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Verkündungsrecht WEG-Verwalter bei Genehmigung einer baulichen Veränderung

LG Karlsruhe – Az.: 11 S 36/16 – Urteil vom 02.05.2019

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Buchen vom 31.03.2016, Az. 1 C 409/15 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.129,30 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Verwalterin die Beklagte bis vor etwa zwei Jahren war. Sie machen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Verkündung von Beschlüssen der Sondereigentümer vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 durch die Beklagte geltend. Sie selbst haben – unstreitig – an der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 nicht teilgenommen.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Buchen vom 31.03.2016 (Akten erster Instanz, Seiten 235 ff.) Bezug genommen und wie folgt ergänzt:

Klargestellt wird, dass der Wohnungs- und Teileigentümer … in einem Vorprozess im Rahmen einer Anfechtungsklage sowohl den Beschluss der Sondereigentümer vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über von der Teileigentümerin … geplante Umbauarbeiten im Erdgeschoss und Untergeschoss als auch den weiteren Beschluss vom 20.05.20111 unter Tagesordnungspunkt 2 über die Erhebung einer Sonderumlage für die brandschutztechnische Ertüchtigung des … im Bereich des Gemeinschaftseigentums angegriffen hatte (Amtsgericht Buchen, 1 C 177/11 WEG). Beklagte waren die damaligen übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, zu denen auch die Kläger gehörten. Der Geschäftsführer der Beklagten leitete die damalige Versammlung vom 20.05.2011 und verkündete die unter Tagesordnungspunkt 2 gefassten Beschlüsse. Das Amtsgericht Buchen erklärte mit Urteil vom 30.08.2012 (1 C 177/11 WEG) den Beschluss vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über die Erhebung der Sonderumlage für die brandschutztechnische Ertüchtigung für ungültig und wies im Übrigen die Klage ab. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 30.08.2012 (1 C 177/11 WEG) verwiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren wegen der Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde, hat das Landgericht Karlsruhe nach übereinstimmender Erledigungserklärung mit Beschluss vom 11.05.2015 den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen auferlegt.

Im Protokoll der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 ist unter Tagesordnungspunkt 1 festgehalten:

„(…) Desweiteren erläutert Herr … [Anmerkung der Kammer: Geschäftsführer der Beklagten] das Wohnungseigentumsgesetz und im Besonderen die Teilungserklärung der Eigentümergemeinschaft in Bezug auf die Beschlussfassung bei Instandhaltungs-/Instandsetzungsmaßnahmen und baulichen Veränderungen. Die formal einzuhaltenden Bestimmungen einer Beschlussanfechtungsklage werden ebenfalls erläutert.“

Als Schadensersatzanspruch machen die Kläger geltend, ihnen seien aufgrund des verlorenen Vorprozesses (Amtsgericht Buchen, 1 C 177/11 WEG, mit Berufungsverfahren Landgericht Karlsruhe, 11 S 174/12) jeweils Prozesskosten in Höhe von 2.564,65 EUR entstanden. Zudem machen sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 EUR geltend.

Ergänzend ist weiter festzustellen, dass die Kläger auch vorgetragen haben, die Beschlüsse vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 hätten erhebliche und umfassende bauliche Maßnahmen im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG geregelt. Die Beklagte habe daher mangels Zustimmung aller Wohnungseigentümer diese Beschlüsse nicht verkünden dürfen; sie habe als Berufsverwalterin wissen müssen, dass ein positiver Beschluss über bauliche Maßnahmen die Zustimmung aller Wohnungseigentümer voraussetze. Die Beklagte habe zudem auf die Regelung des § 22 Abs. 1 WEG hinweisen müssen.

Ferner ist ergänzend festzustellen, dass die Beklagte weiter vorgetragen hat, sie habe auf § 22 Abs. 1 WEG hingewiesen; auf das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 1 (Anlage K1) werde Bezug genommen. Der Mehrheitseigentümer habe jedoch auf die Durchführung und Verkündung des Beschlusses bestanden.

Mit dem angegriffenen Urteil wies das Amtsgericht die Klage ab. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger gegen die Beklagte wegen der ihnen durch den vorangegangenen Anfechtungsprozess entstandenen Kosten sei nicht gegeben. Zwar habe vorliegend die Beschlussfassung nach § 22 Abs. 1 WEG einstimmig erfolgen müssen, sodass mangels Einstimmigkeit der Versammlungsleiter das Nicht-Zustandekommen des Beschlusses habe feststellen und verkünden müssen. Bei dennoch erfolgter Verkündung des mangels Vorliegens der erforderlichen Zustimmungen rechtswidrigen Beschlusses sei der Beschluss jedoch wirksam und der Verwalter daher zur Durchführung des Beschlusses verpflichtet. Dabei sei der Verwalter mangels aufschiebender Wirkung einer Anfechtungsklage den Wohnungseigentümern gegenüber nicht schadensersatzpflichtig, wenn ein bereits durchgeführter Beschluss später durch ein Gericht für ungültig erklärt werde.

Gegen dieses Urteil legten die Kläger Berufung ein, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiterverfolgen. Das Amtsgericht habe verkannt, dass die vorgeworfene Pflichtverletzung in der Verkündung eines positiven Beschlussergebnisses bestehe, obwohl die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung aller Eigentümer nicht vorgelegen habe; die Beklagte habe die Entstehung eines rechtswidrigen Beschlusses pflichtwidrig veranlasst. Auf die Ausführungen des Amtsgerichts hinsichtlich der Vollziehung rechtswidriger Beschlüsse komme es nicht an, da die Klage hierauf nicht gestützt werde. Im Übrigen wiederholen und vertiefen sie im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Es habe sich auch für einen juristischen Laien aufgedrängt, dass Beschlussgegenstand eine bauliche Maßnahme mit erheblichen Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum gewesen sei, wobei die Beklagte sogar Berufsverwalterin sei und daher vorsätzliches Handeln in Betracht komme. Die Beklagte habe auch nicht über die Problematik des § 22 Abs. 1 WEG aufgeklärt. Insoweit handele es sich bezüglich der Erteilung des entsprechenden Hinweises um eine für die Beklagte positive Tatsache, so dass diese auch darlegungs- und beweisbelastet sei.

Die Kläger beantragen:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des AG Buchen vom 31.03.2016 verurteilt, an die Klägerin zu Ziffer 1 Euro 2.564,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des AG Buchen vom 31.03.2016 verurteilt, an den Kläger zu Ziffer 2 Euro 2.564,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des AG Buchen vom 31.03.2016 verurteilt, an die Kläger zu Ziffer 1 und 1 Euro 600,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beschlussverkündung sei nicht fahrlässig unzutreffend gewesen; vielmehr habe sie – die Beklagte – zutreffend rein tatsächlich festgestellt, dass der Beschluss bei einer Gegenstimme mehrheitlich angenommen worden sei. Es sei nicht Aufgabe des Verwalters, das Beschlussergebnis rechtlich zu würdigen. Eine Prüfungskompetenz des Verwalters hinsichtlich erforderlicher Mehrheiten oder Zustimmungserfordernisse, die ihn berechtige, aus eigener Beurteilung Entscheidungen der deutlichen Mehrheit der Eigentümerversammlung zu vereiteln, bestehe nicht. Zudem habe auch das Amtsgericht Buchen im Vorprozess die Anfechtungsklage teilweise abgewiesen und lediglich das Berufungsgericht habe den Sachverhalt anders bewertet, sodass ihr – der Verwalterin – kein Vorwurf gemacht werden könne.

Mit Beschluss vom 14.03.2019 wurde mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, der 05.04.2019 bestimmt.

Die Akten des Amtsgerichts Buchen, 1 C 177/11, mit Berufungsakten des Landgerichts Karlsruhe, 11 S 174/12, waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2018.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2018 Bezug genommen. Wegen der von der Kammer erteilten Hinweise wird auf die Verfügungen vom 26.10.2017 (Akten zweiter Instanz, Seiten 93 f.), 20.11.2017 (AS Akten zweiter Instanz, Seite 149) und 26.03.2018 (Akten zweiter Instanz, Seite 167) Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2018 (Berufungsakten, Seiten 257 ff.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Verwaltervertrag.

Die Kläger sind zwar aktivlegitimiert. Denn dem einzelnen Wohnungseigentümer steht ein eigenständiger vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter zu, wenn dieser seine vertraglichen Pflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft verletzt und dadurch dem einzelnen Wohnungseigentümer ein Schaden entsteht. Der zwischen den Wohnungseigentümern und dem Verwalter bestehende Vertrag entfaltet Schutzwirkung zugunsten der Wohnungseigentümer (Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl., § 26 Rn. 111, 148, § 27 Rn. 345 f., m.w.N.; Hügel, ZMR 2008, 1 (2)).

Es fehlt jedoch bereits an der für einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB erforderlichen Pflichtverletzung. Die Beklagte hat weder hinsichtlich des Beschlusses vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über die von der Teileigentümerin … geplanten Umbauarbeiten im Erdgeschoss und Untergeschoss (1.) noch hinsichtlich des Beschlusses vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über die Erhebung einer Sonderumlage für die brandschutztechnische Ertüchtigung des … im Bereich des Gemeinschaftseigentums (2.) ihre Pflichten verletzt.

1. Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Fassung des Beschlusses vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über die von der Teileigentümerin … geplanten Umbauarbeiten im Erdgeschoss und Untergeschoss keine Pflichtverletzung begangen.

a) Die Verkündung des Beschlusses vom 20.05.2011 über die Genehmigung von Umbauarbeiten stellt keine Pflichtverletzung der Beklagten dar, auch wenn der verkündete Beschluss rechtswidrig war.

aa) Der Beschluss vom 20.05.2011 über die Genehmigung von Umbauarbeiten durch die Teileigentümerin … war rechtswidrig, da Beschlussgegenstand eine bauliche Veränderung war und nicht alle Sondereigentümer, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wurden, zugestimmt hatten. Vielmehr hatte der Wohnungs- und Teileigentümer … der Maßnahme in der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 nicht zugestimmt, obwohl sie für ihn eine erhebliche nachteilige optische Veränderung darstellte (vgl. auch Beschluss der Kammer vom 11.05.2015, 11 S 174/12).

bb) Die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer, durfte jedoch den Beschluss vom 20.05.2011 über die Genehmigung der Umbauarbeiten trotz der fehlenden erforderlichen Zustimmung des Wohnungs- und Teileigentümers … verkünden.

Allerdings ist umstritten, ob die Verkündung eines Beschlusses über eine bauliche Veränderung eine Pflichtverletzung darstellt, wenn der Beschluss rechtswidrig ist, weil entgegen § 22 Abs. 1 WEG nicht alle benachteiligten Wohnungseigentümer (§ 14 Nr. 1 WEG) der Maßnahme zugestimmt haben. Diese Frage ist aus Sicht der Kammer zu verneinen.

Im Ausgangspunkt wird überwiegend vertreten, dass der Versammlungsleiter, bei dem es sich in der Regel zugleich um den Verwalter handelt (§ 24 Abs. 5 WEG), zwar keine materiellen Prüfungspflichten bei der Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses habe (Jennißen/Schultzky, WEG, 5. Aufl., § 23 Rn. 67; Becker, ZWE 2012, 297 (298, 300); Schmidt, ZWE 2016, 385 (388) m.w.N.). Nach der herrschenden Meinung habe er aber jedenfalls die formellen Anforderungen an eine Beschlussfassung zu prüfen und insoweit insbesondere festzustellen, ob die nach der Teilungserklärung oder dem Gesetz erforderliche einfache, qualifizierte oder absolute Stimmenmehrheit erreicht ist (siehe nur Jennißen/Schultzky, a.a.O.; Niedenführ/Vandenhouten/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 23 Rn. 57 m.w.N.; Becker, ZWE 2012, 297 (298)). Dabei wird jedoch unterschiedlich beurteilt, ob – wie hier – bei der Ermittlung der erforderlichen Stimmenmehrheit vom Versammlungsleiter auch zu prüfen ist, ob alle Wohnungseigentümer, deren Zustimmung nach §§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG erforderlich ist, auch tatsächlich zugestimmt haben, oder ob es sich insoweit vielmehr um eine nicht von ihm zu überprüfende materielle Voraussetzung handelt.

(1) Nach einer Ansicht erstrecken sich die Prüfungspflichten des Verwalters als Versammlungsleiter bei der Beschlussverkündung auch auf die Feststellung, ob bei einem Beschluss über eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG alle über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigten Eigentümer zugestimmt haben. Der Versammlungsleiter müsse feststellen und verkünden, dass ein Beschluss über die geplante bauliche Veränderung nicht zustande gekommen sei, wenn die Zustimmung auch nur eines beeinträchtigten Wohnungseigentümers fehle (Bärmann/Merle, a.a.O., § 22 Rn. 143; Jennißen/Schultzky, a.a.O., § 23 Rn. 66; Becker, ZWE 2012, 297 (299); vgl. auch LG Bamberg, Beschluss vom 16.04.2015, 11 T 8/15 WEG – juris; aus Sicht der Kammer nicht einschlägig für die Bejahung einer Prüfungspflicht ist das insoweit häufig zitierte Urteil des LG München I vom 27.04.2009, 1 S 19129/08 – juris: danach sei der Verwalter nicht verpflichtet, das Zustandekommen eines Beschlusses festzustellen, bei dem die erforderliche Mehrheit nicht erreicht werde, da er andernfalls verpflichtet sei, einen nicht ordnungsgemäßen Beschluss festzustellen und zu vollziehen, obwohl er wisse, dass der Beschluss im Falle einer Anfechtung aufgehoben werde. Aus diesen Ausführungen ergibt sich jedoch – auch nicht im Sinne eines zwingenden Umkehrschlusses – nicht, ob der Verwalter zur Feststellung des Nicht-Zustandekommens des Beschlusses bei Fehlen der erforderlichen Zustimmungen nach § 22 Abs. 1 WEG auch verpflichtet oder hierzu lediglich berechtigt ist).

Danach hafte der Verwalter bei Verschulden auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung seiner Amtspflichten, wenn er einen positiven Beschluss verkündet, obwohl nicht sämtliche nach § 22 Abs. 1 WEG erforderlichen Zustimmungen vorliegen (Jennißen/Schultzky, a.a.O.). Es handele sich insoweit um die vom Versammlungsleiter zu leistende Ermittlung der Mehrheitserfordernisse und damit um eine formelle Voraussetzung für das Entstehen des Beschlusses (Jennißen/Schultzky, a.a.O.). Zwar habe der Verwalter keine „Inhaltskontrolle“ von Beschlüssen vorzunehmen. Wenn aber das Gesetz oder eine Vereinbarung die Beschlussfassung von qualifizierten Mehrheitserfordernissen oder wie gemäß § 22 Abs. 1 WEG von der Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer abhängig mache, müsse der Verwalter das Mehrheits- oder Zustimmungserfordernis im Rahmen seiner Beschlussfeststellungskompetenz beachten (Becker, ZWE 2012, 297 (299)). Die strikte Trennung zwischen den formalen Anforderungen an das Zustandekommen eines Beschlusses und den inhaltlichen Anforderungen an dessen Rechtsmäßigkeit lasse sich hier nicht aufrecht erhalten (Becker, ZWE 2012, 297 (299)). Dass die Wohnungseigentümer im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz anfechtbare Mehrheitsbeschlüsse über bauliche Veränderungen fassen könnten, berechtige den Verwalter nicht, bei der Feststellung des Beschlussergebnisses die nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer unberücksichtigt zu lassen (Becker, ZWE 2012, 297 (299)).

(2) Nach einer anderen Ansicht ist der Versammlungsleiter hingegen bei Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses verpflichtet, diesen zu verkünden, auch wenn dieser rechtswidrig sein sollte (Bonifacio, DWE 2011, 9 (13); Skauradszun, ZMR 2018, 122 (122 ff.); Staudinger/Häublein, BGB, 2018, § 23 WEG Rn. 60; Staudinger/Lehmann-Richter, BGB, 2018, § 22 WEG Rn. 20; a.A.: Müller, ZWE 2015, 303 (306.)). Der Versammlungsleiter habe lediglich die Gültigkeit und Auszählung der abgegebenen Stimmen und die Beschlussfähigkeit der Versammlung zu prüfen sowie das Beschlussergebnis festzustellen und zu verkünden, wobei stets zu prüfen sei, ob eine einfache oder eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sei. Diese rechtliche Bewertung des Abstimmungsergebnisses, ob also nach den maßgeblichen rechtlichen Regeln ein Mehrheitsbeschluss gefasst wurde, müsse der Versammlungsleiter vornehmen. Alle anderen Fragen, insbesondere die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des gefassten Beschlusses, lägen außerhalb seiner Prüfungskompetenz (Bonifacio, DWE 2011, 9 (13); Skauradszun, ZMR 2018, 122 (122 ff.); a.A.: Müller, ZWE 2015, 303 (306)).

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Frage des Vorliegens einer Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG ein reines Tatbestandsmerkmal für die Ordnungsgemäßheit des Beschlusses und kein integrativer Bestandteil des vom Versammlungsleiter zu prüfenden Quorums sei. Bereits der Gesetzgeber sei nach der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, dass die Wohnungseigentümer im Rahmen des § 22 Abs. 1 WEG kraft der dort geregelten Beschlusskompetenz anfechtbare Beschlüsse fassen könnten. Dort sei keine Rede davon, dass der Versammlungsleiter aufgrund fehlender Zustimmung sämtlicher betroffener Wohnungseigentümer das Zustandekommen anfechtbarer Beschlüsse zu verhindern habe. Zudem sei es nicht überzeugend, einen stark wertungsabhängigen Tatbestand wie § 14 Nr. 1 WEG bereits beim Quorum statt erst bei der Rechtmäßigkeitskontrolle zu verorten (Bonifacio, a.a.O. (15)). Der Versammlungsleiter müsse anhand einfacher und leicht zu überprüfender Kriterien feststellen können, ob eine Mehrheit für einen Beschluss erreicht sei (Bonifacio, a.a.O.).

(3) Nach einer vermittelnden Ansicht sei der Versammlungsleiter zwar berechtigt, einen wegen des Fehlens der nach § 22 Abs. 1 WEG erforderlichen Zustimmungen rechtswidrigen Beschluss nicht zu verkünden. Er sei hierzu jedoch nicht verpflichtet. Er müsse nur prüfen, ob eine (einfache) Mehrheit erreicht ist, und dürfe das Zustandekommen eines Beschlusses auch dann verkünden, wenn nicht alle beeinträchtigten Wohnungseigentümer zugestimmt haben (AG Oberhausen, Urteil vom 22.12.2009, 34 C 55/09 – juris (Rn. 19 ff.); Jennißen/Hogenschurz, WEG, 5. Aufl., § 22 Rn. 21; Niedenführ/Vandenhouten/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O., § 23 Rn. 58; Müller, ZWE 2015, 303 (306); vgl. auch Greiner, WEG, 4. Aufl., § 7 Rn. 137, 139, § 4 Rn. 167, der ggf. einen Geschäftsordnungsbeschluss der Versammlung für erforderlich hält).

Zur Begründung wird ausgeführt, der Verwalter als Versammlungsleiter sei bloßer Funktionsgehilfe der Eigentümerversammlung und übe mit der Inhaltsfixierung des Beschlussergebnisses keine organschaftlichen Rechte oder Rechtmäßigkeitskontrolle aus (Jennißen/Hogenschurz, a.a.O.). Er sei nicht Aufsichtsorgan der Wohnungseigentümer. Für Rechtmäßigkeitskontrollen sei das Gericht zuständig, nicht der Verwalter (AG Oberhausen, a.a.O.). Die Anfechtungslast bei Maßnahmen der Verwaltung, zu denen bauliche Veränderungen gehörten, trage der mit einer Verwaltungsmaßnahme nicht einverstandene Wohnungseigentümer (Jennißen/Hogenschurz, a.a.O.). Die Wohnungseigentümer seien nicht gehindert, auf die Anfechtung eines möglicherweise ordnungswidrigen Beschlusses zu verzichten und dadurch diesen Beschluss gemäß § 23 Abs. 4 WEG bestandskräftig werden zu lassen (AG Oberhausen, a.a.O.). Im Gegensatz zum Zustimmungserfordernis des § 22 Abs. 1 WEG könne das vom Verwalter zu prüfende Zustandekommen der Stimmenmehrheit mit relativ einfachen Mitteln und hinreichender Sicherheit bestimmt werden. Es handele sich zumeist um eine einfache mathematische Aufgabe unter Berücksichtigung allgemeiner Rechtsfragen, die der Verwalter bei jeder Abstimmung zu lösen habe, was ihm auch zuzumuten sei (AG Oberhausen, a.a.O.). Hingegen sei die Frage, ob eine Benachteiligung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG vorliege, zunächst eine Tatfrage und könne zudem von schwierigen rechtlichen Bewertungen abhängen, die den Versammlungsleiter in der Versammlung regelmäßig überforderten (AG Oberhausen, a.a.O.).

(4) Die Kammer lehnt die Ansicht, die eine Prüfungspflicht des Versammlungsleiters hinsichtlich des Vorliegens der nach § 22 Abs. 1 WEG erforderlichen Zustimmungen bejaht (II.1.a)bb)(1)), ab. Offen bleiben kann, ob der Versammlungsleiter zur Verkündung eines rechtswidrigen Beschlusses verpflichtet ist (II.1.a)bb)(2)). Denn er ist jedenfalls nicht verpflichtet, zu prüfen, ob alle über das in § 14 Nr. 1 WEG beschriebene Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer der baulichen Veränderung zugestimmt haben. Vielmehr ist er jedenfalls berechtigt, das Zustandekommen eines Beschlusses auch dann zu verkünden, wenn nicht alle nach § 22 Abs. 1 WEG erforderlichen Zustimmungen vorliegen (II.1.a)bb)(3)).

Die Ermittlung, ob und welche Wohnungs- und Teileigentümer nach § 22 Abs. 1 WEG ihre Zustimmung zu einer geplanten baulichen Veränderung erteilen müssen, erfordert eine umfassende Feststellung von Tatsachen und nicht selten auch eine rechtliche Bewertung. Eine solche umfassende Sach- und Rechtsprüfung ist jedoch mit dem dynamischen Charakter einer Eigentümerversammlung, in der Beschlussergebnisse vom Verwalter als Versammlungsleiter zügig festzustellen und zu verkünden sind, nicht vereinbar. Insoweit liegt gerade nicht lediglich eine „einfache“ Feststellung von Mehrheitsverhältnissen vor. Es wäre auch nicht zielführend, darauf abzustellen, ob eine Zustimmung „offensichtlich“ erforderlich ist oder nicht. Denn dies würde lediglich zu Rechtsunsicherheiten führen, die aber insbesondere auch im Sinne eines geordneten Versammlungsablaufs zu vermeiden sind. Zudem ist der Verwalter nicht das Aufsichtsorgan der Wohnungs- und Teileigentümer. Diese bleiben vielmehr selbst für die Ordnungsmäßigkeit ihrer Beschlüsse verantwortlich. Hierbei soll der Verwalter bzw. Versammlungsleiter sie lediglich als bloßer Funktionsgehilfe unterstützen. Eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle ist jedoch ohne gesonderte vertragliche Vereinbarung nicht von den Aufgaben des Verwalters gedeckt. Den Interessen der häufig rechtsunkundigen Wohnungs- und Teileigentümern wird damit genügt, dass der Verwalter als Versammlungsleiter jedoch verpflichtet ist, auf das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG und das sich daraus ergebende Anfechtungsrisiko hinzuweisen (dazu sogleich unter II.1.b)).

b) Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt auch nicht in einem in der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 unterlassenen Hinweis auf das Erfordernis der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die geplanten Umbaumaßnahmen über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Eine solche Pflichtverletzung haben die Kläger nicht nachgewiesen.

aa) Der Verwalter als Versammlungsleiter hat auf das Anfechtungsrisiko hinzuweisen, dass ein rechtmäßiger Beschluss nur zustande kommt, wenn die Mehrheit erreicht ist und alle beeinträchtigten Wohnungs- und Teileigentümer zugestimmt haben (vgl. Becker, ZWE 2012, 297 (300); Deckert, ZMR 2008, 585 (588); Müller, ZWE 2015, 303 (306); Niedenführ, ZWE 2012, 476 (478); Schmidt, ZWE 2016, 385 (390, 393)).

Der Verwalter hat als Versammlungsleiter dafür Sorge zu tragen, dass gültige Beschlüsse gefasst werden (Schmidt, ZWE 2016, 385 (388)). Er hat die Willensbildung der Eigentümer zu unterstützen, indem er die Beschlüsse vorbereitet und durchführt. Dabei hat er auch auf eine Entscheidung der Eigentümer hinzuwirken, die ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Aus dem Verwaltervertrag folgt die Nebenpflicht, die in der Regel rechtsunkundigen Wohnungs- und Teileigentümer über die gesetzlichen Anforderungen an eine Maßnahme sowie über die Voraussetzungen der Beschlussfassung aufzuklären. Sinn und Zweck der Bestellung eines Verwalters ist gerade, dass er die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer vorbereitet, als Versammlungsleiter die Eigentümerversammlung sachgerecht leitet und den Wohnungseigentümern – in zumutbarem Umfang – die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt, um diesen eine ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende Beschlussfassung zu ermöglichen. Insoweit kann von dem Verwalter insbesondere verlangt werden, dass er die Wohnungseigentümer über das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG aufklärt, wobei ihm nach vorstehenden Ausführungen jedoch nicht auch die Prüfung obliegt, ob einzelne Wohnungs- und Teileigentümer tatsächlich im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG beeinträchtigt sind und diese daher der baulichen Veränderung zustimmen müssten. Dies gilt insbesondere auch für die Beklagte, bei der es sich um eine Berufsverwalterin handelt.

bb) Die Kläger haben vorliegend jedoch nicht nachgewiesen, dass die Beklagte ihrer Hinweispflicht hinsichtlich der Erforderlichkeit der Zustimmung aller beeinträchtigter Wohnungseigentümer (§§ 22 Abs. 1, 14 Nr. 1 WEG) nicht nachgekommen sei.

Die Kläger sind als Anspruchsteller darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Beklagten (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78 Aufl., § 280 Rn. 35). Soweit – wie hier – die Verletzung einer Hinweispflicht geltend gemacht wird, besteht zwar eine sekundäre Darlegungslast. Danach muss der Anspruchsgegner zunächst darlegen, in welcher Weise er seiner Hinweispflicht nachgekommen ist (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 280 Rn. 36). Dieser Obliegenheit ist die Beklagte jedoch vorliegend hinreichend nachgekommen.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011, dort unter Tagesordnungspunkt 1 (Anlage K1) bereits erstinstanzlich hinreichend dargelegt, dass auf § 22 Abs. 1 WEG hingewiesen worden sei. Aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 ergibt sich, dass der Geschäftsführer der Beklagten u.a. das Wohnungseigentumsgesetz in Bezug auf die Beschlussfassung bei baulichen Veränderungen erläutert hat. Zweitinstanzlich hat der Geschäftsführer des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung zudem ergänzend ausgeführt, er habe zu Beginn der Versammlung darauf hingewiesen, dass nach dem Inhalt der zu erwartenden Entscheidung die Möglichkeit einer Beschlussanfechtungsklage bestehe. Außerdem habe er unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen die Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Beschlussanfechtung erläutert. Weiterer Vortrag ist von der Beklagten nach dem erheblichen Zeitablauf seit der Beschlussfassung vom 20.05.2011 nicht zu verlangen; als die Kläger der Beklagten das Unterlassen eines Hinweises auf die Zustimmungsproblematik nach § 22 Abs. 1 WEG in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Buchen vom 22.03.2016 vorwarfen (Akten erster Instanz, Seite 229 f.), waren bereits fast fünf Jahre vergangen. Nicht nur auf Seiten der darlegungs- und beweispflichtigen Partei – hier der Kläger -, sondern auch auf Seiten der mit der sekundären Darlegungslast belasteten Partei – hier der Beklagten – ist zu berücksichtigen, dass der geforderte Vortrag möglich und zumutbar sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.2018, III ZR 213/17 – juris (Rn. 17)). Dabei dürfen nachvollziehbare Erinnerungslücken aufgrund eines – wie hier – erheblichen Zeitablaufs nicht zu einer Beweislastumkehr führen.

Weitergehender Vortrag der Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast ist auch nicht vor dem Hintergrund zu fordern, dass die Kläger nicht an der Wohnungseigentümerversammlung teilgenommen haben. Denn die Kläger haben offenbar lediglich „ins Blaue“ hinein behauptet, die Beklagte sei ihrer Hinweispflicht nicht nachgekommen. Im Verlauf des Berufungsverfahrens – insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2018 – hat sich herausgestellt, dass mehr als die Hälfte der von den Klägern benannten Zeugen nicht an der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 teilgenommen hat. Auch die Kläger haben erst nach der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2018, in der sie trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht anwesend waren, mitgeteilt, an der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 nicht teilgenommen zu haben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kläger vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 13.11.2018 Rücksprache mit den in der Eigentümerversammlung am 20.05.2011 anwesenden Wohnungs- und Teileigentümern gehalten hätten. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch rechtsmissbräuchlich, sodass keine Veranlassung besteht, von der Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast weiteren Vortrag zu fordern (vgl. zum Ausforschungsbeweis: BGH, Beschluss vom 17.04.2018, II ZR 277/16, m.w.N. – juris (Rn. 7)).

Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 19.02.2019 nach der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zum Nachweis des unterlassenen Hinweises der Beklagten auf die Zustimmungsproblematik nach § 22 Abs. 1 WEG erneut die Zeugin … benennen, ist festzustellen, dass diese im Rahmen der ausführlichen Befragung durch die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2018 ausdrücklich angegeben hat, sich nicht mehr daran zu erinnern, ob und was der Geschäftsführer der Beklagten vor der streitgegenständlichen Beschlussabstimmung gesagt hat. Eine weitere Vernehmung der Zeugin … ist aufgrund ihrer eindeutigen und auch protokollierten Angaben nicht veranlasst.

Der Nachweis eines unterlassenen Hinweises der Beklagten auf die Zustimmungsproblematik nach § 22 Abs. 1 WEG ist den Klägern auch nicht im Hinblick auf die weitere Äußerung der Zeugin … gelungen, sie habe erst im Nachhinein erfahren, dass alle Eigentümer hätten zustimmen müssen. Denn die Zeugin … hat ebenfalls erklärt, sich nicht zu erinnern, ob und was der Geschäftsführer der Beklagten in der Eigentümerversammlung vor der Abstimmung gesagt hat. Es ist daher nicht ausgeschlossenen, dass sie einen Hinweis lediglich nicht mitbekommen hat. Außerdem hat sich der Zeuge … daran erinnert, dass zu Beginn der Versammlung Hinweise vom Geschäftsführer der Beklagten erteilt wurden. Dies stimmt auch mit den Feststellungen im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 1 und den Angaben des Zeugen … dass der Geschäftsführer der Beklagten immer auf die Formalien und die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage hingewiesen habe, überein, sodass die Kammer keine Zweifel hat, dass Hinweise erteilt wurden. Im Hinblick auf den Inhalt dieser Hinweise spricht die Beweisaufnahme zudem eher dafür, dass die Hinweise auch die Problematik des Zustimmungserfordernisses nach § 22 Abs. 1 WEG umfasst haben. Der Zeuge … hat ausgeführt, dass der Verwalter darauf hingewiesen habe, dass die Möglichkeit einer Beschlussanfechtung bestehe, wenn ein Eigentümer mit der Baumaßnahme nicht einverstanden sei, wobei er sich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern konnte. Er hat insoweit angegeben, als Verwaltungsbeiratsvorsitzender darauf geachtet zu haben, dass die Versammlungen ordnungsgemäß geführt würden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben die Kläger jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass ein Hinweis der Beklagten bzw. ihres Geschäftsführers auf das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG unterblieben wäre.

cc) Im Übrigen haben die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger trotz gerichtlichen Hinweises vom 26.03.2018 auch nicht nachgewiesen, dass ein etwaiger unterbliebener Hinweis kausal für die Beschlussfassung gewesen wäre.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die damalige Mehrheitseigentümerin auch bei der Erteilung des Hinweises auf die Zustimmungsproblematik des § 22 Abs. 1 WEG auf die Durchführung und Verkündung des Beschlusses als Mehrheitsbeschluss bestanden hätte. Insoweit hat die Zeugin … ausgeführt, dass „ein Druck von der … da“ gewesen sei, „dass der Beschluss zustande kommt“, wobei die … eine Mehrheit von etwa 60 % gehabt habe. Dies hat auch der Zeuge … bestätigt, der sich daran erinnern konnte, „dass der Mann von der Firma schon Druck gemacht hat, dass es zum Beschluss kommt und man umbauen kann“, wobei es sich um einen Mitarbeiter der … gehandelt habe. Auch der Geschäftsführer der Beklagten hat im Rahmen der informatorischen Anhörung ausgeführt, dass die Mehrheitseigentümerin die Verkündung des Beschlusses unmissverständlich gefordert habe. Dabei bleibt es den Wohnungseigentümern überlassen, einen – bei im Übrigen gegebener Beschlusskompetenz – möglicherweise gegen ordnungsmäßige Verwaltung widersprechenden Beschluss bestehen und es auf eine Anfechtungsklage ankommen zu lassen (vgl. Bärmann/Merle, a.a.O., § 22 Rn. 144, Becker, ZWE 2012, 297 (298, 301); Schmidt, ZWE 2016, 385 (393 f., 396); Skauradszun, ZMR 2018, 122 (124); a.A. wohl AG Würzburg, Urteil vom 22.01.2015, 30 C 1212/14 WEG – juris (Rn. 74)). Es ist nicht die Aufgabe des Versammlungsleiters, inhaltlich rechtswidrige Beschlüsse der Wohnungseigentümer zu verhindern; ihm fehlt die Rechtsmacht, sich über die ausgeübte Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer hinwegzusetzen (Becker, a.a.O.). Seine Pflicht besteht und erschöpft sich darin, die Eigentümer auf die mögliche Rechtswidrigkeit eines Mehrheitsbeschlusses und das damit verbundene Anfechtungsrisiko hinzuweisen und sodann den Mehrheitswillen zu befolgen (Schmidt, ZWE 2016, 385 (396)).

2. Die Kläger haben im Zusammenhang mit der Fassung des später vom Amtsgericht Buchen mit Urteil vom 30.08.2012 (1 C 177/11 WEG) für ungültig erklärten Beschlusses vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über die Erhebung einer Sonderumlage für die brandschutztechnische Ertüchtigung des … im Bereich des Gemeinschaftseigentums ebenfalls keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte.

Die Kläger haben insoweit bereits keine Pflichtverletzung der Beklagten hinreichend dargelegt. Der Vortrag der Kläger stützt sich im Wesentlichen auf den Vorwurf der Verkündung eines rechtswidrigen Beschlusses, weil die Beklagte das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG nicht beachtet und in der Eigentümerversammlung auch nicht auf dieses Erfordernis hingewiesen habe. Die Erhebung einer Sonderumlage für die brandschutztechnische Ertüchtigung des … im Bereich des Gemeinschaftseigentums stellt jedoch bereits keine bauliche Veränderung dar, sodass es insoweit nicht auf das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG ankam. Eine fehlerhafte Bestimmung der zu erreichenden und vom Versammlungsleiter zu prüfenden Stimmenmehrheit wird von den Klägern nicht geltend gemacht und ist auch nicht, ersichtlich. Allein die Ungültigerklärung des Beschlusses vom 20.05.2011 unter Tagesordnungspunkt 2 über die Erhebung der Sonderumlage durch das Amtsgericht Buchen mit Urteil vom 30.08.2012 genügt nicht für die Annahme einer Pflichtverletzung der Beklagten.

3. Auf die weiteren zwischen den Parteien umstrittenen Fragen insbesondere hinsichtlich eines etwaigen Mitverschuldens der Kläger, der Schadenshöhe und der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung kommt es nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10,711 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Außerdem erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Entscheidungserheblich ist die Frage, ob der Verwalter als Versammlungsleiter einen positiven Beschluss über eine bauliche Veränderung verkünden darf, obwohl nicht alle durch die Maßnahme über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer ihre nach § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung abgegeben haben, oder ob die Verkündung eines solchen Beschlusses eine Pflichtverletzung darstellt. Insoweit kommt es maßgeblich darauf an, ob der Versammlungsleiter das Vorliegen eines Zustimmungserfordernisses nach § 22 Abs. 1 WEG zu prüfen hat. Diese Fragestellung ist – wie dargestellt – in der Literatur sehr umstritten und eine gefestigte Rechtsprechung ist – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Es handelt sich vorliegend auch nicht nur um eine Einzelfallentscheidung. Vielmehr werden in der Praxis regelmäßig Beschlüsse über bauliche Veränderungen verkündet und diese nicht selten auch im Hinblick auf das Zustimmungserfordernis nach § 22 Abs. 1 WEG Gegenstand einer Anfechtungsklage, sodass sich – wie hier – im Rahmen eines anschließenden Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter oder auch bereits im Rahmen der Anfechtungsklage im Hinblick auf § 49 Abs. 2 WEG die Frage stellt, ob insoweit eine Pflichtverletzung des Verwalters vorliegt und dieser gegebenenfalls die Verfahrenskosten zu tragen hat.

IV.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 49a Abs. 1 GKG, 3, 4 ZPO und entspricht dem einfachen Interesse der Kläger, da dieses das hälftige Gesamtinteresse der Parteien übersteigt.

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