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WEG: Änderung der Kostenverteilung durch Beschluss mit einfacher Mehrheit

LG Berlin, Az.: 85 S 47/10 WEG, Urteil vom 02.07.2010

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 2.12.2009 – 77 C 162/09 WEG – wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist (Änderung des Wirtschaftsplans 2009).

2. Die Kosten des Rechtsstreits in der ersten und zweiten Instanz hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

(Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß den §§ 313a, 540 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe

WEG: Änderung der Kostenverteilung durch Beschluss mit einfacher Mehrheit
Foto: eamesBot/Bigstock

Die am 6.1.2010 eingegangene Berufung gegen das dem Beklagten am 7.12.2009 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 2.12.2009 –77 C 162/09 WEG- ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch sonst zulässig. Insbesondere ist das Rechtsmittel binnen der Frist des § 517 ZPO eingelegt und mit weiterem, am 4.3.2010 eingegangenen Schriftsatz auch binnen der vom Vorsitzenden verlängerten Frist zur Berufungsbegründung gemäß § 520 ZPO begründet worden.

Soweit die Parteien im Berufungshaupttermin vom 23.6.2010 den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, weil der Wirtschaftsplan 2009 infolge Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2009 überholt ist, bedurfte es einer streitigen Entscheidung nicht mehr.

Im übrigen hatte das Rechtsmittel auch Erfolg, weil entgegen der Auffassung des Amtsgerichts der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 28.3.2008 zu Tagesordnungspunkt 11 betreffend die Beteiligung auch der im Hochparterre gelegenen Wohnungen an den Fahrstuhlkosten nach Auffassung des Berufungsgerichts den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinn von § 21 WEG entspricht.

Soweit zwischen den Parteien in der ersten Instanz streitig war, ob die Klage binnen der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 WEG gegen den richtigen Beklagten, nämlich gegen die übrigen mit Eigentümer der Wohnanlage gerichtet worden war, ist dieser Streit im Lichte der jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu § 46 Abs. 1 S. 1 WEG, denen die Kammer aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit folgt, dahin zu entscheiden, dass sich bei Klageschriften wie der vorliegenden jedenfalls aus den Umständen hinreichend deutlich ergibt, dass die Klage eigentlich – wie es der Regelung in § 46 Abs. 1 WEG entspricht- gegen die übrigen mit Eigentümer gerichtet werden sollte.

Gleichwohl hat die Berufung der Beklagten Erfolg, weil der vom Kläger beanstandete Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht:

Mit dem vom Kläger beanstandeten Beschluss entschieden die Wohnungseigentümer mit 10 Ja-Stimmen zu drei Nein-Stimmen bei vier Enthaltungen, dass in Abkehr von der bisherigen Praxis künftig auch die Miteigentümer im Hochparterre an den Fahrstuhlkosten beteiligt werden sollen.

Diese Beschlussfassung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Kompetenz der Gemeinschaft, durch Mehrheitsbeschluss über die Verteilung der Fahrstuhlkosten abweichend zu entscheiden, folgt dabei grundsätzlich aus § 16 Abs. 3 WEG.

Zwar mögen die Eigentümer in der Versammlung vom 17.6.2006 in Abkehr von der Regelung zu § 7 der Teilungserklärung, wonach die Aufzugskosten ursprünglich von allen Eigentümern zu tragen waren, beschlossen haben, dass die Eigentümer im Hochparterre von diesen Kosten freigestellt werden sollen.

Dies allein steht jedoch der hier vom Kläger beanstandeten Beschlussfassung vom 28.3.2009, mit der im Ergebnis wieder die Regelung, die sich aus der Teilungserklärung ergeben würde, wieder hergestellt worden ist, nicht entgegen. Allerdings handelt es sich bei diesem Beschluss um einen sogenannten ändernden Zweitbeschluss, wovon auch das Amtsgericht bei seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen ist.

Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Änderung einer bereits im Beschlusswege geregelten Angelegenheit durch einen sogenannten ändernden Zweitbeschluss grundsätzlich jederzeit möglich, allerdings soll dabei jeder einzelne Wohnungseigentümer verlangen können, dass der Zweitbeschluss schutzwürdige Belange, wie sich aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses ergeben, berücksichtigt (vgl. etwa BGHZ 113, 197, 200). Wann diese Grenze überschritten ist mit der Folge, dass ein Ändern der Zweitbeschluss wegen eines Eingriffs in die aus dem Erstbeschluss erwachsenen Rechte nicht mehr den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, soll dabei jeweils nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Schutzwürdige Belange sind jedenfalls dann beeinträchtigt, wenn der Erstbeschluss bereits ein subjektives Recht eines Wohnungseigentümers begründet hat, das durch den Zweitbeschluss wieder entzogen werden soll (vgl. BayObLG WE 1989, 56, 57). Allgemein wird weiter angenommen, dass eine Verletzung schutzwürdiger Belange eines Wohnungseigentümers insbesondere dann in Betracht kommt, wenn ein Wohnungseigentümer durch den abändernden Zweitbeschluss einen rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung des Erstbeschlusses erleidet (OLG Düsseldorf ZWE 2000, 368 ff.).

Das bedeutet jedoch nicht, dass durch den abändernden Beschluss etwaige tatsächliche Vorteile erhalten bleiben müssen, die ein Wohnungseigentümer nach dem Erstbeschluss gehabt hätte. Denn ein Beschluss der Wohnungseigentümer wird in der Regel unter der selbstverständlichen Voraussetzung der jederzeitigen Abänderbarkeit gefasst, so dass der einzelne Wohnungseigentümer in aller Regel nicht darauf vertrauen kann, dass die einmal getroffene Regelung bis in alle Zukunft gelten wird (BayObLG WuM 1996, 372).

Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung des Berufungsgerichts entgegen der in dem angefochtenen Urteil und auch im Kommentar von Bärmann (/ Becker, WEG, 10. Aufl., § 16, Rdn. 103) vertretenen Auffassung nicht angenommen werden, dass die Änderung der Kostenverteilung in Bezug auf die Aufzugskosten voraussetzt, dass eine Änderung der tatsächlichen (baulichen) Verhältnisse als sachlicher Grund für den ändernden Zweitbeschluss erforderlich ist. Ein hinreichender sachlicher Grund im Sinne der aufgeführten Rechtsprechung kann es vielmehr auch sein, dass sich, wie im vorliegenden Fall, im Lauf der Zeit die Mehrheitsverhältnisse geändert haben und die aktuelle Mehrheit der Eigentümer eine andere Auffassung zu der Frage der Kostengerechtigkeit vertritt als die früher herrschende. Nach Auffassung des Berufungsgerichts werden schutzwürdige Belange des Klägers und der übrigen Betroffenen durch die Regelung in dem Beschluss vom 28.3.2009 auch nicht in nennenswerter Weise beeinträchtigt: zum einen mussten nämlich alle Eigentümer schon aufgrund der Regelung zu § 7 der Teilungserklärung jederzeit damit rechnen, dass die Verteilung der Betriebskosten durch eine Mehrheitsentscheidung für die Zukunft geändert werden kann. Zum anderen ist die sich aus der Änderung durch den Zweitbeschluss ergebende Mehrbelastung für die Hochparterre -Eigentümer relativ geringfügig und bedeutet kein herausragendes Vermögensopfer. Hinzu kommt, dass der Kläger nach dem Inhalt der Teilungserklärung zu der Zeit, als er sein Eigentum erwarb, ohnehin davon ausgehen musste, dass er zur Deckung der Betriebskosten des Aufzugs herangezogen wird. Auch dieser Gesichtspunkt spricht hier klar gegen die Schutzwürdigkeit der betreffenden Hochparterre-Eigentümer. Aus alledem ergibt sich, dass durch dem Beschluss aus dem Jahr 2006 gar kein echter und bestandskräftiger Vertrauensschutz in Bezug auf eine Freistellung von den Betriebskosten des Aufzugs für alle Zeiten begründet werden konnte.

Damit liegt es jedoch grundsätzlich im Ermessen der Gemeinschaft, durch Mehrheitsbeschluss wieder die ursprüngliche Regelung herzustellen, zumal nach der neueren Rechtsprechung zum Mietrecht eine Umlage der Aufzugskosten auf etwaige Mieter der Hochparterre Wohnungen ebenfalls möglich ist. Auf das Vertrauen, dass der Kläger in die Erklärung seiner Verkäuferin gesetzt hat, die beim Erwerb des Eigentums erklärte, sie werde für eine Freistellung von den Betriebskosten des Aufzugs sorgen, kann sich der Kläger im Verhältnis zu den übrigen Miteigentümern nicht berufen, weil diese auf den Inhalt des Kaufvertrages keinerlei Einfluss hatten. Abgesehen davon ist eine entsprechende Regelung im Verhältnis der Kaufvertragsparteien ohnehin nicht getroffen worden.

Nach alledem vermag das Berufungsgericht nicht festzustellen, dass der angefochtene Beschluss die Grenzen ordnungsmäßiger Verwaltung überschreitet. Die Berufung war deswegen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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