LG Frankfurt – Az.: 2-13 S 6/16 – Urteil vom 15.03.2018
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 30.12.2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.549,16 €
Gründe
I.
Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben, so dass zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die amtsgerichtliche Entscheidung Bezug genommen werden kann. Gegen die Beurteilung des Amtsgerichts wendet sich die Berufung ohne Erfolg.
1. Zu Recht ist das Amtsgericht zunächst zu der Einschätzung gelangt, dass die Nichtanwendung von § 49 Abs. 2 WEG in dem Kostenbeschluss im Vorprozess auf das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Kläger gegen die Beklagte ohne Belang ist. Soweit die Berufung hierzu unter Hinweis auf eine Entscheidung des LG Berlin (NJW 2009, 2544) eine andere Ansicht vertritt, so ist dieser Ansicht bereits im Jahre 2010 der Bundesgerichtshof entgegengetreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führt die Möglichkeit, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Verwalter in die prozessuale Kostenentscheidung einzubeziehen, nicht dazu, dass dieser Anspruch dem Wohnungseigentümer endgültig aberkannt wird, wenn das Gericht von der Anwendung des § 49 Abs. 2 WEG absieht, weil es dessen Voraussetzungen nicht für gegeben erachtet. Denn die Entscheidung, dem Verwalter gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Kosten aufzuerlegen oder hiervon abzusehen, ist nicht der materiellen Rechtskraft fähig, da insoweit nicht über einen prozessualen Anspruch (§ 322 Abs. 1 ZPO) eine Entscheidung ergeht (BGH NZM 2010, 748). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Kostenentscheidung im Vorprozess um eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO handelte, bei der angesichts des beschränkten Prüfungsumfang des Gerichts die Anwendung des § 49 Abs. 2 WEG ohnehin problematisch ist (vgl. dazu Kammer ZMR 2014, 473; BGH WuM 2016, 704).
2. Ebenfalls zu Recht ist das Amtsgericht auch zu der Beurteilung gelangt, dass der Anspruch nicht verjährt ist. Für Erstattungsansprüche für durch das Führen eines Prozesses verursachten Schaden entspricht es gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die Verjährung mit Erlass der nachteiligen gerichtlichen Entscheidung eintritt (vgl. BGH NJW 2002, 1414; 2000, 1263; NJW-RR 1998, 742).
Entgegen der Ansicht der Berufung, ist der Schaden noch nicht zu dem Zeitpunkt entstanden, als die hiesigen Kläger im Vorprozess Beklagte der dortigen Anfechtungsklage geworden sind. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entsteht ein Schaden (§ 199 Abs. 1 BGB) zu dem Zeitpunkt, sobald sich die Vermögenslage des Geschädigten durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechtert. Dies ist noch nicht der Fall, solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils besteht, also bei der gebotenen wertenden Betrachtung allenfalls eine Vermögensgefährdung vorliegt. Demzufolge genügt für das Entstehen eines Schadens noch nicht die Rechtshängigkeit einer Klage, dies stellt lediglich eine Vermögensgefährdung dar. Ein Schadenseintritt ist erst mit der ersten nachteiligen gerichtlichen Entscheidung gegeben (vgl. nur BGH NJW 2000,1263; OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 27; OLG Rostock BeckRS 2008, 24755).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – der Schaden daher frühestens mit der Kostenentscheidung im Vorprozess am 25.01.2012 entstanden, so dass die Verjährung rechtzeitig durch die Klageerhebung im März 2014 gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
3. Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Beurteilung des Amtsgerichts, dass den Klägern die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen. Soweit sich die Berufung gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts wendet, so bleibt dies ohne Erfolg.
Nach § 529 Abs.1 Nr.1 Halbs.2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGHZ 158, 269 m.w.N.). Ein solcher Verfahrensfehler liegt dann vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs.1 ZPO entwickelt worden sind, was der Fall ist, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH a.a.O. m.w.N.). Die insoweit vom Amtsgericht dargelegte freie Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO mit der Folge seiner dementsprechenden richterlichen Überzeugung begegnet im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten keinen durchgreifenden Bedenken. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO bedeutet, dass der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (Zöller-Greger § 286 Rn.13). Bei Anlegung dieser Maßstäbe zeigt die Berufung keinen Rechtsfehler der amtsgerichtlichen Beweiswürdigung auf, sondern setzt lediglich ihre Beurteilung an die Stelle der Beweiswürdigung durch das Amtsgericht.
Haben die Kläger allerdings bewiesen, dass die Beklagte durch gezielte Steuerung der Information die Willensbildung in der Eigentümerversammlung dadurch beeinflusst hat, dass sie Informationen aus dem ersten Gutachten über günstigere Sanierungsmöglichkeiten den Wohnungseigentümern bewusst vorenthalten hat, so ist der Schadensersatzanspruch begründet.
4. Insoweit kommt es auf die von der Berufung in den Mittelpunkt ihrer Angriffe gestellte Frage der Erörterung der günstigeren Sanierungsmöglichkeiten in der Versammlung nicht an. Denn aufgrund der vom Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten von der Beklagten veranlassten Übersendung lediglich eines Teils des Gutachtens war der gefasste Beschluss anfechtbar.
Bereits dieser Einwand hätte zum Erfolg der Anfechtungsklage geführt, so dass insoweit an der Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden keine Zweifel bestehen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung auch der Kammer, ist ein Beschluss bereits deshalb anfechtbar, wenn die Wohnungseigentümer ihr Ermessen nicht sachgerecht ausüben. Ein derartiger Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Wohnungseigentümer ihre Entscheidung auf der Basis einer unzureichenden Tatsachengrundlage treffen (vgl. Kammer ZMR 2017, 579; NZM 2014, 439; jew. mwN).
Damit die Wohnungseigentümer eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage haben, ist es allerdings nicht ausreichend, dass – wie dies hier nach dem Vortrag der Beklagten geschehen ist – alternative Möglichkeiten zu der Beschlussfassung im Rahmen der Eigentümerversammlung erörtert werden. Insofern gilt, dass eine Übersendung von Unterlagen zu einem vorgeschlagenen Beschluss erforderlich ist, wenn für die Beschlussfassung eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. dazu BGH, ZWE 2012, 125; Niedenführ, WEG, § 23 Rn. 68; Jennißen/ Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 56; Bärmann/ Merle, WEG, 12. Aufl., § 23 Rn. 87). Dies wird etwa regelmäßig im Hinblick auf eine Gesamt- und Einzelabrechnung angenommen (vgl. nur BGH, ZWE 2012, 125; Niedenführ § 23 Rn. 68; Jennißen/Schultzky, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 56, mit weiteren Beispielen; Bärmann/ Merle, WEG, 12. Aufl., § 23 Rn. 87; Kammer ZWE 2017, 48). Mit diesen Konstellationen ist das hiesige Sanierungsvorhaben vergleichbar, so dass auch hier die Wohnungseigentümer vor der Versammlung umfassend hätten informiert werden müssen. Dies schließt alle Sanierungsmöglichkeiten ein. Eine erstmalige Präsentation einer günstigeren Sanierungsmöglichkeit in der Eigentümerversammlung wäre für eine fundierte Vorbereitung auf die – und gerade auch im Hinblick auf eine etwaige Erörterung vor der – Beschlussfassung nicht ausreichend. Insoweit ändert auch die – zumindest theoretisch vorhandene – Möglichkeit der Eigentümer, sich zur Erlangung näherer Informationen an den Verwalter zu wenden, nichts an den gegenüber den Wohnungseigentümern bestehenden Informationspflichten (vgl. Kammer ZWE 2017, 48).
Bereits aus diesem Grund hätte die Anfechtungsklage der Kläger im Vorprozess Erfolg gehabt, denn innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist haben die Kläger ihre Angriffe im Vorprozess ausdrücklich auf diesen Punkt gestützt (vgl. Anl. K4, Bl. 75, 79 d.A. ). Dass sich dieser Punkt auf das Beschlussergebnis nicht hätte auswirken können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Alleine die Tatsache, dass bei der Versammlung nur 881/1.000 MEA vertreten waren, lässt offensichtlich erkennen, dass nicht ausgeschlossen ist, dass bei einer vollständigen Information auch andere Wohnungseigentümer zu der Versammlung gegangen wären und sich entsprechend eingebracht hätten. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Vorlage dieser Informationen sich die Wohnungseigentümer anders vorbereitet hätten und eine anderen Beschluss gefasst hätten.
Nach alledem erweist sich die Berufung daher als unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlagen in §§ 97, 708 Nr. 10, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49a GKG.
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, es handelt sich um die Entscheidung eines gesondert gelagerten Einzelfalls.