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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Wann Vermieter Mieter wegen Umbauplänen wirksam kündigen können
- ✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-Blankenese
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Verwertungskündigung
- Was ist eine Verwertungskündigung und wann kann sie ausgesprochen werden?
- Welche Anforderungen muss der Vermieter bei einer Verwertungskündigung erfüllen?
- Welche Rechte haben Mieter im Falle einer Verwertungskündigung und wie können sie sich dagegen wehren?
- Wie erfolgt die Abwägung zwischen den Interessen von Vermieter und Mieter bei einer Verwertungskündigung?
- Welche Fristen und Formalien sind bei einer Verwertungskündigung zu beachten?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hamburg-Blankenese
✔ Kurz und knapp
- Eine Verwertungskündigung ist zulässig, wenn die anderweitige Verwertung der Mietsache angemessen und der Vermieter ohne die Verwertung einen erheblichen Nachteil erleiden würde.
- Der Abriss und Neubau des Dachgeschosses mit Verdreifachung der Wohnungen stellt eine angemessene wirtschaftliche Verwertung dar.
- Ein erheblicher Nachteil für den Vermieter liegt in den entgangenen Mieteinnahmen der zusätzlichen Wohnungen.
- Das Interesse des Mieters am Bestandsschutz ist gegen die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Vermieters abzuwägen.
- Eine Sozialklausel kann die Kündigung im Einzelfall unwirksam machen, wenn dem Mieter eine besondere Härte droht.
- Der Mieter hat keinen Anspruch auf dauerhafte Überlassung von Nebenräumen wie einem Dachboden.
- Die Frist für die Räumung und die Einräumung einer angemessenen Ersatzwohnung müssen im Rahmen der Kündigung geregelt werden.
Wann Vermieter Mieter wegen Umbauplänen wirksam kündigen können
Als Vermieter kann es durchaus sinnvoll erscheinen, die vermieteten Räumlichkeiten anderweitig zu verwerten, etwa durch Umbau oder Modernisierung. Allerdings sind dabei die berechtigten Interessen der Mieter zu berücksichtigen. Das Mietrecht sieht daher vor, dass der Vermieter in solchen Fällen eine sogenannte Verwertungskündigung aussprechen kann – sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Entscheidend ist, dass die geplante Verwertung tatsächlich angemessen ist und dem Vermieter ohne die Kündigung ein erheblicher Nachteil entstehen würde. Zudem muss das Interesse des Vermieters an der Verwertung sorgfältig gegen das Bestandsinteresse des Mieters abgewogen werden. Nur wenn das Verwertungsinteresse überwiegt, ist eine Verwertungskündigung zulässig.
In der Folge wird ein aktuelles Gerichtsurteil erläutert, das sich eingehend mit den Voraussetzungen und Grenzen der Verwertungskündigung befasst. Dabei werden die zentralen Aspekte des Urteils verständlich aufbereitet, um Mieter und Vermieter über ihre Rechte und Pflichten im Falle einer beabsichtigten Umnutzung zu informieren.
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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Hamburg-Blankenese
Räumungsklage aufgrund von geplanter Verwertung der Wohnung
Der vorliegende Fall dreht sich um die Frage, unter welchen Bedingungen eine Verwertungskündigung rechtmäßig ist. Die Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft, hatte dem Beklagten, der seit 2014 eine Dachgeschosswohnung in einem ihrer Gebäude mietete, eine Verwertungskündigung ausgesprochen. Der Hintergrund dieser Kündigung war der geplante Abriss und Neuaufbau des Dachgeschosses, um statt der bisherigen zwei Wohnungen sechs neue Wohnungen zu schaffen. Die Klägerin hatte dem Beklagten mehrfach alternative Wohnmöglichkeiten angeboten und Unterstützung beim Umzug zugesichert. Der Beklagte weigerte sich jedoch, auszuziehen, und bestritt die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Das rechtliche Problem bestand darin, ob die Verwertungskündigung aufgrund der geplanten Baumaßnahmen zulässig war und ob die Kündigung formell und materiell gerechtfertigt war.
Gerichtliche Entscheidung und Begründung
Das Amtsgericht Hamburg-Blankenese entschied, dass die Verwertungskündigung rechtmäßig war und gab der Räumungsklage der Klägerin statt. Das Gericht sah die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung als erfüllt an. Es stellte fest, dass die geplante Maßnahme, nämlich der Abriss des Dachgeschosses und der Neubau mit sechs Wohnungen, eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks darstellt. Dabei betonte das Gericht, dass die geplante Vergrößerung des Wohnraums von zwei auf sechs Wohnungen vernünftig und nachvollziehbar sei. Zudem sei die Angemessenheit der Verwertung gegeben, da die Schaffung zusätzlichen Wohnraums im öffentlichen Interesse liege.
Das Gericht erkannte an, dass der Beklagte durch den Verlust seiner Wohnung beeinträchtigt werde, berücksichtigte jedoch auch die umfassenden Angebote der Klägerin für Ersatzwohnraum und Unterstützung beim Umzug. Es kam zu dem Schluss, dass die Interessen der Klägerin, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, die Interessen des Beklagten an der Beibehaltung seiner bisherigen Wohnung überwiegen.
Interessenabwägung und Sozialwiderspruch
In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Verwertungsinteresse der Klägerin Vorrang einzuräumen sei. Die geplanten Baumaßnahmen würden den vorhandenen Wohnraum erheblich erweitern, was sowohl wirtschaftlich sinnvoll als auch im öffentlichen Interesse liege. Die Klägerin hatte nachweislich mehrfach versucht, mit dem Beklagten eine einvernehmliche Lösung zu finden und ihm umfassende Unterstützung angeboten, einschließlich der Bereitstellung von Ersatzwohnungen und der Zusage, nach Abschluss der Bauarbeiten in eine der neuen Wohnungen zu gleichen Konditionen zurückziehen zu können.
Der Einwand des Beklagten, er könne keinen angemessenen Ersatzwohnraum finden und seine sozialen Kontakte würden durch den Umzug beeinträchtigt, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Es wurde festgestellt, dass der angebotene Ersatzwohnraum in unmittelbarer Nähe liege und somit die sozialen Kontakte erhalten bleiben könnten.
Herausgabe des Bodenraums
Neben der Räumung der Wohnung wurde auch die Herausgabe des Bodenraums Nr. 2 im Dachgeschoss gefordert. Der Beklagte hatte argumentiert, dass dieser Raum ihm bei der Wohnungsübergabe als Teil der Mietsache übergeben worden sei. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht und entschied, dass der Bodenraum nicht Teil des Mietvertrages sei und die bisher geduldete Nutzung von der Klägerin wirksam widerrufen wurde.
Kosten und Vollstreckbarkeit
Das Gericht entschied weiterhin, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Es wurde ihm eine Räumungsfrist bis zum 15.08.2023 eingeräumt, mit der Auflage, bis zur endgültigen Räumung eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden kann.
Insgesamt zeigt dieses Urteil die rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen, die an eine Verwertungskündigung gestellt werden. Es verdeutlicht die Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Vermieters und den Bestandsinteressen des Mieters sowie die Bedeutung von formellen und materiellen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil zeigt, dass eine Verwertungskündigung rechtmäßig sein kann, wenn die geplante Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll ist und im öffentlichen Interesse liegt. Bei der Abwägung zwischen Vermieter- und Mieterinteressen ist entscheidend, ob der Vermieter dem Mieter zumutbare Alternativen und Unterstützung anbietet. Das Urteil verdeutlicht die Anforderungen an eine wirksame Verwertungskündigung und gibt Rechtssicherheit für künftige Fälle.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Verwertungskündigung
Was ist eine Verwertungskündigung und wann kann sie ausgesprochen werden?
Eine Verwertungskündigung ist eine spezielle Form der ordentlichen Kündigung im deutschen Mietrecht, die es Vermietern ermöglicht, ein Mietverhältnis zu beenden, wenn sie durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert werden und dadurch erhebliche Nachteile erleiden. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet § 573 Abs. 2 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Damit eine Verwertungskündigung rechtmäßig ist, müssen vier wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein:
- Absicht zur anderen Verwertung der Immobilie: Der Vermieter muss die Absicht haben, die Immobilie anders zu verwerten. Dies kann beispielsweise der Abriss und Neubau, eine umfassende Sanierung oder der Verkauf der Immobilie sein. Wichtig ist, dass die Verwertung nicht nur spekulativ ist, sondern auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht.
- Angemessenheit der Verwertung: Die geplante Verwertung muss für die Immobilie angemessen sein. Das bedeutet, dass die Verwertung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftig und sinnvoll ist. Ein bloßer Wunsch, durch Neuvermietung höhere Mieten zu erzielen, reicht nicht aus. Auch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ist nicht von der Vorschrift umfasst.
- Hinderung durch den bestehenden Mietvertrag: Der Vermieter muss durch den bestehenden Mietvertrag an der geplanten Verwertung gehindert werden. Es genügt nicht, dass die Verwertung nur erschwert wird; sie muss durch das Mietverhältnis tatsächlich verhindert werden.
- Erhebliche wirtschaftliche Nachteile: Dem Vermieter müssen durch die Hinderung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Diese Nachteile müssen schwerer wiegen als der Verlust der Wohnung für den Mieter. Die Gerichte entscheiden hier oft unterschiedlich, und es kommt auf den konkreten Einzelfall an.
Ein Beispiel für eine zulässige Verwertungskündigung ist der geplante Abriss eines maroden Gebäudes, um Platz für einen Neubau zu schaffen, der dann verkauft oder neu vermietet werden soll. Ein unzulässiges Beispiel wäre die Kündigung, um die Wohnung teurer neu zu vermieten, da dies nicht als angemessene wirtschaftliche Verwertung gilt.
Mieter haben das Recht, gegen eine Verwertungskündigung Widerspruch einzulegen, insbesondere wenn sie nachweisen können, dass dem Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses keine wesentlichen Nachteile entstehen. In Härtefällen, wie hohem Alter oder schwerer Krankheit, kann der Mieter besonderen Schutz genießen.
Welche Anforderungen muss der Vermieter bei einer Verwertungskündigung erfüllen?
Eine Verwertungskündigung ist eine spezielle Form der ordentlichen Kündigung im deutschen Mietrecht, die es Vermietern ermöglicht, ein Mietverhältnis zu beenden, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses eine angemessene wirtschaftliche Verwertung der Immobilie verhindert und dadurch erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Die Anforderungen an eine solche Kündigung sind hoch und müssen sorgfältig erfüllt werden.
Zunächst muss der Vermieter die Absicht haben, die Immobilie anderweitig zu verwerten. Dies kann beispielsweise der Abriss und Neubau, eine umfassende Sanierung oder der Verkauf der Immobilie sein. Die geplante Verwertung muss auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruhen und darf nicht ausschließlich spekulativ sein. Der Vermieter muss nachweisen, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses die geplante Verwertung erheblich behindert und ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile entstehen würden. Diese Nachteile müssen konkret und substantiiert dargelegt werden, pauschale Behauptungen reichen nicht aus.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, dass die geplante Verwertung der Immobilie angemessen sein muss. Dies bedeutet, dass die Verwertung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftig und sinnvoll sein muss. Der Vermieter darf nicht einfach die Miete erhöhen wollen oder die Immobilie in Eigentumswohnungen umwandeln, um sie teurer zu verkaufen. Solche Maßnahmen fallen nicht unter die Verwertungskündigung.
Darüber hinaus muss der Vermieter nachweisen, dass ihm durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen würden. Diese Nachteile müssen beim Vermieter selbst eintreten und dürfen nicht nur hypothetisch oder geringfügig sein. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass der Vermieter keinen Anspruch auf uneingeschränkte Gewinnoptimierung hat und die Nachteile des Vermieters gegen die Nachteile des Mieters abgewogen werden müssen.
Zusammengefasst muss der Vermieter bei einer Verwertungskündigung folgende Voraussetzungen erfüllen: Er muss die Absicht einer anderen Verwertung der Immobilie haben, diese Verwertung muss angemessen sein, die Fortsetzung des Mietverhältnisses muss die Verwertung erheblich behindern, und dem Vermieter müssen dadurch erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Diese Anforderungen sind hoch und müssen sorgfältig und substantiiert dargelegt werden, um eine wirksame Verwertungskündigung zu erreichen.
Welche Rechte haben Mieter im Falle einer Verwertungskündigung und wie können sie sich dagegen wehren?
Mieter, die von einer Verwertungskündigung betroffen sind, haben mehrere Rechte und Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Eine Verwertungskündigung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, und Mieter können verschiedene rechtliche Schritte einleiten, um ihre Interessen zu schützen.
Zunächst einmal haben Mieter das Recht, der Verwertungskündigung zu widersprechen. Dieser Widerspruch muss schriftlich erfolgen und spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses eingereicht werden. Der Widerspruch kann darauf basieren, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Verwertungskündigung nicht erfüllt sind oder dass ein Härtefall vorliegt, der eine Fortsetzung des Mietverhältnisses rechtfertigt. Ein Härtefall kann beispielsweise gegeben sein, wenn die Kündigung für den Mieter und seine Familie eine besondere Härte darstellen würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Beispiele für Härtefälle können Alter, Gesundheitszustand oder fehlende Alternativwohnungen sein.
Mieter haben auch das Recht, die vom Vermieter vorgebrachten Gründe für die Verwertungskündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies schließt die Prüfung ein, ob die Kündigung tatsächlich notwendig ist, um erhebliche wirtschaftliche Nachteile abzuwenden, und ob die geplante Verwertung angemessen und von vernünftigen Erwägungen getragen ist. Der Vermieter muss die Gründe für die Verwertungskündigung klar und nachvollziehbar darlegen. Eine unzureichende Begründung kann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sozialklausel nach § 574 BGB, die es Mietern ermöglicht, die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt insbesondere, wenn der Mieter keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen finden kann.
Mieter sollten auch prüfen, ob sie Anspruch auf Ersatzwohnraum haben. Grundsätzlich kann der Mieter verlangen, dass die Ersatzwohnung hinsichtlich ihrer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage seinen bisherigen Lebensumständen entspricht. Er muss in der Regel keine wesentliche Verschlechterung seiner bisherigen Wohnverhältnisse hinnehmen.
Es ist ratsam, bei einem Widerspruch gegen eine Verwertungskündigung rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass der Widerspruch korrekt und fristgerecht erfolgt und die Gründe für den Widerspruch umfassend dargelegt werden. Eine eventuell vorhandene Rechtsschutzversicherung kann die Kosten für die rechtliche Unterstützung übernehmen, sofern der Versicherungsvertrag Wohnrechtsschutz beinhaltet.
Zusammenfassend haben Mieter im Falle einer Verwertungskündigung das Recht, der Kündigung zu widersprechen, die Kündigungsgründe gerichtlich überprüfen zu lassen und gegebenenfalls die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund eines Härtefalls zu verlangen. Es ist wichtig, dass Mieter ihre Rechte kennen und rechtzeitig handeln, um ihre Interessen zu schützen.
Wie erfolgt die Abwägung zwischen den Interessen von Vermieter und Mieter bei einer Verwertungskündigung?
Die Abwägung zwischen den Interessen von Vermieter und Mieter bei einer Verwertungskündigung erfolgt nach strengen gesetzlichen Vorgaben und unter Berücksichtigung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gemäß Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes. Eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nur zulässig, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, weil er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und dadurch erhebliche Nachteile erleidet.
Zunächst muss der Vermieter die Absicht haben, die Immobilie anderweitig wirtschaftlich zu verwerten. Diese Verwertungsabsicht muss auf vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen beruhen. Beispiele hierfür sind der Abriss eines stark sanierungsbedürftigen Gebäudes und der anschließende Neubau, um die Immobilie zu verkaufen oder zu vermieten, oder die umfassende Sanierung, um eine bessere Vermietung zu ermöglichen.
Die geplante Verwertung muss angemessen sein, was bedeutet, dass sie wirtschaftlich sinnvoll und nicht spekulativ ist. Eine Verwertung ist nicht angemessen, wenn sie lediglich der Gewinnmaximierung dient, wie etwa die Neuvermietung zu höheren Mieten oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Hinderung durch das bestehende Mietverhältnis. Der Vermieter muss nachweisen, dass das Mietverhältnis ihn daran hindert, die Immobilie wirtschaftlich zu verwerten. Dies kann der Fall sein, wenn ein Verkauf der vermieteten Immobilie zu einem erheblich geringeren Erlös führen würde als ein Verkauf im unvermieteten Zustand.
Schließlich müssen die dem Vermieter entstehenden Nachteile erheblich sein. Diese Nachteile müssen so gravierend sein, dass sie die Interessen des Mieters, in der Wohnung zu bleiben, überwiegen. Der Vermieter hat keinen Anspruch auf die bestmögliche wirtschaftliche Verwertung seiner Immobilie, sondern muss substantiiert darlegen, welche konkreten Nachteile ihm durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses entstehen würden.
Die Abwägung der Interessen erfolgt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände. Dabei wird das Bestandsinteresse des Mieters, in seiner bisherigen Wohnung zu verbleiben, besonders geschützt. Die Gerichte prüfen sorgfältig, ob die Nachteile des Vermieters die Nachteile des Mieters bei einer Räumung der Wohnung überwiegen. Eine Verwertungskündigung ist nur das letzte Mittel (ultima ratio), wenn keine anderen zumutbaren Möglichkeiten bestehen, die wirtschaftlichen Interessen des Vermieters zu wahren.
Welche Fristen und Formalien sind bei einer Verwertungskündigung zu beachten?
Eine Verwertungskündigung muss bestimmte Fristen und Formalien einhalten, um rechtlich wirksam zu sein. Zunächst muss die Kündigung schriftlich erfolgen und dem Mieter nachweislich zugestellt werden, beispielsweise durch Empfangsbestätigung oder Boten. Die Kündigungsfristen richten sich nach der Dauer des Mietverhältnisses: drei Monate bei einer Mietdauer von bis zu fünf Jahren, sechs Monate bei einer Mietdauer von fünf bis acht Jahren und neun Monate bei einer Mietdauer von mehr als acht Jahren.
Die Kündigung muss präzise begründet werden. Der Vermieter muss darlegen, dass er die Immobilie anders verwerten möchte, dass das Mietverhältnis diese Verwertung verhindert und dass ihm dadurch erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Eine bloße Erschwerung der Verwertung reicht nicht aus. Die Begründung muss nachvollziehbar und auf vernünftigen Erwägungen beruhen.
Mieter haben das Recht, der Kündigung zu widersprechen, insbesondere wenn ein Härtefall vorliegt. Ein Widerspruch ist bis zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses möglich. In solchen Fällen kann eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Vermieters und des Mieters erfolgen.
Falls der Mieter nicht freiwillig auszieht, kann der Vermieter eine Räumungsklage einreichen. Nach erfolgreicher Klage kann der Gerichtsvollzieher die Zwangsräumung durchführen. Der Mieter schuldet dem Vermieter für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Nutzungsentschädigung.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB: Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung. Der Vermieter kann das Mietverhältnis kündigen, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.
- § 546 BGB: Rückgabepflicht des Mieters. Der Mieter ist verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Im vorliegenden Fall muss der Beklagte die Wohnung räumen.
- § 985 BGB: Herausgabeanspruch. Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen. Hier fordert die Klägerin die Herausgabe des Bodenraums Nr. 2.
- § 574 BGB: Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung. Der Mieter kann der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung eine besondere Härte für ihn bedeuten würde. Der Beklagte beruft sich hierauf.
- § 566 BGB: Kauf bricht nicht Miete. Wenn ein Grundstück verkauft wird, tritt der Erwerber anstelle des bisherigen Vermieters in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein. Die Klägerin ist durch den Kauf des Grundstücks Vermieterin geworden.
- Art. 14 GG: Eigentumsgarantie. Das Grundgesetz schützt sowohl das Eigentum des Vermieters als auch das Besitzrecht des Mieters. Beide Interessen müssen abgewogen werden.
- § 721 ZPO: Räumungsfrist. Das Gericht kann dem Mieter eine angemessene Frist zur Räumung einräumen. Der Beklagte erhält hier eine Frist bis zum 15.08.2023.
- § 91 ZPO: Kosten des Rechtsstreits. Die unterliegende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Beklagte muss die Kosten des Verfahrens tragen.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Hamburg-Blankenese
AG Hamburg-Blankenese – Az.: 533 C 182/22 – Urteil vom 12.05.2023
1. Der Beklagte wird verurteilt, die in der R.-str. 5 a, … H., im Dachgeschoss belegene Wohnung mit einer Größe von 39,03 m2, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad, Flur, WC sowie einem Kellerraum zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben,
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Bodenraum Nr. 2 belegen im Dachgeschoss R.-str. 5 a, … H., zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
3. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 15.08.2023 eingeräumt mit der Maßgabe, dass er an die Klägerin zum 3. Werktag eines Monats jeweils eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 501,70 Euro zuzüglich Nebenkosten zu zahlen hat.
4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 6.020,52 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt Räumung aufgrund einer Verwertungskündigung.
Der Beklagte mietete ab dem 1.02.2014 eine ca. 39,03 m2 große Wohnung im Dachgeschoss des Hauses R.str. 5 a in … H. von der Wohnungsbaugesellschaft … mbh (Anlage K 1). Diese übertrug 2016 der Klägerin das Grundstück. Die Eintragung ins Grundbuch erfolgte am 20.6.2016. Die vormalige Vermieterin sowie die Klägerin gehören zu einer Unternehmensgruppe. Die aktuelle Kaltmiete beträgt 501,70 Euro zuzüglich Vorauszahlungen. Auf den Inhalt des Mietvertrages Anlage K1 wird Bezug genommen. Der Beklagte nutzt den Bodenraum Nr. 2 im Dachgeschoss seines Hauses.
Die Klägerin plant den Abriss und Neuaufbau der Dachgeschosse auf den Gebäuden R2.str. 5 + 5 a, 3 + 3 a sowie 7 a-c. Auf den Dächern der Gebäude befinden sich zurzeit jeweils 1 Dachgeschosswohnung pro Hausnummer, insgesamt also 6 Dachgeschosswohnungen. Geplant ist der Abriss aller Dachgeschosse und Neuaufbau als Vollgeschoss mit jeweils 3 statt zuvor 1 Wohnung pro Hausnummer. Im Dachgeschoss des Hauses R2.str. 5 a sind 3 neue 2-Zimmerwohnungen mit ca. 45,13 m², 55,15 m² sowie 55,97 m² geplant.
Die neu geschaffenen Wohnungen sollen einen Balkon erhalten und mit Parkettfußboden, Fußbodenheizung und Einbauküchen ausgestattet werden. Die Grundrisse der neu geplanten Dachgeschosswohnungen für die Gebäude R2.str. 5 + 5 a ergeben sich aus Anlage K 4, auf die Bezug genommen wird. Die Baugenehmigung wurde am 26.1.2021 erteilt (Anlage K 5).
Die Klägerin informierte den Beklagten in einem Telefonat am 13.7.2021 über ihr Vorhaben. Mit Schreiben vom 15.7.2021 (Anlage K 6) auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, teilte sie dem Beklagten mit, dass ihm nach dem Ausbau eine vergleichbare Wohnung zur Verfügung gestellt werde und während der Baumaßnahme ein Angebot für Ersatzwohnraum gemacht werden könne. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, den Beklagten telefonisch zu erreichen, teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 25.11.2021 (Anlage K 7), auf dessen Inhalt verwiesen wird, mit, dass zusätzlich auch eine Umzugshilfe (Umzugskartons und Transport sowie Ab- und Aufbau) durch die Klägerin erfolgen werde. Am 1.12.2021 meldete der Beklagte sich telefonisch. Mit Schreiben vom 3.12.2021 (Anlage K 8), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass ihm für die Dauer der Baumaßnahme eine Ersatzwohnung in den Nachbargebäuden zu der gleichen Miete wie bisher gestellt werde, die Umzugskosten getragen würden und nach Fertigstellung des Dachgeschosses der Rückzug in eine der Neubauwohnungen möglich sei. Dem Beklagten wurden die Grundrisse der Neubauwohnungen zugesandt.
Mit E-Mail vom 14.4.2022 (Anlage K 9), auf deren Inhalt verwiesen wird, teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass angesichts des Baubeginns im Frühjahr 2020 eine Vereinbarung für eine Ersatzwohnung getroffen werden müsse. In der Mail beantwortete die Klägerin einige Fragen des Beklagten unter anderem dahingehend, dass der Einbau einer Badewanne realisiert werden könne, eine Fußbodenheizung eingebaut und die Dunstabzugshaube mit Umluft betrieben werde.
Mit Schreiben vom 19.5.2022 (Anl. K 2), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, kündigte die Klägerin den Mietvertrag, weil das bestehende Mietverhältnis der geplanten anderweitigen Verwertung des Dachgeschosses entgegenstehen würde. Sie teilte wörtlich mit: „Durch Abriss und Neuaufbau des Daches als Vollgeschoss werden in dem Gebäude R1.str. 5 + 5 a, in dem zurzeit zwei Wohnungen vorhanden sind, insgesamt 6 neue Wohnungen erschaffen. Mit der Baumaßnahme wird voraussichtlich Anfang März begonnen …“
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18.7.2022 (Anlage K 10), auf dessen Inhalt verwiesen wird, forderte die Klägerin den Beklagten auf, sich bis zum 5.8.2022 bei ihr zu melden und zu erklären, ob er Interesse an einer Ersatzwohnung habe. Mit E-Mail vom 11.8.2022 (Anlage K 11) teilte der Beklagte mit, dass er beruflich und privat extrem belastet sei und nach seinem Urlaub voraussichtlich im September 2022 wieder verfügbar sein werde. Mit E-Mail vom 25.8.2022 (Anlage K 12), auf deren Inhalt verwiesen wird, erklärte die Klägerin, dass sie weiterhin an einer gemeinsamen Lösung interessiert sei und bat um Terminvorschläge für einen Termin im September 2022. Nachdem keine Reaktion erfolgte, bat die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 7.9.2022 (Anlage K 13), auf dessen Inhalt verwiesen wird, unter Fristsetzung Termine vorzuschlagen und zu erklären, ob er während der Baumaßnahmen an einer Ersatzwohnung und nach Abschluss der Arbeiten an einer vergleichbaren Wohnung Interesse habe. Der Beklagte antwortete mit E-Mail vom 19.9.2022 (Anlage K 14), auf deren Inhalt Bezug genommen wird, verwies erneut auf seine belastete Situation und erklärte, er sei ortsabwesend und könne noch keinen konkreten Termin nennen.
Auf Terminvorschläge der Klägerin mit E-Mail vom 20.9.2022 folgte ein Telefonat zwischen der Klägerin und dem Beklagten am 13.10.2022, das ohne Ergebnis endete.
Mit E-Mail vom 18.10.2022 (Anlage K 15) teilte die Klägerin noch einmal ihr Vorhaben umfassend mit, wiederholte das Angebot der Anmietung einer Ersatzwohnung sowie einer der neu geschaffenen Wohnungen zu einem vergleichbaren Preis, die Beauftragung einer Umzugsfirma und eine Kompensation für Aufwendungen des Mieters von 1.500,- Euro bis 2.000,- Euro. Mit E-Mail vom 24.10.2022 (Anlage K 16 = K 19) erinnerte die Klägerin den Beklagten daran, dass er einen Termin für die Besichtigung der Ersatzwohnung vereinbaren solle und forderte ihn zugleich auf, den von ihm genutzten Dachbodenraum Nr. 2 zu räumen. Mit E-Mail vom 28.10.2022 (Anlage K 20) teilte der Beklagte mit, das Räumungsverlangen bezüglich des Dachbodens sei nicht begründet. Dieser sei zum Zeitpunkt der Wohnungsübergabe mit übergeben worden. Mit Schreiben vom 2.11.2022 (Anlage K 21) widerrief die Klägerin die bisher geduldete Nutzung des Dachbodens mit sofortiger Wirkung. Nachdem der Beklagte die angebotene ca. 86 m2 große Ersatzwohnung in der R2.str. 3 a besichtigt hatte, übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 2.11.2022 (Anlage K 17) eine Vereinbarung über die Anmietung der Ersatzwohnung sowie das Angebot, nach erfolgtem Neubau des Dachgeschosses eine vergleichbare Wohnung anzumieten. Auf den Inhalt der Vereinbarung wird verwiesen. Der Beklagte antwortete mit E-Mail vom 10.11.2022 (Anlage K 18) und teilte mit, die Klägerin möge von Fristsetzungen absehen.
Die Klägerin hat mit der Entkernung der Dachgeschosswohnungen in den anderen Häusern begonnen. Mit den jeweils betroffenen Mietern wurden entsprechende Vereinbarungen geschlossen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Verwertungskündigung sei begründet. Der erhebliche Nachteil liege in der Nichtrealisierung von 6 Neubauwohnungen zum Neubaumietpreis.
Der Beklagte habe den Wohnraum Nr. 2 als zusätzliche Abstellfläche genutzt, dieser sei nicht mit vermietet worden.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die in der R2.str. 5 a, 2… H., im Dachgeschoss belegene Wohnung mit einer Größe von 39,03 m2, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad, Flur, WC sowie einem Kellerraum zum 28.02.2022 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben,
2. den Beklagten weiter zu verurteilen, den Bodenraum Nr. 2 belegen im Dachgeschoss R2.str. 5 a, 2… H., zum 30.11.2022 zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Verwertungskündigung sei nicht berechtigt. Es fehle schon an den formalen Anforderungen, da die Klägerin nicht erklärt habe, worin der erhebliche Nachteil der Klägerin für den Fall der Verhinderung der von ihr behaupteten Verwertungsabsicht liegen solle. Das Vorliegen eines erheblichen Nachteils werde bestritten. Das Eigentum gewähre einem Vermieter keinen Anspruch auf bestmögliche Nutzung, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil verspreche. Die Klägerin habe die Immobilie unstreitig als rentabel zu bewirtschaftendes Gebäude mit intakter Bausubstanz erworben. Vorsorglich werde ein Sozialwiderspruch erhoben. Die Beendigung des Mietverhältnisses würde für den Beklagten eine besondere Härte darstellen, da angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden könne. Alle engeren sozialen Kontakte des allein lebenden Beklagten befänden sich in direkter Nachbarschaft seiner jetzigen Wohnung. Der Bodenraum Nr. 2 sei dem Beklagten als zu der Wohnung gehöriger Bodenraum übergeben worden und damit Gegenstand der Mietsache.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und auch in der Sache begründet.
I.
Die Klägerin kann die Rückgabe der Wohnung (1) sowie des Bodenraums Nr. 2 (2) verlangen.
1. Der Anspruch auf Rückgabe der Wohnung ist nach § 546 BGB begründet, da die Kündigung vom 19.5.2022 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB beendet hat. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist durch Übertragung des streitgegenständlichen Grundstücks nach § 566 Abs. 1 BGB in das zwischen der Wohnungsbaugesellschaft … mbh und dem Beklagten geschlossene Mietverhältnis eingetreten.
Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung sind gegeben. Die Kündigung ist sowohl formell als auch materiell begründet.
a) Zwar ist dem Beklagten zuzustimmen, dass die Kündigung lediglich eine Darstellung der beabsichtigten anderweitigen Verwertung enthält. Die weiter erforderlichen Voraussetzungen – Angemessenheit der Verwertung, Hinderung der beabsichtigen Verwertung durch Fortbestand des Mietverhältnisses sowie erhebliche Nachteile des Vermieters im Falle der Hinderung der Verwertung – sind nicht ausdrücklich aufgeführt, können der Kündigung aber ohne weiteres entnommen werden.
Aus dem in der Kündigung mitgeteilten Sachverhalt, dass das Dachgeschoss mit den bestehenden 2 Wohnungen – von denen eine der Beklagte bewohnt – abgerissen und als Vollgeschoss mit 6 neuen Wohnung neu errichtet werden solle, ergibt sich, dass die Klägerin im Dachgeschoss 4 neue Wohnung schaffen und damit den bestehenden Wohnraum verdreifachen will, die Wohnungen zum Zweck des Abrisses geräumt werden müssen und es ohne diese Räumung bei den bestehenden 2 Wohnungen verbleiben würde.
Damit sind sowohl die Hinderung im Falle des Fortbestehens (erforderlicher Auszug der Mieter) als auch die Angemessenheit (Schaffung neuen Wohnraums) dargelegt.
Dass im Fall der Hinderung die Klägerin keine 4 weiteren Wohnungen bauen und damit keine zusätzlichen Mieteinnahmen erzielen könnte, ist eine logische Folge. Damit kann aus dem mitgeteilten Sachverhalt folgerichtig geschlossen werden, dass die Klägerin bei Nichtrealisierung der beabsichtigen Verwertung einen Nachteil durch nicht erzielbare zusätzlichen Mieteinnahmen erleiden würde. Da die Tatbestandsvoraussetzungen einer Verwertungskündigung vielschichtig und relativ kompliziert sind, ist es sachgerecht, an das Kündigungsschreiben etwas geringere Anforderungen als in den Fällen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB zu stellen.
Erforderlich ist eine hinreichend genaue Angabe der Tatsachen aus denen sich der Kündigungsgrund herleiten lässt, damit kein Austausch der Kündigungsgründe erfolgen kann (Schmidt-Futterer-Blank/Börstinghaus, 15. Aufl., 2021 § 573 Rn. 262). Dies ist der Kündigung wie zuvor ausgeführt zu entnehmen.
Ob die Verwertung angemessen ist und die Klägerin im Falle der Nichtrealisierung einen erheblichen Nachteil erleiden würde, ist eine Frage der materiellen Begründetheit.
b) Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung sind auch materiell gegeben.
Dass die Klägerin die Mietsache anderweitig verwenden will – Abriss und Neubau des Dachgeschosses – und der Bestand des streitgegenständlichen Mietverhältnisses dieser Absicht entgegensteht, liegt auf der Hand und ist nicht streitig. Zur Auffassung des Gerichts liegen auch die weiteren Voraussetzungen vor.
Der Abriss des Dachgeschosses mit den bisherigen 2 Wohnungen und Neuaufbau mit nunmehr 6 Wohnungen stellt eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstückes dar, die von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen – der Verdreifachung des Wohnraums – getragen wird.
Die Beurteilung der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und damit des grundsätzlichen Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung zu verbleiben, vorzunehmen. Die erforderliche Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung; sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen (BGH VIII ZR 155/10; VIII ZR 84/11). Dabei gewährt das Eigentum dem Vermieter keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art. 14 GG und deshalb grundgesetzlich geschützt. Auf der anderen Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch keinen Umfang annehmen, der die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes der Wohnung erwachsen (BGH VIII ZR 226/09).
Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist das Gericht davon überzeugt, dass dem Verwertungsinteresse der Klägerin der Vorrang zu geben ist. Der beabsichtigte Neuaufbau des Dachgeschosses würde den bisher bestehenden Wohnraum deutlich vergrößern. Dabei plant die Klägerin nicht lediglich die Vergrößerung einer der bestehenden Wohnung (anders als im Fall des Landgerichts Heidelberg 5 S 59/16), sondern die Verdreifachung der bisher vorhandenen Wohnungen von 2 auf 6 und dies nicht nur bei dem streitgegenständlichen Dachgeschoss, sondern auch bei 2 weiteren, so dass am Ende aus 6 Wohnungen insgesamt 18 werden sollen. Es handelt sich nicht um eine Luxussanierung mit der Absicht, den neu geschaffenen Wohnraum im Anschluss zu verkaufen (anders als im Fall des Landgerichts Berlin 67 S 207/14). Da die neuen Wohnungen dem heutigen Standard entsprechen sollen, liegt der wirtschaftliche Vorteil der Klägerin in der Möglichkeit, 6. Wohnungen zu Neupreisen zu vermieten. Die Klägerin handelt aber zugleich auch im Interesse der Allgemeinheit und dem dringenden Erfordernis der Schaffung weiterer bezahlbarer Mietwohnungen in der Hansestadt Hamburg.
Das grundgesetzlich geschützte Bestandsinteresse des Beklagten in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verblieben, wird im vorliegenden Fall demgegenüber nur eingeschränkt tangiert. Der Beklagte soll seine bisherige Wohnung nicht endgültig verlieren, sondern kann – wenn er dies wünscht – in eine der neu gestalteten Wohnungen wieder einziehen. Die Klägerin hat den Beklagten von Beginn an umfassend über ihre Planungen informiert. Sie hat immer wieder angeboten, dass sie ihm für die Zeit des Abrisses und Neubaus eine Ersatzwohnung in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stellen würde und er eine der neuen Wohnungen beziehen könne.
Zusätzlich erklärte die Klägerin sich bereit, ein Umzugsunternehmen zu beauftragen und Umzugshilfe zu leisten und hat eine finanzielle Beteiligung in Höhe von 1.500 bis 2.000 Euro angeboten. Sowohl die möglichen Ersatzwohnungen – von denen der Beklagte eine besichtigt hat – als auch die neu geschaffene Wohnung sollen zu den gleichen Konditionen wie die bisherige Wohnung angemietet werden können. Die Klägerin hatte dem Beklagten sogar auf seine Nachfrage signalisiert, dass der Einbau einer Badewanne realisiert werden könne, eine Fußbodenheizung eingebaut und die Dunstabzugshaube mit Umluft betrieben werde (E-Mail Anlage K 9). Die von der Klägerin neu geschaffene Wohnung wird besser ausgestattet sein als die bisherige Wohnung des Beklagten.
Das Angebot von Ersatzwohnung und Einzug in eine der neuen Wohnung zu den bestehenden Konditionen besteht weiterhin wie noch in der mündlichen Verhandlung besprochen. Das Gericht verkennt nicht, dass zwei Umzüge mit viel Arbeit und verbunden sind und deutliche Unruhe in das Leben des Beklagten bringen würden.
Dieser Nachteil muss zur Auffassung des Gerichts im Verhältnis zur Schaffung 4 neuer Wohnungen jedoch zurücktreten.
c) Der Beklagte kann sich nicht auf eine besondere Härte gem. § 574 BGB berufen.
Sein Vortrag, angemessener Ersatzwohnraum sei zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffen, ist durch das Angebot der Überlassung einer Ersatzwohnung sowie eine der neu geschaffenen Wohnung zu den bisherigen Konditionen ausgeräumt. Dies gilt auch für den von ihm befürchteten Verlust der engeren sozialen Kontakte, da er im gleichen Haus in eine der neuen Wohnungen einziehen kann und auch die angebotene Ersatzwohnung in unmittelbarer Nähe liegt.
2. Der Klägerin kann als Eigentümerin auch die Herausgabe des Bodenraums Nr. 2 gem. § 985 BGB verlangen.
Die Wohnung ist laut Mietvertrag (Anl. K 1) ohne Dachbodenraum vermietet worden.
Soweit der Beklagte vorgetragen hat, der Bodenraum Nr. 2 sei ihm als zu der Wohnung gehöriger Bodenraum übergeben worden und damit Gegenstand der Mietsache, ist sein Vortrag streitig, von ihm jedoch nicht unter Beweis gestellt. Die Klägerin hat zwar auf das Verteidigungsvorbringen des Beklagten nicht ausdrücklich erwidert, sie hat aber schon mit der Klage klargestellt, dass der Bodenraum nicht mit vermietet worden sei. Auch auf den vorgerichtlichen Einwand des Beklagten, der Dachboden sei zum Zeitpunkt der Wohnungsübergabe mit übergeben worden (E-Mail, Anlage K 20), hat die Klägerin deutlich erklärt, der Dachboden sei nicht mit vermietet und die bis zu diesem Zeitpunkt geduldete Nutzung widerrufen (Schreiben, Anlage K 21). Die Frage, ob der zuvor genannte Vortrag des Beklagten streitig sei, ist in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Weder hat die Klägerin den Vortrag unstreitig gestellt, noch hat der Beklagte Beweis angeboten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Dem Beklagten war gem. § 721 ZPO eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.