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Verkehrssicherungspflicht WEG – Räum- und Streupflicht bei Parkplatzzufahrt

AG Fürth (Bayern) – Az.: 330 C 1137/19 – Urteil vom 18.03.2020

1. Das Versäumnisurteil vom 24.09.2019 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der durch die Säumnis entstandenen Kosten. Diese hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.655,22 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Schadensersatz aus einem Unfallgeschehen, welches sich am 30.01.2017 gegen 18.45 Uhr auf der Parkplatzausfahrt der Beklagten in der K. Straße … in O. ereignet hat, sowie um die Kosten für einen in diesem Zusammenhang bereits unter dem Aktenzeichen 310 C 1884/17 geführten Vorprozess beim Amtsgericht Fürth.

Die Klägerin ist Eigentümerin des geschädigten PKWs mit dem amtlichen Kennzeichen…, die Beklagte eine Wohnungseigentümergemeinschaft, auf deren Parkplatzausfahrt sich der Unfall ereignete. Im Verfahren vor dem Amtsgericht Fürth mit dem Aktenzeichen 310 C 1884/17 verklagte die Klägerin den Hausmeister der hiesigen Beklagten wegen Verletzung der ihm übertragenen Verkehrssicherungspflicht. Die Übertragung der Räum- und Streudienste auf den damaligen Beklagten war der Klägerin durch die Haftpflichtversicherung der hiesigen Beklagten, der A. Versicherungs-AG, mitgeteilt worden. Die Klage wurde mit Urteil des Amtsgerichts Fürth vom 7.6.2018 abgewiesen.

Die Klägerin trägt vor, dass der Bereich der Ausfahrt nicht geräumt und gestreut gewesen sei, sondern spiegelglatt. Sie sei daher dort mit ihrem Fahrzeug gegen den rechten Begrenzungspfosten gerutscht. Der Schaden an ihrem PKW habe 2.884,19 € betragen. Darüber hinaus sei sie von der Versicherung der Beklagten über die Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Beklagten des Verfahrens 310 C 1884/17 getäuscht worden, sodass sie einen vermeidbaren Prozess erfolglos geführt habe und sie hinsichtlich der dabei entstandenen Kosten geschädigt sei.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte am 24.09.2019 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil erlangt (Bl. 8 d.A.), welches der Beklagten laut Zustellungsurkunde (Bl. zu 8-11 d.A.) am 27.9.2019 zugestellt wurde. Dagegen hat die Beklagte am 1. Oktober 2019 Einspruch eingelegt (Bl. 12 d.A.).

Die Klägerin hat daraufhin keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Fürth vom 24.09.2019 wird aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, nicht passivlegitimiert zu sein. Im Bereich der Parkplatzausfahrt sei es nicht glatt gewesen, darüber hinaus habe hier keine Räum- und Streupflicht bestanden. Der Schaden am PKW der Klägerin sei auch nicht durch dieses Unfallereignis entstanden, jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt (Blatt 36 und Bl. 39 d.A.).

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig und begründet

Verkehrssicherungspflicht WEG - Räum- und Streupflicht bei Parkplatzzufahrt
(Symbolfoto: Matej Kastelic/Shutterstock.com)

1. Die Klage ist auch trotz eines nicht ausdrücklich gestellten Antrags des Klägervertreters nach Erlass des Versäumnisurteils weiter zulässig, da das gesamte Vorbringen des Klägervertreters nach Erlass des Versäumnisurteils und Einlegung des Einspruchs den Inhalt des bereits ergangenen Versäumnisurteils rechtfertigt und damit ein Antrag auf Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 24.09.2019 konkludent gestellt wurde.

2. Der Klägerin steht jedoch gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach nicht zu, da eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt. An der Passivlegitimation der Beklagten bestehen keine Zweifel, da der Verband für die Verkehrssicherungspflichten haftet, die nicht nur an formale Eigentümerpositionen anknüpfen (vgl. hierzu Dötsch/Greiner, Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht, ZWE 2014, 343, 345).

Nach Ansicht des Gerichts besteht für den Bereich der Fahrbahneinmündung vom Parkplatz auf die öffentliche Straße keine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten.

Eine Beweiserhebung zur Frage, inwieweit dieser Bereich zum Unfallzeitpunkt tatsächlich spiegelglatt war, kann daher dahinstehen. Zwar handelt es sich bei dem Parkplatz um einen frei zugänglichen und befahrbaren Verkehrsraum, jedoch führt dies nicht automatisch zu einer grundsätzlichen Räum- und Streupflicht. Vielmehr ist bei einem Parkplatz wie dem streitgegenständlichen keine allzu hohe Anforderung an eine Verkehrssicherungspflicht zu stellen. Insbesondere darf ein Nutzer der Fläche nicht erwarten, dass diese absolut gefahrlos und mangelfrei benutzt werden kann. Grundsätzlich ist auf solchen Parkplätzen die Räum- und Streupflicht vorrangig auf den Schutz des Fußgängerverkehrs auszurichten. Es ist davon auszugehen, dass auf einem Parkplatz regelmäßig nur mit geringer Geschwindigkeit gefahren wird und ein Nutzer des Parkplatzes sein Fahrverhalten an die gegebenen Wetterverhältnisse anpassen muss. Er kann schlechthin nicht erwarten, dass sich bei einer entsprechenden Wetterlage im Winter an keiner Stelle Eis bildet, welches eine Glätte, wie sie von der Klägerin geschildert wird, entstehen lässt (vgl. hierzu auch z.B. Schmidt, Der Umfang der Räum- und Streupflicht auf öffentlichen Straßen, NJW 1988, 3177; Ratz in Heussen/Hamm, § 29 RdNr. 309; BGH vom 2.7.2019, R+S 2019, 606). Zu einer anderen Wertung kommt das Gericht auch nicht unter Heranziehung der vorgelegten Verordnung der Stadt O. über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter. Wie bereits der Name der Verordnung sagt, sowie die Zwischenüberschrift vor § 9 der Verordnung, handelt es sich hierbei ausschließlich um Vorschriften zur Sicherung der Gehbahnen. Der Ort, an dem sich nach Vortrag der Klägerin der Unfall ereignete, war aber gerade keine Gehbahn, sondern die Zufahrt für Fahrzeuge vom und zum Parkplatz. Gerade auch die Spezifizierung in der Verordnung der Stadt O. lässt erkennen, dass bei glatten Straßenverhältnissen vorrangig auf den Schutz der Fußgänger abgestellt wird. Eine besondere Sicherung der Fahrzeuge kann und darf nicht erwartet werden.

Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Amtsgerichts Fürth im Verfahren 310 C 1884/17 bezieht, ist auch hierin keine Feststellung zugunsten einer Räum- und Streupflicht am gegenständlichen Bereich zu finden, da diesem nur zu entnehmen ist, dass für den gegenständlichen Bereich keine Verkehrssicherungspflichten übertragen waren.

3. Soweit die Beklagte Ersatz der ihr im Vorprozess entstandenen Kosten fordert, war die Klage ebenfalls abzuweisen, da hierfür keine Haftungsgrundlage zu Lasten der Beklagten erkennbar ist. Inwieweit die Beklagte überhaupt für Angaben ihrer Haftpflichtversicherung gegenüber der Klägerin haften müsste, kann dahinstehen, da entgegen der Ansicht der Klägerin hier bereits keine falschen Angaben oder gar Täuschungen vorliegen. Im von der Klägerin vorgelegten Schreiben der Allianz Versicherungs-AG vom 29. Mai 2017 hat diese der Klägerin mitgeteilt, dass der Räum- und Streudienst vertraglich der Firma Nagel übertragen wurde. Diese Information ist nicht falsch und stellt insbesondere keine Täuschung dar. Es ist unstreitig, dass der Hausmeisterdienst Nagel mit den Räum- und Streupflichten für die Beklagte beauftragt war. Da im streitgegenständlichen Bereich nach Auffassung des Gerichts jedoch keine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten bestand, musste hier auch nicht vom Hausmeisterdienst gestreut werden.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

 

 

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