Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Gerichtsurteil Bad Segeberg: Kündigung eines Mietvertrags bei mehreren Mietern – Ein Fall von Treu und Glauben
- Hintergrund des Mietstreits: Trennung, Auszug und verweigerte Zustimmung
- Die Klage der Vermieterin: Rückständige Mietzahlungen gefordert
- Die Widerklage der Mieterin: Feststellung der Vertragsbeendigung
- Das Urteil des Amtsgerichts: Kündigungsschutz versus Treu und Glauben
- Konsequenzen des Urteils: Keine Mietzahlungspflicht und Vertragsbeendigung
- Bedeutung des Urteils für Betroffene: Rechte bei Trennung in Mietverhältnissen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet es, wenn mehrere Personen einen Mietvertrag unterschrieben haben?
- Kann ein einzelner Mieter einen Mietvertrag kündigen, wenn mehrere Mieter beteiligt sind?
- Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Mieter auszieht, aber der Mietvertrag nicht gekündigt wird?
- Unter welchen Umständen kann eine Kündigung trotz fehlender Zustimmung aller Mieter wirksam sein (Treu und Glauben)?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Bad Segeberg
- Datum: 23.05.2024
- Aktenzeichen: 17b C 66/23
- Verfahrensart: Mietrechtliche Streitigkeit
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Zivilrecht
- Beteiligte Parteien:
- Vermieterin: Die Partei, die die Wohnung vermietet und rückständigen Mietzins inklusive Betriebskosten für die Jahre 2022 und 2023 verlangt.
- Mieterin: Die Partei, die die Wohnung gemeinsam angemietet hat, im September 2020 auszog und der Vermieterin schriftlich mitteilte, dass sie ab September 2021 nicht mehr in der Wohnung lebt; ihre Angaben führten zur Feststellung, dass das Mietverhältnis zum 28. Februar 2021 wirksam beendet wurde.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Vermieterin fordert aus dem Mietvertrag rückständigen Mietzins sowie Betriebskosten für 2022 und 2023, während die Mieterin durch ihren Auszug und die Mitteilung über ihre veränderte Wohnsituation geltend macht, dass das Mietverhältnis bereits beendet sei.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Verpflichtung zur Mietzahlung auch nach dem Wegzug der Mieterin und der festgestellten Beendigung des Mietverhältnisses zum 28. Februar 2021 weiterhin besteht.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil hebt den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 05.05.2023 auf, weist die Forderung der Vermieterin ab und stellt im Rahmen der Widerklage fest, dass das Mietverhältnis zum 28. Februar 2021 wirksam beendet wurde. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Vermieterin zu 70 % und der Mieterin zu 30 % auferlegt. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar; der Streitwert wird auf 10.713,13 Euro festgesetzt.
- Folgen: Mit der Entscheidung entfällt der Anspruch auf rückständigen Mietzins für die Jahre nach der Beendigung des Mietverhältnisses. Der aufgehobene Vollstreckungsbescheid beendet damit etwaige Vollstreckungsmaßnahmen, und die festgelegte Kostenteilung bindet beide Parteien im weiteren Verfahren.
Der Fall vor Gericht
Gerichtsurteil Bad Segeberg: Kündigung eines Mietvertrags bei mehreren Mietern – Ein Fall von Treu und Glauben

Das Amtsgericht Bad Segeberg hat in einem bemerkenswerten Urteil (Az.: 17b C 66/23) vom 23. Mai 2024 über die Wirksamkeit einer Kündigung eines Mietvertrages entschieden, bei dem mehrere Mieter involviert waren. Im Zentrum stand die Frage, ob eine von nur einem von zwei Mietern ausgesprochene Kündigung rechtlich bindend ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben im deutschen Zivilrecht. Das Gerichtsurteil beleuchtet die Rechte und Pflichten von Vermietern und Mietern in solchen Konstellationen und liefert wichtige Erkenntnisse für die Mietrechtspraxis.
Hintergrund des Mietstreits: Trennung, Auszug und verweigerte Zustimmung
Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem zwei Personen gemeinsam einen Mietvertrag für eine Wohnung abgeschlossen hatten. Im Laufe der Zeit trennte sich das Paar, woraufhin eine der beiden Mieterinnen im September 2020 aus der Wohnung auszog. Die Mieterin informierte die Vermieterin umgehend über ihren Auszug und teilte ihre neue Adresse mit. Zudem erklärte sie gegenüber der Vermieterin, dass sie das Mietverhältnis beenden möchte und sprach eine Kündigung zum 28. Februar 2021 aus.
Die Vermieterin akzeptierte die Kündigung jedoch nicht, da sie argumentierte, dass für eine wirksame Kündigung die Zustimmung beider Mieter erforderlich sei. Der in der Wohnung verbliebene Ex-Partner der Mieterin verweigerte seine Zustimmung zur Kündigung. Er tauschte sogar die Schlösser der Wohnung aus und verhinderte so den Zugang der ausgezogenen Mieterin. In der Folge entstand ein Rechtsstreit über die Fortdauer des Mietverhältnisses und ausstehende Mietzahlungen.
Die Klage der Vermieterin: Rückständige Mietzahlungen gefordert
Nachdem die Vermieterin die Kündigung nicht anerkannte, forderte sie von der ausgezogenen Mieterin rückständige Mietzahlungen für die Jahre 2022 und 2023. Die Vermieterin argumentierte, dass das Mietverhältnis mit der Mieterin nicht wirksam beendet worden sei und sie daher weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet sei. Sie leitete ein Mahnverfahren ein und erhob schließlich Klage vor dem Amtsgericht Bad Segeberg, um die ausstehenden Mietforderungen durchzusetzen.
Die Widerklage der Mieterin: Feststellung der Vertragsbeendigung
Die Mieterin wehrte sich gegen die Zahlungsklage und erhob Widerklage. Mit der Widerklage begehrte sie die gerichtliche Feststellung, dass das Mietverhältnis bereits zum 28. Februar 2021 wirksam beendet worden sei. Sie argumentierte, dass die Situation aufgrund der Trennung und des Verhaltens ihres Ex-Partners unzumutbar geworden sei. Zudem machte sie geltend, dass sie alles Zumutbare unternommen habe, um die Vermieterin über ihren Auszug und ihren Kündigungswunsch zu informieren.
Das Urteil des Amtsgerichts: Kündigungsschutz versus Treu und Glauben
Das Amtsgericht Bad Segeberg wies die Klage der Vermieterin ab und gab der Widerklage der Mieterin statt. Das Gericht stellte fest, dass das Mietverhältnis mit der Mieterin zum 28. Februar 2021 wirksam beendet wurde. In seiner Urteilsbegründung räumte das Gericht ein, dass eine Kündigung eines Mietvertrages, an dem mehrere Mieter beteiligt sind, grundsätzlich nur von allen Mietern gemeinsam ausgesprochen werden kann. Dies dient dem Schutz des Vermieters und soll Rechtsunsicherheiten vermeiden.
Ausnahme vom Grundsatz: Treuwidriges Verhalten des Ex-Partners
Das Gericht betonte jedoch, dass in besonderen Ausnahmefällen der Grundsatz der gemeinsamen Kündigung durchbrochen werden kann, insbesondere wenn das Verhalten eines der Mieter gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Im vorliegenden Fall sah das Gericht ein solches treuwidriges Verhalten des in der Wohnung verbliebenen Ex-Partners der Mieterin. Dieser hatte nicht nur die Zustimmung zur Kündigung verweigert, sondern auch durch den Austausch der Schlösser die Mieterin faktisch von der Nutzung der Wohnung ausgeschlossen.
Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und BGH-Rechtsprechung
Das Gericht stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hat in vergleichbaren Fällen entschieden, dass sich ein Mieter, der die Zustimmung zur Kündigung verweigert, aber weiterhin alleine in der Wohnung verbleibt und den anderen Mieter am Zugang hindert, so behandeln lassen muss, als hätte er der Kündigung zugestimmt. Das Amtsgericht Bad Segeberg sah die vorliegende Situation als vergleichbar an und argumentierte, dass es der Mieterin unter diesen Umständen unzumutbar gewesen wäre, die Zustimmung ihres Ex-Partners zur Kündigung zu erwirken.
Konsequenzen des Urteils: Keine Mietzahlungspflicht und Vertragsbeendigung
Durch das Urteil des Amtsgerichts Bad Segeberg wurde der Vollstreckungsbescheid gegen die Mieterin aufgehoben und die Klage der Vermieterin auf rückständige Mietzahlungen abgewiesen. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Widerklage festgestellt, dass das Mietverhältnis der Mieterin zum 28. Februar 2021 wirksam beendet wurde. Das Gericht verteilte die Kosten des Rechtsstreits zwischen der Vermieterin (70 %) und der Mieterin (30 %), was die teilweise erfolgreiche Widerklage der Mieterin widerspiegelt.
Bedeutung des Urteils für Betroffene: Rechte bei Trennung in Mietverhältnissen
Das Urteil des Amtsgerichts Bad Segeberg hat erhebliche Bedeutung für Mieter und Vermieter, insbesondere in Fällen, in denen mehrere Personen gemeinsam einen Mietvertrag abgeschlossen haben und sich später trennen. Das Urteil verdeutlicht, dass in solchen Situationen nicht starr am Formalismus der gemeinsamen Kündigung festgehalten werden muss. Vielmehr betont es die Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben und berücksichtigt die besonderen Umstände des Einzelfalls.
Handlungsspielraum bei treuwidrigem Verhalten eines Mitmieters
Für Mieter, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, zeigt das Urteil einen Weg auf, sich aus einem gemeinsamen Mietvertrag zu lösen, auch wenn die Zustimmung des Mitmieters fehlt. Wenn ein Mitmieter durch sein Verhalten die Kündigung unzumutbar erschwert oder gar verhindert und gleichzeitig die Wohnung alleine nutzt, kann dies als treuwidriges Verhalten gewertet werden. In solchen Fällen kann eine von einem Mieter alleine ausgesprochene Kündigung ausnahmsweise wirksam sein, insbesondere wenn der ausgezogene Mieter alles Zumutbare unternommen hat, um die Situation zu klären und die Vermieterin zu informieren.
Wichtigkeit der Dokumentation und Kommunikation
Das Urteil unterstreicht auch die Wichtigkeit einer klaren und dokumentierten Kommunikation mit dem Vermieter sowie die Beweissicherung des eigenen Auszugs und der Bemühungen um eine Vertragsbeendigung. Mieter in solchen Situationen sollten ihre Auszugsbemühungen, die Kommunikation mit dem Vermieter und das Verhalten des Mitmieters sorgfältig dokumentieren, um im Streitfall ihre Rechte erfolgreich geltend machen zu können. Es empfiehlt sich, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die eigene Position zu klären und die richtigen Schritte einzuleiten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass ein Mietvertrag mit mehreren Mietern normalerweise nur beendet werden kann, wenn alle Mieter kündigen. Allerdings kann ein Mieter, der nach Auszug des anderen die Wohnung allein nutzt und gleichzeitig dessen Kündigung verhindert, aus Gründen der Fairness so behandelt werden, als hätte er zugestimmt. Hat ein Mieter keinen Zugang mehr zur Wohnung (hier durch Austausch der Schlösser), ist es unzumutbar, ihn weiterhin an Mietzahlungen zu binden, besonders wenn familiäre Konflikte vorliegen.
Benötigen Sie Hilfe?
Unklare Perspektiven bei der Beendigung des Mietverhältnisses?
Die Kündigung eines Mietvertrags, an dem mehrere Parteien beteiligt sind, kann komplexe Fragestellungen aufwerfen – insbesondere wenn unterschiedliche Interessen und Verhaltensweisen die Lösungsfindung erschweren. Eine sorgfältige Prüfung der individuellen Situation und eine transparente Dokumentation der Auszugsmodalitäten sind dabei von essenzieller Bedeutung.
Wir unterstützen Sie mit einer präzisen Analyse Ihrer persönlichen Umstände, um Klarheit über Ihre Rechte und eventuelle Handlungsoptionen zu gewinnen. Vertrauen Sie auf unseren sachlichen und zielgerichteten Ansatz, der Ihnen dabei hilft, den nächsten Schritt in einem vielschichtigen Mietverhältnis gut informiert anzugehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet es, wenn mehrere Personen einen Mietvertrag unterschrieben haben?
Wenn mehrere Personen gemeinsam einen Mietvertrag unterschreiben, werden sie rechtlich als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB betrachtet. Dies hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten:
Gesamtschuldnerische Haftung
Als Gesamtschuldner haftet jeder einzelne Mieter für sämtliche Verpflichtungen aus dem Mietvertrag in voller Höhe. Das bedeutet konkret:
- Der Vermieter kann von jedem Mieter die vollständige Mietzahlung verlangen, nicht nur den anteiligen Betrag.
- Jeder Mieter haftet für alle vertraglichen Pflichten, wie Nebenkosten, Schäden an der Wohnung oder Renovierungspflichten.
- Der Vermieter darf sich aussuchen, welchen Mieter er in Anspruch nimmt – er muss nicht alle Mieter gleichzeitig belangen.
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen mit zwei Freunden zusammen und einer zahlt seinen Anteil der Miete nicht. Der Vermieter kann dann den vollen ausstehenden Betrag von Ihnen oder dem anderen Mitbewohner einfordern, obwohl Sie Ihren eigenen Anteil bereits bezahlt haben.
Interne Ausgleichsansprüche
Wenn ein Mieter die gesamte Forderung des Vermieters begleicht, hat er einen Ausgleichsanspruch gegen die anderen Mieter. Die internen Absprachen zwischen den Mietern (z.B. wer welchen Anteil der Miete zahlt) sind für den Vermieter nicht relevant, können aber für den internen Ausgleich herangezogen werden.
Hat beispielsweise ein Mieter die komplette Miete von 1.200 Euro bezahlt, kann er bei drei gleichberechtigten Mietern von den anderen beiden jeweils 400 Euro zurückfordern.
Gemeinsame Handlungen erforderlich
Bei einem gemeinsamen Mietvertrag müssen bestimmte Handlungen von allen Mietern gemeinsam vorgenommen werden:
- Eine Kündigung muss grundsätzlich von allen Mietern gemeinsam erklärt werden.
- Die Zustimmung zur Mieterhöhung muss von allen Mietern erteilt werden, sonst ist sie unwirksam.
- Eine Klage des Vermieters auf Zustimmung zur Mieterhöhung muss gegen alle Mieter gerichtet sein.
Dies kann besonders bei Trennungen oder Streitigkeiten zwischen den Mietern problematisch werden, da ein einzelner Mieter den Mietvertrag nicht allein kündigen kann. Selbst wenn ein Mieter auszieht, bleibt er gegenüber dem Vermieter weiterhin verpflichtet.
Besondere Situationen
In bestimmten Fällen gibt es Sonderregelungen:
- Bei einer Scheidung kann nach rechtskräftigem Scheidungsurteil ein Partner das Ausscheiden aus dem Mietvertrag erzwingen.
- Im Todesfall eines Mieters haben die Hinterbliebenen ein Sonderkündigungsrecht.
Die gesamtschuldnerische Haftung bedeutet für Sie als Mieter ein erhöhtes finanzielles Risiko. Bevor Sie einen gemeinsamen Mietvertrag unterschreiben, sollten Sie die anderen Mieter gut kennen und ihnen vertrauen können.
Kann ein einzelner Mieter einen Mietvertrag kündigen, wenn mehrere Mieter beteiligt sind?
Grundsätzlich kann ein einzelner Mieter einen gemeinsamen Mietvertrag nicht allein wirksam kündigen. Bei einem Mietverhältnis mit mehreren Mietern müssen alle im Vertrag genannten Mieter die Kündigung gemeinsam erklären. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Ehepartner, Lebenspartner oder Mitbewohner einer WG handelt.
Rechtliche Grundlage
Die Notwendigkeit der gemeinsamen Kündigung ergibt sich aus dem Umstand, dass mehrere Mieter eine Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB bilden. Nach § 749 Abs. 1 BGB kann zwar jeder Teilhaber einer Gemeinschaft deren Aufhebung verlangen, die Umsetzung dieses Rechts erfolgt bei Mietverhältnissen jedoch nur durch eine gemeinsame Kündigungserklärung aller Mieter.
Anspruch auf Mitwirkung bei der Kündigung
Wenn Sie als Mieter ausziehen möchten, während Ihr Mitmieter in der Wohnung verbleiben will, haben Sie grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der andere Mieter an der Beendigung des Mietverhältnisses mitwirkt. Dies bedeutet, dass er sich Ihrer Kündigung anschließen sollte, sofern keine berechtigten Interessen dagegen sprechen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 749 Abs. 1 BGB oder aus § 730 BGB.
Ausnahmen und Lösungswege
In bestimmten Situationen kann die Verweigerung der Mitwirkung an einer Kündigung als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn:
- Der Mitmieter Ihnen nach Ihrem Auszug den Zugang zur Wohnung verwehrt (z.B. durch Austausch der Schlösser)
- Keine schützenswerten Interessen für die Verweigerung der Mitwirkung vorliegen
In solchen Fällen kann das Mietverhältnis unter Umständen auch ohne ausdrückliche Zustimmung des verbliebenen Mitmieters als beendet gelten.
Praktische Lösungsmöglichkeiten
Wenn Ihr Mitmieter nicht an der Kündigung mitwirken will, haben Sie folgende Optionen:
- Vertragsanpassung: Sie können mit dem Vermieter und dem verbleibenden Mieter eine Anpassung des Mietvertrags vereinbaren, durch die Sie aus dem Vertrag entlassen werden. Der Vermieter ist hierzu jedoch nicht verpflichtet.
- Klage auf Mitwirkung: Sie können den Mitmieter auf Mitwirkung an der Kündigung verklagen, wenn dieser ohne berechtigtes Interesse die Zustimmung verweigert.
- Vermittlung: Ein Mediator kann zwischen den Parteien vermitteln, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Beachten Sie, dass Sie bis zur wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses als Gesamtschuldner für alle Pflichten aus dem Mietvertrag, insbesondere für die Mietzahlung, verantwortlich bleiben.
Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Mieter auszieht, aber der Mietvertrag nicht gekündigt wird?
Wenn Sie als Mieter aus einer Wohnung ausziehen, ohne den Mietvertrag zu kündigen, bleiben Sie weiterhin an alle vertraglichen Pflichten gebunden. Dies hat mehrere weitreichende Konsequenzen:
Fortbestehende Zahlungspflicht
Die wichtigste Konsequenz ist, dass Ihre Pflicht zur Mietzahlung vollständig bestehen bleibt. Sie müssen weiterhin die volle Miete zahlen, obwohl Sie die Wohnung nicht mehr nutzen. Diese Zahlungspflicht endet erst, wenn der Mietvertrag wirksam gekündigt wurde oder anderweitig beendet ist.
Bei Mietverhältnissen mit mehreren Mietern gilt das Prinzip der gesamtschuldnerischen Haftung. Das bedeutet, dass alle im Mietvertrag aufgeführten Personen gemeinsam für sämtliche Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis haften. Wenn Sie beispielsweise mit Ihrem Partner zusammengewohnt haben und ausziehen, während Ihr Partner in der Wohnung verbleibt, bleiben Sie trotzdem mitverantwortlich für die Mietzahlungen.
Zeitliche Begrenzung der Mithaftung
In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass die Mithaftung des ausgezogenen Mieters in zeitlicher Hinsicht beschränkt sein kann. Grundsätzlich orientiert sich dieser Zeitrahmen an der gesetzlichen Kündigungsfrist von drei Monaten. Der verbleibende Mieter hat gemäß § 426 Abs. 2 BGB einen Ausgleichsanspruch für die anteiligen Mietzahlungen gegenüber dem ausgezogenen Mieter.
Stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses
Bei unbefristeten Mietverträgen besteht die Gefahr einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB. Wenn Sie nach dem Ende der Kündigungsfrist nicht ausziehen und der Vermieter nicht innerhalb von zwei Wochen widerspricht, verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit. Dies kann dazu führen, dass Sie längerfristig an den Vertrag gebunden bleiben.
Haftung für Schäden und Renovierung
Als Vertragspartner bleiben Sie auch für Schäden an der Wohnung mitverantwortlich, selbst wenn diese nach Ihrem Auszug entstehen. Zudem können Sie bei Vertragsende zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet sein, sofern dies im Mietvertrag wirksam vereinbart wurde.
Konsequenzen für den Vermieter
Für den Vermieter bedeutet ein nicht gekündigter Mietvertrag, dass er die Wohnung nicht neu vermieten kann, obwohl sie möglicherweise leer steht. Wenn er bereits einen Nachmieter gefunden hat, kann er diesem nicht den Besitz an der Wohnung verschaffen und sieht sich möglicherweise Schadensersatzforderungen des Nachmieters ausgesetzt.
Wenn Sie also planen auszuziehen, sollten Sie unbedingt rechtzeitig Ihren Mietvertrag kündigen. Die gesetzliche Kündigungsfrist für Mieter beträgt drei Monate. Ihr Kündigungsschreiben muss spätestens am dritten Werktag eines Monats beim Vermieter eingehen, damit die Kündigung zum Ende des übernächsten Monats wirksam wird.
Unter welchen Umständen kann eine Kündigung trotz fehlender Zustimmung aller Mieter wirksam sein (Treu und Glauben)?
Grundsätzlich kann ein Mietverhältnis mit mehreren Mietern nur durch alle Mieter gemeinsam gekündigt werden. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gibt es jedoch Ausnahmen, in denen eine Kündigung auch ohne Zustimmung aller Mieter wirksam sein kann.
Treuwidriges Verhalten des verbleibenden Mieters
Eine Kündigung kann trotz fehlender Zustimmung eines Mitmieters wirksam sein, wenn dessen Verweigerung als treuwidrig anzusehen ist. Dies ist besonders in folgenden Fällen gegeben:
- Der in der Wohnung verbleibende Mieter nutzt die Wohnung alleine weiter, verweigert aber gleichzeitig seine Zustimmung zur Kündigung oder zur Entlassung des ausziehenden Mieters aus dem Mietvertrag.
- Der verbleibende Mieter verwehrt dem ausgezogenen Mieter den Zugang zur Wohnung, beispielsweise durch Austausch der Schlösser, und verweigert dennoch die Zustimmung zur Kündigung.
- Es liegen keine schutzwürdigen Interessen vor, die die Verweigerung der Zustimmung rechtfertigen würden.
Rechtliche Bewertung durch die Gerichte
Die Gerichte prüfen in solchen Fällen, ob das Festhalten an der formalen Anforderung der gemeinsamen Kündigung als überspitzt formalistisch erscheint. Die Bewertung hängt stark vom Einzelfall ab und liegt im Ermessen des Gerichts.
Wenn Sie sich in einer solchen Situation befinden, müssen Sie beachten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben nicht automatisch greift. Das Gericht wird eine umfassende Würdigung aller Umstände vornehmen.
Mitwirkungspflicht bei Lebens- oder Wohngemeinschaften
Bei Partnern einer Lebens- oder Wohngemeinschaft, die gemeinsam eine Wohnung gemietet haben, besteht nach der Rechtsprechung ein Anspruch auf Mitwirkung an der gemeinsamen Kündigung gegen den anderen Mieter. Dies gilt jedoch nur, wenn keine berechtigten Interessen des anderen Mieters entgegenstehen.
Wenn der in der Wohnung verbleibende Mieter die Wohnung mit Einverständnis des Vermieters allein weiter nutzt, ist er nach Treu und Glauben verpflichtet, an einer der tatsächlichen Nutzung entsprechenden Vertragsänderung mitzuwirken.
Praktische Auswirkungen für Sie
Wenn Ihr Mitmieter nach Ihrem Auszug in der Wohnung verbleibt, Ihnen den Zugang verwehrt und gleichzeitig die Zustimmung zur Kündigung verweigert, können Sie sich möglicherweise auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. In einem solchen Fall müsste sich der verbleibende Mieter so behandeln lassen, als hätte er der Kündigung zugestimmt.
Beachten Sie jedoch, dass die bloße Tatsache, dass ein Mitmieter ausgezogen ist, allein nicht ausreicht, um die Treuwidrigkeit zu begründen. Auch ein längerer Zeitraum allein reicht für die Annahme von Treuwidrigkeit nicht aus.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Treu und Glauben
„Treu und Glauben“ ist ein fundamentales Rechtsprinzip im deutschen Zivilrecht, verankert in § 242 BGB. Es verpflichtet alle Beteiligten eines Rechtsverhältnisses, redlich, fair und rücksichtsvoll zu handeln und die berechtigten Interessen des anderen zu berücksichtigen. Das Prinzip dient als Korrektiv für formal rechtlich zulässiges, aber nach den Umständen unangemessenes oder unredliches Verhalten.
Beispiel: Wenn ein Mitmieter nach Auszug des anderen dessen Kündigung verhindert, obwohl er die Wohnung allein nutzt, kann dies gegen Treu und Glauben verstoßen und dazu führen, dass ein Gericht die Kündigung dennoch als wirksam ansieht.
Vollstreckungsbescheid
Ein Vollstreckungsbescheid ist ein gerichtlicher Titel, der im Mahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO erlassen wird, wenn der Schuldner gegen einen zuvor ergangenen Mahnbescheid keinen Widerspruch eingelegt hat. Er ermächtigt den Gläubiger zur Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
Beispiel: Die Vermieterin erwirkte einen Vollstreckungsbescheid beim Amtsgericht Hamburg-Altona, um rückständigen Mietzins einzutreiben. Diesen konnte die Mieterin durch einen Einspruch anfechten, was zur gerichtlichen Prüfung und letztendlich zur Aufhebung des Vollstreckungsbescheids führte.
Widerklage
Die Widerklage ist ein prozessuales Rechtsmittel nach § 33 ZPO, mit dem der Beklagte im laufenden Verfahren eigenständige Ansprüche gegen den Kläger geltend machen kann. Sie erweitert den Streitgegenstand und ermöglicht eine Prozessökonomie, da beide Ansprüche in einem Verfahren entschieden werden können.
Beispiel: Während die Vermieterin rückständigen Mietzins forderte, erhob die Mieterin Widerklage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis bereits zum 28. Februar 2021 beendet war – eine Strategie, die erfolgreich war, da das Gericht dieser Feststellungsklage stattgab.
Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist eine gerichtliche Anordnung, die es einer Partei ermöglicht, ein Urteil bereits vor dessen Rechtskraft zu vollstrecken (§ 708 ff. ZPO). Sie soll dem Gläubiger helfen, zeitnah zu seiner Forderung zu kommen, kann aber an Sicherheitsleistungen gebunden sein, um den Schuldner vor Nachteilen zu schützen, falls das Urteil später aufgehoben wird.
Beispiel: Das Gericht erklärte sein Urteil für vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags, was bedeutet, dass die obsiegende Partei das Urteil vollstrecken kann, wenn sie diese Sicherheit hinterlegt.
Streitwert
Der Streitwert ist der in Geld ausgedrückte wirtschaftliche Wert des Streitgegenstandes eines gerichtlichen Verfahrens. Er ist maßgeblich für die Bestimmung der Gerichtskosten und Anwaltsgebühren gemäß dem Gerichtskostengesetz (GKG) und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die Festsetzung erfolgt durch das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.
Beispiel: Im vorliegenden Fall setzte das Gericht den Streitwert auf 10.713,13 Euro fest, was die Grundlage für die Berechnung der Verfahrenskosten bildete, die zwischen den Parteien im Verhältnis 70% zu 30% aufgeteilt wurden.
Mietverhältnis
Das Mietverhältnis bezeichnet das rechtliche Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, das durch den Mietvertrag begründet wird und im BGB (§§ 535 ff.) geregelt ist. Es umfasst gegenseitige Rechte und Pflichten wie die Gebrauchsüberlassung der Mietsache gegen Entgelt sowie Regelungen zur Kündigung.
Beispiel: Im vorliegenden Fall war strittig, ob das Mietverhältnis durch die einseitige Kündigung eines von zwei Mietern wirksam beendet wurde – das Gericht entschied, dass dies unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben der Fall war, besonders da der Mieterin der Zugang zur Wohnung durch Austausch der Schlösser verwehrt wurde.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt, dass jeder Vertragspartner seine Rechte und Pflichten nach Treu und Glauben erfüllen muss. Das bedeutet, man darf seine Rechte nicht missbrauchen oder sich unredlich verhalten, um einen Vorteil zu erlangen oder jemand anderen zu schädigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Kündigung formal unwirksam war, weil der Ex-Partner nicht zustimmte, entschied das Gericht, dass er sich treuwidrig verhielt, indem er die Zustimmung verweigerte, aber in der Wohnung blieb und die Beklagte aussperrte. Daher wurde seine fehlende Zustimmung ignoriert und die Kündigung als wirksam angesehen.
- §§ 130, 1302 BGB (analog): Diese Paragraphen regeln im Allgemeinen, wann und wie Willenserklärungen (wie eine Kündigung) wirksam werden, besonders wenn mehrere Personen beteiligt sind. Im Mietrecht gilt der Grundsatz, dass bei einem Mietvertrag mit mehreren Mietern oder Vermietern alle Parteien gemeinsam handeln müssen, um z.B. eine Kündigung auszusprechen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Kündigung der Beklagten allein war zunächst unwirksam, weil sie den Mietvertrag gemeinsam mit ihrem Ex-Partner abgeschlossen hatte und er der Kündigung nicht zustimmte. Normalerweise müssten beide Mieter gemeinsam kündigen, damit die Kündigung wirksam ist.
- § 535 Abs. 2 BGB: Dieser Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die Grundlage des Mietvertrages und bestimmt die Hauptpflicht des Mieters. Danach ist der Mieter verpflichtet, die vereinbarte Miete an den Vermieter zu zahlen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin forderte rückständige Miete von der Beklagten basierend auf diesem Paragraphen, da sie der Meinung war, der Mietvertrag sei nicht wirksam beendet worden und die Beklagte sei weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet. Das Gericht wies die Klage jedoch ab, da es die Kündigung aufgrund von Treu und Glauben als wirksam ansah.
Das vorliegende Urteil
AG Bad Segeberg – Az.: 17b C 66/23 – Urteil vom 23.05.2024
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