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Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch – § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB

LG Berlin – Az.: 65 S 36/21 – Urteil vom 21.09.2021

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 22.12.2020, -. 8 C 157/20 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 88% und die Klägerin zu 12%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II.

1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht die vom Amtsgericht zuerkannten Auskunftsansprüche, §§ 556g Abs. 3, 556d, 398 BGB iVm der Mietenbegrenzungsverordnung Berlin vom 28. April 2015 (MietBegrV Berlin 2015); den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete für den Monat September 2019 hat das Amtsgericht ebenfalls zu Recht bejaht, §§ 556g Abs. 1, 556d Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 398 BGB in Verbindung mit der MietBegrV Berlin vom 28. April 2015.

a) Die Anwendung der §§ 556d ff. BGB ist nicht nach § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

Nach dieser Regelung gelten (unter anderem) die Vorschriften über die Miethöhe bei Mietbeginn auf angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d bis 556g) nicht für die Mietverhältnisse über Wohnraum, der nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist.

Ein solches Mietverhältnis hat das Amtsgericht hier zu Recht nicht angenommen.

Für die Bewertung, ob es sich um eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch im Sinne von § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB handelt, ist neben dem zeitlichen Moment der vereinbarte Vertragszweck maßgeblich (vgl. Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 22; BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 16; Hinz in Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, § 549 Rn. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 549 Rn. 5; LG Berlin [ZK 65], Urt. v. 18.12.2019 – 65 S 101/19, WuM 2020, 163; [ZK 66], Urt. v. 05.06.220 – 66 S 68/18, ZMR 2020, 836). Der bloße Wunsch des Vermieters, ein Mietverhältnis kurz zu begrenzen, kann nur in den Grenzen des § 575 BGB verwirklicht werden (Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 22).

Eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch liegt nach einhelliger Ansicht typischerweise bei Hotelzimmern, Ferienwohnungen oder Ferienhäusern vor, die (vorübergehend, für kurze Zeit) zu Urlaubszwecken gemietet werden (BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 16.1; Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 23; Hinz in Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, § 549 Rn. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 549 Rn. 5; MüKoBGB/Bieber, 8. Aufl. 2020, § 549 Rn 18).

Dem entspricht die Vorstellung des Gesetzgebers, der im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 unter Hinweis auf die insoweit unveränderten Vorgängerregelungen in § 564b Abs. 7 Nr. 1 BGB und § 10 Abs. 3 Nr. MHG Wohnungen zur Erholung und Freizeitnutzung (z. B. Ferienwohnungen) als Anwendungsfälle der Vorschrift definierte. Bei langfristig vermieteten Zweit- und Ferienwohnungen kommt es (bereits) auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 46).

Die in § 549 Abs. 2 und 3 BGB genannten Mietverhältnisse werden vom Schutz des sozialen Mietrechts ausgenommen, weil es in den Vertragskonstellationen an dem die Mieterschutzvorschriften rechtfertigenden besonderen Schutzbedürfnis des Wohnraummieters fehlt, weil die angemieteten Wohnräume nicht seinen räumlichem Lebensmittelpunkt bilden und – nach der dem Vermieter bekannten Zwecksetzung des Mieters – auch nicht bilden sollen (vgl. Wertungen BVerfG, Beschluss vom 26.05.1993 – 1 BvR 208/93; BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 15; Staudinger/Artz, [2021] BGB § 549 Rn. 22).

Maßgeblich ist damit nicht nur die kurzzeitige Überlassung, es muss auch eine besondere Zwecksetzung des Gebrauchs gegeben sein, bei der nicht das Wohnen in dem Sinne von „zu Hause sein“ oder der Begründung einer „Heimstatt im Alltag“ im Vordergrund steht. Mit dieser Wendung ist nicht nur eine dauernde „Unterkunft“ gemeint, sondern die Wahl einer Wohnstatt, die Ausgangspunkt für die Begründung persönlicher Bindungen, sozialer Beziehungen, der beruflichen und privaten Lebensführung – und damit eben der räumliche Lebensmittelpunkt – sein soll (BeckOGK/H. Schmidt, 01.07.2021 BGB, § 549 Rn. 16).

Hier wollten die Mieter ihren ausschließlichen Lebensmittelpunkt in der Wohnung begründen, um in der Stadt zu leben und zu arbeiten; dieser Zweck bildete die Grundlage des Vertrages. Welcher nur vorübergehende Zweck stattdessen von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzt worden sein soll, lässt sich weder dem Vertrag noch dem Vortrag des Beklagten entnehmen. Die „ausländische Verwurzelung“ der Mieter allein ist ersichtlich kein Indiz für die Unterstellung der Absicht einer nur vorübergehenden Nutzung. Weshalb ihre berufliche Situation die Annahme rechtfertigen soll, erschließt sich ebenfalls nicht. Welches online-Portal die Mieter nutzten, um eine Wohnung zu finden, ist ohne Belang, wenn – wie hier – außer dem Wunsch des Beklagten als Vermieter, einen Vertrag abzuschließen, auf den die Mieterschutzvorschriften nicht anwendbar sind, nichts auf eine entsprechende gemeinsame Zwecksetzung hindeutet. Aus dem Umstand, dass in § 2 des Mietvertrages (zusätzlich) auf § 575 BGB hingewiesen wird, ergibt sich mit Blick auf die Anwendung des § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB nichts. Die Regelungen können nicht nebeneinander angewendet werden, sondern schließen sich wechselseitig in der Anwendung aus.

b) Auf die Klausel in § 2 des Mietvertrags kann der Beklagte sich nicht mit Erfolg berufen. Es handelt sich ersichtlich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB, die vom Beklagten für eine Mehrzahl von Fällen vorbereitet und genutzt worden ist. Die Klausel benachteiligte die Mieter unangemessen, § 307 Abs. 1 BGB.

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine ungemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Die Regelung entzieht das Mietverhältnis der Anwendung der Mieterschutzvorschriften, ohne dass die – eng definierten – Voraussetzungen dafür vorliegen. Ein individualvertragliches Aushandeln lässt sich weder dem Vertrag entnehmen noch dem weiteren Vorbringen in der Berufungsbegründung. Denn soweit mit den Mietern „verhandelt“ worden sein soll, bezieht sich das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsbegründung allein auf die Dauer des Mietverhältnisses und eine vorzeitige, vor dem Ablauf des 31.07.2020 mögliche Kündigungsmöglichkeit.

c) Ohne Erfolg wendet der Beklagte sich gegen die Höhe des vom Amtsgericht zuerkannten Rückzahlungsbetrages für den Monat Oktober 2019 mit der Begründung, der Nebenkostenanteil sei entsprechend der am 18. Dezember 2020 erstellten Nebenkostenabrechnung aus der vereinbarten Bruttomiete herauszurechnen.

Dahinstehen kann, ob der Beklagte mit dem neuen Vortrag nach §§ 529, 531 ZPO ausgeschlossen ist, weil die Abrechnung bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erstellt worden ist. Ebenso offenbleiben kann, inwieweit die Abrechnung – etwa mit der Position „Fassadenwartung“ – Kosten enthält, die nach § 535 Abs. 1 Satz 3 BGB der Vermieter zu tragen hat. Es kommt schließlich auch nicht mehr darauf an, dass die Höhe der jetzt behaupteten Nebenkosten und die Richtigkeit der Abrechnung seitens der Klägerin bestritten worden ist und der Beklagte diesbezüglich keinen Beweis angetreten hat.

Der Beklagte übersieht entscheidend, dass die höchst zulässige Miete nach § 556d Abs. 1 BGB an den Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses anknüpft. Die Abrechnung bildet schon keine geeignete Grundlage für die Feststellung der Höhe der Nebenkosten für den Zeitraum bis Mietvertragsbeginn.

d) Mit dem erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Vorbringen, die Bruttomiete sei einvernehmlich um 20,00 EUR herabgesetzt worden, kann der Beklagte schon deshalb nicht durchdringen, weil die dazu vorgelegte E-Mail vom Juni 2019 eine einvernehmliche Übereinkunft aller Vertragsbeteiligten (beider Mieter und des Beklagten) nicht belegt.

2. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren verhältnismäßig zu teilen, nachdem die Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Anschlussberufung zurückgenommen hat. Bei der Anschlussberufung handelt es sich zwar nicht um ein eigenständiges Rechtsmittel, sondern nur einen Antrag innerhalb des vom Prozessgegners eingelegten Rechtsmittels mit der Folge, dass die Kosten der Anschlussberufung dem Berufungskläger dann aufzuerlegen sind, wenn die Anschlussberufung ihre Wirkung durch Rücknahme der Berufung verliert (vgl. BGH, Beschluss vom 26. 01. 2005 – XII ZB 163/04, NJW-RR 2005, 727, [728], beck-online, mwN zur st. Rspr. des BGH).

Anders verhält es sich, wenn über das Anschlussrechtsmittel eine eigene Entscheidung ergeht, die nach dem Rechtsgedanken des § 97 Abs. 1 ZPO bei einer einheitlichen Kostenentscheidung zu berücksichtigen ist. In diesen Fällen fehlt es an der Abhängigkeit (des Erfolgs) der Anschließung vom eingelegten Rechtsmittel (Berufung); es ist nicht der Rechtsmittelkläger, der dem Anschlussrechtsmittelkläger die Möglichkeit zur Durchführung des Verfahrens nimmt (BGH, Beschluss vom 26. 01. 2005 – XII ZB 163/04, NJW-RR 2005, 727, [728], beck-online).

Ebenso liegt es dann, wenn – wie hier – der Anschlussberufungskläger selbst die Entscheidung trifft, das Anschlussrechtsmittel nicht weiterzuverfolgen. Die Rücknahme der Anschlussberufung ist nach dem Rechtsgedanken des § 516 Abs. 3 ZPO im Rahmen der – hier – einheitlich nach § 92 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. sondern beruht auf der Bewertung der Umstände des gegebenen Einzelfalls. Die Entscheidung beruht vielmehr auf der dem Tatrichter vorbehaltenen Bewertung der Umstände des Einzelfalls.

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