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Voraussetzungen einer Eigenbedarfskündigung

AG Tiergarten – Az.: 8 C 66/10 – Urteil vom 13.01.2011

1. Der Beklagte wird verurteilt, die sich im Vorderhaus, 2. Obergeschoss rechts in der G.Straße in … befindliche Wohnung, bestehend aus 2 Zimmern nebst Küche, Bad und Diele, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.980,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Beklagte ist seit April 2004 Mieter einer im Hause G.Straße in … gelegenen Wohnung. Die im zweiten Obergeschoss des Vorderhauses gelegene Wohnung ist 60,81 qm groß und verfügt über 2 Zimmer, Küche und Bad. Die monatliche Nettokaltmiete beträgt 250,00 € nebst einem Betriebskostenvorschuss in Höhe von 80,00 €.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.12.2009 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.06.2010 und begründete dies mit Eigenbedarf. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das in Kopie zu den Akten gereichte Kündigungsschreiben verwiesen.

Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 12. April 2010 der Kündigung widersprochen und Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt hat, begehrt die Klägerin mit der am 13.08.2010 erhobenen Klage die Herausgabe der Wohnung.

Sie behauptet, sie sei seit März 2007 Eigentümerin des Hauses. Sie benötige die Wohnung des Beklagten für ihre 60jährige Mutter. Diese wohne zurzeit alleine in einer 165 qm großen Eigentumswohnung der Klägerin in der K.straße. Da ihre Mutter über keine eigenen Einkünfte verfüge und von ihr und ihrer Schwester unterhalten werde, zahle sie dort auch keine Miete. Die Eigentumswohnung sei zu groß für ihre Mutter und zudem im Unterhalt zu teuer, da die Bewirtschaftungskosten zuletzt 831,51 € im Monat betragen haben. Die Wohnung solle daher verkauft werden. Ihre Mutter benötige daher eine kleinere Wohnung im Hause G.Straße. Zwar sei sie noch Eigentümerin des Mietshauses in der A.straße in Berlin-Tiergarten. Die dortigen Wohnungen kämen aber für ihre Mutter nicht in Betracht, da das Wohnungsumfeld deutlich schlechter sei als das in der G.straße.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die sich im Vorderhaus, 2. Obergeschoss rechts in der G.Straße in …befindliche Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern nebst Küche, Bad und Diele, zum 30.06.2010 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihm eine großzügige Räumungsfrist zu gewähren.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Kündigung sei formell unwirksam, da darin weder der Name der Mutter noch deren Alter angegeben worden sei. Er ist ferner der Auffassung, die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich. Es handele sich um eine unzulässige Verwertungskündigung, die nur dazu diene, die Eigentumswohnung, in der die Mutter jetzt lebe, freigezogen zu veräußern. Außerdem sei der Wunsch, die Wohnung des Beklagten zu nutzen, nicht ernsthaft, da nicht ersichtlich sei, warum jemand von einer der besten Wohngegenden Berlins in eine der schlechtesten ziehen wolle. Außerdem habe die Klägerin es versäumt, dem Beklagten frei werdende Wohnungen im Hause G.straße und im Hause A.straße anzubieten. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum ihre Mutter diese anderen Wohnungen nicht nutzen könne. Der 32jährige Beklagte behauptet ferner, der Auszug bedeute für ihn eine unzumutbare Härte. Er habe die Wohnung bei seinem Einzug umfangreich renoviert und passgenaue Möbel hierfür herstellen lassen. Außerdem habe er sich nach 6 Jahren im Wohnungsumfeld integriert und sein Freundeskreis sowie seine Mutter und seine Schwester wohnten in der Nähe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 21.10.2010. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.12.2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß § 546 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgabe der Wohnung zu, denn die Kündigung vom 28.12.2009 hat das Mietverhältnis der Parteien wirksam zum 30.06.2010 beendet.

Die ordentliche Kündigung ist gemäß § 573 Abs. 1 BGB wirksam. Danach darf der Vermieter von Wohnraum nur dann kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für seine Familienangehörigen benötigt. Die Anforderung für eine solche Eigenbedarfskündigung hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts hinreichend dargetan und nachgewiesen.

Die Klägerin hat durch Vorlage eines Grundbuchauszuges nachgewiesen, dass sie seit dem 13.03.2007 Eigentümerin des fraglichen Grundstücks und damit gemäß § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten ist.

Das Kündigungsschreiben vom 28.12.2009 genügt den formalen Anforderungen des § 573 Abs. 3 BGB. Danach sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse im Kündigungsschreiben anzugeben. Hierzu genügt es, dass der Kündigungsgrund durch Angabe der Tatsachen so ausführlich bezeichnet ist, dass er identifiziert und von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann. Zwar müssen die Gründe ausreichend substantiiert sein, jedoch dürfen die formalen Anforderungen nicht überspannt werden, vgl. BverG, NJW 98, 2632; BGH, NJW 06, 1585. Diese Vorgaben erfüllt das anwaltliche Kündigungsschreiben der Klägerin, da darin mitgeteilt wird, dass die Klägerin die Wohnung des Beklagten für ihre Mutter benötige, die zurzeit in einer 165 qm großen Eigentumswohnung in der K.straße wohne, welche zu groß und zu teuer sei. Der Umstand, dass weder der Name noch das Alter der Mutter im Kündigungsschreiben genannt wird, ist entgegen der Auffassung des Beklagten unerheblich, da lediglich die Person, für die die Wohnung benötigt wird, hinreichend konkretisiert werden muss, vgl. OLG Oldenburg, NJW – RR 96, 553. Weitere Tatsachen zur Erläuterung, Ergänzung, Ausfüllung und Beweis des Kündigungsgrundes können auf Verlangen des Mieters noch im Prozess nachgeschoben werden, vgl. BGH, NJW 07, 2845.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin die Wohnung für ihre Mutter benötigt. Hierbei war der Entscheidung zugrundezulegen, dass der Eigennutzungswunsch des Vermieters vom Gericht grundsätzlich zu beachten ist. Es genügt daher, die bloße, aber ernsthafte Absicht des Vermieters, einen Angehörigen, zu denen die eigene Mutter naturgemäß zu zählen ist, im eigenen Haus wohnen zu lassen, vgl. BverfG NJW 90, 3259. Es genügen hierfür vernünftige nachvollziehbare Gründe, vgl. BGH, NJW 05, 2395. Zu solchen vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen gehört stets, wenn der Angehörige des Vermieters eine teurere Wohnung aufgeben will. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Gericht glaubhaft dargetan, dass ihre Mutter mittellos sei und von ihr und ihrer Schwester unterhalten werde. Die bisherige Wohnung sei mit 165 qm zu groß und insbesondere zu teuer. Demzufolge ist der Grund vernünftig und nachvollziehbar, wobei das Gericht ohne weiteres davon ausgeht, dass eine 60 qm große Wohnung preiswerter im Unterhalt ist als eine 165 qm große Wohnung.

Die Zeugin …hat bestätigt, die Mutter der Klägerin zu sein. Sie hat ferner bekundet, dass sie über keine eigenen Einkünfte verfüge und von ihren Kindern abhängig sei. Sie wolle diesen nicht übermäßig zur Last fallen und daher aus der großen, teureren Wohnung in die kleinere, preiswertere in der G.Straße ziehen. Eine Wohnung im Hause A.straße komme für sie nicht in Betracht, da sich dort mehrere Spielhallen befänden und ihr die Gegend zu unsicher erscheine. Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft, da sie detailreich und in sich schlüssig ist. Die Zeugin hinterließ auch einen glaubwürdigen Eindruck, da sie ihre persönliche und finanzielle Situation offen schilderte und es ihr ersichtlich unangenehm war, der Tochter finanziell zu stark zur Last zu fallen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Kündigung auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil es die Klägerin verabsäumt hat, ihm andere Wohnungen anzubieten. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob im Mietshaus A.straße andere Wohnungen zwischen dem Kündigungszeitpunkt und der letzten mündlichen Verhandlung frei geworden sind, da der Vermieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur gehalten ist, dem Mieter eine vergleichbare, im selben Haus ihm zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anzubieten. Auf andere Wohnung erstreckt sich die Anbietpflicht nicht, vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2003, VIII. ZR 276/02.

Dass im Hause G.Straße in der hier maßgeblichen Zeit vergleichbare Wohnungen frei geworden sind, hat der Kläger dagegen nicht dargelegt. Insbesondere hat die Klägerin durch Vorlage des Mietvertrages nachgewiesen, dass an die Zeugin S. eine vergleichbare Wohnung bereits am 17.10.2008, also deutlich vor dem Ausspruch der Eigenbedarfskündigung vermietet worden ist. Bei der vom Beklagten behaupteten Neuvermietung einer weiteren im Hause gelegenen Wohnung besteht keine Vergleichbarkeit zu der Wohnung des Beklagten, da es sich hierbei um eine ca. 160 qm große und zudem möblierte Wohnung handelt, deren Bruttokaltmiete über 1.400,00 € beträgt. Außerdem hat die Klägerin hierzu nachvollziehbar vorgetragen, dass sie die Wohnung nicht dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen wolle, da diese seit 2004 auf Grund einer Absprache mit dem Bundesverteidigungsministerium kontinuierlich an italienische Botschaftsangehörige vermietet werde. Im übrigen hat der Beklagte von einem Angebot der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Anmietung einer weiteren im Hause befindlichen 160 qm großen Wohnung keinen Gebrauch gemacht.

Schließlich ergibt sich eine Rechtsmissbräuchlichkeit der Kündigung auch nicht daraus, dass die Klägerin nicht ihrer Mutter von der Größe her vergleichbare Wohnungen im Hause A.straße angeboten hat. Hier ist der Wunsch der Vermieterin bzw. der Angehörigen zu respektieren, die Wohnung in der G.Straße nutzen zu wollen. Es reicht der nachvollziehbar dargelegte Grund aus, dass das Wohnumfeld hochwertiger sei als in der A.straße. Insbesondere bedarf es hierfür keines Nachweises, sondern kann als gerichtsbekannt unterstellet werden.

Dem Beklagten steht auch kein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 a BGB zu. Der Beklagte hat auch nicht annähernd dargetan, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn eine unzumutbare Härte darstellt. Hierfür reicht eine 6 Jahre zurückliegende Renovierung der Wohnung und der Erwerb einiger passender Möbelstücke nicht aus. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte keinen angemessenen Ersatzwohnraum in angemessener Zeit in Berlin finden kann.

Dem Beklagten war vor diesem Hintergrund auch keine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO einzuräumen. Das Mietverhältnis ist auf Grund der Kündigung bereits seit dem 30.06.2010 beendet. Der Beklagte hat auch nicht ansatzweise dargetan, welche Bemühungen er zwischenzeitlich unternommen hat, Ersatzwohnraum für den Fall der Berechtigung der Kündigung zu finden. Da er auch sonst keine berechtigten Interessen an einem längeren Verbleib in der Wohnung vorgetragen hat noch solche sonst ersichtlich sind, hat er die Wohnung nunmehr kurzfristig herauszugeben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 N r. 7,711 ZPO.

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