Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Mietrückstände rechtlich gut erklärt: Grundlagen zur Verwirkung von Mietzahlungen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Beweismittel muss ich für eine erfolgreiche Mietminderung vorlegen?
- Wie hoch darf die Mietminderung bei verschiedenen Mängeln maximal ausfallen?
- Wann droht mir bei einer Mietminderung eine Räumungsklage?
- Welche Rechte und Pflichten habe ich während eines laufenden Räumungsverfahrens?
- Ab wann gelten Mietforderungen als verwirkt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Wiesbaden
- Datum: 04.09.2024
- Aktenzeichen: 3 S 13/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Mietrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Beklagter (Berufungskläger): Der Beklagte argumentiert, dass das Erstgericht seine Mängelrügen nicht angemessen berücksichtigt hat. Er führt an, dass es Mängel wie Uringeruch, überfüllte Mülltonnen und eine nicht verschließbare Haustür gibt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung seines Mietgebrauchs führen. Weiterhin beansprucht er, dass es eine fehlerhafte Berechnung der Mietminderungsquote gab und einige Mietzahlungsansprüche verwirkt seien.
- Klägerin (Berufungsbeklagte): Die Klägerin behauptet, dass die Vorwürfe des Beklagten weitgehend unbewiesen sind. Sie weist darauf hin, dass die vorgelegten Beweise des Beklagten unzureichend seien und das erstinstanzliche Gericht den Sachverhalt korrekt festgestellt habe. Sie bestreitet, dass die behaupteten Mängel bestünden und verteidigt die Höhe der Mietminderung.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Beklagte bewohnte ein Mietobjekt, in dem er Mängel wie Uringeruch, defekte Haustür und überfüllte Mülltonnen bemängelte. Diese Mängel führten zu einer Behinderung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache. Daraufhin minderte er die Miete. Das Amtsgericht Wiesbaden hatte dem Beklagten eine Räumungsfrist gewährt, jedoch seine Argumente für eine höhere Mietminderung abgelehnt, weshalb der Beklagte in Berufung ging.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die vom Beklagten behaupteten Mängel hinreichend bewiesen wurden und ob die vom Amtsgericht festgelegte Minderungsquote angemessen ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Das Ersturteil wurde bestätigt, dem Beklagten wurde eine Räumungsfrist gewährt, und die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Beklagten auferlegt.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Beweise des Beklagten für die behaupteten Mängel nicht ausreichten, um eine höhere Mietminderung zu rechtfertigen. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei korrekt gewesen, und die Höhe der Mietminderungen angemessen. Außerdem lag keine Verwirkung der Mietzahlungsansprüche der Klägerin vor.
- Folgen: Der Beklagte muss die festgesetzten Kosten tragen und die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen. Der Beklagte erhält eine Räumungsfrist bis zum 30.11.2024, muss jedoch Sicherheitsleistungen erbringen, um eine Vollstreckung abzuwenden.
Mietrückstände rechtlich gut erklärt: Grundlagen zur Verwirkung von Mietzahlungen
Mietrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das Vermieter und Mieter gleichermaßen betrifft. Besonders die Frage nach Mietzahlungen und deren rechtlichen Konsequenzen beschäftigt viele Mietparteien. Bei Mietrückständen stehen beide Seiten vor der Herausforderung, ihre Rechte und Pflichten zu verstehen und korrekt umzusetzen.
Die Verwirkung von Mietzahlungen ist ein sensibler Prozess, der klare rechtliche Voraussetzungen hat. Zentrale Aspekte wie Zahlungsfristen, Mahnverfahren und mögliche Konsequenzen eines anhaltenden Mietzinsverzugs spielen dabei eine entscheidende Rolle. Welche spezifischen Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Vermieter Mietforderungen gerichtlich geltend machen können?
Der folgende Beitrag beleuchtet einen konkreten Gerichtsfall, der die komplexen rechtlichen Zusammenhänge der Mietforderungsverwirkung praxisnah aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Vermieter gewinnt Prozess um Mietminderung und Räumung in Wiesbaden

Das Landgericht Wiesbaden hat in einem Berufungsverfahren die Räumungsklage einer Vermieterin gegen ihren Mieter bestätigt. Der Beklagte hatte die Miete wegen verschiedener Mängel im Wohnhaus gemindert, darunter eine defekte Haustür, überfüllte Mülltonnen und Geruchsbelästigungen.
Streit um Mängel und deren Nachweis
Im Zentrum des Rechtsstreits standen die vom Mieter vorgebrachten Wohnungsmängel. Er beklagte einen Uringeruch im Treppenhaus und in seiner Wohnung, eine nicht verschließbare Haustür sowie überfüllte Mülltonnen mit starker Geruchsbildung. Die Vermieterin bestritt diese Mängel und verwies darauf, dass sich keine anderen Mieter über diese Probleme beschwert hätten. Das Gericht führte zur Klärung der Sachlage einen Ortstermin durch und hörte mehrere Zeugen.
Gerichtliche Bewertung der Mängel
Das Landgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden. Die Richter erkannten zwar Probleme mit überfüllten Mülltonnen und der Haustür an, sahen jedoch keinen Nachweis für eine dauerhafte Geruchsbelästigung im Treppenhaus oder in der Wohnung des Mieters als erbracht an. Die Minderungsquoten wurden auf 5 Prozent für die defekte Haustür und 5 bis 7 Prozent für die Mülltonnenproblematik festgesetzt. Die vom Mieter geforderte höhere Gesamtminderung von 28 Prozent wurde abgelehnt.
Räumungsfrist und Kostenentscheidung
Das Gericht bewilligte dem Mieter eine Räumungsfrist bis zum 30. November 2024. Bei dieser Entscheidung berücksichtigten die Richter einerseits die Interessen des Mieters, lehnten jedoch eine längere Frist ab, da die Kündigung bereits fast zwei Jahre zurücklag. Die Kosten des Berufungsverfahrens muss der Mieter tragen. Der Streitwert wurde auf 14.992,43 Euro festgesetzt.
Rechtliche Grundlagen der Entscheidung
Das Gericht betonte, dass der Mieter für das Vorliegen von Mängeln beweispflichtig sei und bestehende Zweifel zu seinen Lasten gingen. Bei der defekten Haustür stellten die Richter fest, dass der Mieter nach einem Reparaturversuch die erneut auftretende Problematik der Vermieterin hätte melden müssen. Eine Verwirkung der rückständigen Mietzahlungen wurde verneint, da die Vermieterin durch ihr Verhalten keine Vertrauensgrundlage geschaffen hatte, die den Mieter zu der Annahme berechtigt hätte, die Mieten würden nicht mehr eingefordert.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil verdeutlicht, dass Mieter bei der Geltendmachung von Mängeln sehr sorgfältig dokumentieren und substantiiert vortragen müssen. Die vom Gericht festgesetzten Minderungsquoten (5-7% für verschiedene Mängel wie defekte Haustür und Müllprobleme) zeigen, dass Gerichte bei der Bewertung von Mietmängeln eher zurückhaltend sind. Auch wenn mehrere Mängel vorliegen, führt dies nicht automatisch zu einer hohen Gesamtminderung – im vorliegenden Fall wurde die Berufung des Mieters gegen die erstinstanzlich festgesetzten moderaten Minderungsquoten zurückgewiesen.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie Ihre Miete wegen Mängeln mindern wollen, müssen Sie diese präzise dokumentieren und nachweisen können. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus – sammeln Sie Fotos, Zeugenaussagen und führen Sie ein Mängelprotokoll. Bei der Höhe der Mietminderung sollten Sie realistisch bleiben: Selbst erhebliche Beeinträchtigungen wie eine defekte Haustür oder überfüllte Mülltonnen rechtfertigen nach dieser Rechtsprechung meist nur Minderungen zwischen 5-10%. Wichtig ist auch: Zahlen Sie den geminderten Betrag unter Vorbehalt und kommunizieren Sie die Mängel schriftlich gegenüber dem Vermieter.
Benötigen Sie Hilfe?
Mit Mietminderung und Räumungsklage konfrontiert?
Das Urteil des Landgerichts Wiesbaden zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation und Argumentation bei Mietminderungen ist. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Mieter durchzusetzen und kostspielige Fehler zu vermeiden. Ob es um die korrekte Mietminderung, die Durchsetzung von Reparaturen oder die Abwehr einer Räumungsklage geht – wir stehen Ihnen mit unserer Expertise zur Seite.
Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und gemeinsam die optimale Strategie zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Beweismittel muss ich für eine erfolgreiche Mietminderung vorlegen?
Für eine erfolgreiche Mietminderung müssen Sie den Mangel nachvollziehbar dokumentieren und beweisen. Die Beweislast liegt dabei bei Ihnen als Mieter.
Erforderliche Dokumentation
Eine gründliche Dokumentation der Mängel sollten Sie durch folgende Beweismittel sichern:
- Fotos und Videos der Mängel mit Datum und Uhrzeit
- Detaillierte schriftliche Beschreibung der Beeinträchtigungen
- Zeugenaussagen von Nachbarn oder Besuchern
- Lärmprotokolle bei Lärmbelästigungen
- Sachverständigengutachten bei technischen Mängeln
Mängelanzeige und Kommunikation
Der Mangel muss dem Vermieter unverzüglich und schriftlich angezeigt werden. Bewahren Sie folgende Unterlagen auf:
- Kopie der Mängelanzeige mit Datum
- Einschreiben-Beleg oder Empfangsbestätigung
- Gesamte Korrespondenz mit dem Vermieter
- Dokumentation aller Gespräche mit Datum und Inhalt
Prozessuale Anforderungen
Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung müssen Sie den Mangel anhand konkreter Anknüpfungstatsachen nach Art, Ort, Lage und Zeitpunkt so nachvollziehbar darlegen, dass das Gericht die Beeinträchtigung beurteilen kann.
Bei der Beweisführung reicht es aus, die Mangelsymptome zu beschreiben. Sie müssen nicht die technische Ursache des Mangels nachweisen, da diese häufig nur durch einen Sachverständigen festgestellt werden kann.
Verwirkung von Ansprüchen
Eine Verwirkung von Mietminderungsansprüchen tritt ein, wenn Sie über einen längeren Zeitraum die volle Miete trotz Kenntnis der Mängel gezahlt haben. Nach der Rechtsprechung verlieren Sie den Anspruch auf rückwirkende Minderung nach sechs Monaten vollständiger Mietzahlung. Nach 14 Monaten erlischt das Minderungsrecht komplett.
Eine Ausnahme besteht, wenn der Vermieter die Mängelbeseitigung in Aussicht gestellt hat. In diesem Fall tritt keine Verwirkung ein, solange Sie in der berechtigten Annahme die volle Miete zahlen, dass der Vermieter den Mangel zeitnah beseitigt.
Wie hoch darf die Mietminderung bei verschiedenen Mängeln maximal ausfallen?
Die Höhe einer Mietminderung richtet sich nach dem Grad der Beeinträchtigung der Wohnqualität. Die Minderung greift automatisch kraft Gesetzes ein, sobald ein erheblicher Mangel vorliegt und dem Vermieter angezeigt wurde.
Grundsätze der Minderungshöhe
Die Mietminderung muss stets verhältnismäßig sein und sich an der tatsächlichen Einschränkung des Wohnwerts orientieren. Ein Mangel berechtigt Sie zu einer Mietminderung zwischen 1 und 100 Prozent der Gesamtmiete.
Typische Minderungsquoten nach Rechtsprechung
Bei diesen häufigen Mängeln gelten folgende Richtwerte:
- 15 Prozent bei:
- Nicht nutzbarem Balkon
- Eingerüstetem und verhängtem Haus
- Fehlender Wohnungseingangstür
- Schlechter Heizleistung
- 100 Prozent bei:
- Heizungsausfall von September bis Februar
- Fehlender Wohnungsschlüssel nach Türaustausch
- Ständiger Durchfeuchtung der Außenwände mit weiteren erheblichen Mängeln
Verwirkung von Minderungsansprüchen
Minderungsansprüche können verwirken, wenn Sie diese über einen längeren Zeitraum nicht geltend machen. Für eine Verwirkung müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Zeitmoment: Sie haben den Anspruch längere Zeit nicht geltend gemacht
- Das Umstandsmoment: Der Vermieter durfte darauf vertrauen, dass Sie den Anspruch nicht mehr geltend machen werden
Bei Wasserschäden gelten besondere Abstufungen: Kleinere optische Beeinträchtigungen rechtfertigen oft nur 5-10 Prozent Minderung, während schwere Schäden mit Schimmelbildung Minderungen von 20-50 Prozent rechtfertigen können. Bei Unbewohnbarkeit sind bis zu 100 Prozent möglich.
Wann droht mir bei einer Mietminderung eine Räumungsklage?
Eine Räumungsklage droht, wenn Sie als Mieter die Miete unberechtigt oder zu hoch mindern. Der Vermieter kann Ihnen fristlos kündigen, wenn der Zahlungsrückstand mehr als eine Monatsmiete beträgt.
Voraussetzungen für eine Räumungsklage wegen Mietminderung
Ein Vermieter kann eine Räumungsklage einreichen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Die Mietminderung war unberechtigt oder zu hoch angesetzt
- Der Zahlungsrückstand übersteigt eine Monatsmiete
- Der Vermieter hat eine wirksame Kündigung ausgesprochen
- Die gesetzten Fristen wurden nicht eingehalten
Schutz vor einer Räumungsklage
Wenn Sie eine Mietminderung vornehmen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:
Der Mangel muss dem Vermieter unverzüglich schriftlich angezeigt werden. Die Minderung darf erst nach dieser Anzeige erfolgen.
Bei Unsicherheit über die Höhe der Minderung können Sie die volle Miete unter Vorbehalt zahlen. Dies schützt Sie vor einer Kündigung, während Sie die angemessene Minderungshöhe klären.
Rechtliche Konsequenzen einer unberechtigten Mietminderung
Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Mietminderung unberechtigt war, etwa weil Sie den Mangel selbst verursacht haben, kann der Vermieter:
- Eine fristlose Kündigung aussprechen, wenn der Rückstand zwei Monatsmieten übersteigt
- Zusätzlich eine ordentliche Kündigung erklären, die auch bei nachträglicher Zahlung wirksam bleibt
Die Schonfrist zur Nachzahlung der Mietrückstände beträgt zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage. Diese Möglichkeit steht Ihnen jedoch nur einmal alle zwei Jahre zur Verfügung.
Welche Rechte und Pflichten habe ich während eines laufenden Räumungsverfahrens?
Grundlegende Pflichten
Als Mieter bleiben Sie während des gesamten Räumungsverfahrens zur Mietzahlung verpflichtet. Die monatliche Miete muss pünktlich und vollständig gezahlt werden. Ein Zahlungsverzug während des laufenden Verfahrens kann zu einer weiteren Kündigung führen und Ihre Position zusätzlich verschlechtern.
Rechte während des Verfahrens
Sie haben das Recht, bis zum Ende der letzten mündlichen Verhandlung eine Räumungsfrist zu beantragen. Diese Frist kann bis zu einem Jahr betragen und soll verhindern, dass Sie kurzfristig obdachlos werden.
Während des Verfahrens dürfen Sie die Wohnung weiterhin im vertragsgemäßen Umfang nutzen. Dabei müssen Sie die Wohnung in einem ordnungsgemäßen Zustand halten und Schäden vermeiden.
Schutzmaßnahmen und Verteidigungsmöglichkeiten
Nach Erhalt der Räumungsklage haben Sie die Möglichkeit, innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist Stellung zu nehmen. Sie können:
- Die Wirksamkeit der Kündigung anfechten
- Härtegründe geltend machen
- Eine Schonfristzahlung leisten, wenn die Kündigung wegen Zahlungsverzugs erfolgte
Bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs können Sie das Mietverhältnis durch vollständige Zahlung aller rückständigen Mieten retten. Diese Schonfristzahlung muss jedoch innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage erfolgen.
Verhalten während der Räumungsfrist
Nach einem rechtskräftigen Räumungsurteil setzt das Gericht eine Räumungsfrist fest. In dieser Zeit können Sie:
- Eine Fristverlängerung beantragen
- Einen Vollstreckungsschutzantrag stellen
- Die Zeit für die Wohnungssuche nutzen
Der Gerichtsvollzieher muss Ihnen nach Beauftragung eine letzte Frist von drei Wochen zum freiwilligen Auszug gewähren. Diese Zeit können Sie nutzen, um einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen oder die Wohnung freiwillig zu räumen.
Ab wann gelten Mietforderungen als verwirkt?
Die Verwirkung von Mietforderungen tritt ein, wenn zwei zentrale Voraussetzungen erfüllt sind: das Zeitmoment und das Umstandsmoment.
Zeitmoment
Bei Mietforderungen gilt grundsätzlich die dreijährige Regelverjährungsfrist. Eine Verwirkung kann jedoch bereits früher eintreten. Wenn Sie als Vermieter Ihre Ansprüche über einen längeren Zeitraum nicht geltend machen, kann das Zeitmoment erfüllt sein. Die Rechtsprechung sieht hier einen Zeitraum von etwa 8 bis 9 Monaten als ausreichend an.
Umstandsmoment
Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn Ihr Verhalten als Vermieter beim Mieter das berechtigte Vertrauen geweckt hat, dass Sie die Forderung nicht mehr geltend machen werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Sie:
- Über längere Zeit keine Mahnungen verschicken
- Bei Abrechnungen die Forderung nicht erwähnen
- In Verhandlungen die Forderung nicht ansprechen
- Durch Ihr Verhalten den Eindruck erwecken, auf die Forderung zu verzichten
Besondere Konstellationen
Bei kurzen Verjährungsfristen ist eine Verwirkung nur in Ausnahmefällen möglich. Dies gilt besonders bei der sechsmonatigen Verjährungsfrist für Ersatzansprüche wegen Verschlechterung der Mietsache.
Bei der Geltendmachung von Mieterhöhungen ist besondere Vorsicht geboten. Wenn Sie als Vermieter eine Mieterhöhung über längere Zeit nicht durchsetzen, obwohl die Voraussetzungen vorlagen, kann dies zur Verwirkung des Erhöhungsanspruchs führen.
Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Sie tritt nicht automatisch ein, sondern muss im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden. Entscheidend ist dabei stets, ob Ihr Verhalten als Vermieter beim Mieter ein schutzwürdiges Vertrauen geschaffen hat, dass die Forderung nicht mehr geltend gemacht wird.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Mietminderung
Eine gesetzlich erlaubte Reduzierung der Mietzahlung bei Mängeln an der Mietsache (§ 536 BGB). Mieter dürfen die Miete in angemessenem Verhältnis zum Mangel kürzen, müssen den Mangel aber dem Vermieter anzeigen und nachweisen können. Die Minderung erfolgt automatisch kraft Gesetz, sobald der Mangel auftritt. Beispiel: Bei einer defekten Heizung im Winter kann die Miete je nach Schwere des Mangels um 10-100% gemindert werden. Wichtig ist die Dokumentation des Mangels und eine angemessene Minderungsquote.
Räumungsklage
Die gerichtliche Forderung eines Vermieters, dass der Mieter die Wohnung verlassen und zurückgeben muss (§ 546 BGB). Häufigste Gründe sind Eigenbedarf, Zahlungsverzug oder andere wichtige Kündigungsgründe. Der Vermieter muss zunächst wirksam kündigen und kann dann auf Räumung klagen. Beispiel: Nach mehrmonatigem Mietrückstand kann der Vermieter fristlos kündigen und Räumungsklage erheben. Die Räumungsfrist wird vom Gericht festgelegt.
Beweispflicht
Die rechtliche Verpflichtung einer Partei, die für sie günstigen Tatsachen zu beweisen (§ 286 ZPO). Im Mietrecht muss beispielsweise der Mieter Mängel beweisen, wenn er die Miete mindern will. Beweise können durch Fotos, Zeugen, Gutachten oder andere geeignete Mittel erbracht werden. Die Beweislast liegt bei der Partei, die sich auf die Tatsache beruft. Wer beweispflichtig ist aber keinen Beweis erbringen kann, verliert den Prozess.
Verwirkung
Ein Rechtsverlust durch Zeitablauf und Vertrauensschutz. Eine Forderung ist verwirkt, wenn der Berechtigte sein Recht längere Zeit nicht ausgeübt hat und der Verpflichtete sich darauf einrichten durfte, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht wird. Beispiel: Ein Vermieter, der jahrelang eine zu niedrige Miete akzeptiert hat, kann die Differenz später nicht mehr nachfordern. Die Verwirkung ist im BGB nicht direkt geregelt, basiert aber auf Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Minderungsquote
Der prozentuale Anteil, um den die Miete bei Mängeln gekürzt werden darf (§ 536 BGB). Die Quote muss dem Wertverlust durch den Mangel angemessen sein. Gerichte haben für typische Mängel Richtwerte entwickelt. Beispiel: Defekte Heizung im Winter 70-100%, Schimmel je nach Ausmaß 10-50%. Die Quote kann auch gestaffelt oder für verschiedene Mängel kumuliert werden. Bei überhöhter Minderung riskiert der Mieter eine Kündigung.
Mietzinsverzug
Das schuldhafte Ausbleiben fälliger Mietzahlungen (§ 286 BGB). Tritt ein, wenn die Miete nicht rechtzeitig oder vollständig gezahlt wird. Bei Verzug mit zwei aufeinanderfolgenden Monatsmieten kann der Vermieter fristlos kündigen (§ 543 BGB). Beispiel: Zahlt ein Mieter die Miete wiederholt erst Mitte des Monats statt zum 3., gerät er in Verzug und schuldet Verzugszinsen. Der Verzug kann durch Mahnung oder automatisch eintreten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 536 BGB Mietminderung bei Mängeln: Dieser Paragraph regelt das Recht des Mieters, die Miete zu mindern, wenn die Mietsache Mängel aufweist, die ihre Gebrauchstauglichkeit erheblich beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall führen der Uringeruch in der Wohnung und im Treppenhaus sowie die überfüllten Mülltonnen zu einer erheblichen Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietwohnung. Daher steht dem Beklagten eine Mietminderung gemäß § 536 BGB zu.
- § 138 III ZPO Einstweilige Verfügung und zugestandene Tatsachen: Nach dieser Vorschrift gelten bestimmte Tatsachen als von der Gegenseite zugestanden, wenn sie nicht ausreichend bestritten werden. Der Beklagte argumentiert, dass die Klägerin die Mängel lediglich pauschal bestritten habe, wodurch das Gericht die vorgebrachten Mängel als gestanden ansehen musste. Dies führte zur Anerkennung der Mietminderung und zur Ablehnung der Berufung.
- § 313a Abs. 1 ZPO Änderungen und Ergänzungen im Urteil: Diese Regelung betrifft die Abänderung und Ergänzung von Urteilen. Im Urteil des Landgerichts Wiesbaden wurden die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts nicht ausführlich wiedergegeben, was gemäß § 313a Abs. 1 ZPO zulässig ist. Dies beeinflusst die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der gerichtlichen Entscheidung für die Parteien.
- § 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund: Dieser Paragraph ermöglicht die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, der eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht. Im Urteil wurde dem Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 30.11.2024 gewährt, was auf das Vorliegen schwerwiegender Mängel und Vertragsverstöße hinweist.
- § 91 ZPO Kostentragungspflicht im Berufungsverfahren: Diese Vorschrift regelt, wer die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen hat. Im vorliegenden Fall trägt der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens, was die wirtschaftlichen Konsequenzen einer unterlegenen Partei im Zivilprozess verdeutlicht.
Das vorliegende Urteil
LG Wiesbaden – Az.: 3 S 13/24 – Urteil vom 04.09.2024
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