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Verwirkung von Mietzinsansprüchen

KG Berlin –  Az.: 8 U 71/13 –  Urteil vom 18.11.2013

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. März 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 137,60 € nebst 8 % Zinsen auf jeweils 68,80 € seit dem 6. August 2011 und seit dem 6. September 2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Soweit die Berufung Erfolg hat, hat der Beklagte den geltend gemachten Anspruch anerkannt. Die Verurteilung ist insoweit gemäß § 307 ZPO entsprechend dem Anerkenntnis des Beklagten erfolgt.

Dem über den anerkannten Betrag hinausgehenden geltend gemachten Mietzinsanspruch steht – wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung in jeder Hinsicht zutreffend ausgeführt hat – gemäß § 242 BGB der Einwand der Verwirkung entgegen.

Die Verwirkung einer Forderung setzt voraus, dass zum Ablauf einer gewissen Zeit (Zeitmoment) besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH NJW 2003, 727; BGH WuM 2004,198).

Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt allgemein der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist. Kurze Verjährungsfristen rechtfertigen, wenn überhaupt nur ausnahmsweise die Bejahung der Verwirkung (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB, Rdnr. 92,93; BGHZ 84,280; NJW-RR 1989,818 zu § 196 BGB a.F.; BGH NJW 1992,1755 zu § 852 BGB a.F.; Senatsurteil vom 19.12.2005 – 8 U 163/05 – OLGR 2006,286; KG, 12. ZS GE 2007,591 = NZM 2008,129). Die Regelverjährungsfrist muss dem Gläubiger grundsätzlich ungekürzt zur Verfügung stehen. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahekommt, mindert die erforderliche Zeitdauer, so etwa die Nichtgeltendmachung des Anspruchs bei einer Abrechnung oder bei Verhandlungen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB, Rdnr. 93; BGH WM 79,647). Die hier streitgegenständlichen Mietzinsansprüche verjähren gemäß § 195 BGB binnen drei Jahren, so dass eine Verwirkung grundsätzlich nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden kann. Diese besonderen Gründe liegen hier vor.

Das Zeitmoment ist vorliegend erfüllt.

Der Beklagte befand sich unstreitig am 15. Juli 2006 mit 3 Monatsmieten, nämlich für Mai bis Juli 2006 in Rückstand. Erst mit Schreiben vom 7. Juni 2011, also 5 Jahre später, hat der Kläger sich auf Punkt 3 des Nachtrages Nr.1 zum Mietvertrag berufen und geltend gemacht, dass die Vereinbarung über die Aussetzung der Staffel aufgrund des Verzuges im Jahr 2006 hinfällig geworden sei.

Auch das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment liegt vor.

Das Umstandsmoment ist gegeben, wenn neben dem Zeitmoment besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 2003,824; BGH Urteil vom 26.02.2003 – XII ZR 66/01 – NJW-RR 2003,727; BGH Urteil vom 04.02.2004 – VIII ZR 171/03 – WuM 2004,198). Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht nämlich in der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass eine Forderung verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGH Urteil vom 26.02.2003 – XII ZR 66/01- a.a.O., Tz. 15; Kammergericht, Grundeigentum 2012, 545).

Hier hat der Kläger zum einen mit Schreiben vom 15. Juli 2006 die ausstehenden Mieten angemahnt, ohne sich auf den Wegfall der Vereinbarung über die Aussetzung der Staffel zu berufen. Zum anderen hat er den Beklagten im Jahr 2006 aufgefordert, die Leistungen zu erbringen, zu denen dieser sich in dem Nachtrag Nr.1 “im Gegenzug für das Aussetzen der Mietstaffel” verpflichtet hat, obgleich zu diesem Zeitpunkt bereits die Voraussetzungen für einen Wegfall der Aussetzung vorgelegen hätten.

Das Landgericht hat hierzu in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Zeugin H… bestätigt habe, dass der Kläger sie und den Beklagten mehrfach im Jahre 2006, u.a. auch im Juli und September auf die noch ausstehenden Umbauarbeiten angesprochen und Druck gemacht habe, dass diese ihren Abschluss finden sollten.

Diese Feststellungen hat auch der Senat bei der Beurteilung des Falles zugrunde zu legen.Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (Kammergericht, Urteil vom 8. Januar 2004 – 12 U 184/02 -; Kammergericht KGR 2004, 38 = MDR 2004, 533; Kammergericht, KGR 2004, 269).

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen (§§ 513Abs. 1, 546 ZPO) nicht zu beanstanden, da das Landgericht die gesetzlichen Vorgaben nach § 286 ZPO eingehalten hat.

 

Diese Vorschrift fordert den Richter auf, ”unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme” nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., 2012, § 286 Rdnr. 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Kammergericht, NZV 2004, 355).

An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat das Landgericht sich im angefochtenen Urteil gehalten.

Wenn aber der Kläger den Beklagten im Jahr 2006 aufgefordert hat, die Leistungen zu erbringen, zu denen dieser sich im Nachtrag Nr.1 “im Gegenzug für das Aussetzen der Mietstaffel” verpflichtet hat, obwohl der Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Zahlung von Mietzins in Verzug war und damit die Voraussetzungen für einen Wegfall der Aussetzung der Staffel gegeben gewesen wären, hat der Kläger mit seinem Verhalten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er trotz des Verzuges an der vereinbarten Aussetzung der Mietstaffel festhalten will.

Der Beklagte durfte aufgrund dieses Verhaltens darauf vertrauen, dass der Kläger sich wegen des Verzuges in den Monaten Mai, Juni und Juli 2006 nicht auf den Wegfall der Aussetzung der Mietstaffel berufen würde.

Der Beklagte hat sich auch darauf eingerichtet, dass der Kläger die aus einem Wegfall der Mietstaffel resultierenden Mietforderungen nicht mehr geltend machen würde, denn er hat entsprechende Vermögensdispositionen getroffen und die zum Zeitpunkt des Verzuges noch ausstehenden Leistungen erbracht, zu deren Erbringung er nicht mehr verpflichtet gewesen wäre, wenn sich der Kläger auf den Wegfall der Mietstaffel berufen hätte. Dabei ist unerheblich, ob sich der Beklagte zum Zeitpunkt des Verzuges mit den Mietzahlungen auch mit der Erbringung der Leistungen in Verzug befand. Wenn sich der Kläger zum Zeitpunkt des Verzuges mit den Mietzahlungen auf den Wegfall der Aussetzung der Mietstaffel berufen hätte, wäre der Beklagte auch nicht mehr zur Erbringung der Leistungen verpflichtet gewesen, da diese ja nur im Gegenzug für das Aussetzen der Mietstaffel erbracht werden sollten.

Der Beklagte ist nicht gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf Verwirkung zu berufen.

Soweit der Kläger beanstandet, der Beklagte könne sich nicht auf Verwirkung berufen, weil er sich mit der Zahlung von Mietzins und der Erbringung von Leistungen in Verzug befunden hätte, greift dieser Einwand nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15. November 1995 – IV ZR 297/93 – ; VersR 1996, 315) kann sich der Schuldner nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf Verwirkung berufen, wenn er sich selbst unredlich verhalten hat und dadurch die verspätete Geltendmachung des gegen ihn gerichteten Anspruchs veranlasst hat. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Beklagte hat nicht durch sein Verhalten die verspätete Geltendmachung des Wegfalls der Aussetzung der Mietstaffel verursacht.

Der Zinsanspruch, ergibt sich aus §§ 286Abs.2 Ziffer 1, 288 Abs.2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.2 Ziffer 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.

 

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