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WEG – Anfechtbarkeit der Entlastung des Verwalters

AG Saarbrücken – Az.: 36 C 29/18 (12) – Urteil vom 21.09.2018

1. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.12.2017 wird zu Tagesordnungspunkt 6 -Entlastung des Verwalters und zu Tagesordnungspunkt – Entlastung des Verwaltungsbeirats- für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 93 % und die Beklagten 7 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar: Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 2.030,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ficht die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung vom 13.12.2017 zu den Tagesordnungspunkten 4 (Genehmigung der Gesamt und Einzelabrechnungen 2016 einschließlich der enthaltenen Verteilerschlüssel) 6 (Entlastung des Verwalters) und 7 (Entlastung des Verwaltungsbeirats) an.

Der Kläger ist Mitglied der Eigentümergemeinschaft WEG …. Am 13.12.2017 wurde eine Eigentümerversammlung abgehalten, auf der unter anderem die angefochtenen Beschlüsse mehrheitlich gefasst wurden.

Der Kläger ist der Auffassung, verschiedene Positionen in der Jahresabrechnung 2016 entsprechen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Jahresabrechnung 2016 enthalte nicht ordnungsgemäße Positionen. In der Position „Anlage/Straßenreinigung“ in Höhe von 36.350,95 € seien wegen fehlender Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung zu Unrecht Kostenerhöhungen bei den Hausmeisterkosten eingestellt worden. Eingestellte Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3612,44 € seien für eine Anwaltstätigkeit im Rahmen der nicht von der Eigentümerversammlung beschlossenen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Hausmeister entstanden.

Die Beschlussfassung über die Abrechnung 2016 sei auch deshalb unwirksam, weil die Verwalterin der Zeugin …, die vom Kläger bevollmächtigt worden sei, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen zu nehmen, das Einsichtsrecht beschnitten habe.

Deshalb entspreche auch die Entlastung des Verwalters und des Verwaltungsbeirates gemäß der Beschlussfassung zu zu Tagesordnungspunkten 6 und 7 nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die in der Eigentümerversammlung am 13.12.2017 gefassten Beschlüsse zu TOP 4 – Genehmigung der Gesamt und der Einzelabrechnungen 2016 sowie die in dieser Abrechnung enthaltenen Verteilerschlüssel-, TOP 6 -Entlastung des Verwalters- und TOP 7 – Entlastung des Verwaltungsbeirates- unwirksam sind.

Die Beklagten erkennen den Antrag hinsichtlich der Beschlussfassung zu TOP 6 Entlastung des Verwalters an und beantragen im Übrigen, die Klage abzuweisen.

Sie rügen die ordnungsgemäße Prozessvollmacht durch den Kläger.

Sie behaupten, die Zeugin … habe Informationen, die sie im Rahmen erfolgter Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen erhalten habe, zu Unrecht im Haus verteilt und anderen Personen zugänglich gemacht.

Wegen der Einzelheiten Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Beschluss der Eigentümerversammlung über die Annahme der Jahresabrechnung 2016 entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung und ist deshalb nicht für ungültig zu erklären, §§ 23, 28 WEG.

1. Die Beschlussanfechtung und die Begründung erfolgten form- und fristgerecht gemäß § 46 WEG.

2. Die Jahresabrechnung stellt eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher tatsächlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr dar. Dazu gehören auch die Einzelabrechnungen. Die vollständige Jahresabrechnung enthält darüber hinaus Angaben zum Stand und der Entwicklung der gemeinschaftlichen Konten, insbesondere der Instandhaltungsrückstellung und der laufenden Verwaltungskonten (allgem.: BGH, NJW 2014, 145).

Diesen Anforderungen entspricht die vorgelegte Abrechnung 2016.

Die hiergegen vorgebrachten Angriffe des Klägers weisen keine Anhaltspunkte dafür aus, dass in der Jahresabrechnung Einnahmen oder Ausgaben, die nicht tatsächlich im Abrechnungsjahr 2016 geflossen sind, enthalten wären. Enthielte also die Jahresabrechnung tatsächlich unberechtigte -was hier ausdrücklich offen bleibt-, aber tatsächlich erfolgte Ausgaben, so führt die Anfechtung des Genehmigungsbeschlusses nicht zur Ungültigerklärung des Beschlusses, denn die Jahresabrechnung ist inhaltlich zutreffend. Vielmehr betrifft dieser Aspekt die Entlastung des Verwalters, der durch die unberechtigte Auszahlung seine Pflichten verletzt hätte und deshalb einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt sein könnte (allgem.: Jennißen in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 5. Aufl. 2017, § 28 WEG, RN 153).

Auch die Behauptung des Klägers, seine Bevollmächtigte, die Zeugin … habe das Einsichtsrecht für ihn nicht ungehindert ausüben können, führt nicht zur Aufhebung der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung. Zum Beleg seiner Annahme, die Jahresabrechnung sei nicht ordnungsgemäß, hätte es dem Kläger freigestanden, andere tatsächliche oder prozessuale Wege zu wählen, das Einsichtsrecht gegenüber der Verwaltung durchzusetzen und sich geeignete Informationen zu beschaffen. Jedem Miteigentümer steht gegenüber der Verwaltung aufgrund des bestehenden Verwaltervertrages ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen zu. Die mögliche Verletzung eines solchen Anspruchs auf Einsichtnahme kann jeder Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter verfolgen. Eine mögliche – hier ausdrücklich offen gelassene- Verletzung des Einsichtsrechts auch gegenüber hierzu bevollmächtigten Dritten könnte eine Pflichtverletzung des Verwalters darstellen, jedoch nicht die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung angreifbar machen (allgemein zur Frage des Einsichtsrechts: LG Hamburg, ZWE 2012, 283). Vielmehr entscheiden die Wohnungseigentümer gemäß den §§ 21, 28 WEG im Rahmen der ihnen zustehenden Kompetenz über die Annahme der Jahresabrechnung, unabhängig von Fragen einer möglichen Pflichtverletzung des Verwalters aus dem bestehenden Verwaltervertrag. Diese verschiedenen Rechtskreise von Eigentümerversammlung und Verwalter sind zu trennen.

3. Die Beschlussfassung über die Entlastung des Verwalters unter TOP 6 in der Eigentümerversammlung vom 13.12.2017 war nach erklärtem Anerkenntnis für ungültig zu erklären, §§ 21, 28 WEG.

4. Die Beschlussfassung über die Entlastung des Verwaltungsbeirates unter TOP 7 in der Eigentümerversammlung vom 13.12.2017 war für ungültig zu erklären, denn sie entsprach nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, §§ 21, 29, 28 WEG.

Der Beschluss über die Entlastung stellt ein negatives Schuldanerkenntnis dar, es sollen keine weiteren Ansprüche mehr gegen den entlasteten Verwaltungsbeirat in Betracht kommen, § 397 BGB. Ein Verstoß gegen den Pflichtenkatalog des § 29 WEG ist jedoch möglich, sodass der Entlastungsbeschluss aufzuheben war.

Die Aufgabe des Verwaltungsbeirates besteht unter anderem in der Überprüfung auch der sachlichen Richtigkeit der einzelnen Abrechnungsposten in der Jahresabrechnung gemäß § 29 Abs. 3 WEG (allgemein hier zu: Merle/Becker in: Bärmann, WEG, 13. Aufl. § 28 RN 66). Nach dem hier vorliegenden Verwaltervertrag bestand das Erfordernis einer vorherigen Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung über Regelungen im Rahmen bestehender Verträge mit dem Hausmeister. Unstreitig erfolgten solche vorherigen Befassung der Eigentümerversammlung hiermit nicht, in der Konsequenz erkannte die Verwalterin die Anfechtbarkeit ihres Entlastungsbeschlusses an. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsbeirat diese Überprüfung vorgenommen hätte, so das auch der Entlastungsbeschluss aufzuheben war.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 a GKG.

Der Beschluss über die Anfechtung der Jahresabrechnung 2016 ist im Ausgangspunkt mit dem hälftigen Nennbetrag der Jahresabrechnung in Höhe von 207.000 € anzusetzen (vgl.: BGH, MDR 2017, 877). Beschränkt wird der Streitwert jedoch gemäß § 49 a Abs. 1 Satz 3 GKG, wonach der Streitwert das Interesse des Klägers nicht unterschreiten und den fünffachen Wert nicht überschreiten darf. Der Streit ist deshalb auf 1880 € festzusetzen (5 x 376 €).

Die Anfechtung der Entlastung des Verwalters wird auf 100 € geschätzt. Dieser Betrag berücksichtigt den Anteil des Klägers an den Kosten des Hausmeisters in Höhe von 36 € und den Anteil an den der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5,71 €. Im Hinblick darauf, dass diese Positionen auch nach eigenen Angaben des Klägers nicht in voller Höhe beanstandet wurden, ist von einem maximal hälftigen Betrag auszugehen. Im Hinblick auf das maximal fünffache Interesse des Klägers ermittelt sich somit ein Streitwert in Höhe von 100 € ((36 € + 5,71 €) x 50 % x 5).

Der Streitwert betreffend die Entlastung des Verwaltungsbeirates wird in Anlehnung an die Beschlussfassung über die Entlastung des Verwalters auf 50 € geschätzt.

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