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Vermieter muss Stromunterbrechung in Mietwohnung ankündigen!

AG Bremen, Az: 9 C 290/15, Urteil vom 01.10.2015

1.  Der Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 26.06.2015, 9 C 290/15, bleibt aufrechterhalten.

2.  Der Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Stromzähler: Vermieter muss Stromunterbrechung in Mietwohnung ankündigen!Die Klägerin macht im Einstweiligen Rechtsschutzverfahren Unterlassungsansprüche geltend.

Die Parteien bewohnen das Haus S… in Bremen; der Verfügungsbeklagte vermietete der als freie Journalistin tätigen Verfügungsklägerin mit Vertrag vom 11.11.2011 die Wohnung Nr. 3 im 2. Obergeschoss des Hauses. Der Verfügungsbeklagte ist Eigentümer der Immobilie und verwaltet diese über seine eigene Verwalterfirma. Im Frühjahr 2015 wurden im Hause Elektroarbeiten durchgeführt; bei Ausführung der Arbeiten kam es mehrfach zu Stromunterbrechungen.

Die Verfügungsklägerin trägt vor, dass der Beklagte die handwerklichen Arbeiten im Hause selbst und unfachmännisch vorgenommen habe. Am 30.03.2015, 16.04.2015 und 21.04.2015 sei der Strom ohne hinreichende Ankündigung unterbrochen worden.

Nachdem die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 26.06.2015, eingegangen am selben Tage, beantragt hatte, dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, den Strom für die im 2. OG (Dachgeschoss) des Hauses S…, 28203 Bremen gelegene Wohnung Nr. 3 sowie für das dortige Treppenhaus abzustellen, sofern dieses nicht für die Durchführung fachgerechter Arbeiten und der Stromversorgung erforderlich ist und dieses nicht mindestens drei Tage zuvor der Verfügungsklägerin schriftlich mitgeteilt wird unter genauer Angabe der voraussichtlichen Zeit und Dauer der Stromunterbrechung, ist am 26.06.2015 ein entsprechender Verfügungsbeschluss ergangen. Gegen diesen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 06.07.2015 Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 26.06.2015 aufrecht zu erhalten.

Der Verfügungsbeklagte beantragt, die Einstweilige Verfügung vom 26.06.2015 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass die erneute Anrufung des Zivilgerichts unzulässig sei, weil die Klägerin denselben Antrag bereits zuvor in dem Gewaltschutzverfahren AG Bremen, … gestellt habe. Es bestünde keine besondere Dringlichkeit; die Durchführung der Elektroarbeiten sei bereits 2009 von der Hausverwalterfirma in Auftrag gegeben worden. Die Klägerin selbst habe kurzzeitige Mangelbeseitigung gefordert. Am 21.04.2015 sei lediglich der Allgemeinstrom abgestellt worden. Die kurzzeitige Stromabschaltung vom 30.03.2015 sei mit Mail vom 23.03.2015 bekannt gegeben worden. Aufgrund der Kündigung vom 23.04.2015 sei das Mietverhältnis ohnehin seit dem 31.07.2015 beendet; weitere Installationsarbeiten stünden nicht an.

Das Gericht hat die familiengerichtlichen Akten des Amtsgerichts Bremen, …. beigezogen.

Entscheidungsgründe

Der Widerspruch des Verfügungsbeklagten hat in der Sache keinen Erfolg (§§ 922, 924, 935 ZPO).

Denn der Verfügungsantrag ist zulässig und begründet.

Eine entgegenstehende Rechtshängigkeit liegt nicht vor. Zwar hat die Klägerin in dem an das Familiengericht Bremen adressierten Schriftsatz vom 04.05.2015 zu dem hiesigen Sachverhalt vorgetragen; es wurden unter Ziff. 1 jedoch nur Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt (Bl. 2 der beigezogenen Akte). Der im hiesigen Verfahren gestellte Antrag ist der Akte 67 F … nicht zu entnehmen; es findet sich auf Blatt 66, Rückseite, lediglich die Verfügung des Richters am Amtsgericht Dr. U… vom 27.05.2015: „Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung an Zivilabteilung mit dem Zusatz: Es handelt sich offensichtlich Irrläufer“. Möglicherweise hat das Familiengericht den diesbezüglichen Originalschriftsatz (2. Antragsschrift vom 04.05.2015) versehentlich an den Beklagten versendet (vgl. Terminprotokoll vom 04.06.2015, Bl. 92, und Bl. 154 der beigezogenen Akte). Es findet sich in der Akte 67 F… auf Bl. 170 lediglich eine nicht unterzeichnete Abschrift der Antragsschrift vom 04.05.2015 – Unterlassung wegen Stromunterbrechung – mit Eingangsstempel vom 04.04.2015; diese ist – formal zutreffend – nicht an das Familiengericht, sondern das Amtsgericht Bremen adressiert worden. Sollte der hiesige Verfügungsantrag also jemals beim Familiengericht anhängig geworden sein, wäre zwischenzeitlich jedenfalls eine Abgabe der Sache von Amts wegen erfolgt. Eine doppelte Rechtshängigkeit im Sinne des § 261 III Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben. Das Familiengericht hat über den Unterlassungsanspruch wegen Stromunterbrechung am 04.06.2015 weder verhandelt, noch entschieden; der Anspruch ist dort nicht anhängig.

Es besteht gemäß § 1004 BGB i.V.m. §§ 535, 280 BGB ein Verfügungsanspruch.

Zwar stellt die zum Nachteil des Mieters erfolgte Unterbrechung der Stromversorgung durch den Vermieter keine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 862 BGB dar (Palandt, 73. A., § 862, Rn. 4; BGH NJW 2009, 1947 für beendetes Gewerbemietverhältnis); gleichwohl wird der berechtigte Besitz des Mieters durch die Unterbrechung der Stromzufuhr beeinträchtigt.

Der berechtigte Besitz ist ein nach § 1004 BGB (analog) geschütztes absolutes Rechtsgut (Palandt, 73. A., § 1004, Rn. 4; 823, Rn. 13). Die Unterbrechung der Stromzufuhr durch den Vermieter ist eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB; aus § 535 I BGB folgt ein Anspruch des Mieters auf Unterlassung künftiger Unterbrechungen (KG MDR 2015, 19). Wiederholungsgefahr besteht bereits bei einmaliger – pflichtwidriger bzw. rechtswidriger – Unterbrechung der Stromzufuhr (vgl. Palandt, 73. A., § 1004, Rn. 32).

Aus dem Mietverhältnis folgt die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Zwar ist der Mieter verpflichtet, erforderliche Bauarbeiten im Hause zu dulden (vgl. § 8 des Mietvertrags). Kurzzeitige Unterbrechungen der Stromversorgung sind insofern vom Mieter unter Umständen hinzunehmen.

Der Vermieter ist jedoch verpflichtet, die Beeinträchtigungen so gering als möglich zu halten. Die der Stromunterbrechung zugrunde liegende Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme ist vorab anzukündigen (§§ 555a II, 555c BGB); dies gilt auch, sofern die Mietsache lediglich mittelbar betroffen ist (vgl. Palandt, 73. A., § 555a, Rn. 2; § 555b, Rn. 2: Gebäude und dessen Einrichtungen und Anlagetechnik). Sofern kein Notfall vorliegt, muss der Vermieter seine Mieter rechtzeitig von der anstehenden Stromunterbrechung in Kenntnis setzen, damit diese ihr Verhalten darauf einstellen können. Dies gilt auch für die Unterbrechung des Gemeinschaftsstroms, da in diesem Fall die Klingelanlage der Haustür nicht mehr funktioniert und der Mieter also für Besucher nur noch eingeschränkt erreichbar ist. Erforderlich ist eine Interessensabwägung im Einzelfall (KG, MDR 2015, 19 für Gewerberaummiete):

Zugunsten des Verfügungsbeklagten ist zu berücksichtigen, dass die Stromunterbrechung infolge des Austausches bzw. der Modernisierung der elektrischen Leitungen des Hauses … erfolgte; der Beklagte verfolgte also grundsätzlich berechtigte Interessen, die den Interessen der Mieter an sich nicht entgegenstehen. Andererseits ist in die Abwägung einzustellen, dass die Klägerin als freie Journalistin in besonderer Weise auf eine durchgängige Stromversorgung angewiesen ist (Telefon, EDV, WLAN); bei Ausfall des Treppenhausstroms bzw. der Klingelanlage können Pakete unter Umständen nicht zugestellt werden.

Es kann dahinstehen, ob die der Stromunterbrechung zugrunde liegenden Baumaßnahmen der Klägerin rechtzeitig angezeigt wurden. Auch muss nicht vertieft werden, ob der Beklagte gehalten gewesen wäre, die Arbeiten durch Fachfirmen ausführen zu lassen, um hierdurch das Ausmaß der Beeinträchtigungen ggf. zu reduzieren.

Denn unstreitig kam es zu mehreren, vorsätzlich durch den Beklagten herbeigeführten, Stromausfällen. Der Beklagte trägt lediglich vor, die Unterbrechung vom 30.03.2015 mit Mail vom 23.03.2015 angekündigt zu haben. Da er hinsichtlich der Erforderlichkeit und der rechtzeitigen Anzeige der Unterbrechungen ohnehin die Darlegungs- und Beweislast trägt, war antragsgemäß zu entscheiden. Denn im hiesigen Verfahren erfolgte keine hinreichende Glaubhaftmachung des Beklagtenvortrags (§§ 920 II, 935, 294 ZPO); lediglich die Antragstellerin führte in das hiesige Verfahren ihre Eidesstattliche Erklärung vom 24.04.2015 ein.

Es besteht ein Verfügungsgrund. Dass der Antrag erst 3 Monate nach dem ersten Vorfall beim erkennenden Gericht einging, ist unschädlich, zumal die erste Antragsschrift offenbar bereits am 04.05.2015 – und also 2 Wochen nach dem letzten Vorfall vom 21.04.2015 – beim Amtsgericht Bremen eingereicht wurde. Die Wiederholungsgefahr entfällt nicht bereits durch die Ankündigung des Beklagten, dass zukünftig keine weiteren Installationsarbeiten geplant seien.

Selbst wenn das Mietverhältnis zwischenzeitlich beendet worden wäre, bestünde bis zum Auszug der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. KG, MDR 2015, 19).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Das Verfügungsurteil ist per se sofort vollstreckbar (Thomas/Putzo, 35. A., § 708, Rn. 7). Es entfaltet jedoch nur für die Dauer von 6 Monaten, gerechnet ab dem Datum des Urteilserlasses, Regelungswirkung, da die Hauptsache nicht vorwegzunehmen ist.

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