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Versorgungssperre des Vermieters gegenüber Mietern zur Beschleunigung des Mieterauszugs

LG Koblenz – Az.: 6 S 8/11 – Beschluss vom 24.05.2011

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Gründe

Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten der Berufung auf die Verfügungsbeklagte, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

Die Berufung war zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, in der Sache hätte sie aller Voraussicht nach jedoch keinen Erfolg gehabt, weil sich das angefochtene Urteil als richtig erweist.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Amtsgericht Koblenz in seinem Urteil vom 02.12.2010 von einem sich aus § 242 BGB ergebenden Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers ausgegangen. Ob dem Verfügungskläger ein solcher Anspruch bereits aus § 535 Abs. 1 BGB zustand und ob die von der Verfügungsbeklagten ausgesprochenen Kündigungen, insbesondere diejenige vom 05.04.2010 wirksam waren, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil sich ein Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers bereits aus § 242 BGB auch für den Fall ergab, dass das Mietverhältnis bereits beendet war.

Zwar endet mit der Mietvertragsbeendigung auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 Abs. 1 BGB. Allerdings können nach Treu und Glauben einzelne Verpflichtungen des Vermieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu auch die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen gehören kann. Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – beendeten – Mietvertrages (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung oder etwa durch eine Versorgungssperre drohender, besonders hoher Schaden) ergeben. Eine über die Vertragsbeendigung hinausgehende Versorgungsverpflichtung würde allerdings allein den Interessen des Mieters dienen. Die trotz beendeten Vertrages aus Treu und Glauben nach § 242 BGB herzuleitende Verpflichtung lässt sich daher nur rechtfertigen, wenn sie auf der anderen Seite den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderläuft, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht (BGHZ 180, 300 – 311).

Nach diesen Grundsätzen kann der Vermieter etwa zur Fortsetzung von Versorgungsleistungen verpflichtet sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist nach §§ 721, 765 a, 794 a ZPO gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßig entrichteten Nutzungsentschädigung kein Schaden entsteht (so der BGH in der oben genannten Entscheidung). Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden vergleichbar. Denn der Verfügungskläger hat unstreitig vollständig die Mietzahlungen einschließlich der Vorauszahlungen erbracht. Insoweit droht also der Verfügungsbeklagten kein wirtschaftlicher Nachteil, weil insbesondere auch die Vorauszahlungen stets vollständig und ohne jeden Abzug seitens des Mieters erbracht wurden.

Aus einem etwaigen drohenden Schaden wegen Verzögerung der Umbauarbeiten und der hierdurch resultierenden verspäteten Eigennutzung des Objektes kann die Verfügungsbeklagte ebenfalls kein Recht auf kurzfristige Beendigung der Versorgungsleistungen herleiten. Dass für Umbauarbeiten am nächsten Tag, das heißt dem 26.11.2011, die Versorgung habe eingestellt werden müsse, hat die Verfügungsbeklagte nicht nachvollziehbar dargetan. Ein solches ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Umständen und dem Akteninhalt. Im Gegenteil. Offenbar hatte die Ankündigung der Versorgungseinstellung und der Vollzug derselben nicht in erster Linie den Zweck, die beabsichtigten Umbaumaßnahmen kurzfristig fortzusetzen, sondern diente vielmehr dazu, ausreichenden Druck auf den Vertragspartner auszuüben, um ihn zum kurzfristigen Auszug zu bewegen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten vom 24.11.2010 (Bl. 89 d. GA). Hierin bringt er die beabsichtigte Einstellung der Versorgung in Zusammenhang mit einer „mit gleicher Post“ erhobenen Räumungsklage. Besonders augenscheinlich wird die Intension der Verfügungsbeklagten, die Einstellung der Versorgungsleistungen als Druckmittel zum baldigen Auszug zu missbrauchen (Sibirisches Modell) durch die Formulierung „anscheinend versteht ihr Mandant nur diese Sprache“. Untermauert wird dies zudem durch die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers vom 25.11.2010 (Bl. 90 d. GA). Hieraus ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten sogar fernmündlich damit gedroht hat, die Versorgung werde am 25.11.2010 gekappt, wenn nicht bis zum 25.11.2010 ein Verzicht auf eine Weiternutzung der Räume nach dem 31.12.2010 erklärt werde. Wie bereits oben ausgeführt, war eine solche Vorgehensweise im Hinblick auf § 242 BGB keinesfalls gerechtfertigt, da der Verfügungsbeklagten ein mit der Weiterversorgung einhergehender besonders hoher Schaden nicht drohte. Hinzu kommt, dass die Verfügungsbeklagte durch die Möglichkeit der Geltendmachung eines weiteren Schadens (§ 546 a Abs. 2 BGB) hinreichend geschützt war. Denn unter diese Vorschrift würde grundsätzlich auch derjenige Schaden fallen, der der Verfügungsbeklagten entstehen könnte, wenn die Umbauarbeiten verzögert würden und sie erst verspätet mit einer Eigennutzung des Objektes beginnen könnte (Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Auflage 2011, § 546a BGB, Rz. 17)

Nach alledem bestand für die Verfügungsbeklagte als Vermieterin weder die Gefahr, die Versorgungsleistungen mangels Vorauszahlungen des Mieters auf eigene Kosten erbringen zu müssen, noch das Risiko, durch den verzögerten Umbau in ihrem Vermögen geschädigt zu werden. Bei einer solchen Fallgestaltung verstößt es gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB selbst bei beendetem Mietverhältnis die Versorgungsleistungen kurzfristig einzustellen. Vielmehr war es der Verfügungsbeklagten durchaus zumutbar, die Versorgungsleistungen weiter bis zum 31.03.2011 zu erbringen.

Soweit sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung dagegen wendet, dass das Amtsgericht Koblenz in seiner Entscheidung die Unterlassungsverfügung zu weit gefasst habe, bleibt dies ohne Erfolg. Nach § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Von diesem ihm zustehenden Ermessen hat das Amtsgericht Koblenz vorliegend fehlerfrei Gebrauch gemacht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der Spielraum des Richters bei der Formulierung der einstweiligen Verfügung weit ist. Vorliegend war es nach Auffassung der Kammer sogar angezeigt, den Verfügungstext entsprechend weit zu fassen. Denn unter Berücksichtigung der Einzelheiten des konkreten Falles war die Verfügungsbeklagte aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, den Verfügungskläger bis zu der von ihm selbst akzeptierten Räumung am 31.03.2011 die Versorgungsleistungen zu erbringen. Sogar bei Vorliegen eines rechtskräftigen Räumungstitels mit Räumungsfrist nach §§ 721, 765 a, 794 a ZPO hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Vermieter nach § 242 BGB zur Fortsetzung von Versorgungsleistungen verpflichtet sein kann BGHZ 180, 300 -311). Dies muss im vorliegenden Fall erst recht gelten, da der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zwischen den Parteien vorliegend höchst streitig war und ist.

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