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Vermieterkündigung gegenüber mehreren Mietern

LG Berlin – Az.: 67 S 33/16 – Urteil vom 04.07.2016

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. Dezember 2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding – 15a C 157/15 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltene Wohnung im Hinterhaus, 1. Treppe links des Anwesens … Straße 50 in … Berlin, bestehend aus einem Zimmer, einer Kammer, einer Küche, einem Korridor sowie die von ihm innegehaltenen Kellerräume Nr. 2, 13 und 15 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, über den bereits vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zugesprochenen Betrag hinaus an die Klägerin 220,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. März 2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des ersten Rechtszugs zu tragen. Die Kosten des zweiten Rechtzuges haben die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte zu tragen.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Januar 2017 gewährt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft und die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind erfüllt. Die Berufung ist damit insgesamt zulässig.

Die in zweiten Rechtszug erfolgte Klageerweiterung ist als Klageänderung zulässig gemäß § 533 ZPO. Für den sich an die erstinstanzlich zugesprochenen Zahlungsanspruch anschließenden Zeitraum sind die Zahlungs- und Feststellungsansprüche der Klägerin auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hätte. Ferner ist sie auch sachdienlich, § 533 Nr. 1 und 2 ZPO.

Die Berufung ist auch teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihm innegehaltenen Wohnung im Hinterhaus, 1. Treppe links des Anwesens … Straße 50 in … Berlin. Der Anspruch ergibt sich aus § 546 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses an den Vermieter zurückzugeben. Der Herausgabeanspruch der Klägerin bezüglich der vom Beklagten innegehaltenen weiteren Kellerräume ergibt sich aus § 985 BGB, da ein Recht zum Besitz nicht mehr besteht.

Das zwischen den Parteien vormals bestehende Mietverhältnis ist beendet. Die in der Klagschrift ausgesprochene fristlose Kündigung der Klägerin ist wirksam.

a) Die Kündigung entspricht den formellen Anforderungen. Sie ist gemäß § 568 Abs. 1 BGB schriftlich erfolgt und ausreichend im Sinne des § 569 Abs. 4 BGB begründet.

b) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung musste die Kündigung auch nicht gegenüber der unstreitig mehr als vierzig Jahre nicht mehr in der Wohnung lebenden Ehefrau und ehemaligen Mitmieterin des Beklagten ausgesprochen werden. Zwar führt das Amtsgericht grundsätzlich zutreffend aus, dass ein Mietverhältnis, das auf Mieterseite mit mehreren Personen geschlossen wurde, auch gegenüber allen Mietern gekündigt werden muss. Im gegenständlichen Verfahren verhält sich der Beklagte aber treuwidrig, wenn er einerseits – zuletzt in der Berufungsverhandlung – selbst ausführt, dass seine damalige Ehefrau mindestens seit 1971 ausgezogen sei und auch er keinerlei Kenntnis habe, ob und ggf. wo sie noch lebe und sich andererseits darauf beruft, dass das Mietverhältnis mit ihr noch fortbestehe und deshalb auch ihr gegenüber gekündigt werden müsse. Unstreitig haben beide Parteien seit mehr als 40 Jahren das Mietverhältnis miteinander ohne die Ehefrau des Beklagten fortgesetzt, wobei sämtliche beiderseitigen Erklärungen ausschließlich von ihm allein abgegeben und auch ihm gegenüber von Vermieterseite adressiert wurden. Insofern ist davon auszugehen, dass beide Parteien konkludent das Mietverhältnis allein miteinander fortgesetzt und einvernehmlich die Ehefrau aus dem Mietverhältnis entlassen haben. In einem solchen Fall ist zur Überzeugung der Kammer auch nicht ersichtlich, dass nach Ablauf von mehr als 40 Jahren die Rechte der ehemalige Mitmieterin auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auch mit ihr verletzt wären, denn aufgrund des Lebensalters und des Zeitablaufes ist lebensnah nicht mehr damit zu rechnen, dass sie ein ernsthaftes und schützenswertes Interesse an der Fortsetzung des vor über 40 Jahren von ihr faktisch beendeten Mietverhältnisses besteht, wie es gleichsam von Vermieterseite ebenso treuwidrig sein dürfte, sie als Gesamtschuldnerin auf Zahlung der Rückstände in Anspruch zu nehmen.

c) Es liegt auch ein zur fristlosen Kündigung berechtigender Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Forstsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies ist im gegenständlichen Verfahren der Fall.

Im Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung hatte der Beklagte die geschuldete Miete seit mindestens November 2012 entgegen der Vereinbarung in § 4 Ziffer 1 des Mietvertrages beharrlich zu spät, meist erst zur Monatsmitte gezahlt. Ferner leistete er überwiegend eine um 20,00 € zu geringe Miete. Die Miete war aufgrund einer Erhöhung der Vorauszahlungen gemäß der Betriebskostenabrechnung vom 12. August 2014 auf insgesamt 268,54 € erhöht worden. Eine pünktliche Zahlung erfolgte in fast keinem Monat. Der Beklagte wurde von der Hausverwaltung auch wiederholt aufgefordert, die Miete vertragsgemäß pünktlich und vollständig zu zahlen, so unter anderem mit Schreiben vom 13. November 2012, 27. März 2014, 5. September 2014, 12. November 2014, 23. November 2014 und 9. Januar 2015. Mit den Schreiben vom 5. September 2014 und 9. Januar 2015 wurde der Beklagte auch ausdrücklich abgemahnt und auf die Absicht der Klägerin hingewiesen, im Falle weiterer entsprechender Vertragsverstöße eine Kündigung des Mietverhältnisses auszusprechen. Dessen ungeachtet setzte der Beklagte seine unpünktliche und unvollständige Zahlungsweise fort.

Fortdauernde unpünktliche Mietzahlungen stellen einen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses dar (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1987 – VIII ZR 265/86 und Urteil vom 11. Januar 2006 – VIII ZR 364/04). Im gegenständlichen Verfahren war der Beklagte auch in den Schreiben vom 5. September 2014 und 9. Januar 2015 vor Ausspruch der Kündigung unmissverständlich darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin die unpünktliche und unvollständige Zahlung der Miete in Zukunft nicht mehr hinnehmen und bei weiteren Verstößen die Kündigung aussprechen werde.

All das beeindruckte den Beklagten jedoch nicht. Er setzte die vertragswidrige, von ihm für richtig gehaltene Zahlungsweise auch beharrlich nach Erhalt dieser Abmahnungen fort. Damit zeigte der Beklagte, dass er die ihm durch die Erteilung einer Abmahnung gewährte letzte Chance, das bei der Klägerin in seine Vertragstreue verloren gegangene Vertrauen doch noch zurückzugewinnen, nicht wahrzunehmen gedachte. Der Erfolg der Abmahnung muss sich für den Vermieter darin zeigen, dass der Mieter sein vertragswidriges Verhalten aufgibt und für die Zukunft die Gewähr bietet, zur Vertragstreue zurückzukehren. Im gegenständlichen Verfahren zeigte der Beklagte hingegen durch sein Verhalten, dass er weiterhin nicht bereit sein würde, pünktlich und vollständig zu zahlen, so dass der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zuzumuten war.

An dieser Einschätzung ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte – wie er selbst in der mündlichen Verhandlung ausführte – sein gesamtes Leben von über 80 Jahren in dieser Wohnung gelebt hat. Zwar wiegt ein Vertragsverstoß in einem solch lang andauernden Vertragsverhältnis nicht so schwer wie in einem nur kurze Zeit bestehenden. Auch hat das Gericht zu Gunsten des Beklagten sein hohes Lebensalter und die möglicherweise schwerer für ihn als für einen jungen Menschen zu erledigenden unübersichtlichen täglichen Verpflichtungen wie die Mietzahlung berücksichtigt. Das Gericht muss dagegen aber das Interesse der Klägerin an einer pünktlichen und vollständigen Mietzahlung abwägen, wenngleich die Summe des monatlich verspätet oder gar nicht gezahlten Betrages gering ist. Zu Lasten des Beklagten wirkt sich aber zusätzlich aus, dass er selbst nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils im Dezember 2015 jedenfalls die unvollständige Mietzahlung fortgesetzt und erst nach Unterstützung durch das Bezirksamt Mitte ab April 2016 einen Dauerauftrag eingerichtet hat, so dass jedenfalls seither mit einer pünktlichen und vollständigen Zahlung zu rechnen ist. Zu Lasten des Beklagten muss aber wiederum berücksichtigt werden, dass er den Betrag zuzüglich Zinsen, zu dessen Zahlung ihn das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung verurteilt hat, erst in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2016 und damit gleichfalls „in letzter Sekunde“ ausgeglichen hat. Offen ist unstreitig aber wiederum der Differenzbetrag der monatlich zu wenig geleisteten Miete aus dem Zeitraum April 2015 bis Februar 2016 in Höhe von insgesamt 220,00 €, obwohl der Beklagte durch die Einrichtung des Dauerauftrages in Höhe der vollständigen verlangten Miete zum Ausdruck gebracht hat, dass auch er diesen Betrag für vertragsgemäß ansieht, ohne einen Entschuldigungsgrund für den eingetretenen Rückstand oder seine Säumigkeit geltend zu machen.

2. Ferner hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses aus dem Zeitraum April 2015 bis Februar 2016 in Höhe von monatlich 20,00 €, mithin in Höhe von insgesamt 220,00 € gemäß § 535 Abs. 2 BGB. In diesen Monaten zahlte der Beklagte eine unstreitig um 20,00 € zu geringe Miete.

3. Ein Anspruch der Klägerin zur Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete, die die Klägerin in Höhe der bisher geschuldeten Miete beziffert, besteht nicht. Unstreitig hat der Beklagte seit April 2016 einen Dauerauftrag zur Zahlung der Miete eingerichtet und zwar in Höhe des vollständigen vormaligen Mietzinses. Aus diesem Grunde ist nicht zu befürchten, dass der Beklagte sein unpünktliches und unvollständiges Zahlungsverhalten auch nach der mündlichen Berufungsverhandlung bis zur Räumung der Wohnung noch weiter fortsetzen wird.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 ZPO.

6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

7. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

8. Dem Beklagten war aufgrund seines Alters und der außergewöhnlich langen Dauer des Mietverhältnisses von Amts wegen eine Räumungsfrist von sieben Monaten zu gewähren, § 721 Abs. 1 ZPO. Damit ist sichergestellt, dass sich der Beklagte in Ruhe und mit Unterstützung des ihn betreuenden Bezirksamts Mitte eine neue angemessene Wohnung suchen kann und eine drohende Obdachlosigkeit vermieden wird. Andererseits wahrt die gewährte Frist auch das berechtigte Interesse der Klägerin an einer Zurückerlangung der Wohnung.

 

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