AG Potsdam, Az.: 31 C 34/17
Beschluss vom 01.03.2018
1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 3.7.2017 zu Tagesordnungspunkt 12.) nichtig ist.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand

Die Parteien sind die Wohnungseigentümer der … . Die Immobilie der Wohnungseigentümergemeinschaft liegt an der Havel. Von dem Balkon der Kläger aus ist seitlich ein Blick auf die Havel möglich.
In der Teilungserklärung vom 9.5.2012 heißt es in § 6 Abs.3, hinsichtlich des Gebrauchs des Sondereigentums insbesondere:
„c.) Das Anbringen von weiteren festmontierten Balkonverkleidungen (aus festem Material) ist nicht gestattet.
d.) Ein Sonnenschutz einschließlich Markisen und/oder ein Wind- oder Sichtschutz ist während des Gebrauchs des Balkons – vorbehaltlich der gesetzlichen Bestimmungen und der Auflagen in der Baugenehmigung – grundsätzlich zugelassen, wenn die vorgenannten Gegenstände nach dem Gebrauch in einem solchen Zustand versetzt (abgenommen, eingeräumt oder in ähnlicher Weise beseitigt) werden, dass die sichtbare äußere Gestalt des Baukörpers nicht verändert oder beeinträchtigt wird. Die Form- und Formgebung ist mit dem Verwalter abzustimmen, soweit nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Regelung beschlossen hat.“
In der Eigentümerversammlung vom 3. Juli 2017 wurde bei einem Abstimmungsergebnis von 5466 Ja-Stimmen, 3006 60 Nein-Stimmen und 230 Enthaltungen folgender Beschluss als angenommen verkündet:
Die Eigentümergemeinschaft beschließt als Klarstellung der §§ 6 Abs. 3 c.) und d.) der Gemeinschaftsordnung, dass ein Strandkorb nicht zu den Gegenständen gehört, welche die äußere Gestalt des Baukörpers verändert oder zu Beeinträchtigungen führt und somit auf dem Balkon verbleiben darf.
Die Kläger beantragen festzustellen, dass der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 3. Juli 2017 zu Tagesordnungspunkt 12.) nichtig ist.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, der Beschluss wäre nur dann nichtig, wenn er inhaltlich nicht ausreichend bestimmt oder außerhalb einer Beschlusskompetenz ergangen sein sollte. Die Beschlusskompetenz sei jedoch nach § 15 Abs. 2 WEG gegeben, da hiernach mit Mehrheit der Wohnungseigentümer ein ordnungsgemäßer Gebrauch des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums beschlossen werden könne.
Auch handele es sich beim Strandkorb ersichtlich nicht um eine fest montierte Balkonverkleidung ebensowenig um einen Sonnenschutz bzw. Wind oder Sichtschutz im Sinne dieser Regelung. Ein Strandkorb sei allein ein Sitzmöbel.
In der Sitzung vom 1.2.2018 sind Fotos von der Anlage in Augenschein genommen worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, denn der gefasste Beschluss ist nichtig.
Es fehlt den Wohnungseigentümern an der erforderlichen Beschlusskompetenz. Mit dem Beschluss ist offensichtlich beabsichtigt, rechtliche Klarheit hinsichtlich der Frage, wie die Gemeinschaftsordnung auszulegen ist, zu schaffen. Dies ist durch Mehrheitsbeschluss unzulässig. Die Frage, wie Teilungserklärungen auszulegen sind, ist nicht durch Mehrheitsbeschluss möglich (s. In anderem Zusammenhang Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Auflage, § 16 Rn. 7; ebenso Landgericht München I, 1 S 8790/11, recherchiert bei juris am 20.2.2018). Eine Auslegung ist verbindlich allein nur durch das Gericht oder durch eine einheitliche Entscheidung aller Wohnungseigentümer möglich.
Dabei folgt das Gericht auch nicht der Auffassung der Beklagten, dass es sich bei einem Strandkorb lediglich um ein (balkontypisches) Sitzmöbel handele. Vielmehr dienen „Strandkörbe“ typischerweise der Nutzung am Strand, nicht auf einem Balkon. Ihr besonderer Zweck ist es, Sonne und Wind abzuhalten, um insoweit besonderen Schutz zu geben. Damit sind sie auch keine normalen Sitzgelegenheiten. Sie sind v.a. allem höher, was die Sicht für Nutzer anderer Balkone, wie hier, ganz erheblich beeinträchtigen kann. Insbesondere war auch aus den in der Sitzung in Augenschein genommenen Fotos erkennbar, dass für die Kläger offenkundig eine Beeinträchtigung ihres Blicks auf die Havel durch den aufgestellten Strandkorb gegeben ist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1,708 Nr. 11, 711 ZPO.