Skip to content
Menü

Versterben des Mieters in Mietwohnung eine Überschreitung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs?

AG Tempelhof-Kreuzberg – Az.: 15 C 59/20 – Urteil vom 24.11.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger gemeinschaftlich 2.000,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2019 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger sind Erben des verstorbenen Mieters der 2-Zimmer-Wohnung L(…) Straße (…) Berlin; Vermieterin der Wohnung war die Beklagte, die von dem Verstorbenen als Mietsicherheit einen Betrag von 2.000 Euro bar erhalten hatte.

Zwischen dem 18. und dem 24. Oktober 2018 verstarb der Mieter in der Wohnung. Er wurde dort am 24. Oktober 2018 im Schlafzimmer aufgefunden. Wegen des in der Wohnung nach dem Versterben des Mieters herrschenden schlechten Geruchs, ließen die Kläger eine Sonderreinigung zum Preis von 2.261,00 Euro durchführen; sie ließen außerdem das Laminat der Wohnung zum Preis von 1.150,00 Euro neu verlegen und eine Wohnungsgrundreinigung zum Preis von 113,05 Euro durchführen.

Nachdem der Mietvertrag von den Klägern zum 31. Januar 2019 gekündigt worden war, fand am 14. Januar 2019 eine Wohnungsabnahme zwischen der Beklagten und dem Kläger zu 3 statt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob anlässlich der Abnahme eine Vereinbarung über den Verbleib der Mietsicherheit getroffen wurde. Anlässlich der Wohnungsübergabe unterzeichneten die Beklagte und der Kläger zu 3 ein Wohnungsabnahmeprotokoll, Anlage K 9 sowie ein von dem Kläger zu 3 aufgesetztes Schreiben, Blatt 64 d.A. In das Wohnungsabnahmeprotokoll wurde von der Beklagten handschriftlich hinzugefügt

„Malerarbeiten werden vom Vermieter durchgeführt. Der Nachlass von Herrn (…) übergibt die Wohnung mit 9 Laminat und in einem ordnungsgemäßen Zustand“.

In dem von dem Kläger zu 3 vorbereiteten Schreiben bittet die Erbengemeinschaft die gezahlte Kaution von 2000 Euro auf ein näher bezeichnetes Konto zu überweisen. Wegen des Inhalts des Übergabeprotokolls und des von dem Kläger zu 3 verfassten Schreibens wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die Anlagen Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 10. September 2019 ließen die Kläger die Beklagte auffordern, die Mietsicherheit bis zum 25. September 2019 an sie zu erstatten.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger gemeinschaftlich 2000 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 6. 20. September 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, auch nach der von den Klägern durchgeführten Sonderreinigung sei die Wohnung von Fliegen und Maden befallen gewesen; außerdem habe in der Wohnung weiterhin Verwesungsgeruch und strenger Geruch als Folge des von den Beklagten beauftragten Tatortreinigers geherrscht. Im Schlafzimmer hätten sich Spritzer vom „Entsorgen der Leiche“ – gemeint war wohl das Hinaustragen des Verstorbenen – und Exkremente befunden. Anlässlich der Wohnungsübergabe am 14. Januar 2019 sei mit dem Kläger zu 3 vereinbart worden, die Beklagte solle die Mietsicherheit behalten und dafür veranlassen, Wände und Decke sowie Heizkörper im Schlafzimmer gestrichen werden.

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 23. Juni 2020 durch Parteivernehmung des Klägers zu 3 über die Behauptung der Beklagten Beweis erhoben, es bei der gemeinsamen Wohnungsabnahme mit dem Kläger zu 3 vereinbart worden sei, dass die Beklagte das Streichen von Decken und Wänden im Fundortzimmer auf eigene Kosten veranlasst und die Kaution dafür bei ihr verbleibt. Das Gericht hat die Beklagte außerdem persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Parteivernehmung und der persönlichen Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 3. November 2020 Bezug genommen

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Die Kläger haben als Miterben einen Anspruch auf Rückgewähr der von dem Verstorbenen geleisteten Mietsicherheit (§§ 241, 2032 BGB). Das Mietverhältnis ist beendet. Damit ist die der Mietsicherheitsleistung zugrunde liegende aufschiebende Bedingung der Beendigung des Mietvertrages eingetreten. Der Anspruch ist auch fällig (hierzu 1.). Der Anspruch ist auch nicht durch eine von den Parteien getroffene Vereinbarung untergegangen (hierzu 2.).

1. Der Anspruch ist fällig. Insbesondere stehen der Beklagten aus dem Mietvertrag keine Ansprüche gegen die Kläger zu. Dabei ist es ohne Belang, ob im Schlafzimmer wegen der Arbeiten des sogenannten Tatortreinigers oder wegen des Versterbens des Mieters ein schlechter Geruch herrschte und ob die Wohnung mit Ungeziefer befallen war. Denn das Sterben in der gemieteten Wohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens stellt keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauches dar (AG Bad Schwartau, Urteil vom 5. Januar 2001, Aktenzeichen 3C1214/99). Im Übrigen ist auf dem von der Beklagten vorbereiteten Wohnungsabnahmeprotokoll vermerkt, dass die Wohnung in einem „ordnungsgemäßen Zustand übergeben wurde“. Dies spricht nicht dafür, dass die Wohnung der Beklagten in einem dramatischen Zustand übergeben wurde.

2. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe mit dem Kläger zu 3 vereinbart, sie solle wegen der Folgen des über Tage unentdeckt gebliebenen Leichnams die Kaution behalten, so ist ihr der Beweis für diese Behauptung nicht gelungen.

Der Inhalt des Wohnungs-Abnahmeprotokolls vom 14. Januar 2019 ist nicht eindeutig. Hier findet sich zwar der Satz „Malerarbeiten werden vom Vermieter durchgeführt“. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass damit Einigung über die Einbehaltung der gesamten Mietsicherheit erzielt wurde. Denn es wurde zugleich aufgenommen, dass die Wohnung in einem ordnungsgemäßen Zustand übergeben wird. Die Überschrift „festgestellte Mängel“ ist gestrichen. Es erschließt sich nicht, wieso die Beklagte, der eine „Wohnung in ordnungsgemäßem Zustand“ übergeben wurde, berechtigt gewesen sein sollte, Malerarbeiten auf Kosten der Kläger auszuführen.

Der auf Antrag der Beklagten als Partei vernommene Kläger zu 3 hat bekundet, anlässlich der Wohnungsabnahme am 14. Januar 2019 sei nicht über den Zustand der Wohnung und noch erforderliche Arbeiten gesprochen worden. Aus seiner Sicht seien die notwendigen Arbeiten ausgeführt worden. Deshalb sei in das Abnahmeprotokoll auch aufgenommen worden, dass die Wohnung in einem ordentlichen Zustand übergeben worden sei. Er habe der Beklagten am 14. Januar 2009 am Tag der Wohnungsübergabe auch ein von ihm zuvor mit einem Handwerker aufgesetztes Übergabeprotokoll vom 26. November 2018 vorgelegt und um Überweisung der vom verstorbenen Mieter gezahlten Kaution gebeten.

Auch das Ergebnis der Anhörung der Beklagten, die mit Blick auf den Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit (vgl. KG, Urteil vom 11.7.2017, Az. 21 U 100/16) in dem Termin vom 3. November 2020 angehört wurde, hat das Gericht zu keiner anderen Beweiswürdigung veranlasst. Die Beklagte hat zwar erklärt, die Wohnung habe trotz der Reinigung durch den Tatortreiniger gestunken; außerdem habe das Schlafzimmer Flecken aufgewiesen. Es sei deshalb mit dem Kläger zu 3 vereinbart worden, dass die Beklagte selbst für ein Streichen der Schlafzimmerwände sorgen werde und dafür die mit Sicherheit einbehalten werde. Das Gericht hält es aber nicht für glaubhaft, dass der Kläger zu 3 diese Angaben – mögen sie von der Beklagten so auch verstanden worden sein – tatsächlich machte. Es ist bereits nicht plausibel, wieso der Kläger zu 3 sich einverstanden erklärt haben sollte, dass die Beklagte für das Streichen des Schlafzimmers einen Betrag von 2.000 Euro einbehalten sollte. Es versteht sich von selbst, dass das Streichen der Schlafzimmerwände selbst bei Beauftragung eines Fachbetriebes keine Kosten in Höhe von 2000 Euro verursacht hätte. Im Übrigen ist auf dem von dem Kläger zu 3 in der Verhandlung vom 3. November 2020 überreichten Schreiben dokumentiert, dass der Kläger zu 3 um Überweisung der Kaution gebeten hatte. Diese Erklärung wurde auch von der Beklagten unterschrieben. Es ist daher nicht ersichtlich, wieso der Kläger zu 3 sich dennoch bereit erklärt haben sollte, dass die Beklagte die mit Sicherheit einbehält.

Da die Kläger auch beantragt haben, die Mietsicherheit an sie gemeinschaftlich zu zahlen, ist die Klage begründet.

Die Nebenforderung ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!