LG Münster – Az.: 3 S 102/20 – Beschluss vom 18.01.2021
In dem Rechtsstreit weist die Kammer die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Dem Berufungskläger wird die Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschusses zu den Hinweisen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 28.10.2020 – 38 C 1751/20 – wird ohne Sicherheitsleistung bis zum 14.02.2021 ausgesetzt.
Gründe
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, da sie einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Auch erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage zulässig und begründet ist.
Die Klägerin/Berufungsbeklagte hat gegen den Beklagten/Berufungskläger einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung Q-Straße ……, Ort, Dachgeschoss links, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad aus § 546 Abs. 1 BGB.
Das Mietverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 20.03.2020 wirksam zum Ablauf des 30.06.2020 beendet.
Das Mietverhältnis konnte durch ordentliche Kündigung beendet werden, weil es auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde (vgl. § 542 Abs. 2 BGB). Die im Mietvertrag vom 26.03.2019 vereinbarte Befristung (Bl. 4. d.A.) ist unwirksam. Gemäß § 575 Abs. 1 BGB ist Voraussetzung für eine wirksame Befristung unter anderem, dass der Vermieter dem Mieter den Grund der Befristung bei Vertragsschluss schriftlich mitteilt. Dabei muss er den Befristungsgrund hinreichend konkretisieren. Bei der Absicht baulicher Maßnahmen (§ 575 Abs. 1 Nr. 2 BGB) etwa ist die Art der Arbeiten so konkret mitzuteilen, dass der Mieter erkennt, inwiefern sie seine Räume betreffen und das Mietverhältnis geeignet ist, die Durchführung der Arbeiten zu erschweren (vgl. MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 575 Rn. 27). Diesen Anforderungen genügt das bloße Schlagwort „Dachausbau“ nicht. Daraus geht insbesondere nicht hervor, welche Räume von dem Dachausbau betroffen sein sollen und wie (zeit-)aufwendig der Dachausbau voraussichtlich ausfällt.
Die Kündigung erfolgte formell ordnungsgemäß, nämlich schriftlich (§ 568 Abs. 1 BGB) und unter Angabe des Kündigungsgrundes (§ 573 Abs. 3 BGB). Die Kündigungsfrist gemäß § 573c Abs. 1 S. 1 BGB wurde gewahrt.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Gemäß § 573 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Eine wirtschaftliche Verwertung stellen unter anderem Umbau oder Sanierung bzw. Modernisierung dar (vgl. Staudinger/Rolfs, 2018, § 573 BGB Rn. 148; MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 573 Rn. 117). Daher liegt in dem von der Klägerin beabsichtigten Dachausbau und der damit bezweckten Schaffung zusätzlichen Wohnraums eine wirtschaftliche Verwertung.
Nach der Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin die ernsthafte Absicht, die angekündigte Verwertung umzusetzen. Dafür sprechen die vorgelegten Architektenpläne (Bl. 12 f. d. A), aus denen der Umbau der vom Beklagten bewohnten Räumlichkeiten hervorgeht, ebenso wie der von der Sparkasse für das Vorhaben „Dachausbau/Balkonsanierung“ eingeholte Finanzierungsplan (Bl. 34 ff. d. A.). Dass die Finanzierung seitens der Bank noch nicht abschließend bewilligt wurde, begründet keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verwertungsabsicht der Klägerin. Die Finanzierungsentscheidung liegt schließlich in erster Linie in der Hand der Bank.
Zudem ist der Vortrag der Klägerin, die zeitnah erforderliche Erneuerung der Balkone mit dem Dachausbau zu verbinden, um nur einmal die Kosten für die Einrüstung aufwenden zu müssen, lebensnah und plausibel. Auch dies belegt die Ernsthaftigkeit der Verwertungsabsicht.
Es kann dahinstehen, ob der Klägerin für das Umbauvorhaben eine Baugenehmigung erteilt wurde. Das Vorliegen einer Baugenehmigung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Verwertungskündigung (vgl. Staudinger/Rolfs, 2018, § 573 BGB Rn. 156; MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, § 573 Rn. 118). Dass eine Baugenehmigung überhaupt beantragt wurde, wurde im ersten Rechtszug vom Beklagten nicht bestritten. Als neues Verteidigungsmittel kann dieses Bestreiten (vgl. § 282 Abs. 1 ZPO) nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO berücksichtigt werden. Dessen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beklagte hätte die von der Klägerin vorgetragene Beantragung einer Baugenehmigung bereits im ersten Rechtszug bestreiten können. Die fehlende Geltendmachung beruhte nicht auf einem Verfahrensmangel, sondern auf Nachlässigkeit.
Im Übrigen begründet auch der Vortrag der Klägerin, die neue Wohnung werde eine Grundfläche von über 100 qm und eine Wohnfläche von mindestens 80 qm haben, keine Zweifel an ihrer Verwertungsabsicht. Durch die Berücksichtigung der Dachschrägen weist die Wohnfläche stets eine geringere Quadratmeterzahl auf als die Grundfläche. Dies wollte die Klägerin wohl auch mit ihrem Hinweis auf die DIN-Normen zum Ausdruck bringen.
Die Behauptung, der Umbau sei weder tatsächlich noch rechtlich möglich, ohne dass Anhaltspunkte bestehen, die diese Annahme rechtfertigen, ist als bloße „Behauptung ins Blaue“ unbeachtlich.
Der beabsichtigte Umbau stellt eine angemessene Verwertung dar. Maßgeblich für die Angemessenheit der Verwertungsabsicht ist, dass ihr vernünftige und nachvollziehbare Erwägungen zugrunde liegen (vgl. BGH, Urt. v. 9. 2. 2011 – VIII ZR 155/10 = NJW 2011, 1135, 1136). Dies trifft hier zu. Die Klägerin bemängelt die aktuell fehlende Rentabilität der Vermietung und dass die Räumlichkeiten in ihrem derzeitigem Zuschnitt und ihrer gegenwärtigen Ausstattung nicht mehr zeitgemäß sind. Durch den Dachausbau lässt sich zusätzlicher Wohnraum schaffen, welcher einen zeitgemäßen großzügigeren Zuschnitt der Räume zulässt. Mit der Vermietung der neuen Dachgeschosswohnung beabsichtigt die Klägerin die Erzielung eines um 880 Euro höheren monatlichen Mietzinses. Auch die Angemessenheit der übrigen geplanten Sanierungsmaßnahmen (u.a. Dämmung, Erneuerung des Sanitärbereichs und der Stromleitungen) ist angemessen.
Bei Fortbestehen des Mietverhältnisses ist die Klägerin an einer angemessen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und würde dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, ist bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Nachteile für den Vermieter aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) eine Abwägung zwischen dem Verwertungsinteresse des Vermieters und dem Bestandsinteresse des Mieters, sprich seinem Interesse, weiterhin in der Wohnung wohnen zu dürfen, vorzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2017 – VIII ZR 45/16 = NJW 2017, 2018). In die Abwägung fließen die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen ein. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen, bestehen nicht, weshalb das Berufungsgericht die Tatsachen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.
Dabei ist auf Seiten des Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich um seinen grundrechtlich geschützten Lebensmittelpunkt handelt und die Wohnung so weit funktionstüchtig und mit 60 qm für eine Einzelperson eine ausreichende Wohngröße aufweist.
Zu Gunsten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die Vermietung der Wohnung im aktuellen Zustand nicht rentabel, die Wohnung nicht mehr zeitgemäß geschnitten und ausgestattet ist. Durch den Dachausbau und die Sanierung erhielte sie aber zusätzlichen Wohnraum. Mit der Vermietung der neuen, großzügiger geschnittenen und modern ausgestatteten Wohnung könnte die Klägerin statt des bisherigen monatlich Mietzinses von 370 Euro mindestens einen Mietzins von 1250 Euro erzielen. Dabei ist es für sie günstig, den Dachausbau im Zuge der Balkonsanierung durchführen lassen zu können, um nicht zweimal die Kosten für die Einrüstung der Hauswand aufwenden zu müssen.
In die Abwägung einzubeziehen ist ferner, dass die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages das Mietverhältnis auf fünf Monate befristen wollten, dies nur nicht wirksam vereinbart haben.
Im Ergebnis fällt die Abwägung zu Gunsten des Verwertungsinteresses der Klägerin aus.
Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass ein schutzwürdiges Interesse für eine Verlängerung der Räumungsfrist nach § 721 Abs. 3 ZPO nur besteht, wenn er seiner Obliegenheit, sich in jeder ihm zumutbaren Weise um eine Ersatzwohnung zu bemühen, vollständig entsprochen hat und gleichwohl noch keine seinen Bedürfnissen entsprechende Ersatzwohnung finden konnte (vgl. BeckOK ZPO/Ulrici, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 721 Rn. 6).
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.