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Wann liegt ein erheblicher Mietzahlungsrückstand für außerordentliche fristlose Kündigung vor?

LG Berlin – Az.: 66 S 181/18 – Urteil vom 08.01.2020

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 30.08.2018 (Az. 16 C 161/18), abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 04.07.2018 wird aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung verurteilt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klageansprüche nach der mit Schreiben vom 9.2.2018 erklärten Kündigung begründet sind. Die Nachzahlung der mit dieser Kündigung verfolgten Zahlungsrückstände von insgesamt 839,41 € für die Monate Januar 2018 und Februar 2018 habe die Wirkungen für § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB nicht auslösen können, weil diese Wirkung im Sinne des Satzes 2 der Vorschrift bereits weniger als zwei Jahre zuvor eingetreten gewesen sei.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

Anstelle der Darstellung eines Tatbestandes nimmt die Kammer im Übrigen auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzungen sind lediglich wie folgt geboten:

Die im streitgegenständlichen Zeitraum geschuldete Gesamtmiete in Höhe von monatlich 704 € setzte sich in den Monaten Dezember 2017 bis August 2018 zusammen aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 529 €, sowie aus Vorauszahlungen auf Betriebskosten in Höhe von 65 € und auf Heizkosten in Höhe von 110 €.

Die Klägerin sprach im Berufungsverfahren erneut eine fristlose Kündigung aus, die sie mit Zahlungsrückständen für die Monate September und Oktober 2018 sowie April 2019 begründete. Für die Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf den Schriftsatz vom 1. August 2019 (Bl. 106 f. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519f. ZPO.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht nach den im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigenden Tatsachen der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch (§§ 546 Abs. 1, 985 BGB) gegen die Beklagte nicht zu.

1.

Das Mietverhältnis der Parteien ist entgegen der Ansicht des Amtsgerichts durch die Kündigung der Klägerin vom 9.2.2018 nicht beendet worden.

a) Unzutreffend ist allerdings die Einschätzung der Beklagten, die Kündigung sei bereits formell unwirksam. Die dafür angeführten vermeintlichen Mängel im Vertreterhandeln sind nicht feststellbar.

Zwar wurde die Kündigung nicht von dem Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet die Mitarbeiterinnen der Klägerin haben allerdings jeweils mit dem Zusatz „i. A.“ bzw. „i. V.“ unterschrieben. Dies war ausreichend, weil der Inhalt des Kündigungsschreibens dahingehend eindeutig ist, dass sich die Unterzeichner namens und in Vertretung der Klägerin an die Beklagte wendeten. Der Text des Schreibens spricht unmissverständlich aus, dass die Kündigung durch die … GmbH als Vermieterin erklärt wird. Da zudem der Briefkopf des Kündigungsschreibens diese juristische Person als Absenderin ausweist, war es jedem verständigen Empfänger eindeutig erkennbar, auf welche Gesellschaft sich der Zusatz „i. V.“ im Schreiben vom 9. Februar 2018 bezog.

Unerheblich ist der Umstand, dass mit dem Kündigungsschreiben eine Vollmachtsurkunde nicht übermittelt wurde; die Beklagte hat nämlich die Kündigung nicht unverzüglich nach Maßgabe des § 174 BGB zurückgewiesen.

b) Die Kündigung vom 9. Februar 2018 ist aber deshalb unwirksam, weil der darin geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vorgelegen hat.

Nach ergänzendem Vorbringen in der Berufungsinstanz ist unstreitig, dass für die Monate Januar und Februar 2018 eine Bruttowarmmiete in Höhe von jeweils 704 € zu zahlen war. Unstreitig ist weiter, dass bei Ausspruch der Kündigung die gesamte Februarmiete offen war, sowie ein restlicher Mietzinsanteil von 135,41 € aus dem Vormonat Januar 2018.

Der so zusammengesetzte Rückstand von insgesamt 839,41 € bedeutete zwar einen Zahlungsverzug der Beklagten mit einem ausreichend hohen Gesamtbetrag, da er die Miete für einen Monat überstieg (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB); der aus zwei aufeinander folgenden Monaten resultierende Gesamtrückstand stellte aber einen Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB deshalb nicht dar, weil für den ersten der beiden Monate (Januar 2018) kein „nicht unerheblicher Teil der Miete“ offengeblieben war.

aa) Allerdings entspricht es wohl überwiegender Auffassung, dass das Kriterium der Erheblichkeit keine Bedeutung für die Betrachtung der beiden einzelnen im Fall des § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB aufeinander folgenden Monate haben soll. Aus der Festschreibung des betragsmäßig erforderlichen Mindestrückstandes in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB wird stattdessen geschlussfolgert, es sei „…nicht erforderlich, dass der Rückstand bezogen auf jeden einzelnen Termin erheblich ist; es genügt, wenn der Gesamtrückstand für die beiden aufeinander folgenden Termine als nicht unerheblich bewertet werden kann. Geringe Rückstände in den einzelnen Terminen können sich also zu einem nicht unerheblichen Rückstand addieren…“ (vgl. etwa Blank/Börstinghaus, Mietrecht 5. Auflage 2017, § 543, Rn. 150 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

bb) Der Bundesgerichtshof hat die Frage zunächst in einem Urteil vom 15.04.1987 (Aktenzeichen VIII ZR 126/86, NJW-RR 1987, 903 ff.) behandelt, das allerdings zu der Vorgängerregelung in § 554 Abs. 1 BGB a.F. und außerdem zu den Verhältnissen in einem Gewerbemietverhältnis ergangen ist. Zu der Entstehung, sowie zu Sinn und Zweck des § 554 BGB a.F. führt das Urteil u.a. aus:

„…Sie wurde durch Gesetz vom 29. 7. 1963 (BGBl I, S. 505) eingeführt; in der ursprünglichen Fassung genügte der Verzug mit einem “Teil des Mietzinses”. Nach der Begründung zum RegE des 1. MietRÄndG (BT-Dr. IV/806 S. 10 zu Nr. 9) sollte in dem neu gefaßten § 554 I BGB für alle Mietverhältnisse der in der Rspr. unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entwickelte Grundsatz zum Ausdruck kommen, daß wegen nur unerheblicher Rückstände nicht fristlos gekündigt werden könne (RGZ 86, 334 (335)). Die Neufassung enthält aber keine eindeutige Regelung für den Fall, daß der Rückstand für einen Monat vergleichsweise gering ist (…).“

In einer derartigen Konstellation lasse sich „…die Ansicht vertreten, er (ergänzt: der Rückstand) sei unerheblich (…) und es fehlte an der Voraussetzung, daß der Mieter “für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung des Mietzinses oder eines nicht unerheblichen Teils des Mietzinses im Verzug ist”. Das entspräche der in RGZ 86, 334 (335) vertretenen Auffassung. Diese Betrachtungsweise wird in einem Teil des Schrifttums auch für die jetzige Fassung von § 554 I BGB als maßgeblich angesehen (so Erman-Schopp, BGB, 7. Aufl., § 554 Rdnr. 4; Gelhaar, in: RGRK, 12. Aufl., § 554 Rdnr. 8; Roquette, MietR, § 554 Rdnr. 3; Soergel-Kummer, § 554 Rdnr. 3; Sternel, MietR, 2. Aufl., IV 269; vgl. auch LG Kassel, ZMR 1970, ZMR Jahr 1970 Seite 307). Sie verträgt sich indessen nicht mit der Neufassung, die § 554 BGB gefunden hat. Sein Abs. 2 Nr. 1 bestimmt für Wohnraummiete, daß im Falle des Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der rückständige Teil des Mietzinses nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er den Mietzins für einen Monat übersteigt. Mit dem “rückständigen Teil des Mietzinses” kann danach nur der gesamte Rückstand gemeint sein, denn der Rückstand für einen Monat kann nicht den Mietzins für einen Monat übersteigen. Dann aber kann die “Erheblichkeit” in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – an den Abs. 2 Nr. 1 anknüpft – nicht nach der Höhe des einzelnen Rückstands im Verhältnis zu der einzelnen Mietzinsrate, sondern nur nach der Gesamthöhe der Rückstände bezogen auf die Summe der für die beiden aufeinanderfolgenden Termine geschuldet Miete, beurteilt werden…“ (BGH NJW-RR 1987, 903 (905)).

cc) Die so beurteilte Vorgängerregelung des § 554 BGB (in der Neufassung aus dem Jahr 1963; nachfolgend a.F.) enthielt sowohl den Kündigungstatbestand (in Abs. 1 Nr. 1, der wortgleich dem heutigen § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB entsprach), wie auch eine Regelung zu der erforderlichen Mindesthöhe des Gesamtrückstandes. Letztere war zunächst noch Bestandteil des 1963 neu zu fassenden Absatzes 1, galt dann später aber als § 554 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F., der wiederum nahezu wortgleich (mit Ausnahme der Änderung des Wortes „Mietzins“ in „Miete“) dem heutigen § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB entsprach. Auch diese Regelung galt bereits ausschließlich für Wohnraum, der Kündigungstatbestand in § 554 Abs. 1 BGB a.F. aber für alle Mietverhältnisse.

Das vom BGH in der Entscheidung vom 15.04.1987 vertretene Verständnis des § 554 BGB a.F. ist danach – jedenfalls übertragen auf Wohnraummietverhältnisse – keineswegs zwingend. Zwar trifft es offensichtlich zu, dass die Regelung zur Mindesthöhe des Rückstandes von mehr als einer Monatsmiete nur den Gesamtrückstand aus beiden aufeinanderfolgenden Monaten im Blick haben kann, nachdem der Rückstand für einen einzelnen Monat den Betrag einer Monatsmiete nur erreichen, niemals aber übersteigen kann. Der daraus vom BGH (für ein Gewerbemietverhältnis) gezogene Schluss lässt sich aber nur dann ziehen, wenn auch dem Kündigungstatbestand kein anderer Inhalt entnommen wird, als eine Regelung allein zur betragsmäßigen Höhe des Zahlungsverzuges.

Diese Annahme erscheint aber zweifelhaft. Widerspruchsfrei ließ bereits die Regelung in § 554 BGB a.F. auch ein Verständnis dahingehend zu, dass die 1963 geschaffene Neufassung der Vorschrift in Abs. 1 (für alle Mietverhältnisse) eine bestimmte qualifizierte Struktur für die Entstehung des zur Kündigung führenden Zahlungsrückstandes vorgibt. Als Kern dieses Kündigungstatbestandes erscheint dann nicht die Frage der betragsmäßigen Höhe des Zahlungsrückstandes, sondern der Umstand, dass der Rückstand sich aus zwei unmittelbar aufeinander folgenden (jeweils) erheblichen Rückständen aufgebaut hat, also mit einer extremen Dynamik des Anwachsens innerhalb kürzester Zeit.

Die in § 554 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. (nur) für Wohnraummiete betragsmäßig bestimmte Mindesthöhe des Rückstandes würde bei diesem Verständnis neben das aus Abs. 1 resultierende Erfordernis einer „qualifizierten“ Struktur des Mietrückstandes in seiner Entstehung treten. Für die (inhaltlich nicht veränderten) heute geltenden Regelungen bedeutet dies, dass ein Wohnraummietverhältnis (schon) wegen § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht gekündigt werden kann, solange der Rückstand nicht eine Monatsmiete übersteigt. Ist der erforderliche Mindestrückstand betragsmäßig aber erreicht, so setzt eine Kündigung (für alle Mietverhältnisse) nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB voraus, dass der konkret vorhandene Gesamtrückstand außerdem eine dem Kündigungstatbestand innewohnende Struktur aufweist. In jedem der beiden aufeinander folgenden Monate muss dann „ein nicht unerheblicher Teil der Miete“ offengeblieben sein. Fehlt es daran, läuft also ein Gesamtrückstand nur langsam und unter Mitwirkung „unerheblicher“ Teilbeträge auf, so ist die Kündigung erst (und nur) nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB möglich.

Diese Sicht erscheint der Kammer vorzugswürdig. Maßgeblich dafür ist eine Auslegung der gesetzlichen Regelungen mit den folgenden Erwägungen:

(1) Der Wortlaut des Kündigungstatbestandes in Nr. 3 a) des § 543 Abs. 2 BGB mag (entsprechend dem Ausgangspunkt des BGH in der Entscheidung von 1987) nicht eindeutig sein; er steht aber jedenfalls der Annahme nicht entgegen, dass in beiden aufeinander folgenden Monaten erheblich ausgefallene Teile der Miete unbezahlt geblieben sein müssen. Im Gegenteil legt der Wortlaut „…für zwei aufeinanderfolgende Termine…“ ein solches Verständnis mindestens deshalb nahe, weil der Gesetzgeber für den 1963 neu geschaffenen zweiten Kündigungstatbestand (heute § 543 Abs. 2 Nr. 3 b) BGB) gerade einen anderen Wortlaut gewählt hat, um eine ausschließlich auf die Höhe des Rückstandes bezogene Regelung in Kraft zu setzen.

So, wie die Vorschrift von der wohl überwiegenden Auffassung verstanden wird, müsste Nr. 3 a) eigentlich dahin lauten, dass der Rückstand „nach zwei aufeinander folgenden Terminen“ maßgeblich sein soll. Stattdessen legt der im Gesetz gewählte (und 1963 beibehaltene) Wortlaut es unmittelbar nahe, das Ausbleiben (mindestens) eines wesentlichen Teils der Miete zunächst „für“ den ersten Termin und sodann „für“ den darauffolgenden Termin zu prüfen. Sobald sich „für“ einen der Termine kein erheblicher Rückstand feststellen lässt, rechtfertigt dies den Befund, dass erhebliche Rückstände „für zwei aufeinanderfolgende Termine“ eben nicht vorliegen.

Ein Rückstand mit „zwei aufeinanderfolgenden Terminen“ (heute Nr. 3 a) rechtfertigte nach § 554 Abs. 1 BGB auch schon vor der Neufassung im Jahr 1963 eine Kündigung. Wenn der Gesetzgeber sich dafür entschied, die allein auf den rückständigen Gesamtbetrag abstellende neue Kündigungsmöglichkeit (heute Nr. 3 b) mit einem ausdrücklich anders gewählten Wortlaut zu schaffen, stützt dies die Annahme, dass der daneben unverändert gelassene Kündigungstatbestand mehr beinhaltet, als lediglich eine (andere) Gesamthöhe des Kündigungsrückstandes. Anderenfalls hätte es nahegelegen, den bereits existierenden Wortlaut „für zwei aufeinanderfolgende Termine“ in der neuen Regelung (heute Nr. 3 b) ebenfalls zu verwenden, also für die Kündigung dort auf einen Rückstand „für mehr als zwei Termine“ abzustellen.

Dies ist aber nicht geschehen. Der Gesetzgeber hat seine Absicht, bei diesem Kündigungstatbestand allein auf die Höhe eines Saldos (Miete für 2 Monate) abzustellen, stattdessen unmissverständlich so gefasst, dass auf das rein rechnerische Ergebnis „in einem Zeitraum“ abzustellen ist. Die Regelung dient gerade dazu, eine Kündigung unabhängig von der Anzahl und Abfolge unvollständig entrichteter Monatsmieten und unabhängig von der Höhe der jeweiligen Einzelbeträge allein abhängig vom Saldo des rechnerischen Gesamtergebnisses zuzulassen. Es spricht daher nichts dafür, dass ein gerade anders gewählter Wortlaut im Tatbestand der Nr. 3 a) in der Sache ebenfalls allein ein rechnerisches Gesamtergebnis als maßgeblich beschreiben soll.

(2) Auch die historische Entwicklung des heutigen § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB spricht dafür, eine qualifizierte Struktur für die Entstehung des Rückstandes als erforderlich anzusehen.

Die fristlose Kündigung war nach der bis 1963 geltenden Fassung des § 554 BGB möglich, „…wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung des Mietzinses oder eines Teils des Mietzinses im Verzug ist…“. Für die damit begründete Rechtslage bestand Einigkeit, dass es zwar (nach dem Wortlaut offenkundig) genügt, wenn nur ein Teil des Mietzinses rückständig ist, dass aber „kein Kündigungsrecht bei Geringfügigkeit“ besteht (so etwa Palandt/Dr. Gramm; 21. Auflage, 1962; § 554 BGB Anm. 3).

Für diesen Stand der Erkenntnis unmittelbar vor der Gesetzesänderung 1963 wurde die (auch vom BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1987 erörterte) Entscheidung des Reichsgerichts (vom 19.3.1915; RGZ 86, 334 ff.) zitiert. In dieser Entscheidung hat das Reichsgerichts zu der Zusammensetzung eines Zahlungsrückstandes, der eine Kündigung nach § 554 BGB rechtfertigt, ausgeführt:

„…Die Vorschrift des § 554 darf nicht dazu führen, den Mieter auch dann einer fristlosen Kündigung auszusetzen, wenn es sich nur um unerhebliche Teile einer Mietzinsrate handelt (vgl. RGZ Bd. 82 S. 54). Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Vermieter auch auf einen geringfügigen Rückstand sich sollte berufen dürfen. (…) Das entspricht nicht dem Sinne des § 554 BGB. Das Gesetz fordert ausdrücklich Verzug mit der Entrichtung von 2 Raten. Die Frage, ob ein Teilrückstand zu geringfügig ist, um eine Kündigung zu rechtfertigen, ist daher nach dem Verhältnis des rückständigen Teilbetrags zu der betreffenden Rate, nicht nach dem Gesamtbetrage der Rückstände aus beiden Raten zu beurteilen…“ (RG a.a.O. S. 335).

Damit entsprach es allgemeiner Auffassung, dass ein lediglich geringfügiger Rückstand auch dann einer Kündigung entgegenstand, wenn dieser lediglich einen der beiden aufeinanderfolgenden Monate betrifft. Auch das Reichsgericht hat also bereits dem (bis heute insoweit unveränderten) Wortlaut des Kündigungstatbestandes entnommen, dass bei Erforderlichkeit des Verzuges mit 2 Raten auch die Geringfügigkeit bzw. Erheblichkeit nicht bezahlter Teilbeträge stets für jede der beiden Raten gesondert festzustellen ist (und vorliegen muss).

Diesen Zusammenhang hat auch der BGH in der Entscheidung aus dem Jahr 1987 ausgeführt. Die daran anschließende Annahme, die bis dahin allgemeiner Auffassung entsprechende Sicht des Reichsgerichts „vertrage sich nicht“ mit der 1963 geschaffenen Neufassung des Gesetzes, weshalb diese Sichtweise obsolet sei, ist mit den Gesetzesmaterialien von 1963 aber kaum vereinbar. Der Gesetzgeber hat die inhaltliche Auffassung des Reichsgerichts unter ausdrücklichem Hinweis auf die oben zitierte Entscheidung anlässlich der Neufassung von § 554 BGB im Jahr 1963 zum Zweck der Festhaltung hervorgehoben. In den Erwägungen zu der Neufassung des § 554 BGB a.F. (BT-Dr. IV/806 S. 10 zu Nr. 9) heißt es:

„…In dem neugefassten § 554 Abs. 1 kommt für alle Mietverhältnisse der in der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entwickelte Grundsatz zum Ausdruck, dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht fristlos gekündigt werden kann (RGZ 86, 334). Für Mietverhältnisse über Wohnraum, der nicht zu nur vorübergehendem Gebrauch vermietet ist, wird besonders bestimmt, dass der Rückstand mindestens einer Monatsmiete gleichkommen muss…“.

Dabei fällt auf, dass der Gesetzgeber zwischen der Formulierung zum allgemeinen Kündigungstatbestand mit „nur unerheblichen Rückständen“ den Plural verwendet und insoweit ausdrücklich die Entscheidung des Reichsgerichts zitiert. Kern jener Entscheidung ist es – wie dargelegt – gerade, dass nur mehrere jeweils erhebliche Rückstände (Plural) den Kündigungstatbestand erfüllen.

Nach der im Folgesatz enthaltenen Gesetzesbegründung zur Einführung eines Mindestrückstandes bei Wohnraummietverhältnissen erfolgt diese Regelung „besonders“ und bezieht sich auf einen Mindestrückstand (Singular). Nichts spricht bei dieser Darstellung für die Annahme, dass es der Absicht des Gesetzgebers entsprochen haben könnte, mit der Regelung zum Mindestrückstand bei der Wohnraummiete (also mit dem 2. Satz des obigen Zitats) den unmittelbar davor (im 1. Satz der zitierten Passage) angeführten allgemeinen Grundsatz sogleich wieder außer Kraft zu setzen. Stattdessen sollte offenkundig der allgemein anerkannte Grundsatz gerade im Kündigungstatbestand für alle Arten von Mietverhältnissen erhalten bleiben, und zwar mit genau den Maßgaben, die das Reichsgericht in derjenigen Entscheidung entwickelt hatte, die genau aus diesem Grund auch eigens in den Gesetzesmaterialien zitiert worden ist, und die zur Zeit der Gesetzesänderung 1963 ohnehin der allgemeinen Auffassung entsprachen.

Der „…neugefasste § 554 Abs. 1…“ (s. obiges Zitat) einerseits und der Inhalt der Entscheidung in RGZ 86, 334 ff. bilden für den Gesetzgeber offensichtlich kein Gegensatzpaar. Es handelt sich stattdessen um unterscheidbare Inhalte zweier nebeneinander geltender Normen, deren erste (heute § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB) eine allgemein geltende und 1963 ausdrücklich beibehaltende Regelung (auch) zu der vom Reichsgericht herausgearbeiteten Struktur des zur Kündigung führenden Zahlungsrückstandes beinhaltet. Ihr an die Seite gestellt ist seit 1963 als zweite Regelung (heute § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB) für das Wohnraummietrecht das zusätzliche konkret beschriebene Erfordernis einer Mindesthöhe.

Dieses differenzierende Verständnis beider Regelungen entspricht den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers aus dem Jahr 1963. Es verwundert daher nicht, dass auch in der Kommentarliteratur die zuvor für richtig gehaltenen Standpunkte nicht aufgegeben, sondern einschließlich der Zitierung der Entscheidung des Reichsgerichts fortgeschrieben wurden, indem es nunmehr beispielsweise hieß:

„… Absatz 1 unterscheidet sich von der bisher geltenden Fassung dadurch, dass der rückständige Teil des Mietzinses nicht „unerheblich“ sein darf; bereits bisher war anerkannt, dass ein geringfügiger Rückstand nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt, RG 86, 334…“ (Palandt/Dr. Gramm, 23. Auflage (1966); Anm. 2 zu § 554 BGB a.F.).

(3) Auch systematische Vergleiche zu anderen Kündigungen, die sich aus dem Ausbleiben geschuldeter Mieten ableiten lassen, sprechen dafür, bei § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB strukturell zwei jeweils erhebliche Rückstände zur Voraussetzung für eine Kündigung zu erheben.

Nach der stattdessen überwiegend vertretenen rein rechnerischen Saldierung (auch) im Bereich des Tatbestandes Nr. 3 a) soll dort ein Rückstand von „1 Miete plus 1 Cent“ für die fristlose Kündigung ausreichen, während für Nr. 3 b) volle 2 Mieten erforderlich sind. Das Ziel des letztgenannten (1963 neu geschaffenen) Tatbestandes war es, eine unerwünschte Lücke zu schließen, die darin bestand, dass eine Kündigung nicht möglich erschien, wenn der Mieter in jedem 2. Monat seine Miete vollständig, in den übrigen Monaten aber gar nicht bezahlte. Bei ausdrücklichen (nach § 366 BGB ggf. bindenden) Tilgungsbestimmungen können solche Zahlungen grundsätzlich nicht vom Vermieter auf ältere Rückstände umgebucht werden, sodass die bestehenden Rückstände dann niemals für zwei „aufeinanderfolgende Termine“ vorlägen. Für solche Konstellationen sollte eine Kündigung möglich werden, aber nur dann, wenn nach einem beliebig lang gestreckten Zeitraum volle 2 Monatsmieten rückständig sind. Diese in Nr. 3 b) für die Saldenbildung zu berücksichtigenden Zeiträume können (bei jeweils kleinen Teilrückständen) sehr lang ausfallen, müssen dies aber nicht.

Wenn in kurzen Zeiträumen, etwa nach 3 Terminen (anstelle der in Nr. 3 a) erforderlichen 2 Termine) erhebliche Zahlungsrückstände anhäufen, zeigt sich, dass die schlichte Auswechslung des Berechnungszeitraums und Bildung eines Gesamtsaldos keinen nachvollziehbaren inneren Grund erkennen lässt, warum eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges schon möglich oder noch nicht möglich sein soll.

Eine beispielsweise am 10. März eines Jahres erklärte Kündigung wäre bei einer Miethöhe von 1000 € nicht möglich, wenn sich ein Rückstand in Höhe von 1999,99 € ergibt, und wenn der Mieter (nur) die gesamte Februarmiete und 1 Cent für den Januar gezahlt hätte; (auch) der Kündigungstatbestand der Nr. 3 b) läge nicht vor. Die fristlose Kündigung wäre nach der bisher überwiegenden Auffassung aber begründet, wenn am 10. März eines Jahres (nur) 1000,01 € offen wären, falls der Mieter (immerhin) die vollständige Miete für Januar und eine nahezu (bis auf 1 Cent) vollständige Zahlung für Februar geleistet hätte. Dieses Ergebnis würde sich normativ auch dann nicht ändern, wenn nach Zugang der Kündigung am 10. März die Märzmiete vollständig (aber ohne den ausstehenden 1 Cent für den Februar) am 15. März eingehen würde.

Solche auch in der Literatur vielfach betrachteten Rechenbeispiele belegen aus Sicht der Kammer, dass bei Anwendung des § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB allein mit der „unbewerteten“ Ermittlung eines rechnerischen Saldos kein in sich konsistentes Verständnis der Kündigungstatbestände zueinander gelingt. Die Unterschiede in den Ergebnissen sind abhängig von zweitrangigen Umständen, die sich nicht in einer widerspruchsfreien Gesamtkonzeption vereinen lassen. Im obigen Beispiel ist weder ein tragfähiger innerer Grund für die Abgrenzung zwischen den Tatbeständen in Nr. 3 a) und Nr. 3 b) ermittelbar, noch eine Abgrenzung zu Fällen einer nicht ausgebliebenen, sondern lediglich unpünktlichen Zahlung. Als solche würde die im Beispiel verspätet gezahlte Märzmiete nach allgemeiner Auffassung wohl regelmäßig allenfalls eine Abmahnung zur Vorbereitung einer Kündigung im Falle späterer Wiederholungen rechtfertigen.

Nach der Systematik des Gesetzes verlangt nach Auffassung der Kammer auch der Umstand Berücksichtigung, dass der Kündigungstatbestand auch innerhalb von § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB in 2 Varianten unterteilt ist. Der Grundtatbestand besteht darin, dass der Mieter „für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete in Verzug ist“. Diesen Umstand hebt mit Recht die Entscheidung des BGH vom 13.5.2015 (Aktenzeichen XII ZR 65/14, NJW 2015, 2419; hier zitiert nach juris Rz. 56) hervor, die allerdings ebenfalls eine abweichende Fragestellung in einem Gewerbemietverhältnis betrifft. Mit dem Grundtatbestand der Norm hat jedenfalls die im erörterten Beispiel beschriebene Kündigung bei einem Rückstand von 1000,01 € kaum noch Ähnlichkeit. Mit einer minimalen Unschärfe lässt sich eher sagen, dass der Mieter in diesem Beispiel nur mit einer Miete in Verzug ist. Die überwiegend vertretene Hypothese einer unbewerteten Saldenbildung führt damit fast zu einer Abschaffung der Hürden für eine Kündigung nach dem Grundtatbestand. Die dafür herangezogene Auffangbestimmung (nämlich die 2. Variante der Nr. 3 a) zu einem Rückstand mit nicht unwesentlichen Teilen der Miete, entfernt sich im Beispiel einer Kündigung wegen 1000,01 € von dem Grundtatbestand (der einen Rückstand von 2000 € bedeuten würde) so weit, dass die identische Rechtsfolge nicht überzeugt.

(4) Die Gerichte hätten bei einer eindeutigen gesetzlichen Regelung auch widersprüchliche Konsequenzen in der Rechtsanwendung im Rahmen der Bindung an die Gesetze hinzunehmen. Dies ist aber nur erforderlich, wenn sich in einer vom Wortlaut gedeckten Gesetzesauslegung nicht innere Gründe für eine andere Differenzierung finden lassen. Dies ist aber nach Auffassung der Kammer im Bereich von § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB der Fall:

Der innere Grund, der den Unterschied zwischen der Kündigungsbefugnis im Fall der Nr. 3 b) gegenüber der Kündigungsbefugnis im Fall der Nr. 3 a) ausmacht, besteht in der Art, wie der Rückstand aufgelaufen ist. Ein allmählich über einen beliebig langen Zeitraum aus entsprechend kleinen Restbeträgen aufgelaufener Rückstand berechtigt den Vermieter nach Nr. 3 b) erst bei Erreichen eines 2-fachen Betrages der Miete zur Kündigung. Der Grund, warum der Vermieter im Falle der Nr. 3 a) schneller mit einer Kündigung reagieren darf, liegt darin, dass auch die Entstehung seiner Rechtsnachteile sich schneller vollzogen hat, dass sie sich also zu seinem Nachteil als wesentlich dynamischer und mutmaßlich folgenschwerer darstellen. Seine Situation erscheint wegen des rasanten Anwachsens der Rückstände in kürzester Zeit wirtschaftlich ungleich gefährlicher. Indem der Vermieter lediglich „2 Termine“ der Fälligkeit abwarten muss, kann er regelmäßig schon nach Ablauf von ca. 35 Tagen seit dem erstmaligen Ausbleiben einer Zahlung eine Kündigung veranlassen, weil in diesem denkbar kurzen Zeitraum das mehrfache Ausbleiben eines wesentlichen Teils der Miete die berechtigte Befürchtung begründet, dass eine Fortsetzung der Vertragsverletzungen seitens des Mieters in allerkürzester Zeit zu extremen Rückständen führen wird. Diese über 2 direkt aufeinander folgende Termine hinweg beobachtete Gefahr macht es erklärlich, dem Vermieter ein weiteres Zuwarten bis zum Erreichen eines Rückstandes von 2 vollen Mieten (nach Nr. 3 b) nicht zuzumuten.

Zugleich ergibt sich, dass aus demselben Grund lediglich geringfügige Rückstände aus einem Monat verbunden mit dem erstmaligen Ausbleiben eines nicht unerheblichen Betrages im Folgemonat eine Kündigung nicht rechtfertigen. Für die oben dargestellte Befürchtung fehlt in einer solchen Konstellation die tatsächliche Grundlage. Die beispielhaft erörterte Kündigung wegen des Betrages von 1000,01 € hat tatsächlich allein den Hintergrund, dass ein extrem geringfügiger Betrag und sodann im März erstmals ein ernstzunehmender Rückstand eingetreten ist. Wenige Tage später bereits ohne Abmahnung eine fristlose Kündigung zuzulassen, überzieht die angemessenen Konsequenzen und setzt sich in Widerspruch zu den sonst anerkannten Voraussetzungen dieser ultima ratio im Dauerschuldverhältnis. Wenn der Mieter nicht über 2 Termine infolge hinweg seine Zahlung in wesentlichen Teilen eingestellt hat, erscheint die Mutmaßung voreilig, dass dieses Verhalten andauern und in kürzester Zeit zu so schwerwiegenden Folgen führen wird, dass eine sofortige Kündigungsmöglichkeit des Vermieters anzuerkennen wäre.

c) Die Beklagte war für den Monat Januar 2018 mit einem Teilbetrag in Höhe von 135,41 € in Verzug. Hierbei handelt es sich um einen Rückstand von ca. 19 % der Gesamtmiete. Dieser Betrag ist nach Einschätzung der Kammer kein „nicht unerheblicher Teil der Miete“ für Januar 2018 im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB. Angesichts der Regelung in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB steht fest, dass ein Mietzinsanteil etwa in Höhe einer hälftigen Monatsmiete als nicht unerheblicher Rückstand angesehen werden muss, denn 2 solche Rückstände (in zwei aufeinander folgenden Monaten) erreichen offenkundig das Volumen, bei dem die vorgezogene Kündigungsbefugnis nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB auch im Wohnraummietverhältnis anerkannt werden soll.

Von einem hälftigen Mietzinsanteil ist der Rückstand für den Monat Januar 2018 weit entfernt. Er erreicht nicht einmal die Summe der im Mietzins enthaltenen Nebenkostenvorauszahlungen (die zusammen 175 € monatlich betrugen). Für den Monat Januar 2018 ließe sich also feststellen, dass die Beklagte einen Betrag gezahlt hatte, der die vollständige Nettokaltmiete und Teile der Nebenkostenvorauszahlungen ausgeglichen hat. Insbesondere gemessen an dem oben bereits erörterten Grundtatbestand der Kündigungsvoraussetzung genügt dieser Rückstand nicht, um am 9.2.2018 eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

d) Die Kündigung vom 9.2.2018 ist auch als vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht wirksam. Selbst wenn man anerkennen wollte, dass eine ordentliche Kündigung in der hier zu beurteilenden Konstellation auch unterhalb der in § 543 Absatz 2 Nr. 3 BGB festgelegten Grenzen möglich sein kann (dagegen z.B. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 14. Auflage, 2019, § 573, Rn. 27), ist für die dann gebotene Bewertung der Pflichtverletzung auf die konkrete Dauer und die Höhe des Zahlungsverzugs abzustellen. Eine erhebliche Pflichtverletzung zur Zeit der Kündigung ist dann nicht gegeben, wenn der Rückstand eine Monatsmiete nicht übersteigt und gleichzeitig die Verzugsdauer weniger als einen Monat beträgt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 -, NJW 2013, 159).

Vorliegend befand sich die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung vom 9. Februar 2018 lediglich für vier Tage mit einem eine Monatsmiete übersteigenden Betrag in Verzug, so dass die Grenze zur „nicht unerheblichen“ Pflichtverletzung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht überschritten war.

2.

Auch die Kündigung der Klägerin vom 6. April 2017 rechtfertigt eine Verurteilung der Beklagten nicht.

Die Klägerin hat in der Klageschrift vom 9. Mai 2018 diese Kündigung zwar erwähnt, allerdings ausschließlich mit Blick auf deren Inhalt als fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Dieser Vortrag erfolgte allein zur Verdeutlichung des Umstandes, dass vor der Kündigung vom 9.2.2018 bereits ein Fall einer Schonfristzahlung mit den Folgen von § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB eingetreten gewesen sei. Dementsprechend enthält die Klageschrift die Aussage, wonach „…diese fristlose Kündigung im Nachgang unwirksam…“ geworden sei. Rechte aus dieser Kündigung sind schon nach dem Inhalt der Klageschrift nicht Gegenstand des Verfahrens; insbesondere die Klageansprüche wurden von Anfang an ausschließlich aus der Kündigung vom 9.2.2018 hergeleitet.

Soweit die Klägerin nach dem Schluss der Berufungsverhandlung mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2019 nunmehr auch eine unter dem 6.4.2017 erklärte fristgemäße Kündigung anführt, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das gemäß §§ 529, 531 ZPO im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Der entsprechende Schriftsatz ging nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2019 bei Gericht ein. Der in der mündlichen Verhandlung gewährte Schriftsatznachlass bezog sich lediglich auf den Gegenstand der Berufungsverhandlung und auf die dort erteilten Hinweise. Eine ordentliche Kündigung vom 6. April 2017 war bis zum Ende des Berufungstermins weder als rechtliche Grundlage für die Klageansprüche geltend gemacht worden, noch war sie Gegenstand der Erörterung vor der Kammer.

Es kommt daher auch nicht auf den Umstand an, dass sich dem Sachvortrag nicht entnehmen lässt, welche Höhe und Zusammensetzung der im April 2017 maßgebliche Mietzins hatte. Die Kammer hat (auch für die Kündigung vom 9.2.2018) mit gerichtlicher Verfügung vom 14. Dezember 2018 darauf hingewiesen, dass der erstinstanzliche klägerische Vortrag zur Zusammensetzung und Höhe des Mietzinses widersprüchlich und klarstellungsbedürftig war. Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2019 den Vortrag zur Höhe der geschuldeten Miete ergänzt diese Angaben bezogen sich allerdings lediglich auf den Zeitraum Dezember 2017 bis August 2018, nicht hingegen auf die Miethöhe im Zeitpunkt einer Kündigung vom 6. April 2017.

3.

Auch die Kündigung vom 1. August 2019 rechtfertigt im vorliegenden Verfahren keine Verurteilung der Beklagten, weil sie im hier geführten Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen ist.

Die Kündigung ist bereits nicht als neuer Streitgegenstand im Wege eines Anschlussrechtsmittels in das Berufungsverfahren eingeführt worden, was aber Voraussetzung für ihre Berücksichtigung wäre (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14 -, NJW 2015, 1296). Die Kammer hat diesen Punkt im Einzelnen mit dem Klägervertreter in der Berufungsverhandlung erörtert. Weitere Ausführungen sind an dieser Stelle entbehrlich, nachdem der Klägervertreter im insoweit nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Dezember 2019 ausdrücklich erklärt hat, sich der Rechtsauffassung der Kammer insoweit anzuschließen.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

5.

Die Kammer hat die Revision zugelassen. Die nach der hier vertretenen Ansicht maßgeblichen Voraussetzungen eines nicht unerheblichen Zahlungsrückstandes im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) BGB sind in der Rechtsprechung (und insbesondere für Wohnraummietverhältnisse) bisher nicht vertieft behandelt worden. Eine überzeugende Entscheidung des Revisionsgerichts könnte zur Entstehung einer einheitlichen Rechtsprechung führen und würde zudem eine besonders praxisrelevante Frage von grundsätzlicher Bedeutung betreffen.

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