LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 T 27/22 – Beschluss vom 17.05.2022
In der Wohnungseigentumssache hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main am 17.05.2022 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Fulda vom 4. April 2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf die Gebührenstufe bis 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Antragsteller und Antragsgegner bilden eine aus zwei Parteien bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein Verwalter ist nicht bestellt. Wohnungseigentümerversammlungen haben in der Vergangenheit nicht stattgefunden. Zwischen den Parteien besteht Streit, welche Zahlungen für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums von den Eigentümern vorzunehmen sind. Die Antragsteller zahlen … Euro, die Antragsgegner … Euro auf das Gemeinschaftskonto. Derzeit befinden sich dort keine ausreichenden Mittel, um die laufenden Zahlungen zu tätigen, insbesondere die Abbuchungen für die Gaslieferungen vorzunehmen. Die Antragsteller haben einen Wirtschaftsplan erstellt, dieser ist bislang nicht beschlossen worden.
In dem vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller die Antragsgegner zu verpflichten, ausgehend von dem vorgelegten Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2022 monatliches Hausgeld von jeweils 230 Euro zu zahlen.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, da es an einem Verfügungsgrund fehle, eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht dargetan. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 567 Abs.1 Ziff.2, 569 ZPO).
1. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es fehlt bereits an einem Verfügungsanspruch.
a) Der begehrte Zahlungsanspruch kann bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil es an einem beschlossenen Wirtschaftsplan für das Jahr 2022 fehlt. Ohne einen entsprechenden Beschluss besteht allerdings keine Verpflichtung der Wohnungseigentümer Hausgeldforderungen zu erfüllen, denn der beschlossene Wirtschaftsplan bildet insoweit die Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch, so dass es vor der Beschlussfassung an einer beizutreibenden Forderung fehlt (vgl. nur Hügel/Elzer § 28 Rn. 62). Soweit zum alten Recht vertreten wurde, dass ein Zahlungsanspruch der Eigentümer unmittelbar aus § 16 Abs. 2 WEG aF folgen sollte (so Bärmann/Becker, WEG, 14. Aufl., § 28 Rn. 4) war dies zum alten Recht schon zweifelhaft (vgl. zum alten Recht Kammer ZWE 2015,379). Unter der Geltung des seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht folgen Zahlungsansprüche ausweislich des eindeutigen Wortlautes nur aus Beschlüssen über die Vorschüsse zur Kostentragung und der Rücklagen (§ 28 Abs. 1 WEG) oder den Nachschüssen (§ 28 Abs. 2 WEG). Für einen daneben bestehenden gesetzlichen Anspruch besteht jedenfalls nunmehr keine Handhabe mehr (vgl. Grüneberg/Wicke § 16 Rn. 1; BeckOK WEG/Bartholome, 48. Ed. 1.3.2022, WEG § 28 Rn. 1; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 10 Rn. 17). Mangels eines entsprechenden Beschlusses besteht daher von Vorneherein keine Zahlungspflicht der Beklagten.
b) Daher hätten die Antragsteller zunächst eine Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 S. 2 WEG) erheben müssen, um insoweit einen Wirtschaftsplan in Kraft zu setzen. In Eilfällen, insbesondere wenn – wie hier – die Gemeinschaft Liquiditätsprobleme hat, kommt insoweit auch eine einstweilige Verfügung in Betracht (Bärmann/Becker § 28 Rn. 54; Hügel/Elzer WEG § 26 Rn. 123). Ob dann durch eine einstweilige Verfügung lediglich eine Sonderumlage zur Herstellung der Liquidität beschlossen werden kann, wie das Amtsgericht meint, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Allerdings dürfte im Regelfall eine fortlaufende Zahlungsverpflichtung für die Wohnungseigentümer weniger belastend sein, als eine einmalige Verpflichtung durch eine Sonderumlage die Liquidität der Gemeinschaft bis zum voraussichtlichen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens sicherzustellen, zumal die Beschlussersetzungsklage als Gestaltungsklage eine Zahlungsverpflichtung erst nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss begründet. Dies wird im Regelfall erst nach Ablauf des Wirtschaftsplanjahres der Fall sein.
Zwar haben die Antragsteller vorliegend einen Entwurf für einen Wirtschaftsplan vorgelegt, insoweit kann der Antrag allerdings nicht dahingehend ausgelegt werden, dass mit diesem eine entsprechende Beschlussersetzung erwirkt werden soll. Dem steht bereits der Klageantrag, der ausdrücklich auf eine monatliche Vorauszahlungspflicht lautet, entgegen. Darüber hinaus ist die Klage auf Beschlussersetzung nunmehr gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 44 Abs. 2 S. 1 WEG) zu richten und nicht gegen die übrigen Wohnungseigentümer. Dass in diesem Verfahren nach gefestigter Rechtsprechung der Kammer in verwalterlosen Zwei-Personen-Gemeinschaften die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft von dem nicht klagenden Wohnungseigentümer vertreten wird (zusammenfassend Kammer ZWE 2021, 467), führt nicht dazu, dass entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut derartige Beschlussklagen weiter unmittelbar gegen den anderen Eigentümer zu richten sind.
c) Dem Klageerfolg des Zahlungsantrages steht zudem entgegen, dass ein Anspruch auf Zahlung des Hausgeldes nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern (nur) der Gemeinschaft zukommt. Diese ist alleinige Inhaberin des Anspruchs auf Zahlung des Wohngeldes (BGH NJW-RR 2017, 855). Nur sie kann den Anspruch geltend machen. Auch insoweit vertritt nach der Rechtsprechung der Kammer in einer verwalterlosen Zwei-Personen-Gemeinschaft in derartigen Zahlungsprozessen der nicht verklagte Wohnungseigentümer die Gemeinschaft (Kammer ZWE 2021, 467).
Überlegungen in verwalterlosen Zwei-Personen-Gemeinschaften Direktansprüche der Eigentümer zuzulassen oder Möglichkeit vorzusehen, dass diese unmittelbar Ansprüche der Gemeinschaft einklagen, hat der Bundesgerichtshof bereits unter der Geltung des alten Wohnungseigentumsrechts deutliche Absagen erteilt (BGH NZM 2019, 415; 2021, 146; vgl. auch BGH NJW-RR 2017, 360). Es besteht kein Anlass, nach der WEG Reform 2020, welche die Verbandsstruktur deutlich gestärkt hat, hiervon abzuweichen. Auch unter dem Aspekt der actio pro societate besteht kein Bedürfnis, hier Klagebefugnisse der einzelnen Eigentümer vorzusehen, da sich jedenfalls bei Annahme einer Vertretung des Verbandes durch die verbliebenen Eigentümer bei Klagen gegen ihre Mitglieder derartige Prozesse komplikationslos führen lassen (vgl. Kammer ZWE 2021, 185 Rn. 16 f.).
2. Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Wertfestsetzung folgt aus § 49 GKG.