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Vermieter entsorgt widerrechtlich Fahrrad von Mieter – Haftung

AG Berlin-Mitte – Az.: 20 C 206/21 – Urteil vom 07.02.2022

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.016,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2018 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Mit Mietvertrag vom 25./26. Juli 2006 (Anlage B1) vermietete der Beklagte dem Kläger und einer Mitmieterin die im Vorderhaus gelegene Wohnung in der ………, ……… Berlin.

Zu Beginn des Jahres 2018 kündigte die von dem Beklagten mit der Hausverwaltung beauftragte Firma ……… u.a. an, dass am 1. März 2018 unbeschriftete Räder, die im Hof des Hauses abgestellt waren, entfernt werden sollten. Auf den weiteren Inhalt des Aushangs (Blatt 5 der Akte) wird verwiesen.

Mit E-Mail vom 21. März 2018, auf die verwiesen wird, fragte die von dem Beklagten beauftragte Hausverwaltung bei der Firma A………. Hausmeisterdienste an, wann nicht beschrifteten Fahrräder des streitgegenständlichen Gebäudes weggeräumt würden. Die Firma A……… von der Beklagtenseite mit der Entsorgung unbeschrifteter Fahrräder aus dem Hof des streitgegenständlichen Gebäudes beauftragt und erfüllte den Auftrag zum fraglichen Zeitraum.

Am 30.03.2018 erstattete der Kläger Strafanzeige, weil sein Fahrrad aus dem Hof gestohlen war, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 7, 8 d.A. verwiesen wird. Die Amtsanwaltschaft Berlin stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten ein, wofür auf Bl. 11 d.A. verwiesen wird.

Auf den als Anlage B 2 eingereichte Aushang mit der Überschrift „Fahrrad im Hof gestohlen!“ wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 6. April 2018, auf das verwiesen wird (Bl. 10 d.A.), forderte der Kläger den Beklagten wegen der Entfernung seines Fahrrades im Hinterhof zur Zahlung von 1.016,00 Euro bis zum 30. April 2018 erfolglos auf.

Der Kläger behauptet, dass er ca. 3 Wochen nach dem 1. März 2018 die Beschriftung von seinem Fahrrad entfernt habe, dass er im Sommer 2016 für 1.060,00 Euro erworben habe, was durch die Rechnung nebst Zahlbeleg (Bl. 6 d.A.) belegt sei. Am 29. März 2018 sei sein im Hof abgestelltes und abgeschlossenes Fahrrad ebenso wie diverse andere Fahrräder ohne Vorwarnung von der von Beklagtenseite beauftragten Firma A……… entfernt worden und verschwunden geblieben. Das werde durch den Augenzeugenbericht vom 16. April 2018 (Bl. 39 d.A.) bestätigt. Gleichzeitig mit seinem Fahrrad sei dessen Zubehör (Faltschloss, Shimano-Klickpedale, iPhone-Halterung, Lenkertaschenhalterung, Flaschenhalterung, ergotec-Griffe, Federklappe) entwendet worden. Für dieses Zubehör habe er ca. 210,00 Euro bezahlt, wofür auf das Anlagenkonvolut Bl. 41-44 d.A. verwiesen wird. Unter Berücksichtigung eines Abzuges „neu für alt“ von 20 % sei ihm der Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.016,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger Eigentümer des Fahrrades sei. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass am 29. März 2018 dieses Fahrrad von der beauftragten Firma A……… des Beklagten entfernt und bis heute verschwunden sei. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger das Rad im März 2018 noch immer genutzt und im Hof abgestellt gehabt habe. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass das Fahrrad inklusive Zubehör einen Gesamtwert von 1.270,00 Euro als Anschaffungspreis habe.

Der Beklagte behauptet, weder er noch seiner Hausverwaltung hätten zum fraglichen Zeitpunkt Fahrräder entsorgt, sondern die Firma A………. Weil es sich angeblich um ein sehr hochwertiges Fahrrad handele, erscheine dessen Entsorgung durch zuletzt genannte Firma nicht plausibel. Es sei leider nichts ungewöhnliches, dass im fraglichen Anwesen Fahrräder von jedem fremden Dritten gestohlen worden seien, was durch die Anlage B 2 belegt sei.

Ohne Foto oder weitere Angaben zu dem Fahrrad sei eine zielführende Befragung der mit der Entsorgung der Fahrräder beauftragten Firma nicht möglich gewesen, ob und inwieweit das fragliche Fahrrad versehentlich entsorgt worden sein könnte. Die Firma A……… sei für das streitgegenständliche Objekt nicht mehr tätig, dennoch würden dort nach dem prozessual erstmals eingereichten Augenzeugenbericht vom 16.04.2018 Erkundigungen versucht einzuholen. Jene Firma habe in anderem Zusammenhang aber bereits nicht reagiert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Vermieter entsorgt widerrechtlich Fahrrad von Mieter - Haftung
(Symbolfoto: /Shutterstock.com)

Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung mietvertragliche Schutzpflichten gemäß §§ 282, 241 Absatz 2 BGB bzw. verbotene Eigenmacht gemäß §§ 823, 831 BGB in Verbindung mit § 858 Absatz 1 BGB bzw. wegen schuldhafter Verletzung des Eigentums des Klägers gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB zu.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die gesetzliche Vermutung aus § 1006 BGB greift zu Gunsten des Klägers ein, weil er mit dem Abstellen seines Fahrrades in dem Hof des streitgegenständlichen Gebäudes seinen Besitz nicht aufgibt. Zudem hat er mittels der eingereichten Rechnung nebst Zahlbeleg vom 15. Juli 2016 seinen Erwerb belegt (§ 416 ZPO), so dass das Bestreiten der Aktivlegitimation des Klägers gemäß § 138 ZPO nicht entscheidungserheblich ist.

Der Beklagte ist dem Grunde nach schadensersatzpflichtig, weil durch von ihm veranlasste Handlungen das Fahrrad des Klägers abhandengekommen ist. Unstreitig hat die Beklagtenseite in der Klageerwiderung gestellt, dass die Firma A……… „……… zum fraglichen Zeitpunkt Fahrräder entsorgt ………“ hat. Das hat vorgenannte Firmen unstreitig im Auftrag der für den Beklagten als Vertreter tätigen Hausverwaltung gemacht, so dass sich der Beklagte sowohl das Verhalten der Hausverwaltung als auch der Entsorgungsfirma im Rahmen der §§ 164, 278, 831 BGB zurechnen lassen muss.

Demgemäß muss der Beklagte sich zurechnen lassen, dass die für ihn tätige Hausverwaltung trotz Kenntnis davon, dass der per Aushang angekündigte Termin am 1. März 2018 ungenutzt verstrichen war und diese die beauftragte Entsorgungsfirma mit E-Mail vom 21. März 2018 zur Nachholung aufforderte, darüber die betroffenen Mieter im Hause nicht informiert hat. Mietvertraglich ist die Vermieterseite gehalten gewesen, mittels vergleichbaren Aushangs wie für den 1. März 2018 bzw. durch Einzelanschreiben den Mietern mitzuteilen, dass die zunächst für den 1. März 2018 angekündigte Entsorgung unbeschrifteter Fahrräder nachgeholt wird, so dass die Mieter hätten Vorkehrungen treffen können. Das hat die Hausverwaltung in schuldhafter Weise unterlassen, was sich der Beklagte entgegenhalten lassen muss. Dass der Beklagte seine Überwachungs- und Kontrollpflichten gegenüber der Hausverwaltung wahrgenommen hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass er nicht entlastet ist und schuldhafte Nebenpflichtverletzung der mietvertraglichen Rücksicht-, Schutz- und Informationspflichten der Vermieterseite gegeben ist.

Auch ist der Beklagte für die von der beauftragten Entsorgungsfirma A……… als seine Erfüllung-/Verrichtungsgehilfen durchgeführten verbotenen Eigenmacht verantwortlich, indem Letzgenannte am 29. März 2018 auch das Fahrrad des Klägers aus dem Hof entfernte und trotz des Anschreibens des Klägers vom 6. April 2018 nicht an ihn zurückgegeben worden ist.

Mit der eigenmächtigen Inbesitznahme von Hausrat des Mieters, wozu auch das von ihm im Hof abgestelltes Fahrrad gehört, ist der Vermieter dem Mieter zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Entgegen der von der Beklagtenseite vertretenen Auffassung kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob die Möglichkeit des Abstellens von Fahrrädern im Hof ausdrücklich mietvertraglich oder nach den Umständen von der Vermieterseite angeboten und der Mieterseite angenommen und genutzt wird. Jedenfalls treffen den Vermieter Schutzpflichten gegenüber den von seinen Mietern mit seiner Billigung im Hof abgestellten Fahrrädern. Den Vermieter trifft mit seiner Inbesitznahme von Hausrat des Mieters zugleich eine Obhutspflicht, welche einer Entsorgung grundsätzlich entgegensteht (BGH, Urteil vom 27. April 1971 – VI ZR 191/69). Den Vermieter trifft für die eigenmächtig in Besitz genommenen Gegenstände eine Obhutspflicht im Sinne des § 241 Absatz 2 BGB. Diese hat nicht nur zur Folge, dass der Vermieter die nachweislich in Obhut genommenen Gegenstände vollständig und in einem gegenüber dem Zustand bei Inobhutnahme nicht verschlechterten Zustand wieder herausgeben muss. Im Falle einer Unmöglichkeit der Herausgabe hat er sich – wie § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB zeigt – zu entlasten, so das ihn und nicht den Mieter insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989 – III ZR 126/88 -). Der Vermieter hat nicht nur Sorge dafür zu tragen, dass an den in Besitz genommenen Gegenständen während der Dauer seiner Obhut oder der anschließenden Einlagerung keine Beschädigungen oder Verluste eintreten. Es obliegt ihm auch, ein aussagekräftiges Verzeichnis der Gegenstände aufzustellen und deren Wert schätzen zu lassen, um dem Kläger eine Sicherung seiner Ansprüche zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09 -). Deshalb ist ein Vermieter mit einem pauschalen Bestreiten der Inobhutnahme bestimmter Gegenstände ausgeschlossen und ein Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig (vgl. Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 14. August 2019 – 6 C 276/18 -).

Demgemäß bestreitet der Beklagte gemäß § 138 Absatz 4 ZPO unzulässig und jedenfalls nicht entscheidungserheblich gem. § 138 Abs. 3 ZPO zu pauschal, dass der Kläger sein Rad überhaupt im Hof abgestellt hatte und dieses Rad nebst Zubehör von der von ihm beauftragten Firma A……… am 29. März 2018 entfernt worden ist. Der Beklagte hatte zu veranlassen, das vorgenannte Entsorgungsfirma ein aussagekräftiges Verzeichnis der entfernten und verwahrten Gegenstände erstellt und die Gegenstände einen bestimmten Zeitraum so verwahrt, dass deren Herausgabe noch möglich bleibt. Damit hat dem Beklagten spätestens nach dem Anschreiben des Klägers vom 6. April 2018 oblegen, bei der beauftragten Entsorgungsfirma dieses Inventarverzeichnis abzufragen und mit dem von dem Kläger geltend gemachten Ansprüchen abzugleichen. Das hat der Beklagte damals weder selbst noch durch seine Hausverwaltung veranlasst. Dass er jetzt prozessual ankündigt, die notwendigen Informationen von der Firma A……… einzuholen, aber dies für wenig aussichtsreich hält, führt zu keiner anderen Beurteilung. Mit der veranlassten Inobhutnahme hat der Beklagte die sich anschließenden Pflichten schuldhaft verletzt und kann das prozessual nicht mehr beachtlich nachbessern.

Ebenso verhält es sich gemäß §§ 823, 831 BGB, denn nach alledem ist gemäß § 138 ZPO als unstreitig zu behandeln, dass die Verrichtungsgehilfen des Beklagten das Eigentum des Klägers dadurch geschädigt haben, dass das in seinem Eigentum stehende Fahrrad entsorgt und abhandengekommen ist.

Der somit dem Grunde nach gegebene Anspruch auf Schadensersatz ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Das Gericht ist gehalten, nach pflichtgemäßen Ermessen zu beurteilen, ob nach § 287 ZPO die Schätzung des Schadens möglich ist und dafür reicht der Vortrag des Klägers als Schätztgrundlage aus. Mittels der eingereichten Rechnungen für das Fahrrad und dessen Zubehör stellt der Kläger dar und belegt, dass er zu deren Erwerb insgesamt Kosten von 1.260,00 Euro aufgewandt hat. Dem tritt der Beklagte ohne konkreten Gegenvortrag zu damals anderen Ankaufspreisen für die konkret bezeichneten Gegenstände nicht entscheidungserheblich entgegen. Ebenso verhält es sich für den von der Klägerseite in Ansatz gebrachten Abschlag von 20 % als Abzug „neu für alt“, denn der Beklagtenseite ist ein substantiiertes Bestreiten durch Gegenvortrag eines anderen Zeitwertes am 29. März 2018 möglich und zumutbar gewesen. Im Rahmen des § 287 ZPO ergibt die gebotene Schätzung auf Grundlage der von dem Kläger vorgetragenen und belegten Anschaffungspreises deshalb, dass der geltend gemachte Schadensersatz in Höhe der Klageforderung auch der Höhe als kausaler Schaden zu ersetzen ist, § 249 BGB.

Die Zinsen sind gemäß §§ 286, 288 ZPO begründet.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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