Wohnung nebst Garage sowie zur Zahlung von außergerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 729,23 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Kündigung habe das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Die Kündigungserklärung sei formal wirksam. Obwohl seit dem Vorfall vom 03.11.2018 und der Kündigungserklärung ein Zeitraum von vier Monaten liege, sei die Kündigung noch rechtzeitig erfolgt, wenn insbesondere die Dauer des Mietverhältnisses berücksichtigt werde. Ein Grund zur außerordentlichen Kündigung liege in dem Verhalten der Beklagten gegenüber den Mietinteressenten, den Eheleuten M. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten und ihre Äußerungen gegenüber den Eheleuten M beabsichtigt, diese von einer Anmietung abzuhalten. Gerade deshalb hätten diese Interessenten auch von einer Anmietung Abstand genommen. Die Beklagte habe sich damit vorsätzlich schädigend verhalten. Der Anspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei aus §§ 280 I,  241 II BGB begründet. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie hilfsweise die Gewährung einer längeren Räumungsfrist begehrt. Bereits nach der Urteilsbegründung mangele es an einem Kündigungsgrund für eine fristgemäße Kündigung, jedoch erst recht für eine fristlose. Zu keinem Zeitpunkt habe das Amtsgericht mit Sicherheit feststellen können, dass die Eheleute M die Wohnung ohne das Gespräch mit der Beklagten angemietet hätten. Sie hätten sich gerade nicht durch das Gespräch mit der Beklagten von der Besichtigung der Wohnung abschrecken lassen. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin das Verhalten der Beklagten mit Schreiben vom 14.11.2018 abgemahnt habe, sei der Vorwurf des Verhinderns des Zustandekommens eines Mietverhältnisses mit den Eheleuten M verbraucht. Es bestehe keine Verpflichtung einer Mieterin, für das Zustandekommen eines weiteren Mietverhältnisses Sorge zu tragen. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten sei festzustellen, dass die Beklagte keine Pflicht im Sinne des § 241 II BGB verletzt habe. Nicht haltbar sei, dass die Klägerin annähernd vier Monate habe zuwarten dürfen, um die fristlose Kündigung noch innerhalb angemessener Frist aussprechen zu können. Tatsächlich liege Verwirkung vor. Schließlich sei „die Klägerin“ erkrankt und könnte einen Umzug physisch und psychisch nicht bewältigen. Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a, 544 II Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe aus § 546 I BGB, § 985 BGB und § 812 BGB. Denn das Mietverhältnis ist durch ihre Kündigungserklärung vom 27.02.2019 beendet worden.Nach § 573 I 1 BGB kann der Vermieter einer Wohnung das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse in diesem Sinne liegt gemäß § 573 II Nr. 1 BGB insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Wegen der sozialen Bedeutung der Wohnung für den Mieter als Lebensmittelpunkt ist ein Interesse von Gewicht notwendig, was eine umfassende Würdigung der im Einzelfall gegebenen beiderseitigen Interessen erforderlich macht (BGH, XIII ZR 364/04, juris).Dabei werden nach § 573 III BGB als Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters außer den im Kündigungsschreiben angegebenen nur später entstandene Umstände berücksichtigt.

a)

Vorliegend hatte die Klägerin im Kündigungsschreiben vom 27.02.2019 insofern im Wesentlichen auf die der Beklagten zugestellten Abmahnungen vom 14.11.2018, 16.12.2018 und 04.02.2019 Bezug genommen. Diese Bezugnahme war hier in dem Sinne wirksam, dass die in den Abmahnungen konkret dargestellten Vorfälle grundsätzlich verwertet werden können, da die Bezugnahme klar und eindeutig erfolgt ist (vgl. BeckOK BGB/Hannappel, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 573 Rn. 126). Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Vorfälle auch nicht dadurch „verbraucht“ worden, dass sie Gegenstand der Abmahnungen waren. Zwar wird vertreten, dass es nicht ausreiche, wenn zur Begründung lediglich auf die im Abmahnschreiben aufgeführten Beanstandungen Bezug genommen werde, weil der Kündigungstatbestand eine Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens nach der Abmahnung voraussetze, und dass diese Grundsätze auch dann gelten würden, wenn der Kündigende abgemahnt habe, obwohl nach § 543 Abs. 3 S. 2 BGB keine Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Begründet wird dies damit, dass der Kündigende durch die Abmahnung zu erkennen gegeben habe, dass der Mieter die Kündigung vermeiden könne, wenn er sich in Zukunft vertragsgemäß verhalten würde (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 79). Dies gilt jedoch nach Auffassung der Kammer nur für die außerordentliche Kündigung. Bei der ordentlichen Kündigung ist die Sachlage anders, weil dort grundsätzlich keine vorherige Abmahnung erforderlich ist (vgl. BGH, VIII ZR 145/07, juris). Auch ist zu berücksichtigen, dass – selbst für den Bereich der außerordentlichen Kündigung – ein Zuwarten von vier Monaten zwischen dem kündigungsrelevanten Vorfall, der Vertragsverletzung, und dem Aussprechen der Kündigung unschädlich ist (BGH, XII ZR 36/05, juris). Die rechtliche Möglichkeit eines Vermieters, mit der Erklärung der außerordentlichen Kündigung hilfsweise eine ordentliche Kündigung zu verbinden, würde unberechtigt erschwert, würde man eine ordentliche Kündigung daran scheitern lassen, dass der Vermieter, wie erforderlich, der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung hat vorausgehen lassen. Das gilt hier umso mehr, als die Klägerin mit der Abmahnung vom 16.12.2018 ausdrücklich die Ankündigung verbunden hatte, dass dies die letzte Abmahnung vor Aussprache der fristlosen Kündigung sein werde und das Schreiben vom 04.12.2019 seinem Wortlaut nach keine neue Abmahnung enthält, sondern der Beklagten nur Gelegenheit zur Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen einräumt unter Verweis auf die bereits vorbereitete Kündigung.

b)

Auch unter Berücksichtigung des Alters der Beklagten und der Tatsache, dass es sich um ein Jahrzehnte andauerndes Mietverhältnis gehandelt hat, ergibt die Berücksichtigung der Gesamtumstände, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hatte. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte durch ihr Verhalten und ihre Äußerungen gegenüber den Mietinteressenten, den Eheleuten M beabsichtigt habe, diese von einer Anmietung abzuhalten. Gerade deshalb hätten diese Interessenten auch von einer Anmietung Abstand genommen. Die Beklagte habe sich damit vorsätzlich schädigend verhalten. Hieran ist die Kammer gemäß § 529 ZPO gebunden. Denn das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung gemäß § 529 I ZPO die vom Gericht des  ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen zwar schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, VII ZR 69/17, juris). Solche Zweifel liegen hier aber nicht vor. Der neue Wohnungsnachbar der Beklagten, der Zeuge S, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln keine Veranlassung besteht, hat ein Verhalten der Beklagten geschildert, das nur als anmaßend und unverschämt bezeichnet werden kann. Danach hat sie, als der Mieter Renovierungsarbeiten in der Wohnung vor seinem Einzug ausführen ließ, immer wieder Handwerker aufgefordert, die Arbeiten einzustellen und bestimmte Handlungsweisen auszuführen. Dabei hatte sie einen lauten und beleidigenden Tonfall. Insgesamt deutet das Verhalten der Beklagten darauf hin, dass sie nach dem jahrzehntelangen Bewohnen einer Wohnung im Zweifamilienhaus vergessen hat, dass sie lediglich Mieterin und nicht Eigentümerin ist, die alles nach Gusto bestimmen kann. Jedenfalls aber hat das Verhalten der Beklagten wiederholt und nachhaltig den Hausfrieden in einer Weise gestört, dass die Mitbewohner gegenüber der Klägerin angedroht haben, ihr Mietverhältnis zu kündigen.

c)

Die Kündigungsfrist nach § 573c I BGB ist abgelaufen.

d)

Dass die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagte eine nicht zu rechtfertigende Härte im Sinne von § 574 BGB darstellen würde, ist weder konkret dargelegt worden, noch bestehen dafür sonst hinreichende Anhaltspunkte. Soweit sich die – sich allein versorgende – Beklagte auf körperliche und seelische Einschränkungen beruft, die schon vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bekannt waren, ist dieser Vortrag nach § 531 II ZPO nicht berücksichtigungsfähig. Letztlich kann die Berücksichtigungsfähigkeit aber sogar unterstellt werden.Wenn der gesundheitliche Zustand des Mieters einen Umzug nicht zulässt oder im Falle eines Wohnungswechsels zumindest die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung der gesundheitlichen Situation des (schwer) erkrankten Mieters besteht, kann allein dies zwar einen Härtegrund darstellen. Erforderlich ist aber, dass der Mieter substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels geltend gemacht (BGH, VIII ZR 180/18, juris). Das ist hier aber nicht der Fall. Selbst das ärztliche Attest vom 19.12.2019 (Bl. 162 GA), das keine konkreten Diagnosen mitteilt, verhält sich nicht über drohende Verschlechterungen des gesundheitlichen Zustandes.

e)

Die Gewährung der Räumungsfrist beruht auf § 721 ZPO. Dabei hat die Kammer u.a. zum einen die altersbedingten Schwierigkeiten auf Seiten der Beklagten berücksichtigt, neuen Wohnraum zu finden, zum anderen aber auch den Umstand, dass sie schon seit einem Jahr mit dem Verlust ihrer bisherigen Wohnung rechnen musste.

2.

Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Berufung, soweit das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung der außergerichtlichen Anwaltskosten verurteilt hat. Hierbei handelte es sich um Aufwendungen der Klägerin, die als Schaden bewertet werden können, da die Beklagte durch die oben geschilderten Verhaltensweisen ihre (Neben-) Pflichten aus dem Mietvertrag verletzt hat und die Klägerin sich deshalb herausgefordert fühlen durfte, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen (§ 241 II BGB).Die Forderungshöhe ist nicht gesondert angegriffen worden.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 8.000 EUR (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO) Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris). Anlass zur Fortbildung des Rechts durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze im Sinne von § 543 II 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, V ZR 291/02, bei juris).

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