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Wann enden Verhandlungen über Schadensersatzansprüche des Vermieters?

LG Münster – Az.: 8 O 224/18 – Urteil vom 29.11.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Objekts H-Straße … in E. Dieses Objekt hatte der Klägerin an eine Supermarktbetreibergesellschaft vermietet. Aufgrund der Übertragungsvereinbarung vom 28.10.2008 / 07.11.2008 trat die Beklagte mieterseitig in den Mietvertrag ein.

Die Beklagte kündigte den Mietvertrag zum 31.08.2017. Mitte Juli 2017 erfolgte eine Begehung des Objekts durch die Parteien, bei der sowohl Schäden als auch der Ausbau von Einbauten und Einrichtungsgegenständen besprochen wurden. Der genaue Inhalt der dort geführten Gespräche ist zwischen den Parteien streitig. Am 17.08.2017 trafen die Parteien eine Vereinbarung zur Rückgabe des Objekts und zur Abgeltung vermieterseitiger Ansprüche durch Zahlung eines Betrags in Höhe von 16.200 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer. Dieser Betrag wurde im Folgenden auch bezahlt.

Am 21.08.2017 bemerkte der Kläger, dass im Zuge der Räumungsarbeiten auch damit begonnen worden war, die vorhandenen Kühlzellen auszubauen. Auf Hinweis des Klägers wurden die Demontagearbeiten daraufhin eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits die für die Kühlzellen und die Steuergeräte installierten Stromleitungen abgetrennt, alle Lichtleitungen und Schalter abgekniffen, die Steuergeräte abgebaut und entfernt und die beheizten Türdichtungen zerstört. Am 01.09.2017 wurde das Objekt an den Kläger übergeben, ein Rückgabeprotokoll wurde gefertigt. Die Abflussrohre waren verschmutzt und mit verhärtetem Fett verstopft.

Am 19.10.2017 stellte ein Elektriker der neuen Mieterin fest, dass auch die Alarmierungsanlage nebst Lautsprechern und Zubehör ausgebaut worden war.

Mit Schreiben vom 23.10.2017 (Bl. 17 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum darauffolgenden Tag eine Zusage für die Übernahme der Kosten für eine neue ELA-Anlage und für die Instandsetzung der Lüftung zu erklären. Unter dem 23.11.2017 stellte der Kläger der Beklagten für diverse Reparaturarbeiten einen Betrag in Höhe von 22.542,15 EUR in Rechnung (Bl. 8 d.A.). Bezugnehmend auf das Schreiben vom 23.10.2017 und mehrere telefonische Gespräche teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11.01.2018 (Bl. 18 f. d.A.) unter anderem mit, „keine Veranlassung, insbesondere Verpflichtung“ zu sehen, weiteren Forderungen im Zusammenhang mit der Rückgabe der Mietsache nachzukommen. In einem zwischen den Parteien am 02.03.2018 geführten Telefonat wurde über die Beseitigung der Schäden gesprochen. Mit Schreiben vom 05.03.2018 (Bl. 20 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte zur umgehenden Zahlung eines Betrags in Höhe von 39.442,15 EUR (verursachter Schaden in Höhe von 22.542,15 EUR und 16.900 EUR für die Alarmanlage) auf. Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 21 d.A.) teilte die Beklagte mit, keine Berechtigung für die Forderung zu erkennen. Mit Schreiben vom 15.03.2018 (Bl. 22 d.A.) setzte der Kläger der Beklagten eine Frist zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 22.542,15 EUR bis zum 22.03.2018 und forderte die sofortige Zahlung eines Betrags in Höhe von 16.900 EUR. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.04.2018 (Bl. 23 ff. d.A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, die Rechnung vom 23.11.2018 bis zum 15.05.2018 auszugleichen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Kläger behauptet, die beschädigten und ausgebauten Gegenstände hätten in seinem Eigentum gestanden. Die Abgeltungsklausel in der Vereinbarung vom 17.08.2017 habe nur in den Jahren 2014 bis 2016 entstandene Anfahrschäden erfassen sollen, nur diese Schäden seien in dem Begehungstermin Mitte Juli 2017 besprochen worden. Die Schäden seien nun repariert worden. Die Reparaturkosten sowie die Kosten für den Ersatz der Alarmierungs-/Alarmanlage beliefen sich auf den mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachten Betrag.

Der Kläger ist der Ansicht, die Klageforderung sei nicht verjährt, insbesondere sei es zu einer Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB gekommen, wobei die Verhandlungen mangels eines „doppelten Neins“ auch nicht beendet worden seien.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.442,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2018 zu zahlen,

2) die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.832,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Am 16.08.2018 reichte der Kläger die Klage ein. Nach Zahlung des am 28.08.2018 angeforderten Vorschusses am 18.09.2018 wurde die Klage am 27.09.2018 der Beklagten zugestellt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 39.442,15 EUR. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 535, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB oder § 823 Abs. 1 BGB. Denn die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und ist auch gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leistung zu verweigern. Etwaige Ansprüche sind verjährt.

1. Die Verjährungsfrist für etwaige Ersatzansprüche des Klägers wegen Veränderungen oder Verschlechterungen des Mietsache beträgt gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB sechs Monate. Diese Verjährungsfrist gilt dabei auch für deliktsrechtliche Ansprüche und Ersatzansprüche wegen der Verletzung von Instandhaltungspflichten.

2. Die Verjährung begann gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB mit Rückgabe des Objekts am 01.09.2017 zu laufen.

3. Die Verjährung war gehemmt gemäß § 203 S. 1 BGB ab dem 23.10.2017 bis zum 11.01.2018.

Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben im Sinne des § 203 BGB bei jedem Meinungsaustausch hierüber, aufgrund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird, der Schuldner sich also noch auf die Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen einlässt. Dies kann auch dann gelten, wenn der Schuldner signalisiert, er werde noch den Sachverhalt aufklären, um seine Einstandspflicht zu prüfen, ohne dass er zugleich eine Einstandsbereitschaft dem Grunde nach signalisiert. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn ein Ersatz eindeutig abgelehnt wird (vgl. zum Vorhergehenden OLG Dresden, Beschluss vom 04. Juli 2018 – 4 U 1836/17; MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 203 Rn. 5).

Mit Schreiben vom 23.10.2017 machte der Kläger erstmals im Hinblick auf den Ausbau der Kühlzellen und die Entfernung der ELA-Anlage Ansprüche gegen die Beklagte geltend. Dabei ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Kläger mit diesem Schreiben nicht sämtliche der nun gerichtlich geltend Schadenspositionen von der Beklagten ersetzt verlangte. Es folgten nun, wie dem Schreiben der Beklagten vom 11.01.2018 zu entnehmen ist, mehrere telefonische Gespräche zwischen den Parteien, zudem stellte der Kläger der Beklagten unter dem 23.11.2017 eine Rechnung im Hinblick auf einen Teil der nun geltend gemachten Ansprüche. Mit Schreiben vom 11.01.2018 antwortete die Beklagte auf das Anspruchsschreiben des Klägers vom 23.10.2017 und die zwischenzeitlich geführten telefonischen Gespräche. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger demnach annehmen, dass sich die Beklagte noch auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen einließ.

Die zwischen den Parteien schwebenden Verhandlungen über die von dem Kläger geltend gemachten Ersatzansprüche hat die Beklagte allerdings mit Schreiben vom 11.01.2018 abgebrochen. In dem Schreiben erklärte sie, nachdem sie mehrere Argumente gegen die klägerischen Forderungen angeführt hatte, keine Veranlassung, insbesondere Verpflichtung zu sehen, weiteren Forderungen im Zusammenhang mit der Rückgabe der Mietsache nachzukommen. Diese Erklärung ist eindeutig und lässt keinen Raum für weitere Verhandlungen. Einer ausdrücklichen Ablehnung, sich im weiteren Verlauf auf eine erneute Prüfung einzulassen, bedurfte es nicht. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass nach einer teilweise vertretenen Auffassung – worauf die Klägervertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat – eine Ablehnung weiterer Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB an ein „doppeltes Nein“ geknüpft ist (Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 203 Rz. 4; OLG Oldenburg, Urteil vom 23.08.2007, 5 U 31/06). Erforderlich soll hiernach nicht nur die eindeutige und endgültige Leistungsablehnung sein, sondern zusätzlich ein eindeutiges und endgültiges Ablehnen weiterer Verhandlungen. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, zumal § 203 BGB für das Hemmungsende das Verweigern weiterer Verhandlungen voraussetzt. Allerdings ist hierbei Folgendes zu beachten: § 203 BGB setzt seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass der Schuldner weitere Verhandlungen ausdrücklich ablehnt. Die ausdrückliche Ablehnung von weiteren Verhandlungen mag in der Kindererziehung von Zeit zu Zeit berechtigt sein, im Geschäftsverkehr ist sie lebensfern. Vielmehr gelten hier die allgemeinen Regeln für die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend, d.h. die Erklärungen des Schuldners sind aus dem objektiven Empfängerhorizont zu würdigen und auszulegen (§§ 133, 157 BGB; vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 04. Juli 2018 – 4 U 1836/17). Die unmissverständliche, ohne weitere Einschränkungen erfolgte Anspruchszurückweisung wird daher im Regelfall nicht bloß notwendige, sondern hinreichende Bedingung für die Annahme einer Verweigerung weiterer Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB sein.

So auch vorliegend: Die Beklagte lehnte die von dem Kläger geltend gemachten Forderungen unzweideutig ab, und zwar nicht nur standardisiert, sondern mit näheren Begründungen nach offenkundig gründlicher rechtlicher Prüfung. Das Schreiben der Beklagten lässt auch keinerlei Vorbehalt oder dergleichen erkennen, aufgrund dessen ein objektiver Dritter davon hätte ausgehen können, dass noch Verhandlungsbereitschaft bestand. Aus Sicht eines objektiven Empfängers an der Stelle des Klägers gab die Beklagte hinreichend deutlich zu verstehen, dass sie die Verhandlungen zu den geltend gemachten Ansprüchen nicht fortführen wollte.

4. Es kann dahinstehen, ob die Parteien durch das Telefonat vom 02.03.2018 nochmals Verhandlungen gemäß § 203 BGB aufnahmen, denn diese wären durch das Schreiben der Beklagten vom 05.03.2018 wiederum beendet worden, hätten also nur zu einer Hemmung von drei Tagen geführt. In dem Schreiben vom 05.03.2018 erklärte die Beklagte, nachdem sie nochmals auf die geltend gemachten Ansprüche in der Sache eingegangen war, keine Berechtigung für die Forderung des Klägers erkennen zu können.

5. Das anwaltliche Anspruchsschreiben vom 26.04.2018 führte zu keiner weiteren Hemmung. Das Anspruchsschreiben blieb unbeantwortet, Vergleichsverhandlungen wurden hierdurch nicht wieder aufgenommen.

6. Die Verjährung war damit über einen Zeitraum von insgesamt (2 Monate, 18 Tage + 3 Tage =) 2 Monaten und 21 Tagen gehemmt, die Verjährungsfrist also am 22.05.2018 und damit vor erneuter Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO durch Einreichung der Klageschrift am 16.08.2018 abgelaufen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Verjährungsfrist selbst dann bei Klageeinreichung abgelaufen gewesen wäre, wenn man für den Zeitraum vom 11.01.2018 bis zum 05.03.2018 noch das Schweben von Vergleichsverhandlungen annehmen wollte.

II.

Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen oder Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 39.442,15 EUR festgesetzt.

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