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Verwertungskündigung – Wunsch nach einer mieterfreien Veräußerung

AG Hamburg-Blankenese, Az.: 531 C 87/17, Urteil vom 16.05.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Streitwert 17.253,60 Euro (12 x 1.437,80 Euro).

Tatbestand

Die Klägerin macht aufgrund einer Kündigung vom 28.12.2016 (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.) einen Räumungsanspruch gegenüber den Beklagten geltend.

Zwischen den Parteien wurde ein Mietvertrag – die Mietvertragsurkunde wurde nicht vorgelegt – über das Haus S-straße in Hamburg unbefristet abgeschlossen. Das Mietverhältnis besteht seit dem 19.6.2013.

Die Klägerin hat das Grundstück „am 2.10.2012 durch Erbfall erworben“ (vgl. Anlage B 1, Bl. 30 d.A.).

Mit Schreiben vom 14.3.2017 haben die Beklagten einer Mieterhöhung per 1.3.2017 zugestimmt (Anlage K 4, Bl. 14 d.A.).

Die aktuelle Nettokaltmiete wurde mit monatlich 1.437,80 Euro im Schreiben vom 10.5.2017 (Bl. 20 d.A.) angegeben.

Im Kündigungsschreiben – verfasst vom Kläger-Vertreter – vom 28.12.2016 (Anlage K 1) heißt es: „… kündigen wir das oben bezeichnete Mietverhältnis zum 31.3.2017 wegen der Notwendigkeit einer besseren wirtschaftlichen Verwertung des Hauses unserer Mandantin gemäß § 573 Abs.3 BGB

Begründung

Verwertungskündigung - Wunsch nach einer mieterfreien Veräußerung
Foto: style-photographs/Bigstock

Seit Beginn des Mietverhältnisses haben sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau H, was das Haus betrifft, erheblich verändert. …

Der wirtschaftliche Unterschied zwischen dem Verkauf des Hauses ohne und mit Vermietung ist erheblich. Wir fügen in der Anlage noch einmal das Angebot des Hotels … vom 26.7.2016 bei, zu dem das Hotel … im Übrigen bis heute steht, und bei dem ein Preis von 550.000,– Euro geboten worden ist.

Weiter fügen wir eine gutachterliche Stellungnahme der Firma B bei, aus der sich ergibt, dass das Haus vermietet zu einem Preis von etwa 450.000,– Euro verkauft werden könnte, während es frei ohne Mietverhältnis für 620.000,– Euro bis 640.000,– Euro verkauft werden kann.“

Die Klägerin hat eine ärztliche Bescheinigung vom 29.3.1017 (Anlage K 5, Bl. 15 d.A.)vorgelegt, sowie eine Aufstellung über ihre wirtschaftliche Situation (Anlage K 6, Bl. 16 d.A.).

Wegen der Einschätzung des Grundstückswerts wird auf das Schreiben der Mitarbeiterin J. der Firma B. (Anlage K 7, Bl. 17 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat in der Klageschrift (Bl. 3 d.A.) vorgetragen, sie habe mehr als 80.000,– Euro in das Haus investieren und fast 80.000,– Euro für die Auszahlung des Bruders (Pflichtteilsberechtigter) aufwenden müssen.

Im Schriftsatz vom 9.11.2017 (Bl. 73 d.A.) heißt es dagegen, es sei eine Abfindung in Höhe von 60.000,– Euro an den Bruder gezahlt worden, zzgl. Gerichts- Anwalts,- und Gutachterkosten von insgesamt etwa 15.000,– Euro. Für die Renovierungskosten seien an Handwerker etwa 71.000,– Euro gezahlt worden (Bl. 74 d.A.).

Gespräche zwischen den Parteien über den Ankauf des Hauses durch die Beklagten sind letztlich gescheitert.

Mit Schreiben vom 27.1.2017 (Anlage K 2, Bl. 8 ff d.A.) ließ die Beklagte mitteilen: „Sie lassen … gänzlich unberücksichtigt, dass die von Ihnen vorgetragene Notwendigkeit einer anderweitigen Verwertung des Mietobjekts … bereits bei Mietbeginn absehbar gewesen ist. Es ist mithin eine Kündigung nicht zulässig … . Es hätte Ihrer Mandantin insoweit freigestanden, eine anderweitige vertragliche Regelung wie beispielsweise in Form eines Zeitmietvertrages vorzuschlagen. … Es wurde auch nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Staffelmietvereinbarung vorgeschlagen.“

Die Klägerin behauptet, dass die wirtschaftliche Situation für sie im Ergebnis trotz des Erbes angespannt sei.

Der Verkauf des Hauses in vermietetem Zustand würde erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Klägerin bedeuten, die E-Mail einer Mitarbeiterin der Firma B. (K 7, Bl. 17 d.A.) wird als „gutachterliche Stellungnahme“ angesehen und ihr Inhalt als richtig bezeichnet.

Die Situation der mit 80% gehbehinderten Klägerin, die seit über 12 Jahren berentet ist (Erwerbsunfähigkeitsrente), würde sich kontinuierlich verschlechtern; die Klägerin müsse viel im Rollstuhl sitzen.

Diese Entwicklung habe die Klägerin im Jahr 2013 nicht voraussehen können und deshalb auch keine Veranlassung gehabt, einen befristeten Mietvertrag abzuschließen.

Die Klägerin müsse nunmehr aufgrund der Beendigung eines Pachtvertrages über das Grundstück in M. für sich persönlich monatlich 400,– Euro höhere Mietkosten aufwenden.

Die Klägerin hält den Beklagten vor, dass sie zu keinem Zeitpunkt ernsthaft erwogen hätten, das Haus zu kaufen. Sie hätten nur Zeit gewinnen wollen.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe keine Verpflichtung gehabt, bei Abschluss des Mietvertrages, auf Absichten hinzuweisen, die sie noch gar nicht hatte.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das von der Klägerin gemietete Haus S-straße in Hamburg, geräumt samt Grundstück an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor: Die Klägerin hätte – bei der von ihr geschilderten Situation – den Beklagten einen befristeten Mietvertrag, oder einen Kündigungsausschluss anbieten müssen.

In Kenntnis der nunmehr dargelegten Umstände hätten die Beklagten das Haus so nicht angemietet.

Die Zahlungen für Investitionen in das Haus und zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche bestreiten die Beklagten in voller Höhe (Schriftsatz 22.6.2017, Bl. 28 oben d.A.).

Der Vortrag zum sich verschlechternden Gesundheitszustand der Klägerin sei nicht glaubhaft. Er werde ja auch erstmals im Kündigungsschreiben vom 28.12.2016 erwähnt.

Der benachbarte Hotelbetrieb hätte bei entsprechendem Kaufinteresse frei von Mietern das Objekt bereits 2013 vor Abschluss des Mietvertrages erwerben können.

Außerdem hätten Kaufinteressenten (W., Bl. 30 d.A.) Interesse an dem Objekt gehabt. Die Klägerin habe niemals mitgeteilt, warum es nicht mit ihr zum Kaufvertragsabschluss kam.

Eine fehlerhafte Prognose der gesamten Entwicklung durch die Klägerin könne nicht den Beklagen angelastet werden.

Diese hätten sich auf ein langes und unbefristetes Mietverhältnis eingestellt. Die Kinder der Beklagten seien mit 12 und 14 Jahren schulpflichtig und ein nochmaliger Umzug würde sie aus ihrer Umgebung herausreißen.

Außerdem hätten die Beklagten in das Mietobjekt investiert (Einbauküche 5.800,– Euro).

Die Klägerin hätte sich auch nicht darum bemüht, über einen Makler mit anderen Kaufinteressenten das Objekt im vermieteten Zustand zu einem guten Preis zu veräußern.

Zur Begründung des Widerspruchs wird auf die schulische Situation der Kinder der Beklagten und die Erkrankung des Sohnes verwiesen (zu Einzelzeiten vergleiche Schriftsatz 27.6.2017, Bl. 43 ff d.A.).

Die Beklagten hätten auf die mündliche Äußerung der Klägerin bei Vertragsschluss vertraut, dass es zu einem langfristigen Mietverhältnis kommen werde (Bl. 55 d.A.).

Außerdem habe die Klägerin im Beisein ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten erklärt, dass sie von den Beklagten keine höhere Miete nehmen wolle. Aus diesem Grund könne es nicht zu Lasten der Beklagten gehen, wenn die Klägerin sich verkalkuliert habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie den rechtlichen Hinweis des Gerichts zur Ladung vom 24.7.2017 (Bl. 49 d.A., sowie im Protokoll der Sitzung vom 20.12.2017, Bl. 84 d.A.).

Darüber hinaus wurde am 15.3.2018 darauf hingewiesen, dass die Klage unschlüssig sei, womit auch die avisierte Klagrücknahme korrespondiere (Bl. 106 d.A.).

Am 21.3./11.4.2018 haben die Parteivertreter schriftlicher Entscheidung zugestimmt. Mit Beschluss vom 17.4.2018 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das Mietverhältnis ist durch die unprofessionell anwaltlich formulierte Kündigung vom 28.12.2016 (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.) nicht beendet worden.

Die zur Begründung angeführte Notwendigkeit einer „besseren“ wirtschaftlichen Verwertung des Hauses „gemäß § 573 Abs. 3 BGB“ stellt keinen gesetzlichen Kündigungsgrund dar.

Außerdem – was rechtlich allerdings unschädlich ist – ist auch noch die falsche gesetzliche Norm genannt, ebenso wie in den vorprozessualen Schriftsätzen und in der Klageschrift: Statt § 573 Abs. 3 BGB muss es § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB heißen.

Würde bereits eine „bessere“ wirtschaftliche Verwertung des Hauses die Kündigung rechtfertigen, wäre – was gerade nicht der Fall ist – jede Kündigung gestützt auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründet, wenn ein Mietobjekt ohne Mieter zu einem besseren Preis veräußert werden könnte, als mit bestehendem Mietverhältnis.

Die Kündigung der Klägervertreter genügt schon nicht dem Begründungserfordernis. Bereits ein Blick in handelsübliche Formularbücher (vgl. Hinz/Junker/v. Rechenberg, Sternel, Formularbuch des Fachanwalts, 3. Aufl. Teil 1 Rn. 1706 – 1719) stellt entsprechende Musterformulierungen zur Verfügung.

Zum Begründungserfordernis (dort Rz 1709) heißt es:

„Die erheblichen Nachteile müssen im Kündigungsschreiben dargelegt werden (vgl. § 573 Abs .3 Satz 1 BGB). Der Mieter soll dadurch Klarheit über seine Rechtsposition erhalten und in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (BGH ZMR 2011, 458 ff …).

Der Verkauf des Grundstücks kommt als Verwertungsmöglichkeit in Betracht und darf nicht auf Fälle sonst drohenden Existenzverlustes beschränkt werden (BVerfG ZMR 1989, 136).

Anders, als der Entschluss, die Wohnung selbst … zu nutzen …, reicht das Motiv der besseren wirtschaftlichen Verwertbarkeit allein nicht aus, um das Interesse des Mieters an der Haltung seiner Lebensgrundlage zu überwinden (BVerfG WuM 1989, 607).

Aus der Garantie des Grundeigentums lässt sich kein Anspruch auf Einräumung, gerade der Nutzungsmöglichkeit herleiten, die den Eigentümer/Vermieter den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspricht (BVerfG ZMR 1992, 50).“

Insbesondere hat der Vermieter kein generelles Anrecht darauf, das oft enorme Potential eines Verkaufs in mieterfreiem Zustand auszuschöpfen (LG Berlin ZMR 2014, 730; LG Potsdam WuM 2014, 737).

Darüber hinaus muss der Vermieter seine konkreten Verkaufsbemühungen in ausreichender Zahl in der Kündigung darlegen (Amtsgericht/Landgerichten Aachen WuM 2010, 37, 38).

Ergänzend wird verwiesen auf Riecke in PWW, BGB-Kommentar 13. Aufl. 2018, § 573 Rn. 49 und 50. Dort heißt es:

„Bei wirtschaftlicher Verwertung besteht eine Offenlegungsverpflichtung (vgl. Disput/Hübner ZMR 2009, 665). Der Vermieter hat eine nachprüfbare Berechnung bereits im Kündigungsschreiben vorzulegen, er muss nicht nur darlegen, inwieweit die von ihm geplante wirtschaftliche Verwertung angemessen ist, sondern auch warum eine Fortsetzung des Mietverhältnisses diese hindert, ob und welche Überlegungen der Vermieter angestellt hat, das Mietverhältnis trotz der geplanten Maßnahmen zu erhalten und ob versucht worden ist, Art und Umfang der Maßnahmen so einzurichten, dass das Mietverhältnis erhalten werden kann. Hinsichtlich der dem Vermieter erwachsenden erheblichen Nachteile muss dargelegt werden, dass ein Nachteil in Form einer unzureichenden Rendite nicht vom Vermieter selbst zu verantworten ist und inwieweit in anderer Weise als durch Kündigung versucht worden ist, die Rendite zu erhöhen. Nach BVerfG (ZMR 1998, 685) kann aber nicht verlangt werden, dass der Vermieter bereits im Kündigungsschreiben darlegt, dass die Gründe für den Verkauf nach Abschluss des Mietvertrages eingetreten sind.

Notwendig sind regelmäßig die Darlegung des Erlöses bei Verkauf in vermietetem und unvermietetem Zustand (LG Stuttgart ZMR 1995, 259), Berechnung der bei bestehendem Mietverhältnis erwirtschafteten Rendite, Darlegung, ob die ungünstige Rendite durch niedrige Mieteinnahmen bedingt ist, die nach Mangelbeseitigung angehoben werden können, Darlegung von konkreten Verkaufsbemühungen des Vermieters (Benennung der Kaufinteressenten und ihrer Preisvorstellungen in vermietetem und unvermietetem Zustand; LG Bielefeld WuM 1997, 267), mit dem Ergebnis, dass die Wohnung in vermietetem Zustand nicht zu einem angemessenen Preis zu veräußern ist. …“

Der geplante Verkauf muss zwar nicht zwingend erforderlich sein (anderer Ansicht allerdings LG Duisburg WuM 1991, 479 und LG Köln WuM 1992, 132) und auch nicht unbedingt dem wirtschaftlichen Gebot folgen (anderer Meinung LG Hannover WuM 1991, 189 und LG Kleve WuM 1988, 276), dennoch muss die geplante Verwertung von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen sein (LG Hamburg WuM 1991, 185 und LG Hamburg WuM 1991, 186).

Ausgeschlossen ist eine Verwertungskündigung immer dann, wenn das Haus trotz bestehender Mietverhältnisse verkauft werden kann, ohne dass der Kaufpreis dadurch erheblich beeinträchtigt wird.

Der bloße Wunsch – wie hier – nach einer mieterfreien Veräußerung ist nie ausreichend (LG Düsseldorf WuM 1987, 321).

In jedem Fall muss der Vermieter nachweisen, dass das Haus nur zu einem unangemessen niedrigen Kaufpreis am Markt abzusetzen ist (BGH NZM 2011, 773). Erfolglose Verkaufsbemühungen in hinreichendem Umfang sind deshalb anzugeben. In keinem Fall ausreichend ist die pauschale Bestätigung eines Maklers, die Immobilie sei bei Fortbestand des Mietverhältnisses unveräußerlich, oder nur mit erheblichem Abschlag (vgl. AG Coesfeld ZMR 2012, 199).

Im Übrigen kann auch ein, bei bestehendem Mietverhältnis ungünstiger Verkauf noch eine angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks darstellen (LG Duisburg WuM 1991, 497).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht ansatzweise vorgetragen, dass der mit Mietvertrag zu erzielende Kaufpreis unter dem Betrag liegt, den sie im Nachlassverfahren oder Erbstreit mit ihrem Bruder als Verkehrswert zum damaligen Zeitpunkt zugrunde gelegt hat (vgl. AG Eschweiler WuM 2000, 191).

Der Abschluss eines Mietvertrages und die daraus folgende Pflicht auf die Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen, rechtfertigen es, dem Vermieter nicht schon bei jedweden wirtschaftlichen Nachteil ein Kündigungsrecht einzuräumen (zum Ganzen vergleiche Rolfs in Staudinger § 573 Rn. 160 in der Neubearbeitung 2018).

Substantieller Sachvortrag zur Rendite des vermieteten Objekts hat die Klägerin nicht gebracht.

Bei der Erheblichkeit des Nachteils für die Klägerin sind zwar nicht nur die objektiven Maßstäbe, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin zu berücksichtigen, allerdings nur in Bezug auf das Mietobjekt. Erzielt der Vermieter eine angemessene Rendite, erleidet er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses keine erheblichen Nachteile, auch wenn er z.B. nach einer Kündigung eine höhere Marktmiete oder einen besseren Kaufpreis erzielen könnte.

Selbst ein hoher, absoluter Unterschiedsbetrag bei Kaufpreis im vermieteten und unvermieteten Zustand rechtfertigt für sich allein die Verwertungskündigung nicht (LG Hamburg WuM 1991, 185).

Ergänzend wird auf die Hinweise Bl. 49 und 84 der Akte verwiesen, in denen es heißt:

1.

Bei behauptetem zu erwartendem Mindererlös muss der Vermieter detailliert vortragen (BGH WuM 2011, 426) und z.B. Kaufangebote von Interessenten nachweisen, die über das Grundstück in weiterhin vermietetem und in unvermietetem Zustand abgegeben worden sind (LG Hannover WuM 91, 189).

Ein einmaliger Misserfolg der Verkaufsbemühungen lässt nicht den Schluss auf eine Unverkäuflichkeit des vermieteten Hauses zu (LG Frankfurt/M WuM 1991, 182).

Gewisse Preisabschläge hat der Vermieter beim Verkauf hinzunehmen (BVerfG NJW 1989, 972 = WuM 1989, 118; wohl ca. 20 % hinnehmbar; nicht aber 40 % LG München I ZMR 2013, 120).

Es besteht eine Offenlegungsverpflichtung (vgl. Disput/Hübner ZMR 2009, 665).

2.

Blank in Schmidt-Futterer § 573 Rn. 167 letzter Satz verweist zutreffend darauf, dass der Erwerber mit Eigennutzungswunsch Eigenbedarf geltend machen kann. Der sog „gekaufte“ Eigenbedarf steht der Kündigung nicht entgegen.

Sog „gekaufter Eigenbedarf“ (BVerfG ZMR 1994, 208; OLG Düsseldorf GE 2013, 1201) ist grds. kein verschuldeter Eigenbedarf, es sei denn, dass treuwidrige Umstände hinzutreten.

Dies muss bei der Bewertung des zu erzielenden Kaufpreises in vermietetem Zustand berücksichtigt werden.

3.

Hinsichtlich der dem Vermieter erwachsenden erheblichen Nachteile muss dargelegt werden, dass ein Nachteil in Form einer unzureichenden Rendite nicht vom Vermieter selbst zu verantworten ist und inwieweit in anderer Weise als durch Kündigung versucht worden ist, die Rendite zu erhöhen.

Nach BVerfG (ZMR 1998, 685) kann aber nicht verlangt werden, dass der Vermieter bereits im Kündigungsschreiben darlegt, dass die Gründe für den Verkauf nach Abschluss des Mietvertrages eingetreten sind.

Notwendig sind regelmäßig die Darlegung des Erlöses bei Verkauf in vermietetem und unvermietetem Zustand (LG Stuttgart ZMR 1995, 259), Berechnung der bei bestehendem Mietverhältnis erwirtschafteten Rendite, Darlegung, ob die ungünstige Rendite durch niedrige Mieteinnahmen bedingt ist, die z.B. nach Mangelbeseitigung angehoben werden können, Darlegung von konkreten Verkaufsbemühungen des Vermieters (Benennung der Kaufinteressenten und ihrer Preisvorstellungen in vermietetem und unvermietetem Zustand; LG Bielefeld WuM 1997, 267), mit dem Ergebnis, dass die Wohnung in vermietetem Zustand nicht zu einem angemessenen Preis zu veräußern ist.

1.

Schon die Kündigung verweist fehlerhaft auf § 573 Abs. 3 BGB, obwohl § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gemeint ist. Dies wird konsequent in der Klageschrift übernommen.

Die in der Kündigung erwähnte „Notwendigkeit einer besseren wirtschaftlichen Verwertung des Hauses“ stellt isoliert keinen Kündigungsgrund dar.

Die in der beigefügten Stellungnahme (K7, Bl. 17 d.A.) – die keine gutachterliche ist – erwähnten Preise sind die Schätzung eines Mitarbeiters eines Maklerunternehmens – mehr nicht, schon gar kein Gutachten. Ein Verkehrswertgutachten sieht anders aus. Anknüpfungstatsachen sind nicht mitgeteilt.

Durch Gutachten kann nicht im Prozess dieses Unterlassen kompensiert werden. Ausforschung oder Amtsermittlung kennt die ZPO nicht.

Zu Verkaufsbemühungen (vgl. bereits Hinweis von 24./25.7.2017, Bl. 49 d.A.) ist nichts Substantielles vorgetragen in der Kündigung. Selbst wenn die Verkehrswerte zwischen Lieferung in freiem oder vermietetem Zustand stark divergieren sollten, bedeutet dies nicht, dass auch ein Käufer gerade für dies Objekt existierte, der nur in freiem Zustand den angegeben Preis/Wert zahlen wollte.

2.

Unklar ist, was mit der Formulierung im Schriftsatz vom 17.07.2017 vorgetragen werden soll, wenn es dort auf Seite 2 (Bl. 46 d.A.) heißt: „Die Behauptung allerdings, die Klägerin hätte das Haus in vermietetem Zustand nicht verkaufen können, ist geradezu absurd.“

Der Vortrag der Klägervertreter ist auch zum Teil widersprüchlich. So wird in der Klage geschrieben, dass für die Auszahlung des Pflichtteilsberechtigten fast 80.000 EURO aufgewendet wurden (Bl. 3 d.A.). Im Schriftsatz vom 9.11.2017 heißt es dann, dass 60.000 EURO gezahlt wurden und 15.000 EURO für ein Gutachten (Bl. 73 d.A.). Hochgerechnet bedeutet dies, dass der Nachlass bei einer Pflichtteilsquote von 1/4 nur einen Wert von 240.000 EURO gehabt haben könnte. Das erwähnte Gutachten wurde auch nicht vorgelegt. Zum Anteil des Hauses am Nachlass ebenfalls nicht.

In formeller Hinsicht ist zu verweisen auf den Beraterhinweis von Schach (Mietrechtsberater 2018, Seite 2/3). Dort heißt es: „Der wesentliche Part einer Verwertungskündigung liegt in der Begründung. Vorliegend war diese – gemessen an dem mitgeteilten Sachverhalt – recht karg. Da es um die angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks geht, spielen Zahlen eine ganz erhebliche Rolle, die der Vermieter sich beschaffen und dann offen legen muss, damit sich der Mieter damit auch auseinander setzen kann. Mit pauschalen kalkulatorischen Behauptungen wird der kündigende Vermieter keinen Erfolg haben.“

Zum Begriff des „erheblichen Nachteils“ wird ergänzend verwiesen auf Beyer, Anwaltszertifikate online Mietrecht 1/2018 Entscheidungsanmerkung zu BGH Urteil vom 27.9.2017 VIII ZR 243/16. Dort heißt es:

„Ein Anspruch auf „Gewinnoptimierung“ oder eine Nutzungsmöglichkeit mit größtmöglichem wirtschaftlichen Vorteil gewährt das Eigentum dem Vermieter nicht ….. Das Besitzrecht des Mieters ist als Eigentum im Sinne des Artikel 14 Abs.1 Satz 2 GG geschützt mit der Folge, dass nicht jeder wirtschaftliche Nachteil, der dem Vermieter aus der Fortsetzung des Mietverhältnisses erwächst, ein Anspruch auf Räumung der Wohnung im Rahmen der Verwertungskündigung begründet.“

Hinzu kommt, dass nur die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe zu berücksichtigen sind.

Die beiden in der Kündigung genannten Gründe rechtfertigen weder jeder für sich allein, noch im Zusammenwirken die Verwertungskündigung.

Daran ändert auch das Hochstilisieren der E-Mail vom 7.12.2016 (Anlage K 7, Bl. 17 d.A.) zu einer „gutachterlichen Stellungnahme der Firma G… und B…“ nichts. Hier wird schlicht die Meinung einer Immobilienberaterin ungeprüft übernommen.

Die E-Mail enthält keinerlei Angaben zum Grundstück und zu potentiellen Interessenten. Weder die Grundfläche, noch die Bodenrichtwerte werden mitgeteilt. Ebenso wenig wie die nach dem Ertragswertverfahren über die zu erzielende Miete erreichten Werte.

Die Klägerin hat hier ohne Alternativ- und Vergleichsangebote einzuholen, einfach die Äußerung eines Maklers, die ihr günstig erschien, zum Kündigungsgrund erklärt. Damit fehlt es bereits an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die Einholung von Sachverständigengutachten etc. würde letztlich die formelle Unwirksamkeit der Kündigung ignorieren und auf eine reine Ausforschung der Marktverhältnisse hinauslaufen.

Am Rande sei erwähnt, dass z. B. Wohnungseigentümer, bevor Aufträge erteilt werden, bei Beträgen größer 3.000,– Euro nach hiesiger Rechtsprechung drei Vergleichsangebote vorher einholen müssen (vgl. AG Hamburg-St. Georg ZMR 2018, 375, LG Frankfurt/Oder ZMR 2017, 825, LG Frankfurt Main ZMR 2017, 579, LG Dortmund ZWE 2017, 96, LG Itzehoe, Urteil vom 5.1.2018, 11 S 1/17).

Die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin sind unplausibel und nicht ansatzweise hinreichend klar dargelegt, geschweige denn unter Beweis gestellt.

Bereits die Differenzen zwischen den Angaben auf Seite 3 der Klageschrift über Investitionen von mehr als 81.000,– Euro und fast 80.000,– Euro für den Pflichtteil des Bruders haben sich nach eigenen Angaben der Klägerin und entsprechendem Bestreiten der Beklagten als unzutreffend herausgestellt. Auf den klägerischen Schriftsatz vom 9.11.2017, Bl. 73/74 d.A. wird verwiesen.

Auch die bestrittenen Angaben in der Anlage K 6, Bl. 16 d.A. sind in Einzelpunkten selbst nach den Angaben der Klägerin falsch, bzw. veraltet.

Als Einnahme wird eine Nettokaltmiete als von den Beklagten zu zahlen mit Euro 1.250,– monatlich angegeben, während im klägerischen Schriftsatz vom 10.5.2017 eine Nettomiete von 1.437,80 Euro genannt wird. Ob sich diese Differenz aus der unstreitigen Mieterhöhung ergibt, wird nicht einmal dargelegt.

Bei den Ausgaben unter Hypothek I und Hypothek II aufgeführte Beträge sind so unsubstantiiert, was ihre Verursachung angeht, dass das einfache Bestreiten der Beklagten ausreicht. Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel daran, dass eine Finanzierung heutzutage noch über Hypotheken erfolgt. Das übliche Sicherungsmittel ist heute eine Buchgrundschuld in der Form der Sicherungsgrundschuld (vgl. Riecke, Gesetzgeberische Absicht und Praxiswandel bei der Sicherungsgrundschuld Rn. 001). Selbst wenn man davon ausgeht, dass Hypothek hier im weiteren Sinne/untechnisch gemeint ist, hätte die Klägerin zumindest darlegen müssen, in welcher Höhe, sie mit welchem Zinssatz Grundpfandrechte auf dem Mietgrundstück hat und wegen dieser Darlehenszinsen in angegebener Höhe zahlen muss.

Ein überhöhter Zinssatz kann sicherlich nicht zum Nachteil des Mieters gereichen.

Im Hinblick darauf, dass die übrigen Angaben zu Investitionen und Pflichtteil deutlich zu Gunsten der Klägerin ursprünglich überhöht waren, hätte hier nach dem Bestreiten durch die Beklagten der Darlehensvertrag und ein entsprechender korrespondierender Grundbuchauszug mit Abt. III vorgelegt werden müssen.

Dass die Klägerin nach eigenen Angaben Lebensmittel seit Februar 2016 über die Harburger Tafel beziehen will, ist für dies Verfahren vollkommen irrelevant. Solange die Klägerin sich ein Pferd, zwei Autos, Nikotinkonsum etc. leistet, obliegt das ihrer freien Entfaltung der Persönlichkeit, bedeutet jedoch keinen relevanten Ausgabenfaktor, im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Verhältnissen bei Beurteilung der Verwertungskündigung.

Auch die Angaben zu der persönlichen gesundheitlichen Situation der Klägerin (vgl. Anlage K 5, Bl. 15 d.A.) rechtfertigen – für sich allein – keine Verwertungskündigung. Wenn die Klägerin barrierefrei wohnen will, hätte sie zumindest darlegen müssen, welche Zusatzkosten hierdurch bei einer Mietwohnung auf sie zukommen sollen. Daran fehlt es komplett.

Im Hinblick auf die formell und materielle Unwirksamkeit der Verwertungskündigung kommt es nicht mehr darauf an, ob der Widerspruch der Beklagten gemäß § 574 BGB hier greift.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.

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