Mieter scheitert mit Mietminderung wegen Taubenkot
Das Gericht AG Hanau hat entschieden, dass die Verunreinigung eines Balkons durch Taubenkot keinen Mietmangel darstellt und somit kein Recht zur Mietminderung begründet. Dies gilt insbesondere, wenn keine speziellen vertraglichen Vereinbarungen über die Sauberkeit des Balkons bestehen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Zentrale Punkte des Urteils:
- Rechtsgrundlage: Der Anspruch der Vermieterin auf Mietzahlungen basiert auf § 535 Abs. 2 BGB.
- Keine Mietminderung: Laut Gericht besteht keine Mietminderung gemäß § 536 BGB aufgrund von Taubenkot auf dem Balkon.
- Differenzierende Rechtsprechung: Ob Taubenkot einen Mietmangel darstellt, wird gerichtlich unterschiedlich beurteilt.
- Verantwortlichkeit des Mieters: Die Reinigung des Balkons liegt in der Verantwortung des Mieters, nicht des Vermieters.
- Verhalten wilder Tiere: Der Vermieter ist nicht für das Verhalten wilder Tiere, wie Tauben, verantwortlich.
- Allgemeines Wohnrisiko: Die Verunreinigung durch Taubenkot wird als allgemeines Risiko des Wohnungsnutzers angesehen.
- Keine Mangelhaftigkeit: Die Beklagte kann keine Mangelhaftigkeit der Wohnung aus der Verunreinigung durch Tauben herleiten.
- Zulässigkeit der Berufung: Die Berufung wird zugelassen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern und zur Rechtsfortbildung beizutragen.
Übersicht
Rechtliche Bewertung von Balkonverunreinigungen im Mietrecht
Im Spannungsfeld zwischen Mieterrechten und Vermieterpflichten steht ein aktuelles Thema, das sowohl für Mieter als auch Vermieter von großem Interesse ist: die Verunreinigung von Balkonen durch Taubenkot und deren Einfluss auf das Mietrecht. Diese Thematik berührt grundlegende Fragen der Mietminderung und der Definition von Mietmängeln, und wird durch ein kürzlich ergangenes Urteil des AG Hanau beleuchtet.
In diesem Kontext untersuchen wir die rechtlichen Feinheiten und Interpretationen, die sich aus der speziellen Situation der Balkonverschmutzung durch Taubenkot ergeben. Die Entscheidung des Gerichts wirft ein Schlaglicht auf die Abgrenzung von Vermieter- und Mieterpflichten und bietet einen tieferen Einblick in die Komplexität der rechtlichen Regelungen im Bereich des Wohnungsmangels und der Gerichtsentscheidung. Diese juristische Betrachtung ist nicht nur für Betroffene in ähnlichen Situationen relevant, sondern auch für die Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Mietrecht.
Der Streit um Taubenkot auf dem Balkon: Ein Rechtsstreit im Mietrecht
In einem bemerkenswerten Fall vor dem Amtsgericht Hanau stand die Verunreinigung von Balkonen durch Taubenkot im Zentrum eines Rechtsstreits. Ausgangspunkt war die Weigerung einer Mieterin, die volle Miete zu entrichten, da sie Taubenkot auf ihrem Balkon als Beeinträchtigung ihrer Wohnqualität ansah. Die Mieterin argumentierte, dass die ständige Verunreinigung ihres Balkons durch Taubenkot einen Mietmangel darstelle und somit ein Recht zur Mietminderung begründe.
Juristische Bewertung des Tatbestandes
Die Vermieterin sah dies anders und klagte auf Zahlung der ausstehenden Miete. Sie führte an, dass die Reinigung des Balkons in der Verantwortung der Mieterin liege und die Anwesenheit von Tauben sowie deren Hinterlassenschaften keine Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache darstellen. Diese Argumentation basiert auf dem Grundsatz, dass die Reinigung von vermieteten Bereichen, wie Wohnungen und Balkonen, in der Obhutspflicht des Mieters liegt.
Gerichtsurteil: Kein Mietmangel durch Taubenkot
Das AG Hanau folgte in seinem Urteil der Argumentation der Vermieterin und stellte fest, dass die Verunreinigung durch Taubenkot keinen Mietmangel gemäß § 536 BGB darstellt. Das Gericht berief sich darauf, dass ohne besondere, vertraglich vereinbarte Aspekte, wie beispielsweise ein Taubennetz, die Verschmutzung des Balkons durch Tauben nicht als Mangel der Mietsache anzusehen ist. Weiterhin wurde betont, dass der Vermieter nicht für das Verhalten wilder Tiere verantwortlich ist und somit keine Einflussnahme auf das Flugverhalten von Tauben schuldet.
Implikationen und Rechtsprechung im Mietrecht
Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für das Mietrecht. Sie verdeutlicht, dass alltägliche Beeinträchtigungen, wie die Anwesenheit von Tauben und deren Hinterlassenschaften, als Teil des allgemeinen Wohnrisikos angesehen werden können. Die Entscheidung betont auch die Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen und die Grenzen der Vermieterverantwortung. Zudem wurde die Berufung im vorliegenden Fall zugelassen, was auf die Bedeutung der Klärung dieser Rechtsfrage für die einheitliche Rechtsprechung und Rechtsfortbildung hinweist.
Insgesamt zeigt dieser Fall, wie komplex und vielschichtig rechtliche Bewertungen im Kontext des Mietrechts sein können, insbesondere wenn es um die Abgrenzung von Vermieter- und Mieterpflichten geht. Das Urteil des AG Hanau liefert hierbei einen wichtigen Beitrag zur Auslegung und Anwendung des Mietrechts in ähnlich gelagerten Fällen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wie wirkt sich das Auftreten von Taubenkot auf die Mietminderung aus?
Die Auswirkungen von Taubenkot auf die Mietminderung können je nach Situation und Gerichtsentscheidung variieren.
Die Beweislast liegt beim Mieter, der nachweisen muss, dass die Taubenplage und der daraus resultierende Taubenkot die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung erheblich beeinträchtigen.
Der Mieter hat das Recht, eine Mietminderung zu verlangen, wenn die Taubenplage und der Taubenkot die Nutzung der Wohnung erheblich beeinträchtigen. Allerdings hat der Mieter auch die Pflicht, den Vermieter über den Mangel zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Beseitigung des Mangels zu geben.
Der Vermieter hat die Pflicht, die Wohnung in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Dazu gehört auch, dass er Maßnahmen ergreift, um eine Taubenplage und die damit verbundene Verschmutzung durch Taubenkot zu verhindern.
Die gesetzliche Grundlage für eine Mietminderung aufgrund von Taubenkot ist das Mietrecht. Nach dem Gesetz muss der Vermieter die Mietsache während der Mietzeit in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten. Dazu gehört auch, dass er Beeinträchtigungen, die zu einer Gesundheitsgefährdung des Mieters und zu einer Verschmutzung der Mietsache führen können, abwendet.
Die Höhe der Mietminderung kann je nach Gerichtsentscheidung und Umständen variieren. In einigen Fällen wurde eine Mietminderung von bis zu 35% aufgrund starker Verschmutzung durch Taubenkot anerkannt. In anderen Fällen wurde jedoch entschieden, dass Taubenkot auf einem Balkon keinen Mietmangel darstellt und daher nicht zur Mietminderung berechtigt.
Es ist auch zu berücksichtigen, dass eine Mietminderung unwahrscheinlich ist, wenn der Mieter beim Einzug Kenntnis von einem benachbarten Taubenschlag hatte oder wenn das Stadtviertel bekannt ist für ein vermehrtes Aufkommen der Tiere.
Eine Mietminderung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn ein einzelner Vogel durch ein geöffnetes Fenster in die Wohnung fliegt und auch wieder hinaus.
Die Auswirkungen von Taubenkot auf die Mietminderung können je nach Situation und Gerichtsentscheidung stark variieren. Es ist daher ratsam, sich bei einer solchen Situation rechtlich beraten zu lassen.
Das vorliegende Urteil
AG Hanau – Az.: 94 C 21/22 – Urteil vom 25.10.2022
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 50,00 Euro seit dem 5.5., 5.6., 5.7., 5.8., 5.9., 5.10., 5.11. und 5.12.2021, 5.1. und 5.2.2022 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, so die Klägerin nicht ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Vermieterin von der Beklagten Mieterin Mietzahlungen.
Zwischen den Parteien besteht ein Wohnraummietverhältnis. Die Beklagte hat in den Monaten Mai 2021 bis Februar 2022 monatlich 50,00 Euro weniger von der vertraglich vereinbarten Miete geleistet, welche die Klägerin nunmehr klageweise geltend macht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 600,00 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 50,00 Euro seit dem 5.5., 5.6., 5.7., 5.8., 5.9., 5.10., 5.11. und 5.12.2021, 5.1. und 5.2.2022 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass auf ihrem Balkon regelmäßig Taubenkot auftrete, und ist der Auffassung, dass sie daher berechtigt wäre, die Miete zu mindern.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 600,00 Euro Miete gem. § 535 Abs. 2 BGB für den streitgegenständlichen Zeitraum.
Die Miete ist nach Auffassung des Gerichts nicht gem. § 536 BGB gemindert.
Ob Taubenkot einen Mangel iSd § 536 BGB darstellt, wird unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wir dies ohne nähere Begründung bejaht (AG Hamburg Urt. v. 6.1.1988 – 40a C 2574/87, BeckRS 2010, 8091, beck-online; AG München, Schlussurteil vom 04.07.2008 – 412 C 32850/08, LSK 2011, 420113 = DWW 2010, 222). Demgegenüber soll eine Minderung nur in besonders extremen Fällen der Verschmutzung, im Allgemeinen jedoch nicht eintreten (LG Berlin Urt. v. 21.5.2010 – 65 S 540/09, BeckRS 2010, 20322, beck-online = ZMR 2012, 440; Selk in Selk, Mietmängel und Mängelrechte 2. Auflage 2018 § 536 Rn. 372).
Das Gericht schließt sich letzterer Auffassung und das mit der Maßgabe an, dass ohne Hinzutreten besonderer, insbesondere vertraglich vereinbarter Aspekte die Verschmutzung des Balkons mit Taubenkot keinen Mietmangel darstellt.
Dass sich das in Gemeinschaftsbereichen anders darstellt (AG Altenburg Urt. v. 28.1.2005 – 5 C 857/04, BeckRS 2010, 7763, beck-online – Hauseingangsbereich) ist selbstredend, beruht jedoch schlicht darauf, dass der Vermieter vertraglich verpflichtet ist, die Mietsache in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten und daher auch regelmäßige Reinigungsarbeiten durchzuführen (Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete 6. Auflage 2020 § 535 Rn. 406). Demgegenüber obliegt die Reinigung von vermieteten Bereichen (Wohnung, Balkon, etc.) gerade nicht dem Vermieter, sondern dem Mieter. Dieser hat nicht nur keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Reinigung seiner Wohnung bzw. dieser zugehöriger Flächen, sondern ist aufgrund seiner Obhutspflicht sogar seinerseits hierzu verpflichtet (vgl. Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete 6. Auflage 2020 § 535 Rn. 546).
Damit kann die Beklagte aus dem ungereinigten Zustand des Balkons schon per se keine Minderung herleiten. Die Mangelhaftigkeit der Mietsache iSd § 536 BGB könnte sich daher allenfalls aus der Verunreinigung ihres Balkons durch die Tauben ergeben. Dafür aber ist keine vertragliche Grundlage ersichtlich. Der Vermieter ist für das Verhalten wilder Tiere nicht verantwortlich. Er hat auch keine Möglichkeiten, auf das Flugverhalten von Tauben Einfluss zu nehmen. Damit ist auch nicht ersichtlich, dass er dieses aufgrund des Mietvertrags schulden würde (zur konkludenten Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien hinsichtlich einer Gewährleistung von Einwirkungen Dritter ungestörter Mietnutzung gem. § 157 BGB unter Heranziehung der Grundsätze der sog. „Bolzplatzrechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs näher Zehelein in Beck’scher Online-Kommentar BGB; Hrsg: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 63. Ed. 01.08.2022, BGB § 535 Rn. 347 mwN).
Dass Tauben grundsätzlich in einer Liegenschaft auftauchen und den Balkon mit Taubenkot verunreinigen können, ist bekannt und grundsätzliches Risiko jedes Wohnungsnutzers. Durch die Verunreinigungen hat sich daher nur eine allgemeine Beeinträchtigungsgefahr realisiert, gegen welche der Vermieter auch keine Abwehrverpflichtung übernimmt, es sei denn, dass dieses ausdrücklich im Mietvertrag aufgeführt ist. Die Beklagte hat die Wohnung zudem in dem vorhandenen Zustand (also insbesondere ohne Taubennetz) angemietet, so dass sie aus diesem auch keine Mangelhaftigkeit herleiten kann, wenn Tauben den Balkon verunreinigen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie zur Rechtsfortbildung, weil die Streitfrage wie erörtert unterschiedlich beurteilt wird, nicht höchstrichterlich entschieden und auch eine Rechtsprechung der hiesigen Berufungskammer nicht bekannt ist.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.