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Vertragswidriger Gebrauch der Mietsache – Mieter muss Pavillon im Garten entfernen

AG Schöneberg Az.: 5 C 208/17

Urteil vom 12.02.2018

1. Die Beklagten werden verurteilt, den im Garten des Hausgrundstückes……., errichteten Pavillon zu entfernen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.930,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagten mieteten seit dem 01.09.2002 bzw. seit Eintritt in den Mietvertrag am 29.01.2004 eine Wohnung im Hause, … .. Im Mietvertrag vereinbarte man unter § 11:

Vertragswidriger Gebrauch der Mietsache – Mieter muss Pavillon im Garten entfernen
Foto: CEW/Bigstock

„Bauliche Veränderungen, Um- und Einbauten, insbesondere Änderungen der Installationen, Anbringungen von Außenjalousien, Markisen und Blumenbrettern (…) dürfen nur vorgenommen werden, wenn der Vermieter zuvor eingewilligt hat und eine etwa erforderliche bauaufsichtamtliche Einwilligung erteilt worden ist, die der Mieter einzuholen hat. Kosten dürfen dem Vermieter nicht entstehen“.

Die Klägerin kaufte die Mietsache – das Grundbuchamt trug sie am 20.01.2015 als Eigentümerin ein. Im Jahr 2006 errichteten die Beklagten in ihrem Vorgarten einen Pavillon, dessen Dach aus einer Stoffplane bestand. Dieser befand sich 4,8 Meter von der Grundstücksgrenze entfernt. Die Klägerin forderte die Beklagten mit Schreiben vom 15.06.2017 auf diesen zu beseitigen. Dieser Aufforderung kamen die Beklagten nicht nach.

Die Klägerin behauptet, dass der Pavillon in der jetzigen Ausgestaltung so 2006 nicht bestanden habe und nun aus einer massiven Holzunterbaukonstruktion bestehe, die fest mit dem Erdboden verbunden sei. Darüber hinaus sei der Pavillon außerhalb der Bauflucht errichtet worden – die Baugrenze liege 6 Meter von der Grundstückgrenze entfernt. Dies ergebe sich aus dem Bebauungsplan. Ferner sei der Bereich gärtnerisch anzulegen, was aus dem überreichten Bauschein hervorgehe. Wegen des Inhaltes und der Einzelheiten des Bauscheins wird auf Bl. 39 – 42 dA Bezug genommen. Der Pavillon unterschreite diese Grenze. Die Klägerin meint, dass es sich um eine bauordnungsrechtliche Anlage handele, die sie, mangels Baugenehmigung, der Gefahr einer behördlichen Beseitigungsverfügung aussetze. Ferner sei dadurch die zu bebauende Fläche des Grundstücks überschritten. Die Klägerin habe selbst mehrfach beim Stadtplanungsamt und beim Bauamt bezüglich der Genehmigungsfähigkeit nachgefragt. Stets wurde ihr mitgeteilt, dass diese nicht vorläge.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den im Garten des Hausgrundstückes….., errichteten Pavillon zu entfernen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, dass selbst wenn es sich um eine vertragswidrige Nutzung handeln würde, diesbezüglich Verwirkung eingetreten sei, da der Pavillon in seiner derzeitigen Ausgestaltung bereits seit 11 Jahren dort stünde und dieser seitens des ehemaligen Eigentümers und der Behörden nie beanstandet worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Beseitigungsanspruch gem. § 541 BGB zu.

Es liegt ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache durch die Beklagten vor.

1. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag ist in § 11 die Vereinbarung getroffen worden, dass bauliche Veränderungen sowie Um- und Einbauten von der Einwilligung des Vermieters sowie von einer bauaufsichtamtlichen Einwilligung abhängen.

Vorliegend handelt es sich um eine bauliche Veränderung. Diese umfasst auch das Aufstellen eines Pavillons – sogar dann, wenn dieser lediglich aus einer Soff- und Stahlkonstruktion besteht und nicht fest mit der Mietsache verbunden ist und nur während der Sommermonate aufgestellt wird (vgl. AG Spandau, Urteil v. 01.10.2012 – 6 C 281/12). Bauliche Veränderungen sind nur dann vom Vermieter zu dulden, wenn diese weder Substanzverletzungen noch ästhetische Beeinträchtigungen darstellen (BGH, NJW-RR 2007, 1243; BeckOK MietR/Weber, 9. Ed. 01.09.2017, § 535 BGB Rn. 1400). Diese ist vorliegend gegeben. Die Beklagten haben im Jahr 2006 einen Pavillon im Vorgarten aufgestellt, der dort ohne Unterbrechung steht. Zwar handelt es sich hierbei nicht um einen substanzverändernden Aufbau, jedoch ist durch das über elf Jahre anhaltende Aufstellen eines außerhalb der Bauflucht positionierten Pavillons eine hinreichende ästhetische Beeinträchtigung gegeben.

Eine Einwilligung des Vermieters lag nicht vor. Gemäß § 183 BGB handelt es sich bei der Einwilligung um eine vorherige Zustimmung. Gemäß § 566 BGB tritt der Käufer des Grundstücks in die Rechte und Pflichten ein, die sich aus dem Mietvertrag ergeben (Staudinger/Emmerich (2014), § 566 Rn. 39). Da der vorherige Vermieter nie eine ausdrückliche Einwilligung aussprach, wurde die streitgegenständliche Nutzung nie Bestandteil des Vertrages. Wenn der Veräußerer zuvor bestimmte Verhaltensweisen bloß unverbindlich gestattet oder einen vertragswidrigen Zustand geduldet hat, so geht das Recht zum Widerruf der Gestattung und der Anspruch auf Unterlassung des vertragswidrigen Gebrauchs auf den Erwerber über (Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. A. 2017, § 566 Rn. 97). Da die Klägerin am 20.01.2015 als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen wurde, ist der Anspruch auf Unterlassung auf sie übergegangen.

Es liegt auch kein Fall vor, in dem die Einwilligung hätte erteilt werden müssen. Auf die fehlende Einwilligung kann sich nicht berufen, wer sie hätte erteilen müssen (vgl. BGH, NJW 2006, 1062). Ein Anspruch kann sich aus dem Gesetz ergeben. Bei einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht die Erlaubniserteilung im – nur durch § 242 BGB begrenzten – billigen Ermessen des Vermieters (BeckOK MietR/Bruns, 9. Ed. 01.09.2017, § 541 BGB Rn. 5).

Die Klägern hat ihr Ermessen hier vertretbar ausgeübt, da sie es vermeiden will Adressat einer Ordnungsverfügung zu werden. Vorliegend handelt es sich um eine bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 2 letzte Alt. BauO Bln. Auf die Frage, ob eine massive Holzunterbaukonstruktion vorliegt, kommt es somit nicht an. Denn nach der letzten Alternative sind auch Anlagen erfasst, die ohne weiteres entfernt oder fortbewegt werden können und daher nicht durch eigene Schwere auf dem Boden ruhen, da maßgebliches Kriterium der Verwendungszweck durch eine gewisse zeitliche Bindung am Ort ist (Wilke in: Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer/Broy-Bülow, Bauordnung für Berlin, 6. A. 2008, § 2 Rn. 27). Ferner muss die Anlage zum Betreten von Menschen oder zur Aufnahme von Sachen geeignet sein. Überwiegend ortsfest bedeutet, dass die Verwendung auf einem Grundstück stattfindet. Hierfür genügt es, wenn die Aufstellung mehr als die Hälfte des Jahres auf dem selben Grundstück ist (Wilke, a.a.O., § 2 Rn. 29). Dies ist durch den seit mehr als elf Jahren auf dem Grundstück stehenden Pavillon gegeben, da dieser auch von Menschen betreten werden kann. Ferner kann dahin stehen, ob es sich – wozu nichts vorgetragen wurde – um eine nach § 61 BauO Bln. verfahrensfreie Anlage handelt, da auch in diesem Fall gem. § 61 Abs. 5 BauO Bln. materielles Baurecht einzuhalten ist. Die Klägerin hat hier – mittels Vorlage des Bauscheins – hinreichend dargelegt, dass eine gärtnerische Nutzung der Fläche vorgeschrieben ist und dass die Bauflucht 6 Meter beträgt. Beides wird durch die Dauernutzung beziehungsweise die Positionierung nicht beachtet.

2. Ebenso lag eine Abmahnung der Klägerin vor auf die der vertragswidrige Gebrauch fortgesetzt wurde. Für eine korrekte Abmahnung muss diese an sämtliche abzumahnenden Mieter gerichtet sein und das Verhalten, das als vertragswidrig angesehen wird, so genau beschreiben, dass sich die Mieter hiernach richten können (MüKo-BGB/Bieber, 7. A. 2016, § 541 Rn. 12). Die Klägerin forderte in ihrem an beide Mieter gerichteten Schreiben vom 15.06.2017 dazu auf, den Pavillon zu entfernen. Auf dieses reagierten die Beklagten ablehnend – der Beseitigungsaufforderung kamen sie nicht nach.

3. Eine Verwirkung liegt nicht vor. Der Anspruch nach § 541 BGB kann zwar verwirkt werden, wenn der Vermieter über einen längeren Zeitraum den vertragswidrigen Gebrauch widerspruchslos hingenommen hat und zu erkennen gibt, dass er ihn als unerheblich ansieht. Auch bleibt ein im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs verwirkter Anspruch verwirkt (Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 6. A. 2003, § 20 Rn. 22), so dass die rechtsvernichtende Einrede auch dem Rechtsnachfolger gegenüber zu berücksichtigen ist (OLG Celle, NJW-RR 2007, 234), jedoch reicht ein reiner Zeitablauf hierfür nicht aus (MüKo-BGB/Bieber, 7. A. 2016, § 541 Rn. 16). Das darüber hinaus erforderliche Umstandsmoment ist vorliegend nicht gegeben. Nach dieser muss ein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenpartei vorgelegen haben. Eine maßgebliche Rolle bei der Bewertung dieser Frage ist, ob die Gegenpartei in Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechts Vermögensdispositionen getroffen oder sich sonst hierauf eingerichtet hat (vgl. BGH, NJW 1984, 1684; BeckOK BGB/Sutschet, 43. Ed. 15.6.2017, § 242 BGB Rn. 142). Ferner muss die verspätete Rechtsausübung unzumutbar sein – wobei im Rahmen der umfassenden Abwägung auch das öffentliche Interesse berücksichtigt werden muss (Jauernig/Mansel, 16. A. 2015, § 242 Rn. 62). Vorliegend ist nicht erkennbar, worin sich das schutzwürdige Interesse der Beklagten äußern soll – insbesondere sind auch keine getroffenen Vermögensdispositionen erkennbar. Viel mehr unterliegen bauaufsichtsrechtliche Eingriffsbefugnisse auch bei positiver Kenntnis und bei längerer Untätigkeit der Baubehörde – über viele Jahre hinweg – nicht der Verwirkung (vgl. VG Aachen, Urteil v. 25.09.2008 – 5 K 1664/06). Daher ist im Rahmen der Interessenabwägung ferner zu berücksichtigen, dass die Klägerin weiterhin auch Adressat einer Ordnungsverfügung werden könnte.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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