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Videokamera auf Nachbargrundstück – Beseitigungsanspruch

LG Berlin, Az: 57 S 215/14

Urteil vom 23.07.2015

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. Juni 2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding – 8a C 63/13 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt abgeändert und insgesamt neu gefasst:

a) Der Beklagte wird verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die beiden auf seinem Grundstück … 17, … Berlin an der nördlichen und südlichen Hausecke in ca. fünf bis sieben Meter Höhe installierten Kameras Typ MOBOTIX MX-Q24M-SEC

– objektiv nachprüfbar nicht das klägerische Grundstück (Kellenzeile 19, 13437 Berlin) erfassen und

– eine Erfassung des klägerischen Grundstücks nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist.

überwachungskamerab) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ¼ und der Beklagte ¾.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

1.

Der Kläger hat hinsichtlich beider Kameras einen Beseitigungsanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB (analog) gegen den Beklagten.

a)

Der Sachverständige D. hat festgestellt, dass die von vorne gesehen an der rechten vorderen Hausecke (nördliche Ecke) befindliche Kamera Teile des klägerischen Grundstücks erfasst, nämlich etwa die Hälfte der klägerischen Garagenzufahrt. Der Sachverständige D. hat allerdings ebenfalls festgestellt, dass eine Überwachung der klägerischen Auffahrt zum Zeitpunkt der Begutachtung tatsächlich nicht stattfand, da das klägerische Grundstück nur verpixelt dargestellt wurde.

Unzutreffend hat das Amtsgericht aufgrund dieser Verpixelung einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers verneint. Denn ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht besteht bereits, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen, wobei es hierfür auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarschaftsstreit (BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533). Hier ist eine solche Befürchtung des Klägers aus folgenden Gründen gerechtfertigt:

aa)

Es mag zwar nach Angaben des Sachverständigen Diez nicht ohne weiteres möglich sein, die durch die Fachfirma eingerichtete Verpixelung aufzuheben, da dazu Administratorenrechte und ein entsprechendes Passwort notwendig seien. Es mag auch sein, dass der Beklagte hierüber nicht verfügt. Maßgeblich erscheint jedoch, dass eine Aufhebung der Verpixelung grundsätzlich möglich ist und für den Kläger von außen nicht wahrnehmbar ist. Ferner kann nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung der Verpixelung für den Beklagten nicht erreichbar wäre. Zwar hat der Sachverständige D. angegeben, er persönlich lehne Aufträge zur Aufhebung einer Verpixelung, die bereits mehrfach an ihn herangetragen worden seien, stets ab. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass auch andere Firmen dies ablehnen. Ferner kommt eine Aufhebung der Verpixelung auch durch eine nicht autorisierte Person in Betracht, die in der Lage ist, die Schutzvorrichtungen zu umgehen.

bb)

Ferner besteht zwischen den Parteien ein ganz erheblicher, stark emotional aufgeladener Nachbarschaftsstreit. So hat der Beklagte allein im Rahmen dieses Rechtsstreits Schriftsätze eingereicht, in welchen er u.a. äußert:

– der Kläger habe Morddrohungen geäußert,

– der Kläger habe auf ihn geschossen,

– der Kläger habe eine „gent. angelegte Bereitschaft zur Aggression“ und zerstöre fremde Zäune, fremde Gebäude, Klingeln und Briefkästen,

– der amerikanische Geheimdienst melde, dass der Kläger ihn weiter beklauen wolle (Schreiben des Beklagten vom 17.10.2013),

– der Kläger habe zu mehreren Eingehungsbetrügereien „eindeutig den geheimen telefonischen Mittler“ gespielt,

– der Kläger könne „Beweisfotos von seinen Mordsubstraten“ nicht verbieten,

– der Kläger stehe „in dringendem Tatverdacht, mit anderen Polizeikollegen Rumänen mit geliehenen Handys zu Einbrüchen zu bewegen“ (vorgerichtliches Schreiben des Beklagten vom 23.01.2013),

– der Kläger bleibe „verdächtig auf Lebenszeit“,

– der Kläger habe ihn illegal abgehört,

– der Kläger habe wichtige Zeugen unter Druck gesetzt,

– der Kläger sei ein „großmauligen Schwerverbrecher“, „Lügner“, „Panzerknacker- Mandantschaft“ und „Terror-Mandantschaft“.

Vor dem Hintergrund dieses Nachbarschaftsstreits erscheint die Befürchtung des Klägers, der Beklagte werde versuchen, sein (also das klägerische Grundstück) zu überwachen, objektiv nicht unbegründet, zumal der Beklagte mit Schreiben vom 02.06.2013 weiter mitteilt, er habe über 200 Verwandte allein im Bundesgebiet und die Professoren und Ingenieure in der Familie und er werde dem Kläger „an die Substanz gehen“, wenn dieser ihn noch mal attackiere.

cc)

Soweit der Beklagte behauptet, die Kameras könnte aufgrund der im April 2014 installierten Metallabschirmung das Grundstück des Klägers nicht mehr erfassen, ist er mit diesem Vortrag gem. § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz ausgeschlossen. Zwar hat der Beklagte ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 12. März 2014 bereits erstinstanzlich, nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2014 Fotos überreicht, auf welchen eine Abschirmung der Kameras zu sehen ist. Er hat jedoch nicht behauptet, dass aufgrund dieser Abschirmung das Grundstück des Klägers nicht mehr erfasst werden könne. Auch mit Schriftsatz vom 19. Mai 2014, (der allerdings erstinstanzlich offenbar nicht zur Akte gelangte ist), wurde dies nicht behauptet. Der Kläger hat schließlich auch zulässig mit Nichtwissen bestritten, dass die Sichtblenden vollständig den privaten Bereich des Klägers abdecken. Gründe für die Zulassung gem. § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

dd)

Der Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, er habe ein das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegendes Interesse an der Installation der Kamera in der jetzigen Form. Denn es bleibt dem Beklagten unbenommen, sein Grundstück weiterhin mit Kameras zu überwachen, wenn gewährleistet ist, dass die Kameras das Grundstück des Klägers nicht erfassen und eine Erfassung des klägerischen Grundstücks auch nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich wäre. Dies wäre beispielsweise durch eine manuelle Abschirmung der Kameras denkbar.

b)

Auch durch die zweite Kamera (südliche Kamera) wird das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Zwar hat der Sachverständige D. nicht festgestellt, dass mit dieser Kamera Teile des klägerischen Grundstücks erfasst werden. Er hat jedoch nachvollziehbar ausgeführt, dass bei Austausch des jetzigen Objektivs gegen ein 11 mm-Objektiv mit 180 Grad Blickwinkel Panoramaaufnahmen des Klägergrundstücks möglich wären und ein solcher Austausch nach Abschluss der Arbeiten für einen Laien von Außen nicht mehr erkennbar sei (Seite 19 des Gutachtens). Im Übrigen hat der Sachverständige dies nicht spezifisch für eine Kamera ausgeführt, sondern die Möglichkeit des Objektivtauschs gilt ersichtlich für beide Kameras. In der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2014 hat der Sachverständige Diez zwar ausgeführt, dass der Austausch des Objektivs schwierig und für einen technischen Laien nicht durchführbar sei, sondern in einer Werkstatt vorgenommen werden müsse, wofür die Kamera zunächst mittels einer Leiter ab- und anschließend wieder angebaut werden müsse. Unzutreffend hat das Amtsgericht jedoch aufgrund dieses erforderlichen Ab- und Anbaus der Kamera entschieden, der Kläger müsse eine Überwachung nicht objektiv ernsthaft befürchten. Es trifft zwar zu, dass der Abbau und anschließende Wiederanbau der Kamera mittels einer langen Leiter ein von außen deutlich sichtbarer Vorgang ist. Der Sachverständige Diez hat jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2014 weiter ausgeführt, dass ein Fachmann Abbau, Austausch und Wiedereinbau in etwa einer Stunde bewältigen könne, wenn keine lange Fahrzeit in die Werkstatt anfiele. Damit kann ein Austausch ohne weiteres während einer z.B. urlaubsbedingten Abwesenheit des Klägers und seiner Familie stattfinden, ohne dass dieser bei seiner Rückkehr eine Veränderung der Kamera bemerken könnte.

Im Übrigen gelten die obigen Ausführungen zu den Punkten a)bb) bis a)dd) entsprechend.

c)

Dem Kläger steht daher gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB (analog) ein Anspruch auf Beseitigung der aktuellen Beeinträchtigung durch die Kameras zu. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger die Entfernung der Kameras verlangen kann. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog) gewährt zwar einen Anspruch auf Beseitigung der gegenwärtigen Beeinträchtigung. Grundsätzlich bleibt es jedoch dem Schuldner überlassen, wie er die Beeinträchtigung beseitigt. Eine Verurteilung zu einer bestimmten Maßnahme kommt daher nur in Betracht, wenn die Beeinträchtigung nur durch dieses Maßnahme beseitigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2005, V ZR 251/04, NJOZ 2005, 3210; BeckOK BGB/Fritzsche, § 1004, Rz. 130) bzw. weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (BGH, Urteil vom 12.12.2003, NJW 2004, 1035).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn zur Beseitigung der Störung sind alle Maßnahmen als geeignet anzusehen, die gewährleisten,

– dass objektiv nachprüfbar (z.B. durch einen Sachverständigen) ist, dass das klägerische Grundstück nicht erfasst wird und

– die eine Erfassung des klägerischen Grundstücks nur durch eine äußerlich wahrnehmbaren technischen Veränderung der Anlage ermöglichen (vgl. zu diesen Kriterien BGH, Urteil vom 16.03.2010, VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533, Tz. 14).

Denkbar wäre hier z.B. eine deutlich sichtbare Abschirmung der Kameras mit einer Blechumrandung.

Der Hauptantrag war jedoch nur teilweise abzuweisen. Denn der Antrag, den Beklagten zur Entfernung der Kameras zu verurteilen, beinhaltet als Minus den Antrag, den Beklagten zur Ergreifung von geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Störung zu verurteilen. Insoweit bedurfte es des Hilfsantrags nicht.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt, dass der Kläger überwiegend erfolgreich war, da ein Beseitigungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB (analog) besteht, dieser jedoch nur nicht – wie vom Kläger gewünscht – auf eine bestimmte Beseitigungsmaßnahme (nämlich Entfernung der Kameras) gerichtet ist.

3.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine besondere Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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