AG Charlottenburg, Az.: 235 C 259/15
Urteil vom 29.02.2016
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Der Gebührenstreitwert wird auf 6516,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger sind Mieter einer Wohnung der Beklagten. Sie nehmen die Beklagte auf Zustimmung zur Auswechslung eines Mieters in Anspruch.
Die Kläger mieteten mit Mietvertrag vom 1.12.2013 bei der Beklagten eine Wohnung in … an. Wegen des genauen Inhalts des Mietvertrages wird auf Anlage eins zur Klageschrift vom 18. September 2015 verwiesen.
Mit Schreiben vom 31.7.2015 wandten sich die Kläger an die Beklagte und baten um Entlassung des Klägers zu eins aus dem Mietvertrag und um die Aufnahme einer dritten Person, Herrn … der in den Hauptmietvertrag.
Mit Schreiben vom 17.8.2000 verweigerte die Beklagte die Zustimmung diesem Hauptmieterwechsel mit Verweis auf die Einkommensverhältnisse des ….
Der Kläger zu eins gab bei seinem Einzug in die Wohnung an, Bildungsreferent zu sein und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 970,00 € im Monat zu verfügen.
Der von den Klägern vorgeschlagene Mieter, …, ist Stipendiat der …, der über eine Stipendienzusage bis zum 31.3.2016 verfügt.
Die Kläger behaupten, das Stipendium des Herrn … sei über den 31.3.2016 hinaus verlängert worden. Sie behaupten weiter, den Mietvertrag seinerzeit als Wohngemeinschaft abgeschlossen zu haben, was der Beklagten auch bekannt gewesen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der Altersstruktur der Mieter und sei bei der Vertragsanbahnung auch zum Ausdruck gekommen.
Sie behaupten weiter, die Forderungen der Beklagten seien durch Bürgschaften abgesichert.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, dem Ausscheiden von Herrn …, aus dem seit dem 1.1.2014 bestehenden Mietverhältnis über die Wohnung …, begründet durch Mietvertrag vom 1.12.2013, zuzustimmen sowie die Zustimmung zum Eintritt von Herrn … der als Mieter in das Mietverhältnis zu erklären.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie behauptet, dass das Stipendium bei der … eine maximale Förderdauer bis zum 30.9.2016 hat.
Im Übrigen habe die Beklagte den Klägern am 17.8.2010 bereits angeboten, die Zustimmung zu erteilen, wenn ein entsprechender Bonitätsnachweis hinsichtlich des neuen Mieters vorliege.
Sie ist der Ansicht, dass im hiesigen Fall weder eine Wohngemeinschaft vorliege, noch dass die Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zur Auswechslung des aus Mieters haben, da sie ein berechtigtes Interesse an der Verweigerung des Mieterwechsels habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch gem. §§ 535, 241 Abs. 2, 242 BGB gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Auswechslung des Beklagten zu eins gegen Herrn … im Mietertrag über die Wohnung in der … .
Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Berlin (LG Berlin, Urteil vom 19.4.2013, Az. 65 S 377/12) können die Mieter einer Wohngemeinschaft vom Vermieter die Zustimmung zum Austausch eines Mieters in einer Wohngemeinschaft verlangen, wenn dem Vermieter von vornherein klar ist, dass die Gemeinschaft aufgrund möglicher Wohnsitzwechsel oder aus anderen Gründen nicht auf Dauer angelegt ist (s. a. LG Karlsruhe, Urt. v. 10.5.1991, a. A. wegen verfassungsrechtlicher Bedenken noch LG Berlin, Beschl. v. 18.8.1994, 61 S 372/93). Ein Anspruch auf Aufnahme einer dritten Person in den Mietvertrag ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Vermieter nachvollziehbare Gründe für eine Unzumutbarkeit und damit ein berechtigtes Interesse an der Verweigerung des Mieterwechsels hat.
Die Beklagte hat im hiesigen Fall jedenfalls ein berechtigtes Interesse an der Verweigerung der Entlassung des Beklagten zu 1 und der Aufnahme des Herrn … in den Hauptmietvertrag. Nach dem Grundsatz der Privatautonomie steht es jedem frei, sich seinen Vertragspartner selber auszusuchen. Dies gilt grundsätzlich auch für die negative Vertragsfreiheit, also die Freiheit, einen Vertragsschluss zu verweigern. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit besagt über dies hinaus auch, dass geschlossene Verträge grundsätzlich bindend sind und sich ein Vertragspartner nur mit der Zustimmung des Vertragspartners aus einem Vertrag lösen kann, sofern keine gesetzlichen Gründe zur Beendigung eines Vertragsverhältnisses vorliegen. Auch im Bereich der Überlassung von Wohnraum hat ein Vermieter ein berechtigtes Interesse daran, die Bonität des jeweiligen Mieters zu prüfen und zu bewerten und einen Vertragsschluss hier von abhängig zu machen. Ein berechtigtes Interesse an der Verweigerung der Aufnahme einer dritten Person in einem Hauptmietvertrag liegt insbesondere dann vor, wenn dieser über kein geregeltes Einkommen verfügt und auch keine sonstigen Sicherheiten beibringen kann.
Ein Hauptmieteraustausch, also Entlassung eines gesamtschuldnerisch haftenden Mitmieters unter gleichzeitiger Aufnahme einer dritten Person, kann wegen der Veränderung der gesamten Haftungsstruktur des bestehenden Vertrages eher verweigert werden, als etwa die bloße Zustimmung zur Untervermietung an einen Dritten. Es liegt auf der Hand, dass der Fall eines Hauptmieters einer Wohnungsgemeinschaft, welcher seinerseits einzelne Zimmer an Untermieter vermietet und diese Untermieter austauschen möchte, anders zu bewerten ist, als der Fall einer gesamtschuldnerisch haftenden Mehrheit von Hauptmietern, die die Entlassung eines Hauptmieters und die Aufnahme eines Dritten begehren. Denn in der erstgenannten Konstellation hat der Vermieter von vornherein die Haftung ihm gegenüber auf den Hauptmieter konzentriert, während er in der zweiten Konstellation einen gesamtschuldnerisch haftenden Verband aus drei Personen in Anspruch nehmen kann.
Herr … verfügt im hiesigen Falle lediglich über eine auf wenige Monate begrenzte Stipendienzusage der …. Ob eine Verlängerung über mehrere Monate hier verbindlich zugesagt wurde oder nicht, kann dahinstehen, da jedenfalls feststeht, dass es sich um eine Zusage für eine absehbare Zeit handelt. In der Güteverhandlung wurde weiter mitgeteilt, dass Sicherheiten – in Form einer Bürgschaft – durch Herrn … nicht angeboten wurden. In der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 19.4.2013, auf welche sich die Kläger hier berufen, wurde für den Neumieter – der im Übrigen lediglich Untermieter werden sollte – ein monatliches Nettoeinkommen von 2383,69 € und eine Anstellung als Programmierer nachgewiesen.
Das berechtigte Interesse der Beklagten an der Verweigerung der Aufnahme des Herrn … in den Hauptmietvertrag wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie seinerzeit den Kläger zu eins in den Mietvertrag aufnahm, obwohl dieser angegeben haben soll, über ein Einkommen Höhe von 970 € monatlich aus selbstständiger Tätigkeit als Bildungsreferent zu haben. Denn jedenfalls gab der Kläger zu eins an, über ein regelmäßiges Einkommen und einen Berufsabschluss zu verfügen. Das Argument, dass bei einer selbstständigen Tätigkeit Einkommensverhältnisse immer unsicher seien, greift dabei nicht durch. Anders als ein auf mehrere Monate zeitlich begrenztes Stipendium ist eine geregelte berufliche Tätigkeit – auch wenn sie selbstständig ausgeübt wird – strukturell auf unbegrenzte Zeit angelegt und dokumentiert die Fähigkeit, ein Einkommen aus eigener Kraft zu generieren. Hinsichtlich Herrn … wurde noch nicht einmal dargelegt, ob dieser überhaupt über eine abgeschlossene Ausbildung oder einen Studienabschluss verfügt.
Die differenzierende Bewertung der Bonität eines Stipendiaten mit zeitlich begrenzter Förderzusage und einem berufstätigen Bildungsreferenten ist jedenfalls nicht unplausibel oder schlechterdings schikanös. Ungeachtet dessen hat der Kläger zu eins, soweit dies ersichtlich ist, keine Rückstände im laufenden Mietverhältnis, so dass er als Mieter für die Beklagte aus nachvollziehbaren Gründen weiterhin ein geringeres Ausfallrisiko bietet.
Ferner gaben die Kläger an, dass eine wie auch immer geartete Mietsicherheit in Form einer Bürgschaft bestanden habe. Dies würde die Bonität des Klägers zu eins wohl noch weiter in besonderer Weise verbessern, ohne dass es für die hiesige Entscheidung wegen obenstehender Ausführungen ankäme.
Es sei jedoch wegen des Einwandes der Kläger, die Beklagte sei doch über eine Bürgschaft hinreichend abgesichert, darauf hingewiesen, dass ein eventuell für den Kläger zu eins haftender Bürge im hiesigen Fall bei einer Auswechslung des Mieters nicht für Verbindlichkeiten des Herrn … haften würde. Nach § 767 Abs. 1 S. 3 BGB wird durch ein Rechtsgeschäft, das der Hauptschuldner nach der Übernahme der Bürgschaft vornimmt, die Verpflichtung des Bürgen nicht erweitert. Die Norm dient ihrem Zweck nach dazu, dass ein Bürge nur für das bewusst von ihm übernommene Risiko haftet und dies durch Dritte nicht verändert werden kann. Nach diesem Grundsatz des Verbots der Fremddisposition (Sprau, in: Palandt, 65. Aufl. 2016, § 767 Rn. 3) ist für den hiesigen Fall ausgeschlossen, dass eventuelle Verbindlichkeiten des Herrn … von einer eventuell bestehenden Mietbürgschaft erfasst werden würden.
Eine eigene Mietbürgschaft konnte Herr … nicht vorweisen, dies wurde im Termin nochmals klargestellt. Eine Erklärung des eventuell vorhandenen Bürgen, dass er auch für den neuen Mieter hafte, wurde ebenfalls nicht beigebracht.
Umgekehrt kann dem berechtigten Interesse der Beklagten auch nicht entgegengehalten werden, dass die Kläger zu zwei und drei gesamtschuldnerisch für die vertraglichen Verpflichtungen des aufzunehmenden Herrn … mithaften würden. Denn erstens ist nicht dargelegt, dass die Kläger zu zwei und drei in der Lage wären, einen Mietausfall des Herrn … auszugleichen. Weiterhin kann in diesem Fall auch nicht ausgeschlossen werden, dass gerade der Kläger zu eins, gegebenenfalls wegen der von ihm hier nicht näher bekannten Umfang beigebrachten Bürgschaft in der Gesamthaftungsstruktur der Wohngemeinschaft eine zentrale Rolle spielte.
Dies bedeutet im Übrigen nicht, dass beispielsweise der Kläger zu eins nicht aus er Wohnung ausziehen kann. Denkbar ist, dass Herr … an seine Stelle als Untermieter tritt und der Kläger zu eins die Untervermietung genehmigen lässt. Hierdurch bleibt die Haftungsstruktur des Mietvertrages weitestgehend gewahrt, da im Verhältnis zur Beklagten weiter der Kläger zu eins haftet. Um die Genehmigung eines Untermietvertrages ging es im Übrigen auch in der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 19.4.2013, auf welche sich die Kläger berufen.
Der Kläger zu eins kann ferner unter Umständen die Auflösung einer eventuell bestehenden Innengesellschaft zwischen den Klägern verlangen und gegebenenfalls die Zustimmung zu einer Kündigung erzwingen. Der Kläger zu eins wird insofern durch die Verweigerung der Genehmigung nicht unzumutbar in seiner Lebensgestaltung eingeschränkt.
Es kann daher dahinstehen, ob die Beklagte die Wohnung seinerzeit an die Kläger überhaupt als Wohngemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des Landgerichts vermietete und ein beabsichtigte Austausch einzelner Mitmieter der Beklagten bekannt war.
die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91, 100 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 708 Nr. 11 der ZPO.