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WEG – Anfechtung eines Beschlusses über die Entlastung des Verwalters

AG Bensheim, Az.: 6 C 582/13 (15), Urteil vom 28.02.2014

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013 unter TOP 5 (Entlastung des Verwalters) wird für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind die Wohnungseigentümer der Liegenschaft … Straße … in H.

Zwischen den Parteien sind vor dem Amtsgericht Bensheim unter den Az: 6 C 176/12 und 6 C 509/12 Verfahren anhängig. Gegenstand beider Verfahren ist die Problematik einer im Objekt durch die Firma … durchgeführte Rohrinnensanierung mit Epoxidharz und die Frage der Notwendigkeit der Vorlage von Zertifizierungen vor Beauftragung.

Im Verfahren 6 C 176/12 wurde mit Beschluss vom 27.09.2012 folgender Hinweis erteilt:

„Das Verhalten der Verwalterin, vertreten durch Herrn …, erscheint doch deutlich problematischer als zunächst angenommen. So ist bereits die am 15.10.2010 vorgenommene Beauftragung der in nicht Deutschland lizenzierten Firma … bedenklich, da nicht mit der Eigentümerversammlung abgesprochen. Gravierender noch dürfte allerdings sein, dass Herr … in der Eigentümerversammlung zusicherte, dass die Sanierungsarbeiten nicht beginnen würden, bevor nicht eine entsprechende (deutsche) Zertifizierung vorliege. Hinzu kommt, dass die versammelten Eigentümer einvernehmlich forderten, dass Voraussetzung für einen Beginn der Arbeiten eine Akzeptanz durch die Stadtwerke … sein müsse, was unstreitig nicht der Fall ist.

Außerdem wäre es auch Aufgabe der Verwaltung gewesen, die von Herrn … im Rahmen der Eigentümerversammlung getätigte Aussage, dass das von ihm angewandte Verfahren den Bestimmungen des DVGW genüge, zumindest in Frage zu stellen. Letztlich und besonders gravierend erscheint das Schreiben der Verwaltung vom 7.3.2011, in welchem der Eigentümergemeinschaft wahrheitswidrig mitgeteilt wird, dass die erforderlichen Prüfbescheinigungen bzw. Zertifizierungen vorliegen würden.

Im Hinblick auf die im Rahmen der Eigentümerversammlung durch Herrn … gemachten wahrheitswidrigen Angaben erscheinen Schadensersatzansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen.

Auch befremdet das Verhalten der Verwalterin insoweit, als nunmehr – offensichtlich ohne Abstimmung mit der Eigentümergemeinschaft – Untersuchungen in Auftrag gegeben wurden, die Kosten in fünfstelliger Höhe verursachten.“

Nach Dezernentenwechsel hielt das Gericht im Parallelverfahren an dieser Rechtsauffassung ausweislich des dortigen Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2013 ausdrücklich fest.

In der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013 wurde unter TOP 5 folgender Beschluss mehrheitlich gefasst:

„Entlastung der Verwaltung

Beschluss:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt der Verwaltung Entlastung für das Wirtschaftsjahr 2011/12.“

Unter TOP 3 wurde in der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013 die Jahresabrechnung einschließlich der Einzelabrechnungen beschlossen. In die Einzelabrechnung, die die Einheit der Klägerin betrifft, wurde ein Mahnkostenanteil von 12,17 € eingestellt. Diese Kosten resultieren aus der auf der Eigentümerversammlung vom 21.05.2012 beschlossenen Jahresabrechnung. Diese Abrechnung hat die Klägerin im Verfahren vor dem Amtsgericht Bensheim, Az: 6 C 509/12 angefochten, soweit die Position „OP aus direkter Zuordnung entsprechend Übersicht: 1.011,50 €“ betroffen war. Mit dieser Position hatte sich ein Abrechnungssaldo von 870,02 € zu Lasten der Klägerin ergeben, den diese nicht gezahlt hat. Mit Schreiben vom 16.08.2012 mahnte die Beklagte den rückständigen Betrag an und berechnete hierfür eine Mahngebühr von 12,17 €. Die Höhe der Mahngebühr ergibt sich aus den Regelungen des Verwaltervertrages.

Mit Klageschrift vom 02.07.2013, eingegangen am gleichen Tag, hat die Klägerin die Anfechtung der Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013 unter TOP 5 und der Eigentümerversammlung vom 21.05.2012 unter TOP 3 erklärt. In der Klagebegründung wird als Anfechtungsgegenstand unter 3. (Bl. 6 d.A.) die Jahresabrechnung, beschlossen auf der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013, genannt.

Die Klägerin meint, die Beschlussfassung zu TOP 5 widerspräche ordnungsgemäßer Verwaltung, da entweder die Entlastung der Verwaltung generell oder jedenfalls bei der Möglichkeit etwaiger Schadenersatzansprüche zu unterbleiben habe. Vorliegend seien Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Verwaltung nicht nur denkbar, sondern sehr wahrscheinlich. Die Beschlussfassung zu TOP 3 sei dahingehend ungültig, als die Einstellung der Mahngebühr unberechtigt erfolge, da mangels bestehender Forderung kein Verzug eingetreten sei.

Die Klägerin beantragte – nach Änderung des Antrages im Hinblick auf das Datum der Eigentümerversammlung betreffend den TOP 3 – zuletzt,

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013 zu TOP 5 (Entlastung des Verwalters) für ungültig zu erklären und

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013 unter TOP 3 für ungültig zu erklären, soweit die Einzelabrechnung der Klägerin betroffen ist und dort nur hinsichtlich der Position Sonderkosten der Wohnung über 12,17 €.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die stets umfassend informierten Miteigentümer hätten das Verwaltungshandeln überprüft, festgestellt, dass es der Beschlusslage entspräche und auf dieser Grundlage die Entlastung erteilt.

Die Beklagte meint, der Abrechnungssaldo aus der Jahresabrechnung 2011 sei unabhängig von deren Anfechtung fällig geworden. Die Mahnkosten basierten auf dem Verzug der Klägerin.

Die Akten der Verfahren des Amtsgerichts Bensheim, Az: 6 C 176/12 und 6 C 509/12 waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Bensheim gemäß § 43 Nr.4 WEG gegeben. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ergibt sich aus § 23 Ziffer 2c) GVG.

Die Klage ist im Hinblick auf die Anfechtung des Beschlusses vom 04.06.2013 unter TOP 5 begründet, betreffend den TOP 3 ist sie unbegründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013, TOP 5 (Entlastung der Verwaltung) zu.

Die Klage ist innerhalb der einmonatigen Frist des § 46 Abs.1 S.2 1.Hs. WEG erhoben und innerhalb der zweimonatigen Frist des § 46 Abs.1 S.2 2.Hs. WEG begründet worden.

Die Beschlussfassung über die Entlastung der Verwaltung ist ungültig, da sie nicht den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht.

Zwar gibt es keinen Grund, den Wohnungseigentümern grundsätzlich ein wohlverstandenes Interesse an der Entlastung des Verwalters abzusprechen, da diese ein berechtigtes Interesse haben, durch die Vertrauenskundgabe die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu schaffen (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 28 Rdn. 248). Hingegen ist eine Vereinbarkeit des Entlastungsbeschlusses mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung nicht anzunehmen, wenn Ansprüche gegen die Verwaltung erkennbar in Betracht kommen. Ist das der Fall, so ist eine Entlastung nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn aus besonderen Gründen Anlass besteht, auf die hiernach möglichen Ansprüche zu verzichten (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2003 – V ZB 11/03 -, BGHZ 156, 19-30). Vorliegend kommen Ansprüche gegen die Verwalterin für den von der Entlastung betroffenen Zeitraum schon deshalb in Betracht, weil das Verhalten der Verwaltung seitens des Gerichtes im Verfahren 6 C 176/12 mit Hinweisbeschluss vom 27.09.2012, ausdrücklich bekräftigt im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2013, für befremdlich erachtet wurde. Zudem wurden in dem Hinweisbeschluss Schadenersatzansprüche gegen die seitens der Verwalterin beauftragte Firma … für möglich erklärt. Für die Unwirksamkeit des Entlastungsbeschlusses genügen diese Umstände. Insbesondere kommt es auf ein Verschulden oder das objektive Bestehen einer Pflichtverletzung nicht an. Diese Fragen wären im Rahmen einer etwaigen Inanspruchnahme der Verwaltung zu prüfen. Dem darf der Entlastungsbeschluss, der als negatives Schuldanerkenntnis im Sinne des § 397 Abs. 2 BGB zu werten ist, nicht entgegenstehen.

Der Klägerin steht hingegen kein Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 04.06.2013, TOP 3 (Jahresabrechnung, Einzelabrechnung betreffend Mahnkosten) zu.

Die Einstellung von Mahnkosten in die Abrechnung war zulässig, da sich die Beklagte mit der Zahlung des Abrechnungssaldos in Verzug befindet. Die Nachzahlung war entsprechend der Beschlussfassung bis zum 01.07.2012 zu leisten. Die Klägerin leistete trotz Mahnung nicht. Die gegen die Abrechnung erhobene Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung. Der Beschluss über die Abrechnung – einschließlich der umstrittenen Position – bleibt solange gültig, solange er nicht durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung für ungültig erklärt wird (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O., § 46 Rn. 92). Der Höhe nach entsprach die Mahngebühr nach unbestrittener Angabe der Beklagtenseite den Vorgaben des seitens der Gemeinschaft gebilligten Verwaltervertrages.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO, danach hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterliegt. Die Zuvielforderung der Klägerin betreffend die Anfechtung der Einzelabrechnung im Hinblick auf die Mahngebühr mit einem diesbezüglichen Streitwert von 12,17 € war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.

 

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