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Vorratskündigung – Hinderung an angemessener wirtschaftlicher Verwertung des Grundstücks

LG Berlin – Az.: 67 S 475/13 – Beschluss vom 13.02.2014

Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat die geltend gemachte Räumungs- und Zahlungsklage zutreffend abgewiesen. Dagegen vermag die Berufung nichts zu erinnern.

Den Klägern steht der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 985, 546 Abs. 1 BGB nicht zu, da die Kündigung vom 28. Januar 2013 das Mietverhältnis nicht beendet hat. Die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind nicht erfüllt. Danach hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Allerdings kann das Bestandsinteresse des Mieters hinter dem Verwertungsinteresse nur dann zurücktreten, wenn dieses tatsächlich umgesetzt werden soll und es sich nicht lediglich um eine sog. Vorratskündigung handelt, ohne dass die Absicht zur Ausführung einer konkreten Planung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits feststeht (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218 (zu § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 BGB a.F.); LG Berlin, Urt. v. 19. Juni 2009 – 63 S 10/08, BeckRS 2010, 00146).

Eine solche Vorratskündigung ist nach der von der Kammer zu Grunde legenden Kündigungsbegründung gegeben. Die Kläger haben ihr Verwertungsinteresse in der Kündigungserklärung nicht auf einen gegenwärtigen, sondern auf einen Verwertungswunsch für eine ungewisse Zukunft gestützt. Ausweislich des Kündigungsschreibens vom 28. Januar 2013 stand es für die Kläger im Moment des Kündigungsausspruchs noch nicht hinreichend verlässlich fest, das Grundstück nach kündigungsbedingter Beendigung des Mietverhältnisses in unvermieteten Zustand an Dritte zu veräußern. Denn sie haben die Beklagten – ausgehend von einem Verkehrswert von 115.000,00 EUR – unter Ziffer 1 des Schreibens um Mitteilung binnen 3 Wochen gebeten, ob diese sich als bisherige Mieter den Ankauf des Grundstücks unter Erhalt ihrer bestehenden Nutzungsmöglichkeiten vorstellen könnten. Damit haben sie zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs eine Möglichkeit zur auskömmlichen Verwertung des Grundstücks durch eine Veräußerung an die Beklagten ausdrücklich noch in Betracht gezogen. Vor diesem Hintergrund fußte die zur Begründung der Kündigung herangezogene Veräußerung des Grundstücks an Dritte in unvermieteten Zustand zumindest bis zum fruchtlosen Ablauf der den Beklagten gesetzten Stellungnahmefrist nicht auf einer festen und bereits feststehenden Planung, sondern lediglich auf einer von mehreren unterschiedlichen Möglichkeiten zur auskömmlichen Verwertung des Grundstücks. Dementsprechend haben die Kläger ihre Kündigung auch lediglich „höchst vorsorglich“ ausgesprochen, ohne zudem einen ausdrücklichen Zusammenhang zwischen dem Scheitern der Verkaufsgespräche mit den Beklagten und dem Kündigungsausspruch herzustellen.

Selbst in dem Fall aber, dass es sich bei der von den Klägern ausgesprochenen Kündigung um keine unzulässige Vorratskündigung gehandelt hätte, stünde ihnen ein Kündigungsgrund nicht zur Seite. Denn § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB verlangt den Eintritt eines erheblichen Nachteils beim Vermieter durch die Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Mietsache. An einem solchen jedoch fehlt es.

Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Die erforderliche Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen (BGH, Urt. v. 9. Februar 2011 – VIII ZR 155/10, NJW 2011, 1135). Dabei gewährt das Eigentum dem Vermieter keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art. 14 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Auf der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen (BGH, Urt. v. 8. Juni 2011 – VIII ZR 226/09, NZM 2011, 773).

Gemessen an diesen Grundsätzen zeigt die Berufung keinen dem Amtsgericht unterlaufenen Bewertungs- oder Abwägungsfehler auf. Denn selbst unter Zugrundelegung des – zwischen den Parteien streitigen – Verkehrswertes des Grundstücks von 150.000,00 EUR zu Gunsten der Kläger haben die Beklagten den Klägern den Erwerb des Grundstücks ausweislich der unangefochtenen – und die Kammer deshalb gemäß 314 ZPO bindenden (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 314 Rz. 3) – tatbestandlichen Feststellungen in den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen zu einem Kaufpreis von 115.000,00 EUR angeboten. Der von den Klägern behauptete Mindererlös beläuft sich danach zwar auf 24 %, beträgt nominal indes lediglich 35.000,00 EUR. Es liegt davon ausgehend auf der Hand, dass eine Veräußerung an die Beklagten für die Kläger wirtschaftlich nachteilig ist. Dieser Nachteil trifft die vier Kläger, die das streitgegenständliche Grundstück im Erbgang erworben haben, indes nur anteilig. Demgegenüber würden die Beklagten im Falle der verwertungsbedingten Beendigung des Mietverhältnisses nicht nur ihren seit nunmehr 46 Jahren bestehenden Lebensmittelpunkt verlieren, sondern sie wären zudem gezwungen, sich in vorgerücktem Alter vollkommen neu zu orientieren. Diese ganz erheblichen Nachteile der Beklagten überwiegen die den Klägern durch eine Veräußerung an die Beklagten entstehenden wirtschaftlichen Einbußen, erst recht nehmen die den Klägern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile keinen Umfang an, der die Nachteile weit übersteigt, die den Beklagten im Falle des Verlustes der Mietsache erwachsen. Dies hat das Amtsgericht im zutreffend erkannt.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob sich der Verkehrswert des streitgegenständlichen Grundstücks in unvermietetem Zustand tatsächlich auf 150.000,00 EUR beläuft, ebensowenig, ob die Kündigungserklärung mangels näherer Angaben zu den erst im Verlaufe des Rechtsstreits näher dargetanen möglichen Veräußerungserlösen in unvermietetem Zustand gemäß § 573 Abs. 3 BGB formunwirksam war (vgl. dazu Kammer, Urt. v. 29. August 2011 – 67 S 15/09, ZMR 2012, 15). Dahin stehen kann ebenfalls, ob das Mietverhältnis im Falle der kündigungsbedingten Beendigung gemäß den §§ 574 ff. BGB fortzusetzen wäre.

Ebenfalls unbegründet ist die Berufung im Hinblick auf den von den Klägern weiter verfolgten Nutzungsentschädigungsanspruch. Denn dieser setzt gemäß § 546 a Abs. 1 BGB die aus obigen Erwägungen nicht eingetretene Beendigung des Mietverhältnisses voraus.

II.

Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.

 

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